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01-06-2015 | Entsorgung | Interview | Article

Wertstoffe gehören in den Kreislauf zurück

Author: Günter Knackfuß

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Matthias Harms, Geschäftsführer des Bereichs Entsorgung bei Veolia Deutschland.


Ein neues Wertstoffgesetz ist in Planung. Doch was bisher an Eckpunkten bekannt ist, stößt aus unterschiedlichen Interessenlagen heraus auf Kritik. Wir sprachen mit Matthias Harms, Geschäftsführer bei Veolia Deutschland.

Springer für Professionals: Braucht Deutschland ein Wertstoffgesetz?

Matthias Harms: Das ursprüngliche Ziel der in den Koalitionsverträgen von 2009 und 2013 vereinbarten Fortentwicklung der Verpackungsverordnung stellte die ungenutzten Rohstoffpotenziale im Hausmüll, wie beispielsweise Holz, Papier und Glas in den Fokus. Die Kreislaufwirtschaft als Instrument einer nachhaltigen Ressourcennutzung sollte im marktwirtschaftlichen Wettbewerb für eine einheitliche haushaltsnahe Wertstofferfassung sorgen und dabei anspruchsvolle Recyclingquoten erfüllen. Vereinbart wurde zudem eine durchgängige Produktverantwortung der Produzenten. Die inzwischen vom Umweltbundesministerium erarbeitete Gesetzesinitiative hat zwar nach wie vor die Rückgewinnung der bisher im Hausmüll enthaltenen Wertstoffe im Blick, regelt jedoch nur den geringen Anteil der als "stoffgleiche Nichtverpackungen" bezeichneten Kunststoffe und Metalle. Diese sollen künftig gemeinsam mit dem Verpackungsabfall in Wertstofftonnen gesammelt und damit dem Rohstoffkreislauf wieder zugeführt werden. Ein Anliegen, dem sich auch Veolia Deutschland verpflichtet fühlt. Kritisch sehen wir jedoch, dass die weiteren Rohstoffbestandteile im Hausmüll bisher unberücksichtigt bleiben. Ein Gesetz allein für die Rückgewinnung der "stoffgleichen Nichtverpackungen" halten wir deshalb für nicht erforderlich.

Für die Registrierung soll eine "Zentralen Stelle" zuständig sein. Wie bewerten sie dies?

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Das Ministerium geht pro Einwohner und Jahr von rund sieben Kilogramm recycelbaren Kunststoffen und Metallen aus, die in den 169 Kilogramm Restmüll enthalten sind. Bundesweit könnten daher 570.000 Tonnen zusätzlich in den Kreislauf zurückgeführt werden. Für die Registrierung der sogenannten Erstinverkehrbringer von Verpackungen und stoffgleichen Produkten aus Industrie und Handel sieht das geplante Gesetz eine "Zentrale Stelle" vor. Daran üben vor allem die Gebietskörperschaften eine gut begründete Kritik. Da die haushaltsnahe Sammlung und Verwertung der zu meldenden Wertstoffe natürlich auch finanziert werden muss, sind dafür Lizenzentgelte zu entrichten. Im Bereich der Verkaufsverpackungen hat sich eine privatrechtliche Organisationsform bereits bewährt: So werden Glas und Altpapier getrennt vom Restmüll gesammelt, aber auch Kunststoffe, Metalle oder Getränkekartons über die gelben Tonnen oder Wertstoffhöfe dem Kreislauf wieder zugeführt. Betrieben wird dieses Duale System von der privaten Entsorgungswirtschaft in Zusammenarbeit mit einer koordinierenden Planstelle. Dorthin melden die Produzenten ihre in Umlauf gebrachten Verpackungsmengen und bezahlen die dafür erhobenen Lizenzentgelte. Wenn die im Wertstoffgesetz angedachte "Zentrale Stelle" nur unzulänglich mit Durchsetzungskompetenzen ausgestattet, also nicht mit hoheitlichen Aufgaben beliehen wird, könnte das Gesetz ein zahnloser Papiertiger werden. Wir wünschen uns daher eine privatwirtschaftlich organisierte und dennoch öffentlich beliehene "Zentrale Stelle".

