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10-06-2020 | Finanzen | Interview | Article

"Unternehmen unterschätzen den Wert, den Athleten einbringen"

Author: Andrea Amerland

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Interviewees:
Philipp Schwethelm

ist professioneller Basketballspieler mit rund 350 Basketball-Bundesliga-Spielen und 49-facher Nationalspieler.

Irg Torben Bührer

ist Gründer von Patparius. Patparius begleitet Spitzensportler auf ihrem Weg in der Karriere neben und nach dem Sport.

Diego Maradona, Mike Tyson oder Boris Becker: Sie alle gerieten während und nach ihrer Sportkarriere in finanzielle Schwierigkeiten. Ein Interview über Finanz- und Karriereplanung im Profisport mit Basketballspieler Philipp Schwethelm und Berater Irg Torben Bührer. 

springerprofessional.de: Warum geraten Profisportler nach Millionenverdiensten in finanzielle Schieflagen?

Philipp Schwethelm: Ich habe zwar nie Millionen-Verträge unterschrieben und komme aus einem sehr bodenständigen Elternhaus, merkte aber, als ich meinen ersten großen Vertrag beim FC Bayern München unterschrieb, wie schnell man die Relation zu Geld verlieren kann. Mein Glück war, dass Jörg Bencker mit mir einen Finanzplan aufgestellt hat, der mich schnell die richtige Relation hat wiederfinden lassen. Athleten, die nicht nach solchen Plänen agieren, können am Ende durch einen extremen Lebensstil in finanzielle Schieflagen geraten.

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Erfolgreich im Sport, die Finanzen im Griff, nach der Profilaufbahn festen Boden unter den Füßen: Erstmalig liegt mit diesem Buch ein praxisorientierter Ratgeber vor, der allen Profi- und Spitzensportlern dabei hilft, kluge Entscheidungen beim Aufbau ihrer Karriere und beim Umgang mit ihren Finanzen zu treffen.

Irg Torben Bührer: Selbstverantwortung und Selbstbefähigung sind für Athleten wichtig. Sie müssen sich mit dem Thema Finanzen befassen und selbst ein Grundverständnis aufbauen. Außerdem sollte man die Menschen, mit denen man zusammenarbeitet und die einen beraten, sorgfältig auswählen. Aber: Es ist für Athleten nicht einfach. Sie leben in einem anderen Kosmos als Gleichaltrige, die studieren oder den ersten Job anfangen.

Wie sollten Profisportler für die Zeit nach der sportlichen Karriere vorsorgen?

Philipp Schwethelm: Kohle zusammenhalten! Sven Dethlefs hat mir das während meiner Zeit bei Ratiopharm Ulm mal eindringlich verdeutlicht. Athleten – natürlich nicht alle – können in kurzer Zeit relativ viel verdienen. Dies sollten sie dann möglichst defensiv anlegen, um nach der Sportkarriere davon zehren zu können. Im Gegensatz zum Einkommensverlauf von 'normalen' Menschen, deren Einkommen mit dem Alter eher steigt beziehungweise stabil bleibt, ist es bei uns Profi-Sportlern oft genau umgekehrt.

Irg Torben Bührer: Kapitalerhalt vor Rendite, Diversifizierung, Vorsorge sind die Stichwörter. Ich würde jedem empfehlen, langfristig vorzusorgen und sein Geld gut gestreut in verschiedene Asset-Klassen zu investieren. Vor Patparius habe ich im Investment Banking und zuletzt bei der UBS AG im Global Asset Management Fixed Income und Money Market Funds entwickelt. Es gibt viele Finanzprodukte und Investment-Opportunities, in die man als Sportler nicht unbedingt investieren sollte.

Spitzensportler müssen ihre zweite Karriere außerhalb des Leistungssports planen. Vor welchen Hürden stehen sie dabei?

Irg Torben Bührer: Arbeitgeber können oft schwer einschätzen, was es bedarf, den Beruf Sportler auszuüben, nebenher ein Studium zu absolvieren und mit dem Druck klarzukommen, die Sportkarriere zu finanzieren. Heißt, in Unternehmen wird der Wert unterschätzt, den Athleten als Mitarbeiter einbringen können. Aber in gleicher Weise unterschätzen Athleten, was sie leisten und welchen Wert sie für Unternehmen haben können. Zudem ist es für Sportler eine Herausforderung, die als Athlet erarbeiteten Skills, in der Business-Welt auf die Straße zu bringen.

