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08-05-2018 | Fahrwerk | Schwerpunkt | Article

Wie sich die Fahrwerktechnik weiterentwickelt

Authors: Stefan Schlott, Sven Eisenkrämer

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Lenkung und Bremsen sind Grundfunktionen des Autos. Doch die Entwicklung dieser Techniken geht weiter. Leichtbau und Elektrifizierung der Mobilität sind die Herausforderungen für künftige Chassis. 

Emissionen, Fahrerassistenz und die Vorbereitungen auf das autonome Fahren dominieren weiterhin die Fachdiskussionen in der Automobilindustrie. Doch auch die Entwicklungsarbeiten in vielen anderen Disziplinen gehen weiter. Das eine tun, ohne das andere zu lassen, lautet die Devise, die so manches Entwicklungsressort der Automobilhersteller an den Rand der personellen und finanziellen Möglichkeiten drängt. Dies gilt auch für die Fahrwerktechnik, allen voran Bremsen und Lenkung. 

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2017 | OriginalPaper | Chapter

Zukunftsaspekte des Fahrwerks

In diesem Kapitel werden die Zukunftstrends für die Fahrwerksysteme zusammengefasst. Der Schwerpunkt liegt dabei bei der Umweltverschmutzung durch Abgase, bei der Elektrifizierung (Hybrid- und E-Fahrzeuge), bei den Fahrerassistentsystemen, vorausschauenden und intelligenten Fahrwerken und beim autonomen Fahren. 


Als Grundfunktionen jedes Fahrzeugs handelt es sich dabei durchaus um reife Techniken. Und dennoch findet der Ingenieursgeist immer wieder Ansatzpunkte für Innovationen und Verbesserungen. Beispielsweise ist das Null-Emmisions-Thema und der erforderliche Leichtbau natürlich auch aufs Fahrwerk anzuwenden.

"Leichtbau ist fürs Chassis eine echte Chance", sagt Holger Klein, Leiter PKW-Fahrwerktechnik bei ZF im Springer-Professional-Interview. "Natürlich müssen auch wir als Fahrwerkentwickler einen Beitrag zu Zero Emissions leisten." Immer mehr Leichtbaumaterialien rückten in den Fokus, sagt Klein. "Wir sehen das Thema Werkstoffsubstitution vor uns, es kommen neue Materialien statt dem Klassiker Stahl auf uns zu: Thermoplaste, Duroplaste, endlosfaserverstärkte Kunststoffe, GFK, CFK, aber auch Aluminium und unterschiedliche höchstfeste Stähle. Um das Ganze noch ein bisschen komplexer zu machen, kombiniert man diese Werkstoffe zu Hybriden – als Sandwich-Bauweise etwa."

Besseres Verständnis für Komplexität

Im Buchkapitel "Zukunftsaspekte des Fahrwerks" aus der jüngsten Auflage des Springer-Vieweg-Fahrwek-Handbuchs (2017) gehen die Autoren Metin Ersoy, Bernd Heißing, Stefan Gies, Christian Schimmel und Stephan Demmerer auf weitere Herausforderungen an das Chassis der Zukunft ein. "Durch die Weiterentwicklung der Fahrwerkselemente und durch ein immer besseres und tieferes Verständnis der Fahrzeug- und Zuliefererindustrie für das komplexe Zusammenwirken dieser Komponenten konnten gerade in den letzten zwei Jahrzehnten große Fortschritte in der Qualität und den Eigenschaften von Fahrwerken erzielt werden. Dazu trugen aber auch immer leistungsfähigere Entwicklungswerkzeuge, Materialien und Herstellverfahren bei", schreiben die Springer-Autoren und sprechen von einem mittlerweile "hohen erreichten Niveau mechanischer Intelligenz" in der Fahrwerksentwicklung. 

Eine der großen Herausforderungen sei es, "diesen systemübergreifenden Kenntnisstand über kausale Zusammenhänge mit Hilfe der leistungsfähigen Rechner und Programme zur Optimierung des virtuellen Entwicklungsprozesses zu nutzen." Auch die intensive Einbeziehung anderer Wissenschaftszweige wie der Psychologie oder Informatik in den Prozess böte Möglichkeiten zur Verbesserung des Kundennutzens, schreiben Ersoy, Heißing, Gies, Schimmel und Demmerer. 

In dem Buchkapitel gehen die Experten auch auf den Einfluss der Elektrifizierung der Mobilität ein, "die dann den ganzen Antriebsstrang revolutionieren wird. Dies gilt insbesondere bei den Elektrofahrzeugen, bei denen keine oder nur einfache Ein- bis Zweiganggetriebe benötigt werden. Motor und Antrieb können aufgrund der kompakten Bauweise im Heck platziert werden. Dadurch wird sich der Antriebsstrang deutlich vereinfachen und die Raumnutzung verbessern."

