In der Vergangenheit erwiesen sich die deutschen Verbraucher als passable Schuldner. Das wird wohl die Corona-Krise ändern, so eine Studie. Richtiges Forderungsmanagement bietet den ohnehin stark belasteten Mittelständlern mehr Sicherheit.
Die Zahl privater Insolvenzen wird aufgrund steigender Arbeitslosenzahlen und Kurzarbeit als Folge der Corona-Krise zunehmen, sagt eine Studie. Darauf müssen sich mittelständische Unternehmen einstellen.
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In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl privater Insolvenzen stetig reduziert. Die Pleiten von Verbrauchern gingen um 2,4 Prozent und damit zum neunten Mal in Folge zurück. Insgesamt zählte das "Schuldenbarometer 2019" des Informationsdienstleisters Crifbürgel in Deutschland 86.838 Privatinsolvenzen. Das sind so wenige wie zuletzt 2004. Einen Negativrekord verzeichnete die Studie im Jahr 2010, als insgesamt 139.110 Privatpersonen eine Insolvenz anmelden mussten.
"Der Rückgang bei Privatinsolvenzen im Jahr 2019 ist vor allem auf die solide Beschäftigungs- und Einkommensentwicklung bei den Privatpersonen zurückzuführen", sagt Crifbürgel-Geschäftsführer Christian Bock. Doch diese positiven Verhältnisse werden sich 2020 wenden. "Das Corona-Virus wird die Wirtschaft schwer belasten, wobei die Auswirkungen heute noch gar nicht abschätzbar sind", so Bock.
Hoher Anstieg von Privatinsolvenzen erwartet
Vor allem die steigende Arbeitslosigkeit und die damit verbundene Einkommensverschlechterung sei der Haupttreiber für eine Privatinsolvenz. Hinzu komme der starke Anstieg von Kurzarbeit. "Die Menschen in Deutschland werden weniger Geld in der Tasche haben. Auf Dauer führt weniger Einkommen erst in die Überschuldung und dann in die Privatinsolvenzen", betont Bock.
Laut Studie gelten aktuell rund 6,8 Millionen Bürger als überschuldet. Diese Verbraucher seien besonders von einem Risiko der Privatinsolvenz betroffen. Der Informationsdienstleister geht derzeit von einem Anstieg von mindestens zehn Prozent aus. Auf die Insolvenzzahlen wirken sich die wirtschaftlichen Folgen durch die Corona-Krise voraussichtlich ab dem zweiten Halbjahr 2020 und dann verstärkt 2021 aus. Das wird mittelbar auch die Liquidität insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) zusätzlich belasten und deren wirtschaftliche Risiken weiter erhöhen.
"Auch im Wirtschaftsleben wird von Wissenschaftlern immer wieder die Aussage getroffen, dass der Wechsel zwischen Auf- und Abschwungphasen in immer kürzeren Zeitabständen erfolgt. In Abwandlung einer aus dem Sport bekannten Redewendung könnte man sagen: Nach der Krise ist vor der Krise", schreibt Rudolf H. Müller im Buchkapitel "Forderungsmanagement ist Risikomanagement" (Seite 146). Dabei müssen Privatinsolvenzen Unternehmen gar nicht direkt treffen, sondern können zum Beispiel auch einen wichtigen Lieferanten in die Schuldenfalle und die Insolvenz treiben. Das, so der Springer-Autor, sei eine "der häufigsten Insolvenzursachen". Er plädiert daher für eine umfassende Risikokontrolle im Forderungsmanagement.
Outsourcing des Forderungsmanagements als Ausweg
"Viele Unternehmen gehen hier bereits den sinnvollen Weg des Outsourcings und haben professionelle Partner an der Seite, die maßgeschneiderte Lösungen zur kompletten Abwicklung der Wertschöpfungskette des Forderungsmanagements anbieten", erläutert Thomas Schneider eine mögliche Option für Unternehmen. Im Buchkapitel "Forderungsmanagement im Mittelstand – Outsourcing als sinnvolle Lösung zur Fokussierung auf die eigene Kernkompetenz", empfiehlt er auf Seite 310, dass dort, wo sich eigene Mitarbeiter in größerer Zahl zahlungsgestörte Forderungen realisieren, Unternehmen über das Outsourcing des Forderungsmanagements nachdenken sollten. "Dies ist nicht nur das Recht von Großunternehmen, sondern gerade auch eine wertvolle Grundlage für den Erfolg von mittelständischen Unternehmen", so der Springer-Autor.
Die Vorteile des Outsourcings zeigt Schneider in nachstehender Grafik:
Die Vorteile des Outsourcings an einen externen Abietet gegenüber der Eigenbearbeitung in Unternehmen.