Sie plädieren für den Erhalt der Produktverantwortung…

Technologische Innovationen und damit auch ökologische wie ökonomische Verbesserungen werden nur durch einen fairen Wettbewerb unserer Marktwirtschaft vorangetrieben. Die seit Erlass der Verpackungsverordnung gesetzten und inzwischen mit sieben Novellen angepassten Anreize für Industrie und Handel erzielen Wirkung. Wir möchten, dass auch weiterhin die umweltpolitische Verantwortung der Produzenten für den gesamten Lebensweg eines Produktes greift und sehen uns daher auf einer Linie mit den hierzu veröffentlichten Positionen des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Die dabei entstehenden Kosten dürfen nicht den Bürgern über kommunale Gebühren auferlegt werden. Sonst fehlt künftig der Anreiz für die Produzenten, ihre Verpackungsmengen zu reduzieren und Produkte so herzustellen, dass möglichst viele Rohstoffe wiederverwertet werden können.

Matthias Harms, Geschäftsführer des Bereichs Entsorgung bei Veolia Deutschland.


Warum zweifeln sie generell am Sinn eines Wertstoffgesetzes?

Sowohl die Kommunen als auch die private Entsorgungswirtschaft fragen sich, ob ein eigenes Gesetz zur Regulierung der Stoffströme von Kunstoffen und Metallen im Hausmüll wirklich notwendig ist. Zur Erinnerung: Wir reden von sieben Kilogramm je Einwohner und Jahr bei einem Aufkommen von insgesamt 453 Kilogramm unterschiedlicher Abfallsorten insgesamt. Warum werden nicht auch alle weiteren Stoffströme, wie beispielsweise Glas, Getränkekartons und Holz, in die Regulierung einbezogen und deren ressourceneffiziente Nutzung gleich mit geregelt? Braucht Deutschland wirklich die parallel existierenden Vorgaben eines Kreislaufgesetzes nebst Verpackungs- und Gewerbeabfallverordnung und dazu bald noch ein Wertstoffgesetz, das nur 0,57 von insgesamt 36,6 Millionen Tonnen Abfall pro Jahr zum Gegenstand hat? Darüber hinaus erscheinen die bisher vorliegenden Eckpunkte wenig ambitioniert und nicht detailliert genug. Der jüngste Entwurf für die beabsichtigte Novelle der Gewerbeabfallverordnung hingegen zeigt, dass es auch deutlich konkreter geht. Daran muss sich nun auch der noch ausstehende Entwurf für ein künftiges Wertstoffgesetz messen lassen.

Es besteht also keine Notwendigkeit, eine bewährte Praxis gesetzlich zu regeln…

Das entscheidende Argument liefern Städte wie Berlin, Hamburg oder Dortmund sowie viele andere Kommunen und Gemeinden: Schon seit 2011 gibt es beispielsweise in Dortmund anstelle der Gelben Tonne eine kombinierte Wertstofftonne zur gemeinsamen Sammlung von Verpackungen und stoffgleichen Abfällen. Wir bei Veolia sind daher überzeugt, dass auch zum Zweck der Wertstofftonnen-Einführung das Gesetz in den bisher skizzierten Eckpunkten nicht nötig ist: Wertstofftonnen gibt es bereits.

Falls der Gesetzgeber seinen Plan doch realisiert – welche Kernelemente sollten dann berücksichtigt werden?

Gemessen an dem Zustand von vor 20 Jahren sind die Verpackungen intelligenter und ressourcenschonender geworden. Die bisher gesetzten Anreize sind daher richtig und angemessen. Sollte der Plan eines neuen Wertstoffgesetzes realisiert werden, muss aus unserer Sicht die Produktverantwortung bei den Produzenten verbleiben. Es darf nicht zu einer gebührenfinanzierten Lösung kommen, mit der am Ende die Bürger für die Kosten der Abfallentsorgung aufkommen und vor deren Erhöhungen sie sich mehrheitlich fürchten. Als Kernelement sollte eine privatwirtschaftlich organisierte, öffentlich beliehene "Zentrale Stelle" im Gesetz vorgesehen werden, welche unabhängig und durchsetzungsfähig agieren kann.

Vielen Dank für das Interview.

Das Interview führte Günter Knackfuß, freier Autor, für Springer für Professionals.

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