Seit Jahren schließen Banken aus Kostengründen immer mehr Filialen. Laut Bankstellenstatistik trennte sich die Branche 2021 von mehr als 2.400 Zweigstellen. Eine aktuelle Prognose geht infolge der anhaltenden Konsolidierungsdynamik von rund 9.000 weiteren Schließungen bis 2027 aus.
Unter anderem bei den Volks- und Raiffeisenbanken geht eine aktuelle Prognose infolge weiterer Fusionen von einem deutlichen Rückgang der Filialzahlen aus.
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Die seit vielen Jahren andauernde Konsolidierung im deutschen Bankensektor hat sich 2021 beschleunigt fortgesetzt, heißt es in der Bankstellenstatistik der Deutschen Bundesbank von Ende Juni 2022. Der zufolge sank im vergangenen Jahr die Gesamtzahl der Kreditinstitute um 160 auf 1.519. Als wesentlichen Grund gab die Notenbank an, dass 71 Geldhäuser aufgrund des Inkrafttretens des Wertpapierinstitutsgesetzes, kurz WpIG, mit Wirkung vom 26. Juni 2021 nun keine Kreditinstitute im Sinne des Kreditwesengesetzes mehr seien.
Die Zahl der von der Bundesbank gezählten Zweigstellen über alle Bankensäulen hinweg hat sich bis Ultimo um insgesamt 2.388 auf 21.712 verringert. Dabei verabschiedeten sich die Großbanken von 1.279, die Sparkassen von 617 und die Volks- und Raiffeisenbanken von 468 Filialen. Allerdings berücksichtigt die Notenbank keine Vor-Ort-Präsenzen, die nur automatisierte Bank- oder Finanzdienstleistungen erbringen. Diese hinzugerechnet, dürften es noch einige mehr sein.
Weitere 9.000 Schließungen bis 2027
Für Bundesbankvorstandsmitglied Joachim Wuermeling ist der deutliche Rückgang der Anzahl der Institute und Zweigstellen ein Zeichen für die anhaltende Dynamik von Konsolidierung und Restrukturierung im deutschen Bankensystem. "Angesichts der heraufziehenden Wolken am Bankenhimmel durch Zinswende, Abschwächung des Wachstums und Inflation sind die Banken gut beraten, ihre Widerstandskraft durch Kostenbewusstsein und gegebenenfalls Zusammenschlüsse weiter zu erhöhen", führt der für Bankenaufsicht zuständige Bundesbanker aus.
Laut der aktuellen Filialprognose der Managementberatung Investors Marketing werden sich Banken und Sparkassen in den kommenden fünf Jahren von weiteren rund 9.000 Filialen trennen. Damit werde die Zahl der Zweigstellen bis zum Jahr 2027 auf etwa 12.700 sinken. Dies entspricht einem Minus von 41,5 Prozent gegenüber 2021. Basis der Prognose bilden neben der genannten Bankstellenstastik auch eigene Studien des Beratungshauses zur Kanaltypenentwicklung von Kunden und der Transformationsdynamik der deutschen Bankenlandschaft.
Der Prognose zufolge sind vor allem Geschäftsbanken von dieser Entwicklung betroffen. "Hier werden in den nächsten fünf Jahren fast die Hälfte der bestehenden Filialen verschwinden. Ihre Zahl wird von 6.491 Ende des Jahres 2021 auf rund 3.400 im Jahr 2027 sinken", heißt es in der Analyse. "Fast 90 Prozent der Kunden erledigen ihre Finanzgeschäfte heute ganz oder teilweise über den Online-Kanal. Das wird die stationäre Bankenlandschaft weiter umgestalten. Aber Filialen sind weiter wichtig, wenn die Kunden Beratung suchen", betont Oliver Mihm, Vorstandschef von Investors Marketing.
VR-Banken vor Fusionswelle
Die Studienautoren gehen vor allem bei den Genossenschaftsbanken von einer Fusionswelle aus. "In der Folge werden in den kommenden fünf Jahren von zuletzt 7.310 Filialen noch etwa 3.900 bestehen bleiben", heißt es in der Analyse.
Geringer sei der Fusionsdruck hingegen bei den Sparkassen. Deren Zahl liege mit 370 deutlich unter der der Genossenschaftsbanken mit rund 770. "Die starke kommunale Trägerschaft ist zudem meist ein wichtiger Fürsprecher zum Erhalt der Filialnetze bei Sparkassen. Bis zum Jahr 2027 wird so die Zahl der Zweigstellen von zuletzt 7.911 auf rund 5.400 sinken, was einem jährlichen Abbau von 6,2 Prozent entspricht", heißt es in der Prognose.