Thomas Schneider in "Unternehmensfinanzierung im Mittelstand" (2018), Seite 313
Kriterien für die Wahl des Outsourcing-Anbieters
Bei der Auswahl des richtigen Outsourcing-Partners sollten laut Schneider Unternehmen auf bestimmte Aspekte schauen. Die wichtigsten Kriterien fasst er auf Seite 316 zusammen:
- Verlässlichkeit
- Problemlösungsfähigkeit
- Umsetzung individueller Anforderungen
- Referenzen
- Leistungsfähigkeit
- Servicequalität
- Erfahrung in der Branche
- Konditionen
- Preisstabilität
- Marktgerechte Preise
- Langfristigkeit der Kundenbindung
- Möglichkeit der Komplettabdeckung der auslagerungsfähigen Prozesse
- Modulares Angebot
"Die Frage, ob und in welchem Umfang Unternehmensfunktionen ausgelagert werden sollen, ist vor dem Hintergrund der individuellen, strategischen und operativen Zielsetzungen sowie den sich daraus ergebenden praktischen Herausforderungen zu sehen und zu lösen", so der Springer-Autor. Die Leistungsfähigkeit des Outsourcing-Partners müsse sich dabei an den Prozessen des Auftraggebers ausrichten. "Der Dienstleister muss in der Lage sein, wirtschaftlich effizientere Lösungen vorzuhalten und dabei im Weiteren auch eine permanente Verbesserung des Bestehenden anzugehen."
Forderungsverkauf als Liquiditätssicherung
Im Verkauf zahlungsgestörter Forderungen sieht Thorsten Klug eine weitere Möglichkeit, die Unternehmen in schwieriger Lage helfen kann. Was bei Banken längst üblich ist, wird von Mittelständlern aber häufig gar nicht in Erwägung gezogen, schreibt der Springer-Autor im Buchkapitel "Verkauf zahlungsgestörter Forderungen als Finanzierungsquelle für mittelständische Unternehmen" auf Seite 321. Gerade die KMU scheuten die Zusammenarbeit mit einem Inkassounternehmen.
Dabei werde die Forderungsabwicklung durch eigene Mitarbeiter mit wachsender Größe schwieger: Unterliegen Mahnungen, Telefonate, Briefe an den Schuldner sowie Beauftragungen von Rechtsanwälten keiner Routine, sondern werden manuell angestoßen, mache dies "einzelne Prozessschritte oft langsam, ineffizient und letztlich teuer". Auch warteten viele KMU zu lange, bis Forderungen an ein Inkassounternehmen weiterveräußert werden, moniert der Springer-Autor. "Jedoch stellt genau dieser Punkt die größte Stellschraube in Bezug auf die Werthaltigkeit dar", so Klug.
Er fasst die Vor- und Nachteile für den Verkäufer im Verkaufsprozess wie folgt zusammen:
Vorgang | Inhalt | Vorteile für den Verkäufer |
Indikatives Angebot | Eine Überschlagskalkulation liefert eine erste Indikation, jedoch ist nicht immer gesagt, dass das verbindliche Angebot tatsächlich das Beste sein wird. | Der Verkäufer kann sich zur Nachverhandlung für ein Vergleichsangebot oder einen Rückzug der Transaktion entscheiden. |
Historische Fortschreibung | Ein Inkassounternehmen zieht einen Vergleichsmandanten heran, welcher die zukünftige Entwicklung der Forderungsbeitreibung synthetisch nachvollziehen soll. | Bei starken Vergleichsmandanten profitiert der Verkäufer, bei schlechter historischer Performance sollte man mit dem Käufer über die "Benchmark" reden. |
Auktionsverfahren | Ein Bieterverfahren, bei denen die Inkassounternehmen zur Auktion eingeladen werden. | Falls der Verkäufer genügend Forderungsvolumen aufbringt und genügend Inkassounternehmen sich melden, kann die maximale Preisbereitschaft abgeschöpft werden. |
Quelle: Thorsten Klug in "Unternehmensfinanzierung im Mittelstand" (2018), Seite 327
Kundendaten helfen bei Prognosen
Dabei komme den Kundendaten, die die Unternehmen oft über Monate und Jahre sammeln, eine besondere Bedeutung zu, so Klug. Diese sollten nicht ungeprüft dem Käufer zu überlassen werden, rät der Springer-Autor. "Längere Sammelperioden machen Forderungen zwar nicht wertvoller, ermöglichen aber eine detailliertere Datenanalyse." Klug schreibt auf Seite 327:
Insbesondere im Hinblick auf das eingesetzte Risikomanagement ermöglichen die Daten einen Einblick auf die Schwachstellen im eingesetzten System. Auch erlauben diese Daten im Zusammenspiel mit Forderungen, die dann doch bedient wurden und die als Vergleich herangezogen werden, eine erste Grobprognose."
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