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25-04-2013 | Finance + Banking | Schwerpunkt | Article

Mit der Bildung steigt die Reformakzeptanz

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Warum sind in einigen Ländern marktwirtschaftliche Strukturreformen so schwierig durchzusetzen, in anderen Staaten hingegen nicht? Der Autor und Berater Tasso Enzweiler beschreibt in einem Gastbeitrag wie die Verweigerung aufgelöst werden kann. Teil 2: Die gesellschaftliche Akzeptanz.

Die gesamtwirtschaftliche Lage wird von den Bürgern umso positiver gesehen, je höher der Bildungsgrad ist. Diese Korrelation gilt auch für das Ausmaß der persönlichen Opferbereitschaft. Wer wenig Wissen über wirtschaftliche Zusammenhänge hat, empfindet zudem wachstumsstärkende Strukturreformen häufiger als belastend als Bürger mit einem hohen Sachverstand in Wirtschaftsfragen. Auch Opferbereitschaft und Bildungsgrad korrelieren positiv miteinander.  Leser von Boulevardzeitungen besitzen signifikant weniger Vertrauen in die Positiveffekte wachstumsstärkender Strukturreformen als die Leser nationaler Qualitätszeitungen. Menschen mit einfachen Bildungsabschlüssen zeigen weniger Bereitschaft, sich von der Politik führen zu lassen als Bürger mit höheren Bildungsabschlüssen. Wer für staatlich festgelegte Mindestlöhne plädiert, hat ein eher geringes Vertrauen in die volkswirtschaftlich positiven Effekte marktwirtschaftlicher Reformen.

Reformakzeptanz und Erwerbstätigkeit hängen zusammen

Als Ergebnisse der Panelbetrachung lässt sich betonen, dass sogenannte Reformstaaten, bei denen sich im Betrachtungszeitraum der Index "Economic Freedom of the World“ um mindestens 1,0 Indexpunkte erhöht hat, eine signifikant geringere Altersabhängigkeitsquote aufweisen als Nichtreformstaaten, dass also Reformverweigerung auch einen hohen Anteil an älteren Menschen eher begünstigt wird.  In eine ähnliche Richtung weist auch die positive Korrelation von EFW-Index und Erwerbstätigenquote in den Reformstaaten: Reformakzeptanz und ein hohes Ausmaß an Erwerbstätigkeit hängen offenbar zusammen. Schließlich wurde auch eine signifikante Korrelation zwischen EFW-Index und außenwirtschaftlichem Offenheitsgrad ermittelt.

Die vergleichende Forschung ist sich weitgehend einig, dass jeder Staat für wachstumsstärkende Strukturreformen ein ihm kohärentes Gesamtreformkonzept benötigt. Die Grenzen der Übertragbarkeit von Reformpolitiken sind im Wesentlichen durch folgende Faktoren bestimmt:

  • Die Pfadabhängigkeit nicht nur der einzelstaatlichen Entwicklung, sondern auch erfolgreicher Reformpolitiken und einzelner „Best-Practice-Fälle“: was möglich ist, hängt auch von historisch verfestigten Strukturen und Institutionen des jeweiligen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems ab;

  • die Verschiedenheit der politischen Strukturen in der demokratischen Entscheidungsfindung: so erschwert etwa das deutsche Mehrebenen-System mit seinen Zahlreichen Veto-Spielern eine stringente Reformpolitik;

  • die Diversität nationaler Kulturen, welche mit politisch-institutionellen Entwicklungspfaden eng verknüpft ist: Auffassungen über die Rolle des Staates, das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit, zu Gerechtigkeit und Solidarität spielen im Reformkontext eine maßgebliche Rolle. 

Empirische Befunde dieser Arbeit legen den Schluss nahe, dass Medien eine bedeutende Rolle für das Gelingen von umfassenden Reformvorhaben in modernen westlichen Gesellschaften spielen können. In diesem Zusammenhang wäre es hilfreich, wenn, analog zur ökonomischen Theorie der Politik, eine ökonomische Theorie des Journalismus existierte, die jedoch bislang nicht vorliegt.

Die Ergebnisse dieser Arbeit legen die Schlussfolgerung nahe, dass die Frage einer gesellschaftlichen Akzeptanz marktwirtschaftlicher Strukturreformen interdisziplinär behandelt werden sollte. Bislang gibt es über die Akzeptanz von Reformpolitik eher wenig empirische Ergebnisse. Das interdisziplinäre Verständnis über das Zusammenwirken ökonomischer und politischer Faktoren in komplexen Prozessen ist entwicklungsfähig, auch was die Zusammenarbeit von Volkswirten, Sozialwissenschaftlern, Kommunikationswissenschaftlern sowie Psychologen betrifft.

Soziale Normen motivieren

In der Literatur ist inzwischen weitgehend akzeptiert, dass die Grundannahme des Homo Oeconomicus durch verhaltensökonomische Erkenntnisse verfeinert und modifiziert werden kann und sollte. Demnach werden die Wirtschaftssubjekte nicht durch materielle Anreize, sondern auch durch soziale Normen und den Wunsch, etwas Sinnvolles zu tun, motiviert. Bei der Analyse individueller Entscheidungen ist diese Sicht inzwischen verbreitet, die Makroökonomie steht bei der Umsetzung dieser Erkenntnis aber noch am Anfang.

Lesen Sie auch:

Teil 1: Wie marktwirtschaftliche Reformen gelingen können

Was uns die maroden Banken in Zypern lehren

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Ergebnisse

Source:
Wege aus dem Reformstau