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14-04-2022 | Erdgas | Interview | Article

„Sehr viel LNG-Technologie kommt aus Europa“

Author: Thomas Siebel

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Deutschland investiert in eine LNG-Infrastruktur. Laut Björn Munko bieten in Europa viele Firmen benötigte Technologien an. An der Schnittstelle zur Wasserstoffwirtschaft sind Innovationen gefragt.

Springer Professional: Bei der Verflüssigung von Erdgas gehen 10 bis 20 % des Energiegehalts verloren. Gibt es Möglichkeiten, LNG effizienter herzustellen?

Björn Munko: Die verschiedenen Verfahren der Verflüssigung werden seit Jahren immer weiter optimiert. Auch wenn ich die Verfahren nicht im Einzelnen bewerten kann, gilt hier grundsätzlich das Gesetz der Economy of Scale. Je größer die Anlage ist, desto höher ist ihre Effizienz. Trotzdem kommt man irgendwann an Grenzen. Fakt ist eben: Man muss die Energie in den Prozess reinstecken, um die Verdampfungsenthalpie rauszuholen. Das kann man nicht ändern, das ist eben Thermodynamik. Große technologische Sprünge sind bei der Verflüssigung in Zukunft nicht zu erwarten.

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LNG – von der Quelle zum Endkunden

Erdgas wird an der Quelle mit Gasverflüssigungsanlagen zu LNG verflüssigt und mit LNG-Tankschiffen in den Hub transportiert. Dort wird es mit Straßentankwagen oder Kesselwagen zum Endkunden gebracht. 

Teile des Erdgases müssen während des Transports entnommen werden, um das LNG zu kühlen. Zum Teil kann das Gas aber auch für den Schiffsantrieb verwendet werden. Wie bewerten Sie die Energiebilanz des Transports von LNG über weite Strecken?

In diesem Bereich hat es eine signifikante Entwicklung gegeben. Früher wurden LNG-Carrier noch durch Dampfturbinen angetrieben. Gas wurde im Kessel verbrannt, um Dampf für den Schiffsantrieb zu erzeugen. Dabei wurde das gesamte Boil-off-Gas – also das Gas, das man für die Kühlung des LNG abnehmen musste – für den Antrieb verbrannt. Das waren dann ungefähr 0,2 % des Tankvolumens pro Tag. Heute werden moderne Schiffe durch Dual-Fuel-Maschinen angetrieben, die auch mit Gas fahren können. Die Zweitakt-Hauptmaschinen waren mit ihrer Einführung schon so effizient, dass man plötzlich mehr Boil-off-Gas hatte, als man zum Antrieb verbrauchen konnte.

Die Schiffsantriebe waren also gewissermaßen zu effizient?

Ja, deswegen hat der große Hersteller von LNG-Membrantanks GTT im letzten Jahrzehnt die Tankisolierung immer weiter verbessert. Dadurch halbierte sich die Menge des abzunehmenden Boil-off-Gases und die anfallenden Gasmengen entsprachen wieder dem Verbrauch des Schiffsantriebs. 

Wie hoch ist dann der Erdgasverbrauch für den Schiffsantrieb, gemessen am insgesamt transportierten LNG?

Gering. Insgesamt liegt der transportbedingte Erdgasverbrauch im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Dabei macht es auch keinen großen Unterschied, dass die Schiffe noch einen Teil des LNG im Tank behalten – als Treibstoff für die Rückreise und zur Kühlung des Tanks vor der erneuten Befüllung mit LNG.

Warum muss das Boil-off-Gas während des Transports eigentlich noch rückverflüssigt werden, wenn es doch auch für den Schiffsantrieb eingesetzt wird?

Das liegt daran, dass sich der Handel mit Erdgas verändert hat: Früher sind die LNG-Carrier von A nach B gefahren; sie waren gewissermaßen eine virtuelle Pipeline. In den letzten 10 oder 15 Jahren hat sich aber auch ein relativ großer Spot Trade entwickelt, der heute bereits etwa 30 % des weltweiten LNG-Handels ausmacht. Deswegen fahren viele Schiffe oftmals langsam oder sie warten. Damit sinkt der Verbrauch, während das Boil-off-Gas aber weiterhin anfällt. Für solche Zeiten, in denen der Verbrauch also unter der Boil-off-Gas-Rate liegt, wurden die Verflüssigungseinheiten eingebaut.

Das Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik rechnet mit einem Bedarf von etwa 160 neuen Gastankern, wenn man russische Erdgasimporte komplett durch LNG ersetzen wollte. Stimmen Sie dieser Einschätzung zu?

