Laxe Zahlungsgewohnheiten von Kunden belasten die Liquidität vieler Unternehmen. Pandemiebedingt wird sich die Lage mittelfristig weiter verschärfen, sagt eine aktuelle Studie. Um gegenzusteuern, nutzen die Betriebe gleich mehrere Instrumente.
Gut jedes vierte europäische Unternehmen (43 Prozent) geht davon aus, dass das Risiko für Zahlungsverzögerungen oder -ausfälle ihrer Kunden in den nächsten zwölf Monaten steigen wird. 19 Prozent sind sogar der Auffassung, dass es erheblich zunehmen wird. Das sind zentrale Ergebnisse des im September veröffentlichten "European Payment Report 2020" des Kreditmanagement-Anbieters Intrum.
Für die Studie wurden die Antworten von CFOs sowie weiteren Finanz- und Controlling-Experten aus beinahe 10.000 Unternehmen in 29 europäischen Ländern ausgewertet. In Deutschland nahmen mehr als 600 Unternehmen teil. Die Umfrage zum Zahlungsverhalten und der finanziellen Stabilität europäischer Unternehmen wurde von Februar bis Mai 2020, also in der Covid-19-Hochphase, durchgeführt.
Verspätete Zahlungen belasten die Liquidität
46 Prozent der Finanzmanager geben an, dass die zunehmende Lücke zwischen Zahlungsziel und tatsächlicher Zahlung ein echtes Risiko für die Liquidität und damit das nachhaltige Wachstum ihres Geschäfts darstellt. Mehr als die Hälfte (51 Prozent) ist der Meinung, dass verspätete Zahlungen das Überleben ihres Betriebs während der Pandemie gefährdet haben. Vor der Krise waren nur 35 Prozent dieser Ansicht.
"Trotz aller Bemühungen verlängert sich die Zeit zwischen der vereinbarten Zahlungsfrist und der tatsächlichen Zahlungsdauer europaweit. Dies ist ein wachsendes Problem, da es Unternehmen in eine schwierige finanzielle Lage bringt", erläutert Intrum-Chef Mikael Ericson. Damit verzögere sich auch die Erholung der europäischen Wirtschaft insgesamt. So geht die Europäische Kommission in ihrer Prognose vom Sommer 2020 davon aus, dass die Wirtschaft in Europa im laufenden Jahr um 8,3 Prozent schrumpfen wird.
Bau- und Gastgewerbe am stärksten betroffen
Laut der Studie trifft es aber nicht alle Branchen gleichermaßen heftig. Besonders unter dem Zahlungsverzug ihrer Kunden leiden beispielsweise Unternehmen im Immobilien- und Bausektor. 41 Prozent der deutschen Betriebe geben an, längere Zahlungsfristen akzeptiert zu haben, um eine Insolvenz zu vermeiden. Der europäische Durchschnitt liegt bei 35 Prozent.
Zugleich kämpfen Unternehmen im Gastgewerbe, der Hotellerie und in der Freizeitindustrie europaweit noch immer mit pandemiebedingten staatlichen Beschränkungen. Innerhalb dieses Sektors geben 42 Prozent an, dass eine Rezession schwerwiegende Auswirkungen auf ihr Geschäft haben wird. Es ist die höchste Zahl unter den elf befragten Branchen.
Deutlich weniger stark unter der schlechten Zahlungsmoral ihrer Kunden leiden unter anderem der Bankensektor, die chemische Industrie, Pharma- und Tech-Unternehmen sowie der Einzelhandel. Sie verbuchen laut Studie die kürzesten Wartezeiten zwischen Rechnungsstellung und Zahlungseingang.
Weniger Kredite, Zinsen und Jobs
"Die Unternehmen bereiten jetzt die notwendigen Schritte vor, um sich auf eine durch die Pandemie verursachte Rezession vorzubereiten. Geringere Einnahmen haben den Cashflow der Unternehmen verringert und dadurch den Druck auf die eigenen Finanzen und ausgehende Zahlungen erhöht", so Ericson. So drehen knapp vier von zehn Unternehmen in Europa an der Kostenschraube. Aber auch mit einer geringeren Kreditaufnahme, Zurückhaltung im Recruiting, einem besseren Forderungsmanagement sowie einer stärkeren Vertriebsorganisation wollen die Betriebe gegensteuern.
Auch setzen nun 23 Prozent statt auf variable lieber auf feste Zinssätze für ihre Firmendarlehen. Das waren 2019 gerade einmal sechs Prozent. Und besonders stark betroffene Geschäftsbereiche kommen bei immerhin 29 Prozent unter Beobachtung. 2019 taten das nur 21 Prozent der befragten Unternehmen. Und während 2019 noch 17 Prozent der Betriebe für den Fall einer Rezession gar keine festen Maßnahmenpläne hatten, sind es aktuell noch zwei Prozent.