Die Experten schreiben zu Fahrwerkskomponenten der Zukunft:

  • Für die Bremse der Zukunft zeigt sich, zumindest für die Hinterachse, eine Tendenz zur Einführung elektrischer Bremsen mit Brake-by-wire-Funktionalität. An der Vorderachse wird die hydraulische Bremse weiterhin die Basistechnologie bilden. Die Integration der Lenkung in den Achsträger ist durchführbar. Zusätzlich zur Vorderachslenkung, wird bei Premium- und Sportfahrzeugen zunehmend die Hinterachslenkung verwendet. Als Vision gilt dagegen noch die Vierradlenkung.
  • Die Lenkung der Zukunft wird ebenfalls rein elektrisch arbeiten – auch bei oberen Fahrzeugklassen – und alle Funktionalitäten des Steer-by-wire erfüllen, jedoch weiterhin über eine mechanische Kopplung durch eine Lenksäule/Lenkwelle verfügen. Viele neue Fahrerassistenzsysteme werden mit Hilfe der Elektrolenkung realisiert.
  • Federung der Zukunft: Luftfederung oder Aktivfederung werden wegen der hohen Mehrkosten auf Premiumfahrzeuge beschränkt bleiben. Die Volumenautos werden weiterhin mit den passiven Stahlschraubenfedern ausgestattet. Für die Leichtbaufahrzeuge sind die Compositblattfedern interessant, wenn deren Herstellkosten weiter gesenkt werden können. 
  • Dämpfung der Zukunft: Die hydraulischen Dämpfer werden wegen der günstigen Herstellungskosten und Nutzung als Radführung bestehen bleiben. Neben den linearen Dämpfern könnten auch Rotationsdämpfer wieder interessant werden, jedoch nur bei Fahrzeugen, die an der Hinterachse Packageprobleme haben (z. B. Kombifahrzeuge) und nur, wenn sie zu annehmbaren Kosten angeboten werden. Bei Premiumfahrzeugen, die bereits eine Luftfederung haben, können die Luft-Feder-Dämpfer die hydraulischen Dämpfer und Stahlschraubenfedern ersetzen, um einen besseren Komfort und eine feinere Regelbarkeit zu bieten.
  • Radführung der Zukunft: Die Herstellkosten des mechanischen Teils der Achse werden primär die Art der Aufhängung bestimmen. Die Elektronik wird immer mehr Anteil an den Gesamtkosten ausmachen und die Achse dominieren. McPherson, Verbundlenker und Mehrlenkeraufhängungen werden alle anderen Arten verdrängen. Wenn die Compositwerkstoffe kostengünstig herstellbar sind, ist es denkbar, völlig neue Aufhängungsarten zu realisieren. Sobald die Elektroantriebe unmittelbar am Rad positioniert werden, benötigen diese eine neue, noch nicht geklärte Art der Radführung.
  • Die Radlagerung der Zukunft wird als Wälzlager bestehen bleiben, mit Verbesserungen an den Wälzkörpern und Werkstoffen um Reibung zu senken und Tragzahl zu erhöhen. Die Sensorik und die Radnabe werden voll integriert sein und auch bei Volumenmodellen mit dem Radträger als Radmodul zum Einsatz kommen.
  • Die Reifen der Zukunft werden durch einen niedrigeren Rollwiderstand Energie sparen helfen (zum Beispiel Gummi mit Organosilan-Additiven). In die Reifen wird mehr Intelligenz in Form von Identifikationschips und Sensoren eingebaut werden. Die Flüsterreifen der Zukunft werden die Rollgeräusche deutlich senken. Die Luftbereifung wird noch lange Zeit als einzige Lösung bestehen bleiben.

ATZlive: Fahrwerk-Symposium "chassis.tech plus" in München

Die Fahrwerkentwicklung hat also stets den Spagat zwischen erprobten, hervorragend funktionierenden Techniken auf der einen Seite und Herausforderungen durch neue Antriebs- und Fahrzeugkonzepte auf der anderen Seite zu bewerktstelligen. Dabei immer im Blick: Sicherheit, Dynamik, Komfort. 

Rund um die Schwerpunktthemen Neue Fahrwerke, Autonomes Fahren und Fahrwerksregelung veranstaltet ATZlive vom 12. bis 13. Juni 2018 in München die "chassis.tech plus 2018" – 9. Internationales Münchner Fahrwerk-Symposium. Dabei vereint die chassis.tech plus vier Kongresse in einer hochrangig besetzten Veranstaltung: chassis.tech, steering.tech, brake.tech und tire.wheel.tech. Informationen und Anmeldung auf www.atzlive.de 



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2017 | OriginalPaper | Chapter

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Source:
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