Philipp Schwethelm: An erster Stelle braucht es eine enorme intrinsische Motivation. Meistens kannst du als Sportler ja nicht einfach zur Uni gehen und den Plänen der Lehranstalten folgen. Du musst extrem eigenständig deine Ausbildung vorantreiben, sehr viel Freizeit opfern. Außerdem sollten Vereine, Verantwortliche und Trainer offener werden und das, was Athleten neben dem Sport für ihre Karriere tun, nicht einfach als Ablenkung betrachten, sondern vielmehr als Bereicherung für uns Athleten.

Welche beruflichen Weichen müssen Profisportler für die Zeit nach der Sportkarriere wann wie stellen?

Irg Torben Bührer: Wichtig ist der Blick über den Tellerrand Sport hinaus. Ich empfehle Athleten: Seid wissbegierig, verknüpft euch mit Themen und Leuten abseits des Sports und holt euch Impulse von Menschen, die in anderen Bereichen erfolgreich sind. Wann und wie? Ab morgen und checkt nicht Instagram, sondern Linkedin. Findet die Parallelen zu Bereichen außerhalb des Sports, Stichwort Wissens- beziehungsweise Lerntransfer.

Philipp Schwethelm: Hängt vom Alter bezihungsweise Karriere-Zeitpunkt ab. Junge Sportler müssen den Fokus auf den Sport legen, um den Durchbruch zu schaffen. Als etablierter Spieler kann es dann ein guter Ausgleich zum Sport sein, aktiv die Karriere danach, etwa via E-Studium, anzuschieben. Zudem: Baut euer Netzwerk auf. Hier können sich über die Jahre viele aussichtsreiche Projekte ergeben.

Welches Know-how müssen Sportler selbst erwerben, damit die zweite Karriere und die Finanz- und Vermögensplanung gelingen?

Philipp Schwethelm: Als Sportler muss man nicht Finanz- oder Steuerexperte sein. Es ist wichtig, einen Zugang zu diesen Themen zu finden. Mich hat Patric Böhle motiviert, mich mit dem Thema Steuern zu befassen. Er hat mir aufgezeigt, dass ich Ausgaben ganz oder teilweise vom Finanzamt erstattet bekommen kann. Das hat mir echt Lust gemacht, mich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Man braucht Fachleute, die das Know-how haben – und vor allem, denen man vertrauen kann.

Irg Torben Bührer: Und Philipps Buch lesen. Aber ja, was Philipp sagt, ist genau richtig. Deshalb verstehe ich den Buchtitel auch eher in Richtung professionelles Agieren. Hierzu gehört für mich, Teil eines professionellen Teams zu sein oder anders ausgedrückt, sich im über den Sport hinaus gehenden beruflichen Kontext mit den Menschen auszutauschen und zu beraten, die eine entsprechende Expertise haben, denen man vertraut und die Impulse für die Karriere danach geben können.

Managerstühle wackeln. Was können Top-Manager in beruflichen Umbruchphasen von Profisportlern, die erfolgreich eine zweite Karriere starten konnten, lernen? 

Irg Torben Bührer: Sich Erfolg zu erarbeiten, ist universell und fachgebietsunabhängig. Wenn man bereits erfolgreich in einem Bereich war, hat man eine gute Basis, den Erfolg auch auf anderen Gebieten suchen zu können. Es braucht Lernwillen, Offenheit sich neuen Einflüssen auszusetzen. Es braucht Mut, aus der Komfortzone rauszugehen, Bereitschaft, neu anzufangen und eine Fehlerkultur, die einen motiviert.

Philipp Schwethelm: Für mich waren Umbruchphasen oder Wechsel zu neuen Vereinen immer auch inspirierende Impulse. Ich habe mich auf solche Veränderungen eigentlich immer gefreut, habe sie positiv empfunden und versucht, sie bestmöglich zur Weiterentwicklung zu nutzen. Klar, jede Herausforderung schubst einen aus der Komfortzone. Aber genau das bringt einen in der persönlichen Entwicklung weiter voran.

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