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Europäisches Steuerverfassungsrecht

Symposion aus Anlass der Verabschiedung von Professor Dr. h.c. Rudolf Mellinghoff als Präsident des Bundesfinanzhofs

  • 2023
  • Book
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About this book

Dieser Band enthält Beiträge führender Steuer-, Verfassungs- und Europarechtswissenschaftler zu aktuellen Fragen des Europäischen Steuerverfassungsrechts. Die Aufsätze beruhen auf Vorträgen, die am 20. Mai 2022 anlässlich eines Festsymposions zur Verabschiedung von Professor Dr. h.c. Rudolf Mellinghoff als Präsident des Bundesfinanzhofs vorgestellt wurden. Das Themenspektrum reicht dabei von den Kompetenzen des Europäischen Steuergesetzgebers und dem Grundrechtsschutz im Bereich des europäischen Steuerrechts bis hin zu Vorschlägen für eine stärkere demokratische Rückanbindung im Fall der Einführung europäischer Steuern sowie zu Ausführungen zum Verhältnis von Persönlichkeitsrechten und öffentlichem Informationsinteresse bei der Offenlegung von Steuerdaten. Die Beiträge nehmen neben dem geltenden Recht stets auch die Zukunft und die Entwicklungsmöglichkeiten des Europäischen Steuerverfassungsrechts in den Blick.

