Zwei aktuelle Studien zum automatisierten Fahren zeigen, dass nicht nur die Automobilbranche vor fundamentalen Veränderungen steht. Auch das Leben der Menschen insgesamt soll sich verbessern - zumindest erwarten die Deutschen das.
Eine kürzlich vorgestellte Studie von Oliver Wyman sagt tiefgreifende Veränderungen der automobilen Wertschöpfungskette und damit einen disruptiven Wandel in der Automobilindustrie voraus. Allein in den fünf wichtigsten Bereichen Sicherheit, Logistikkonzepte, Mobilitätsservice, Datenmanagement und Infrastruktur vermuten die Autoren ein kombiniertes Marktpotenzial von über 200 Milliarden US-Dollar. Damit verbinden die Analysten große Chancen auch für Anbieter aus angrenzenden Branchen - vor allem der IT sowie aus dem Infrastrukturbereich und Dienstleistern wie etwa Versicherungen.
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"Für Automobilhersteller kommt es jetzt darauf an, die neuen Wertschöpfungsmöglichkeiten durch strategische Partnerschaften abzudecken, während Zulieferer sich darauf konzentrieren sollten, modernste Technologie zu wettbewerbsfähigen Preisen bereitzustellen", sagt Jürgen Reiner, Automobil-Experte und Partner bei Oliver Wyman.
Die fünf wichtigsten Bereiche, aus denen sich Marktpotenziale für das automatisierte Fahren ergeben, sind laut Oliver Wyman folgende:
- Sicherheit
Neun von zehn Unfällen lassen sich künftig durch autonome Fahrzeuge vermeiden. Die Bereitschaft
der Autokäufer, in Innovationen für mehr Sicherheit zu investieren, birgt erhebliches
Umsatzpotenzial für Hersteller und Zulieferer. Zugleich wird sich die Verantwortung, ein Fahrzeug zu versichern, voraussichtlich vom Autokäufer auf den Hersteller verlagern. Daraus entstehen
Potenziale für neue Versicherungsmodelle, die den Versicherungsmarkt verändern werden. - Mobilitätsservices
Autonomes Fahren wird neue Nutzerkreise mobilisieren. Im selbstfahrenden Fahrzeug gewinnt der
Fahrer Zeit, in der er beispielsweise im Internet surfen und sich neuen mobilen Services zuwenden
kann. - Datennutzung
Autonome Fahrzeuge benötigen und erzeugen gleichermaßen riesige Datenmengen, in deren
weiterer Verwendung hohes wirtschaftliches und sicherheitsrelevantes Potenzial steckt. - Logistikkonzepte
Selbstfahrende Pkw und insbesondere Nfz können die Effizienz innerstädtischer Zustelldienste
steigern - insbesondere in Verbindung mit elektrischem Antrieb. Erweiterte Carsharing-Konzepte führen zu einem höheren Nutzungsgrad der Fahrzeuge, wodurch insgesamt weniger Fahrzeuge benötigt werden. - Infrastrukturen
Mit dem automatisierten Fahren ist auch die Hoffnung auf weniger Staus, weniger Verkehr und
damit auf neue Möglichkeiten bei der Gestaltung urbaner Räume verbunden.
Die Marktanalysten gehen davon aus, dass die technischen Hürden auf dem Weg zum autonomen Fahren bald genommen sein werden, aber regulatorische Hemmnisse sowie eine niedrige Akzeptanz der Fahrzeugnutzer der Entwicklung noch entgegenstehen. Weitere Hindernisse seien ethische Themen wie etwa die Frage, wie eine durch Algorithmen gesteuerte Entscheidungsfindung im Falle eines Crashs getroffen werden kann, beispielsweise wenn sich einem autonomen Fahrzeug bei einem als unabwendbar erkannten Zusammenstoß die Alternative stellt, ob zur Abwendung eigener schwerer Schäden notfalls Schäden Unbeteiligter in Kauf genommen werden dürfen.
Akzeptanz des automatisierten Fahrens
Hier liefert eine Studie von BearingPoint neue Erkenntnisse. Der repräsentativen, unter mehr als 1000 Deutschen durchgeführten Befragung zufolge steigt die Akzeptanz des automatisierten Fahrens, weil die Menschen sich große Vorteile davon versprechen. Die wichtigsten Gründe dafür sind Zeitersparnis zum Beispiel durch eine verbesserte Routenführung (61 Prozent der Befragten), ein geringeres Unfallrisiko sowie höheren Fahrkomfort (beides je rund 60 Prozent).Die Umfrageteilnehmer erwarten nicht nur einen Nutzen für sich selbst, sondern auch für die Verkehrsteilnehmer insgesamt. Hier sehen rund 70 Prozent den größten Vorteil in einer besseren Mobilität für ältere Menschen oder Menschen mit Behinderung. Auf Platz zwei landete die Verbesserung der allgemeinen Verkehrssicherheit (63 Prozent), gefolgt von neuen Serviceangeboten durch vernetzte Verkehrsdaten (60 Prozent).
Während die Analysten von Oliver Wyman die technischen Hürden eher als gering einschätzen, sehen das die potenziellen Nutzer offenbar anders. Neben den rechtlichen Fragen befürchten die Verkehrsteilnehmer mehrheitlich große bis sehr große Herausforderungen in einer sicheren Technik (60 Prozent). Weitere Probleme bereiten der Umfrage zufolge die Verteilung der zusätzlichen Infrastrukturkosten (56 Prozent) und die schon erwähnten ethischen Fragen (53 Prozent) sowie der Datenschutz (53 Prozent).