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2022 | Book

Europäische Union und Währungsunion in der Dauerkrise I

Eine Bestandsaufnahme

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About this book

Die europäischen Integrationsanstrengungen stehen auf der Kippe. Dabei wirkt die Euro-Währungsunion in ihrer jetzigen Verfassung ungewollt eher als ein Des-Integrationsfaktor denn als ein verbindendes Element. Dirk Meyer liefert Zustandsbeschreibungen, Analysen und Hintergründe dieser Krise. Das Buch ist das Ergebnis einer über zehnjährigen Beschäftigung mit der Thematik.

Table of Contents

Frontmatter
1. Einführung
Zusammenfassung
Am 1. Januar 2019 jährte sich die Einführung des Euro zum 20. Mal. Zum 1. Januar 1999 führten 11 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) den Euro als Buchgeld (Giralgeld) ein, drei Jahre später folgte das Euro-Bargeld. Seither ist der Euroraum auf 19 Mitgliedstaaten angewachsen. Dieser Band ist eine Bestandsaufnahme, die Funktionsmängel der Euro-Währungsunion aufzeigt. Sie liefert Hintergründe und Zusammenhänge zur Euro-Krise und zur Krisen-Reaktionspolitik, die in der Tagespolitik entweder gar nicht zum Tragen kamen oder schnell vergessen wurden.
Dirk Meyer

Teil I

Frontmatter
2. Die Politik der Alternativlosigkeit: Wie es dazu kam und warum ein Wechsel angeraten ist
Zusammenfassung
“Scheitert der Euro, dann scheitert Europa”. Dieser Satz aus der Regierungserklärung Angela Merkels vom 19. März 2010 wurde zum Leitspruch für die “Euro-Rettung” von Beginn an. Doch nicht die Stabilität des Kreises der Mitglieder der Europäischen Währungsunion (EWU), sondern die Stabilität der Euro-Währung (Art. 127 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, AEUV) sowie das Verbot der monetären Staatsfinanzierung (Art. 123 AEUV) und das Bail-out-Verbot (Art. 125 AEUV) sind die vertragliche Grundlage.
Dirk Meyer
3. Die Flüchtlings- und Eurokrise: Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der politischen Handhabung
Zusammenfassung
Neben dem Brexit sind die Flüchtlings- und Eurokrise zentrale europäische Konfliktfelder. Eine wesentliche Gemeinsamkeit dieser Krisensituationen war der Mangel an entsprechenden Notfallvorkehrungen. Trotz unterschiedlicher politischer Handhabung stellt der de facto Bruch des EU-Rechts in der Flüchtlings- und Eurokrise langfristig Gefahren für Rechtsstaat, Demokratie und Gewaltenteilung dar.
Dirk Meyer