Table of Contents

Frontmatter
1. Von einem, der auszog, die Welt des Steuerrechts zu erkunden
Zusammenfassung
Wenn wir heute das richterliche Wirken und das wissenschaftliche Werk eines bedeutenden Juristen würdigen wollen, so empfiehlt es sich, zunächst einen Blick auf seine Biografie zu werfen. Ich nenne zehn Stationen, in denen dieses Juristenleben in seiner Entwicklung und seinen Rahmenbedingungen sichtbar wird.
Paul Kirchhof
2. Europäisches versus nationales Steuerverfassungsrecht
Zusammenfassung
Das nationale Steuerverfassungsrecht wird zunehmend durch Europäisches Steuerverfassungsrecht ergänzt, zum Teil auch überlagert. Um die Materien strukturiert in Beziehung zu setzen, ist zunächst auf das grundsätzliche Verhältnis zwischen dem staatlichen Verfassungsrecht und dem Recht der Europäischen Union einzugehen. Auf dieser Grundlage wird sodann erörtert, was unter Europäischem Steuerverfassungsrecht zu verstehen ist und welche Potentiale es bietet. Hieran schließt sich eine Analyse des gegenwärtigen Bestandes an Europäischem Steuerverfassungsrecht in seinem Verhältnis zum mitgliedstaatlichen Steuerverfassungsrecht an; zum einen bezogen auf wesentliche rechtliche Inhalte, zum anderen bezogen auf einige übergreifende Charakteristika und Entwicklungsfaktoren. Am Ende steht ein Fazit, das in einer Perspektivenbildung mündet. Viel spricht im Ergebnis für mehr aktive Gestaltung. Die Mitgliedstaaten sollten der Union ergänzende, ausdrückliche Regelungskompetenzen für bestimmte Bereiche des direkten, insbesondere internationalen Steuerrechts übertragen. Der Unionsgesetzgeber sollte auf dieser Grundlage noch stärker konzeptionell denken und eigenständige, konstruktive Federstriche im Sekundärrecht vornehmen, um strukturierendes und tragfähiges Europäisches Steuerrecht zu schaffen. Dies wären wichtige Schritte auf dem Weg zu einem fruchtbaren, komplementären Nebeneinander der Steuerverfassungsrechtsordnungen der Mitgliedstaaten und der Union.
Hanno Kube
3. Kompetenzen des Europäischen Steuergesetzgebers
Zusammenfassung
Der Europäische Steuergesetzgeber lotet seine Kompetenzen unter einer sehr zurückhaltenden Beteiligung der Parlamente aus. Sekundärrecht muss sich im Rahmen der Ermächtigungsgrundlagen halten und das Primärrecht, insbesondere die Grundfreiheiten und Grundrechte, beachten (keine „Immunisierung“). Maßnahmen zur Umsetzung der BEPS-Vorgaben der OECD und zur Schließung von Lücken bei der Besteuerung der digitaler Geschäftsaktivitäten haben den Schutz des Steueraufkommens und eine faire nachhaltige Besteuerung zum Ziel. Das Ziel einer fairen Besteuerung impliziert auch die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen, doch könnte man darüber diskutieren, ob das für die Anwendung der Ermächtigungsgrundlagen der Art. 113, 115 AEUV ausreicht. Diese zielen darauf ab, Hindernisse für den Binnenmarkt zu beseitigen und so Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Um eine faire, nachhaltige Besteuerung zu ermöglichen, transformiert der EU-Gesetzgeber „mit Vehemenz ... in unbekannter Rasanz“ (Johanna Hey) nicht bindende Empfehlungen der OECD in bindende Richtlinien, die die Mitgliedstaaten umzusetzen haben. Der Rat legiferiert auf Vorschlag der Kommission und nach bloßer Anhörung des Europäischen Parlaments. Die parlamentarische und die öffentliche Diskussion bleiben dabei teilweise auf der Strecke, da diese zu viel Zeit beanspruchen könnte. Bei der Mittelbeschaffung durch die Union zeigt sich eine ähnliche Tendenz. Die herkömmlichen Beiträge der Mitgliedstaten werden in den nationalen Parlamenten diskutiert. Das EU-Parlament fordert jedoch seit Langem eine Reform der Eigenmittel. Mit „Next Generation EU“ hat der Rat möglicherweise einen Schritt in diese Richtung unternommen, indem er eine neue Kategorie von Eigenmitteln in Form von Krediten geschaffen hat. Auch hier wird das Parlament der Union nur angehört.
Juliane Kokott
4. Steuergewalt und Demokratieprinzip in der Europäischen Union
Zusammenfassung
Das Europäische Steuerverfassungsrecht befindet sich in der „Verflechtungsfalle“. Einerseits wirkt das Europäische Recht durch Anwendung der Binnenmarktregeln, durch Richtlinien und durch das Beihilfenrecht immer stärker auf die nationalen Rechtsordnungen ein. Andererseits ist die Europäische Union in ihrem Haushaltshandeln vielfach durch Vorbehalte zugunsten der mitgliedstaatlichen Regierungen und Parlamente beschränkt. Der Beitrag analysiert die steuerbezogenen Kompetenzen der europäischen Institutionen und plädiert für einen neuen – auf Trennung und Ermächtigung der Regelungsebenen ausgerichteten – Ansatz.
Wolfgang Schön
5. Solidität und Solidarität in der Europäischen Finanzverfassung
Zusammenfassung