Die Rechnung ist nachvollziehbar, aber stark am oberen Rand abgeschätzt. So haben wir heute schon den Import von russischem Gas auf circa 34 bcm durch verschiedene Maßnahmen reduzieren können, während die Abschätzung noch auf 55 bcm basiert. Allerdings glaube ich nicht, dass wir das gesamte russische Erdgas durch LNG ersetzen können oder müssen. Zum einen kann zusätzlich der Gasverbrauch gesenkt werden, zum anderen gibt es weitere Möglichkeiten, mit Pipelinegas zum Beispiel aus Norwegen zu substituieren. Außerdem liegt das Bottleneck nicht nur bei den Schiffen, die wir für den Transport brauchen, sondern auch in den FSRU-Kapazitäten. Das heißt, es fehlen schwimmende LNG-Terminals mit Regasifizierungsanlagen. Kurzum, es gibt drei limitierende Faktoren: Erstens brauchen wir Schiffe, zweitens muss die nötige LNG-Menge am Markt verfügbar sein und drittens muss ich diese Menge auch noch importiert bekommen.

Wird sich diese Gemengelage nicht trotzdem wie ein großes Konjunkturprogramm für den Schiffbau in Europa auswirken?

Wahrscheinlich nicht. Klassischerweise werden LNG-Carrier in Korea und Japan gebaut, auch China ist in den Markt eingestiegen. Der deutsche und der europäische Schiffbau ist für diese Art von Schiffen einfach zu teuer. Die Meyer Werft hat schon kleine, sogenannte Small-Scale-LNG-Carrier gebaut. Solche Shuttle Carrier und auch Bunkerschiffe wird es hier auch weiterhin geben. Bei solchen Bunkerschiffen geht es jedoch um LNG als Fuel. Allerdings kommt sehr viel Technologie, die auf den LNG-Carrieren eingesetzt wird, aus Europa.

Welche Technologien könnten europäische Firmen für LNG-Schiffe liefern?

In Deutschland und Europa gibt es sehr, sehr viele Firmen mit entsprechenden Technologien. Beispielsweise Cryostar, Atlas Copco – große internationale Gruppen mit starken Technologiezentren in Europa – und Burckhard Compression aus der Schweiz im Bereich der Verflüssigung, Kompressoren und Pumpen, MAN Energy Solutions oder Winterthur Gas and Diesel im Bereich Schiffsantriebe und natürlich auch GTT mit seinen Membrantanks, um nur einige Firmen zu nennen. Aber auch in der Steuerungstechnik spielen Firmen wie Kongsberg eine wichtige Rolle.

Sind im Bereich der LNG-Technologien in den nächsten Jahren grundlegende Innovationen zu erwarten?

Das sehe ich nicht, zumindest nicht als direkte Folge der aktuellen Situation. Der LNG-Markt entwickelt sich ja momentan ohnehin rasant, wie beispielsweise der aktuelle World LNG Report der International Gas Union bestätigt. Die gehandelten LNG-Mengen steigen. Die Schiffsflotten wären auch ohne die aktuelle geopolitische Entwicklung signifikant gewachsen. Die Technologie entwickelt sich dabei permanent weiter, insbesondere in den Bereichen LNG-Antrieb und Dekarbonisierung der Schifffahrt.

Kann eine künftige Wasserstoffwirtschaft in Deutschland vom Ausbau der LNG-Infrastruktur profitieren?

Ja. Deutschland macht sich als erstes Land darüber Gedanken, wie man ein LNG-Terminal noch anderweitig nutzen kann. Die neuen Terminals in Deutschland sollen H2-ready sein, wobei es nicht nur um den direkten Wasserstoffimport geht, sondern auch um Wasserstoffderivate wie Ammoniak. Hier gibt es eine Menge Innovationsbedarf, im Bereich der Carrier und auch bei den Terminals. Im DVGW gibt es hierzu einige interessante Studien, wie zum Beispiel das Transhyde-Projekt.

Sie sehen also Synergien zwischen diesem abrupt hereingebrochenen Bedarf an LNG und der Entwicklung hin zur Wasserstoffwirtschaft?

Definitiv. Das zeigt allein die Pipeline-Anbindung von Wilhelmshafen. Wenn dort ein FSRU-Schiff hinverlegt wird, dann kann das im Moment zwar noch keinen Wasserstoff verarbeiten, aber die Rohrleitung wird Wasserstoff aufnehmen können. An solchen Stellen kann dann später, mit entsprechend flexiblen Schiffen, auch Wasserstoff importiert oder Ammoniak angelandet werden. Ich denke, man investiert an dieser Stelle in die Zukunft. In meiner neuen Rolle beim DVGW bin ich froh, die dazu notwendige Regelsetzung zur Unterstützung der deutschen Gas- und Wasserstoffwirtschaft und Industrie mitgestalten zu können.

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