Teil II

Frontmatter
4. Niedrigzinsen: Folgen und Gefahren
Zusammenfassung
Die “außergewöhnlichen Maßnahmen” der expansiven Geldpolitik haben u. a. zu Niedrig-, Negativ- und Strafzinsen geführt. Unter Berücksichtigung der Inflationsrate und des Zinsabschlages ergeben sich für Spareinlagen und Bundesanleihen seit Jahren negative Renditen, sprich Substanzverluste. Ein Zinsanstieg würde die Zinslast der Staaten dramatisch erhöhen, bei Fristeninkongruenz der Finanzierung droht Banken Illiquidität und Unternehmen bricht die Rentabilität weg. Die Gefahren für die Finanzstabilität von Banken und Eurostaaten sind immens.
Dirk Meyer
5. Nivellierung der Risikoprämien durch die EZB
Zusammenfassung
Die monetäre Krisenpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) hat zu Niedrig- und Negativzinsen geführt. Nicht nur das außergewöhnlich niedrige Zinsniveau, sondern auch die im Rahmen der monetären Krisenpolitik egalisierten Risikoprämien bewirken neben einer Kapitalfehlleitung in die Krisenstaaten einen erheblichen impliziten Einkommenstransfer aus den Gläubigerstaaten. Die Schuldenfalle niedriger Zinsen verführt öffentliche Haushalte der Krisenstaaten zu einer erhöhten Verschuldung, die spätestens bei steigenden Zinsen zum Problem wird. Darüber hinaus hat die EZB ganz offensichtlich die Funktion als Kreditgeber der letzten Instanz (Lender of last Resort, LoR) für Banken und Mitgliedstaaten übernommen.
Dirk Meyer
6. Negativrenditen bei Unternehmensanleihen: Wie die EZB die Steuerungsfunktion des Kapitalmarktzinses außer Kraft setzt
Zusammenfassung
Seit Juni 2016 kauft die Europäische Zentralbank (EZB) auch Unternehmensanleihen. Negativrenditen für Unternehmensanleihen infolge dieser Ausweitung des Ankaufprogramms der EZB setzen die volkswirtschaftliche Steuerungsfunktion des Kapitalmarktes außer Kraft. Investitionen werden trotz einer negativen Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals betriebswirtschaftlich lohnend.
Dirk Meyer
7. Gibt es bald eine Euro-Parallelwährung? – Zum Vorschlag einer Steuer auf Bargeld
Zusammenfassung
Aus den Reihen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) dringt die Idee, die Wertaufbewahrung in Bargeld zwecks Umgehung negativer Zinsen auf Depositen und Spareinlagen unattraktiv zu machen. Euro-Bargeld und Euro-Buchgeld würden als zwei Währungen mit festem Umtauschkurs zirkulieren. Das Euro-Bargeld würde in Höhe des negativen Leitzinses/Tagesgeldsatzes gegenüber dem Euro Buchgeld abgewertet – was quasi einer Steuer auf Bargeld entspricht.
Dirk Meyer
8. Das neue Geldwäschegesetz: Ein erneuter Vorstoß zur Bargeldbeschränkung
Zusammenfassung
Bargeld hat in Deutschland trotz verschiedener elektronischer Zahlungsmedien (Kredit-/Geldkarte) immer noch eine bedeutende Funktion. Die Umsetzung der Vierten und Fünften EU-Geldwäscherichtlinie in deutsches Recht hat zu einem stark veränderten Geldwäche-Gesetz (GwG) geführt. Damit verbunden sind eine erhebliche Ausweitung der Regulierungen und eine de facto Beschränkung des Bargeldverkehrs. Insbesondere Kreditinstitute, aber auch bargeldintensive Dienstleister und Händler werden zukünftig erhebliche Prüfauflagen erfüllen müssen. Es findet ein weiterer Schritt in die Richtung “gläserner Bürger” statt.
Dirk Meyer
9. Italienische Bankenrettung: EU-Abwicklungsrichtlinie und ein ”italienischer Weg“
Zusammenfassung
Ein negativer Einlagenzins der Europäischen Zentralbank (EZB), eine extrem niedrige Zinsmarge zwischen Einlagen- und Kreditgeschäft, der wachsende Regulierungsdruck und ein hoher Investitionsbedarf in die IT-Technik: Die europäischen Banken stehen schweren Zeiten gegenüber. Bei zahlreichen mediterranen Geschäftshäusern kommen eine Klientelpolitik, eine strukturelle Schwäche der kreditnehmenden Unternehmen, eine auch deshalb riskante Kreditvergabe, mangelhafte interne Kontrollen sowie unzureichende externe Prüfungen der nationalen Aufsichtsbehörden hinzu. Generell führt der dort von heimischen Finanzinstituten gehaltene relativ hohe Anteil an Staatsschuldtiteln zu einer unheilvollen Verbindung, die die Staatsschuldenkrise mit der Bankenkrise verschmelzen lässt. Der neu errichtete Bankenabwicklungsmechanismus gibt eine “Haftungskaskade” vor, die durch eine Gläubigerbeteiligung (Bail-in) letztendlich den Steuerzahler vor einer Inanspruchnahme schützen soll. Allerdings findet über den Europäischen Bankenabwicklungsfonds und den ESM als Backstop eine neue Vergemeinschaftung von Hilfen und Haftung statt.
Dirk Meyer
10. Schuldenerleichterungen für Griechenland: Ein Überblick bisheriger Entlastungen
Zusammenfassung
Das dritte Hilfsprogramm für Griechenland lief im August 2018 aus. Bislang wird angestrebt und davon ausgegangen, dass Griechenland seinen zukünftigen Kreditbedarf am freien Kapitalmarkt finanzieren kann. Um dies zukünftig möglich zu machen, wurden in der Vergangenheit zahlreiche Schuldenerleichterungen vorgenommen, teils im Nachhinein – beginnend mit einer Lockerung der Kreditkonditionen bis hin zum offenen Schuldenerlass. Die (bislang) letzten Schuldenerleichterungen beschloss die Eurogruppe im Juni 2018. Von 2012 bis 2018, dem Ende des dritten Hilfsprogramms, hat Griechenland immer wieder Schuldenerleichterungen bzw. Finanzierungsvorteile auf der Basis von Nachverhandlungen erhalten. Ein Schuldenschnitt privater und öffentlicher Gläubiger (2012), ein Schuldenrückkauf-Programm (2012), die Verlängerung der Kreditlaufzeiten, eine Absenkung des Kreditzinses und ein geändertes Schuldenmanagement der Rettungsfonds (2017) summieren die Vorteile bis 2017 auf 274 bis 290 Mrd. EUR. Hinzu kommt ein de facto viertes Hilfsprogramm in Höhe von 47 Mrd. EUR, das mit der Entlassung Griechenlands aus den Euro-Hilfen im Sommer 2018 gewährt wurde.
Dirk Meyer

