Skip to main content
Top

19-01-2015 | Fahrzeugtechnik | Schwerpunkt | Article

Warum Autobauer Patente freigeben

Author: Christiane Brünglinghaus

3:30 min reading time

Activate our intelligent search to find suitable subject content or patents.

search-config
print
PRINT
insite
SEARCH
loading …

Toyota und Tesla haben mit der Freigabe tausender Patente für Aufsehen in der Autobranche gesorgt. Durchdachte Strategie oder großer Fehler?

Toyota gibt 5680 Patente ab, hat der japanische Autobauer kürzlich bekannt gegeben. Rund 1970 der Patente beziehen sich auf Erfindungen zur Brennstoffzelle im Auto. Toyota will damit den Weg für eine zunehmende Verbreitung von Brennstoffzellenfahrzeugen ebnen. Tesla hatte da bereits Patente zur Nutzung angeboten. "Alle unsere Patente gehören euch" titelte der Elektroauto-Spezialist im Sommer 2014.

Bislang ist es eigentlich eher üblich, dass die Entwickler der Autobranche im konzerneigenen Forschungszentrum an Ideen und technischen Lösungen tüfteln. Fortschritte in der Entwicklung sind dann zunächst Wettbewerbsvorteil und später Produkte, die sich an die Konkurrenz verkaufen lassen. So tun sich die Autobauer mit gemeinsamer Forschung - bis auf konkrete Projekte - eher schwer. Warum dann die scheinbare Entscheidung von Toyota und Tesla weg vom profitorientiertem Wettbewerb- und Konkurrenzdenken hin zu einem Know-how-Sharing?

Weitere Artikel zum Thema

Dieter Becker, Autoexperte und Global Head of Automotive beim Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmens KPMG, schätzt, dass die Freigabe in Hinblick auf mögliche Kunden erfolgte: "Offensichtlich verschieben sich die kaufentscheidenden Faktoren aus Kundensicht doch und wenn sich kein Premium-Preis aus diesen Technologien ableiten lässt, so ist der Anreiz für diejenigen, die als erstes neue Technologien marktfähig machen wollen, nicht besonders groß."

Aus Konkurrenten werden Auftraggeber

Viele Experten vermuten, dass bei der Entscheidung, die Patente freizugeben, nicht nur Altruismus im Spiel war. Denn auch mit Patent wird interessierten Herstellern das Know-how zum Nachbauen fehlen. Das Kalkül dahinter: Diese könnten dann Tesla oder Toyota zur Zusammenarbeit auffordern. Dadurch werden aus Konkurrenten geschickt Auftraggeber. Gleichzeitig werden die Innovationen zum Industriestandard.

Die freigebenden Patente verhindern ein neuerliches Wettrennen im Bereich der neuen Antriebstechnologien zwischen Konkurrenten. "Dieser kleine Markt hat so stabile Wachstumschancen. Denn wenn alle gegeneinander konkurrieren, verunsichert das den Kunden und führt nur zu größerer Kaufzurückhaltung", begründet der Analyst Becker.

Pioniere wollen mehr Bewegung

Die Patenfreigabe soll also neue Impulse bringen: Eine Reduktion der Anzahl der Antriebe hilft allen und nicht nur einzelnen. Die Kosten für die Entwicklung von neuen Antrieben können so nachhaltig gesenkt werden, erläutert Becker weiter. "Ohne das Wissen über technische Spezifika kann sich auch kein Infrastrukturnetz entwickeln, ohne Infrastruktur überlebt aber auch keine Technologie, insofern hilft dies auch der Versorgungswirtschaft die Infrastruktur zu durchdenken und nun zu entwickeln, zum Beispiel beim Thema Wasserstoff. Womöglich ist das ein Hinweis, dass diese Freigabe nur deshalb erfolgt ist, weil man mit der isolierten Technologie keine Veränderung allein aus OEM-Sicht betreiben kann", sagt Becker weiter.

Wie "Harvard Business Review" berichtete, habe die Geschichte gezeigt, dass sich der Transfer von Wissen zum Vorteil für den Freigebenden auswirken kann. Becker führt ein konkretes Beispiel an: "Googles Android OS zeigt, dass in Zeiten in denen nicht mehr die zwingend die Hardware, sondern die Software dominiert, große Erfolge und Umsatzsteigerungen ohne viel Geheimniskrämerei rund um die Technik möglich sind." Trotz der offengelegten Technologien hätten Unternehmen wie Tesla oder Toyota laut KPMG immer noch fünf Jahre Vorsprung, während die Konkurrenz auf Grundlage der jetzt frei zugänglichen Patente erst eigene Lösungen entwickeln könne.

Klarere Handlungsmuster - auch für Zulieferer

Zudem sollen die Überlebenschancen der Zulieferer aufgrund der Freigabe-Strategie höher sein, schätzen die KPMG-Experte - auf deren Zuarbeit Hersteller wie Toyota oder Tesla angewiesen sind: "Die Branche hat kein Interesse daran, dass die eigene Zulieferindustrie in finanzielle Schwierigkeiten gerät", erklärt Becker die aktuelle Situation.

In puncto Geheimniskrämerei werde es für die Konzerne in Zukunft vielmehr um die Beschaffung "weicher" Informationen gehen: Nämlich solche zum Verhalten eines jeden Fahrzeugnutzers über den gesamten Fahrzeuglebenszyklus.

Background information for this content

Premium Partner