Die Solidarität gehört zu den zentralen Werten der Europäischen Union und wird in den Verträgen, dem Primärrecht, vielfach beschworen: so benennt schon die Präambel des EU-Vertrages das Ziel der Europäischen Union „die Solidarität zwischen ihren Völkern unter Achtung ihrer Geschichte, ihrer Kultur und ihrer Traditionen zu stärken“. Gleichsinnig heißt es in Art. 2 Satz 2 EUV nach der Auflistung der Werte der Europäischen Union wie Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Minderheitenschutz, dass diese Werte allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam seien, „die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet“.
Peter M. Huber
6. „Money Talks“ im Spannungsverhältnis zwischen europäischen Freiheitsrechten und Persönlichkeitsschutz
Zusammenfassung
Wie viel Transparenz ist bei Einkommen und Vermögen geboten, wie weitgehend muss der Schutz von Privatheit in diesem Bereich sein? – In der vorliegenden Abhandlung wird im Spiegel der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und nationaler Gerichte gezeigt, wie unterschiedlich die Ansätze zur Beantwortung dieser grundsätzlichen Frage in Europa sein können. Finnland setzt um der Demokratie willen umfängliche Transparenz voraus und verpflichtet zur Offenlegung aller Steuerzahlungen. Normiert ist eine Transparenz ex ante, bevor Missstände es erforderlich machen, korrigierend einzugreifen. Im Gegensatz dazu ist der Ansatz in Albanien als Transparenz ex post zu bezeichnen, da der Gesetzgeber erst eingegriffen hat, nachdem eine jahrelang bestehende Intransparenz von Einnahmen und Ausgaben Korruption ermöglicht und damit zu großen Schäden geführt hat. Zwischen diesen beiden gegensätzlichen Polen lässt sich die gegenwärtige Diskussion in Deutschland verorten. Blickt man unter anderem auf die Debatte um die Offenlegungspflicht der Einnahmen besonderer staatlicher Funktionsträger, kann dabei von einer Transparenz „in Minimaldosen“ gesprochen werden. Die unterschiedliche Herangehensweise lässt sich mit Blick auf je unterschiedliche rechtskulturelle Voraussetzungen sowie bestehende gesellschaftliche Tabus im Umgang mit Geld erklären, macht aber europäische Rahmenregelungen, die auch die Beitrittskandidaten einschließen, zu einem schwierigen Unterfangen.
Angelika Nußberger
7. Gleichheitssätze im europäischen Steuerrecht
Zusammenfassung
Art. 20 GrC enthält nahezu wortgleich zu Art. 3 Abs. 1 GG ein allgemeines Gleichbehandlungsgebot. Trotzdem hat der Europäische Gerichtshof Art. 20 GrC bisher nicht für das Steuerrecht entfaltet. Der Beitrag untersucht, ob dem Gleichheitssatz zukünftig maßstabsbildende Wirkung zukommen wird. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund zunehmender Harmonisierungsaktivitäten des EU-Steuergesetzgebers auch auf dem Gebiet der Ertragsteuern und der hiermit einhergehenden Maßstabsverschiebung von großer Bedeutung. Damit wird sich auch dem Europäischen Gerichtshof die Aufgabe der bereichsspezifischen Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes stellen. Bisher versteht sich dieser jedoch in erster Linie als Integrations- und nicht als Verfassungsgerichtshof.
Johanna Hey
8. Rechtsstaatliche Grenzen des Steuerzugriffs in der Europäischen Union
Zusammenfassung
Rechtsstaatlichkeit der Besteuerung ist eine verfassungsrechtliche wie unionsrechtliche Vorgabe für den Steuergesetzgeber, die seiner weiten Gestaltungsfreiheit insbesondere durch die rechtsstaatlichen Prinzipien der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung, der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit Grenzen setzt. Bei aller Tradition des Begriffs „Rechtsstaats“ und seinem Verständnis als verfassungsrechtlichem Prinzip in Deutschland lohnt der vergleichende Blick auf besteuerungsrelevante Ausformungen der Rechtsstaatlichkeit im Unionsrecht. Das unionsrechtliche Rechtsstaatsverständnis ist dabei nicht das Nebeneinander oder die bloße Summe vorhandener nationaler Rechtsstaatsprinzipien. Inhalte und Grenzen für den staatlichen Steuerzugriff ermittelt der EuGH innerhalb des rechtsstaatlichen Wertungsrahmens fallbezogen und er entwickelt durch Prinzipienabwägung im konkreten Entscheidungsverfahren schrittweise ein eigenständiges supranationales Rechtsstaatsprinzip. Neben deutlichen Parallelen kann das aus dem Unionsrecht sowie den Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten abgeleitete europäische Rechtsstaatsprinzip zu Maßstabsmodifikationen rechtsstaatlicher Besteuerungsgrenzen gegenüber dem nationalen Recht führen.
Klaus-Dieter Drüen
Title
Europäisches Steuerverfassungsrecht
Editors
Johanna Hey
Wolfgang Schön
Copyright Year
2023
Publisher
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-67474-1
Print ISBN
978-3-662-67473-4
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-67474-1

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