Mit Spritzgießverfahren lassen sich kostengünstig große Mengen an Kunststoffprodukten in hoher Qualität herstellen – allerdings nur mit den richtigen Formwerkzeugen.
In der Kunststoffverarbeitung zählt das Spritzgießen neben anderen Techniken wie Extrusion, Blasformen, Kalandrieren oder Pressen zu den Urformverfahren. Einen Überblick über die Urformprozesse bieten beispielsweise die Springer-Autoren Sebastian Koltzenburg, Michael Maskos und Oskar Nuyken in „Polymere: Synthese, Eigenschaften und Anwendungen“ ab Seite 462.
Beim Spritzgießverfahren kommt es darauf an, dass die eingespritzte Kunststoffmasse das Formwerkzeug vollständig ausfüllt und das fertig abgeformte Bauteil keine Oberflächenfehler aufweist. Darauf hat die Formentlüftung einen entscheidenden Einfluss. Das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT aus Aachen untersucht deshalb in einem Forschungsprojekt gemeinsam mit drei Industriepartnern, wie sich durch Mikrostrukturen die Entlüftung von Spritzgießwerkzeugen verbessern lässt. Erste Ergebnisse stellt das Fraunhofer IPT vom 14. bis 18. Oktober 2014 auf der Kunststoff-Fachmesse Fakuma in Friedrichshafen vor.
Mikrostrukturen für die Werkzeugentlüftung
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Bislang werden Entlüftungsflächen häufig in der Trennebene des Formwerkzeugs vorgesehen, um die Luft gezielt entweichen zu lassen. In der Praxis kommt es jedoch häufig vor, dass über diese Entlüftungsflächen nicht nur die Luft, sondern auch der eingespritzte Kunststoff austritt und das Werkzeug überarbeitet werden muss.
Im Forschungsprojekt VentOpt untersuchen die Aachener Forscher die Funktionsweise funktionaler Mikrostrukturen zum Entlüften und simulieren deren Wirkung bereits während der Konstruktion eines Werkzeugs, um es auf diese Weise virtuell zu erproben. Die so gewonnenen Erkenntnisse wollen Forscher in Gestaltungsregeln umsetzen, damit typische Prozessparameter wie Fülldruck, Werkzeugtemperatur und die Eigenschaften des eingesetzten Kunststoffmaterials sich bereits bei der Auslegung des Werkzeugs berücksichtigen und die Entlüftungsstrukturen optimal an die gewünschte Anwendung anpassen lassen.
Auch die Heizung des Werkzeugs muss stimmen
Gemeinsam mit seinen Kollegen und dem Kunststoff-Zentrum in Leipzig hat er deshalb ein neuartiges Temperierverfahren entwickelt. Damit lässt sich der Energiebedarf im Vergleich zu bisher verwendeten Verfahren je nach Produkt um bis zu 90 Prozent senken. Der Trick: Anstatt das gesamte Formwerkzeug aufzuheizen – das abhängig vom Kunststoffteil immerhin bis zu einer halben Tonne und mehr wiegen kann –, wird nur noch die Werkzeugoberfläche erwärmt, die mit der Kunststoffschmelze in Berührung kommt. Im Labor konnten die Wissenschaftler bereits nachweisen, dass sich diese Dünnschichtheizung in kürzester Zeit auf die gewünschte Formwandtemperatur einstellen lässt. Ihr Ziel ist es nun, zusammen mit Partnern aus der Industrie das Verfahren in einen serienreifen Prozess zu überführen.