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23-11-2015 | Erneuerbare Energien | Interview | Article

Sind Biokraftstoffe besser als ihr Ruf?

Author: Günter Knackfuß

4:30 min reading time

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Im Verkehrssektor hinken die Erneuerbaren Energien der Energiewende hinterher. Von ihrem Ziel eines 10-Prozent-Anteils bis 2020 ist die EU weit entfernt. Springer für Professionals sprach mit Claus Sauter über Biokraftstoffe.

Springer für Professionals: Welche Chancen haben Biokraftstoffe derzeit in Deutschland?

Claus Sauter: Grundsätzlich bieten uns die Rahmenbedingungen nachdem die Überarbeitung der EU Renewable Energy Directive (RED) auf europäischer Ebene endlich abgeschlossen ist, wieder eine stabile Basis für unser Geschäft zunächst bis 2020. Die Besonderheit in Deutschland liegt aber in der seit 1. Januar 2015 geltenden Treibhausgasreduktionsquote (THG-Quote), die für neue Spielregeln im einheimischen Markt gesorgt hat: In Deutschland kommen nur noch solche Biokraftstoffe mit der besten Klimabilanz -  sprich mit der höchsten CO2-Einsparung - zum Einsatz.

Wie stellt sich gegenwärtig die Berechnung nach THG-Quote dar?

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Zunächst möchte ich nochmals klarstellen, dass die THG-Quote bisher nur in Deutschland eingeführt wurde. Sie legt fest, dass aktuell pro Jahr die Treibhausgasemissionen von Diesel und Benzin durch den Einsatz von Biokraftstoffen um 3,5 Prozent reduziert werden müssen. Diese THG-Quote erhöht sich 2017 auf 4,0 Prozent und 2020 auf 6,0 Prozent.

Sind die Biokraftstoffe wirklich besser als ihr Ruf?

Eindeutig! Die Einführung der THG-Quote in Deutschland hat es eindrucksvoll bewiesen: die auf dem Markt befindlichen Biokraftstoffe erreichen weit mehr als die derzeit geforderten 35 Prozent CO2-Reduktion. Die Spitzenwerte der realisierten CO2-Einsparung lagen gemäß der Statistik der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, BLE, im ersten Quartal 2015 bei bis zu 100 Prozent. Die aktuell festgesetzte THG-Quote von 3,5 Prozent CO2-Reduktion ist also durch unsere Biokraftstoffe spielend leicht zu erreichen. Die Quote ist keine Herausforderung, nein, sie ist viel zu niedrig angesetzt. Dies beweist die Tatsache, dass im ersten Quartal 2015 insgesamt 5 Prozent weniger Biokraftstoffe zur Erreichung der CO2-Einsparung benötigt wurden als noch im Vergleichszeitraum des Vorjahres in Verkehr gebracht wurden.

 

Wie entwickelt sich die Produktion von Biokraftstoffen der 2. Generation und wo liegen die Grenzen?

Es gibt in Deutschland und Europa verschiedene Entwicklungsprojekte für Biokraftstoffe der 2. Generation bzw. fortschrittliche Biokraftstoffe – also solche, die ausschließlich aus Nicht-Nahrungsmittel-Rohstoffen hergestellt werden. Auch wir haben uns mit diesem Thema intensiv beschäftigt und haben im Oktober 2014 eine Anlage zur Produktion von Biomethan aus 100 Prozent Stroh an unserem Standort in Schwedt in Betrieb genommen. Es handelt sich dabei nicht um ein Labor-Projekt, sondern um eine Anlage, die bereits konstant Mengen im GWh-Bereich produziert. Das zeigt: technologisch geht die Entwicklung für die Produktion von fortschrittlichen Biokraftstoffen der 2. Generation rasant und erfolgreich voran. Aber diese Entwicklung geht durch die fehlenden attraktiven und sicheren Rahmenbedingungen nicht weiter. Die EU-Kommission hat in der Erneuerbaren Energie Richtlinie keine verbindliche Unterquote für fortschrittliche Biokraftstoffe der 2. Generation festgelegt. Die Kommission hat nur eine freiwillige Quote von 0,5 Prozent angeregt. Es bleibt den Mitgliedsländern überlassen, diese freiwillige Quote umzusetzen. Ohne verbindliche Unterquote für fortschrittliche Biokraftstoffe gibt es aber keinen Bedarf und keinen Anreiz für Investitionen in solche Anlagen. Es liegt an der Bundesregierung eine verbindliche Quote für fortschrittliche Biokraftstoffe, die aus Nichtnahrungsmittelrohstoffen hergestellt werden, einzuführen.

In Schwedt/Oder betreiben sie eine Biomethan-Produktion aus Stroh. Wie ist die derzeitige Situation?

Unsere Stroh-Biomethananlage ist im Oktober 2014 ans Netz gegangen. Seitdem speisen wir kontinuierlich jeden Monat Biomethanmengen im GWh-Bereich ins Erdgasnetz ein und vermarkten diese als Biokraftstoff für Erdgasfahrzeuge an über 100 Erdgastankstellen bundesweit. Die Anlage wird nun bis 2019 planmäßig weiter ausgebaut – bis auf eine Kapazität von 140 GWh Biomethan pro Jahr. Dann werden wir jährlich ca. 40.000 Tonnen Stroh verarbeiten. Wir haben großartige technologische Fortschritte gemacht.

Welche Vorschläge macht ihre Branche zur Verbesserung künftiger Rahmenbedingungen?

Wir schlagen zum einen vor, die THG-Quote in Deutschland bereits in 2016 auf 4,0 Prozent anzuheben und dann jährlich kontinuierlich um jeweils 0,5 Prozent zu erhöhen, um dann im Jahr 2020 die geplanten 6,0 Prozent zu erreichen. Darüber hinaus setzen wir uns für die Einführung einer verbindlichen Unterquote für fortschrittliche Biokraftstoffe der 2. Generation in Höhe von 0,1 Prozent ab 2017 ein. Diese Unterquote kann jährlich bis 2020 um je 0,1 Prozent erhöht werden, sodass im Jahr 2020 insgesamt 0,4 Prozent THG-Einsparung aus fortschrittlichen Biokraftstoffen der 2. Generation kommen könnten. So eine kontinuierliche und dem wahren Potenzial der auf dem Markt verfügbaren Biokraftstoffe entsprechende Quotenentwicklung bietet dann auch die notwendigen Anreize und Sicherheit für weitere Investitionen in den Ausbau und die Optimierung bestehender Anlagen zur Produktion von Biokraftstoffen der 1. Generation und in die Technologieentwicklung zur Produktion von Biokraftstoffen der 2. Generation. Ohne zusätzliche Investitionen in neue Technologien für fortschrittliche Biokraftstoffe ist die THG-Quote von 6 Prozent bis 2020 nicht zu schaffen.

Vielen Dank für das Interview.

Das Interview führte Günther Knackfuß, freier Autor, für Springer für Professionals.

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