2009 | OriginalPaper | Chapter
Europäische Identität denken
Author : Nedim Gürsel
Published in: Europäische Identität als Projekt
Publisher: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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Wenn der Ausgangspunkt für die Entwicklung einer europäischen Identität kein geographischer sein kann, wenn die europäische Identität nur vor dem Hintergrund einer Geschichte wechselnder Grenzen existiert, kann man sie dann als eine Gesamtheit von Antagonismen, Teilungen und Konflikten beschreiben, die sie durch die bewegte Geschichte hindurch geformt und erhalten haben? Ein jeder weiß, dass Geschichte als Köder dient, es gibt nicht die
eine
Geschichte der gesamten Menschheit, sondern verschiedene Geschichten, die sich manchmal überschneiden und oftmals neue Geschichte(n) erzeugen, in einer kreisenden Bewegung, die Edgar Morin in seinem Buch
Penser l’Europe
als „Wirbelwind“ bezeichnet. Dieser Titel selbst ist bereits ein Programm für sich, denn in der Tat muss „Europa gedacht werden“, bevor man es als eine Einheit dem Rest der Welt gegenüberstellt. Europäische Identität muss in Form von Zivilisation und Kultur gedacht werden und dies, wenn möglich, von einem nicht-europäischen Standpunkt aus. Denn es ist, das unterstreicht auch Morin, schwierig, “Europa von Europa aus wahrzunehmen“ (
Morin 1987: 24
). In den aktuellen Diskursen ist es nun aber so, dass die Anhänger des „Nein“ zum Türkeibeitritt meinen, dass dieses Land der „europäischen Zivilisation“ fremd sei, dass dieses vergebens versucht habe, die großen politischen Fortschritte Europas, wie z.B. den Nationalstaat, den Parlamentarismus und die Demokratie, zu imitieren, und dass es notwendig sei, die Türkei in ihrer Andersartigkeit ein- bzw. auszuschließen.