Steigende Nutzungszahlen im Online Banking
Als Hauptgrund für die schwindende Relevanz der klassischen Bankfiliale nennt Bankmagazin-Autor Stefan Terliesner den Digitalisierungsschub während der Corona-Jahre 2020 und 2021 und den Schwenk der Kunden hin zu digitalen Vertriebskanälen. In der Ausgabe 7-8 | 2022 schreibt er:
Dies wird an den steigenden Nutzungszahlen im Online Banking deutlich. Allerdings hat im Zuge dessen auch die Kundenbindung bei vielen Instituten abgenommen. Insbesondere Sparkassen und genossenschaftliche Geldhäuser, deren Erfolg auf Finanzservices in der Region und auf der Nähe zu den Kunden vor Ort beruht, müssen dringend ihr Geschäftsmodell absichern. Dazu verbinden viele Institute ihr digitales Angebot zunehmend mit der persönlichen Beratung. Und das hat vielfach großen Erfolg."
So greifen laut der Digitalstudie 2022 der Postbank immer mehr Verbraucher vor allem über das Smartphone auf Online-Services zu. "Beachtliche 20 Stunden pro Woche surfen die Deutschen im Durchschnitt mit dem Device", erläutert Terliesner. Und je jünger die Kunden, umso exzessiver sei deren mobile Internetnutzung. Die unter 40-Jährigen verwenden das Smartphone für den Internetzugang im Schnitt knapp 32 Stunden pro Woche, heißt es in der Studie.
Tägliche Bankgeschäfte per Smartphone
"Auch für die täglichen Bankgeschäfte wird das Handy immer mehr zur digitalen Filiale", zitiert der Autor Tomas Brosch, Leiter Digitalvertrieb der Postbank. Inzwischen würden sechs von zehn Deutschen mit dem Smartphone oder einer Karte bezahlen. Wobei nicht nur die Hygieneregeln aufgrund des Corona-Virus für einen kräftigen Schub gesorgt hätten. Digitale Bezahlmethoden seien einfacher und schneller als Bargeld, erläutert Brosch.
"Wir prüfen das Kundenverhalten regelmäßig und kennen die Kundenfrequenz pro Standort genau. Dabei registrieren wir, dass die Bargeldumsätze an unseren Geldautomaten massiv zurückgehen. Gerade an den stark frequentierten Standorten werden wir aber weiter präsent sein", schildert Sabine Schölzel, Vorstandsmitglied der Stadtsparkasse München, die Lage ihres Hauses im Bankmagazin-Interview (Ausgabe 7-8 | 2022).
Einfache Produkte werden digital abgeschlossen
Unsere Servicetätigkeiten werden künftig deutlich digitaler. Denn die Kunden wollen einfache Finanzgeschäfte gerne schnell und mit möglichst wenigen Klicks erledigen. Dies wird weiter zunehmen. Einfache Produkte werden in Zukunft immer häufiger digital abgeschlossen. Wir haben schon vieles digital abschlussfähig und das wird noch mehr werden. Erhalten bleiben wird die qualifizierte Beratung zu Altersvorsorge, Baufinanzierung und Geldanlage. Denn dabei sind weiterhin eine persönliche Ansprache und auch eine intensive Beratungsleistung gefragt."
Münchens Sparkassenvorständin Sabine Schölzel.
Derzeit stocke das Institut, das nach eigenen Angaben rund 3.000 Kontoeröffnungen pro Monat verzeichnet, die Anzahl der qualifizierten Berater auf. Denn es sei für die Kunden wichtig, einen festen Ansprechpartner zu haben. "Wo dieser sitzt und wie er kontaktiert wird, ist dabei weniger entscheidend. Es geht darum, dass der Berater mich als Kunden kennt und weiß, was für mich wichtig ist", erläutert Schölzel.
Alle Vertriebswege attraktiv gestalten
"Momentan stehen wir vor der anspruchsvollen Aufgabe, dass wir alle Vertriebswege gleichermaßen attraktiv gestalten müssen." Neben der persönlichen Beratung in der Filiale, die vor allem ältere Kunden gerne annehmen, gibt es den Kontakt per Telefon, E-Mail und Video.
"Um sich in diesem Umbruch zu behaupten, reicht es aber nicht, lediglich Filialen zu schließen und das digitale Angebot auszubauen", mahnt Mihm. "Nur wenn Banken und Sparkassen ihre Geschäftspolitik neu fokussieren und den Kunden in den Mittelpunkt stellen, können sie im veränderten Wettbewerbsumfeld bestehen."