Teil III

Frontmatter
11. ANFA: Euro-Geldschöpfung durch die Mitgliedstaaten
Zusammenfassung
Die Mitgliedschaft in der Europäischen Währungsunion (EWU) kennzeichnet einen Automatismus. Dabei übertragen die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, ihre Währungssouveränität auf die Europäische Union (EU). Für die EWU besteht eine zentrale geld- und währungspolitische Zuständigkeit in Form des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB), das durch das Beschlussorgan der Europäischen Zentralbank (EZB) für die einheitliche Geldpolitik zuständig ist. ELA-Notkredite, ANFA und die TARGET2-Salden ermöglichen den nationalen Zentralbanken (NZBen) jedoch die Ausgabe von nationalem Zusatzgeld, das unter anderem der monetären (Zwischen-)Finanzierung von Krisenstaaten und/oder der Unterstützung insolventer Banken dient. Darüber hinaus finanziert es Kapitalflucht und gewährt einen subventionierten Kreditzugang für Importe. Hinzu kommen seit 2015 die Anleihekaufprogramme der EZB. Anhand ausgewählter Krisensituationen wird gezeigt, das der EZB-Rat seine Kontrollfunktion nicht wahrgenommen hat und teilweise wissentlich gegen den AEUV, die EZB-Satzung sowie interne Vorgaben verstoßen hat.
Dirk Meyer
12. PSPP-Ankäufe als nationales Zusatzgeld mit geldpolitischer Relevanz: Eine Neuinterpretation der ANFA-Bestände aus aktuellem Anlass
Zusammenfassung
Das ANFA-Abkommen (Agreement on Net Financial Assets) ermöglicht den nationalen Zentralbanken des Euroraumes Eigenanlagen abseits geldpolitischer Zwecke zugunsten nationaler, auch fiskalischer Aufgaben, soweit diese mit den geldpolitischen Zielen und Aufgaben des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) vereinbar sind. Der Beitrag geht der Frage nach, inwieweit die PSPP-Staatsanleihekäufe (Public Sector Purchase Programme) sachlich-funktional zu den ANFA-Eigenanlagen rechnen. Sodann werden die Wirkungen auf die geldpolitische Steuerung des ESZB unter Einbezug der PSPP-Ankäufe untersucht. Die Ergebnisse der Analyse erlangen vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes v. 5. Mai 2020 eine besondere Relevanz.
Dirk Meyer
13. Das PSPP-Staatsanleiheprogramm: Empirische Daten und Regelwerk stellen das Urteil des BVerfG teilweise infrage
Zusammenfassung
Der Beitrag analysiert die Staatsanleihekäufe des PSPP-Programms (Public Sector Purchase Programme) vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts 2 BvR 859/15 v. 5. Mai 2020. Während das Gericht keine offensichtliche Umgehung des Verbots der monetären Staatsfinanzierung anhand der von ihm aufgestellten ‘Garantien’ erkennen kann, wird deren Einhaltung mittels Analyse der EZB-Beschlüsse sowie empirischer Daten kritisch hinterfragt. In der ökonomischen Analyse werden deshalb das Ausmaß und die geldpolitische Ausrichtung des PSPP-Programms problematisiert. Im Zentrum stehen die Abweichung der Anteile einzelner Länder an den PSPP-Käufen vom Kapitalschlüssel der EZB, die Intransparenz sowie die Vergemeinschaftung möglicher Verluste. Zudem wird die Prüfung der ‘Garantien’ auf das PEPP-Programm ausgeweitet und analysiert, welche Folgen eine Rückabwicklung der Programme hätte.
Dirk Meyer
14. Das TARGET2-System: Lösungen aus einer Sackgasse
Zusammenfassung
TARGET2 ist ein Verbund der nationalen Zentralbanken (NZBen) des Euroraumes zu einem einheitlichen Zahlungsverkehrssystem als wesentlicher Bestandteil einer Kapitalmarktunion. In einem multilateralen Verrechnungsverfahren werden alle innertäglichen bilateralen Verbindlichkeiten und Forderungen zusammengeführt und die so entstehenden Salden am Ende eines Geschäftstages auf die EZB übertragen. Damit entstehen entsprechende Verbindlichkeiten/Forderungen dieser NZBen gegenüber der EZB, die von erheblichen strukturellen Ungleichgewichten zeugen. Die Überschussländer halten unbesicherte, quasi wertlose TARGET-Forderungen und sind im Fall einer Krise einem hohen Erpressungspotenzial ausgeliefert. Es werden unterschiedliche Lösungswege aus diesem Dilemma entwickelt.
Dirk Meyer
Backmatter
Metadata
Title
Europäische Union und Währungsunion in der Dauerkrise I
Author
Prof. Dr. Dirk Meyer
Copyright Year
2022
Electronic ISBN
978-3-658-35715-3
Print ISBN
978-3-658-35714-6
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-35715-3