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21-03-2017 | Fintechs | Kolumne | Article

"Die deutschsprachige Fintech-Szene entwickelt sich prächtig"

Author: Frank Schwab

4:30 min reading time

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Finanzdienstleistungen (Fin) und Technologie (Tech) sind schon immer eng miteinander verbunden. Banken und Versicherungen gehören zu den frühen Kunden der Computerindustrie. Frank Schwab analysiert die globale Entwicklung des Fintech-Sektors und wie er sich durch Trump und den Brexit verändern könnte.

Machen wir uns nichts vor, weltweit dominieren New York und London das (Investment)-Banking, und das Silicon Valley ist das globale Technologie- und Venture-Kapital-Zentrum. So ist es kein Wunder, dass eines der ersten Fintechs, nämlich Paypal, das 1998 gegründet wurde, seinen Hauptsitz in San José, Kalifornien hat – und damit im Herzen des Silicon Valley. Moven, das 2011 ins Leben gerufene, weltweit erste, reinrassige Mobile-Banking-Fintech, hat seinen Sitz in New York. Und Zopa, eine der erfolgreichsten Kreditplattformen, kommt aus Großbritannien, mit Sitz in London.

Kampf um den Leitmarkt

Seit mehr als zehn Jahren kämpfen New York und London nicht nur um die Vorherrschaft im globalen Banking, sondern auch im Fintech-Segment. 

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2017 | Book

FinTechs

Disruptive Geschäftsmodelle im Finanzsektor

Dieses Buch stellt bestehende FinTech-Geschäftsmodelle vor und diskutiert sie. Der Schwerpunkt liegt dabei nicht auf technischen, sondern auf betriebswirtschaftlichen Aspekten.

Stellvertreter dieses Wettbewerbs sind die Moven-Gründer und "Bank 2.0"-Bestseller-Autor Brett King aus New York sowie Chris Skinner, Autor des Buchs "Digital Bank" aus London. Täglich bloggen beide die Neuigkeiten aus der Fintech-Szene und heizen sich gegenseitig an, nicht zuletzt im Rahmen der wöchentlichen Radio Show "Breaking Bank$". 

Die genauen Zahlen sind unklar, aber wir können davon ausgehen, dass in New York und London inzwischen mehr als 10.000 Fintechs gegründet wurden. Wesentliche Erfolgsfaktoren sind 

  • die räumliche Nähe zwischen den zahlreichen Technologie- und Banking-Experten und
  •  jungen und älteren Fintech-Gründern, die von den traditionellen Banken enttäuscht sind, 
  • risikofreudigen Kapitalgebern, die sich eine stattliche Rendite erhoffen und nicht zuletzt 
  • Finanzbehörden, die freundliche Rahmenbedingungen zulassen oder schaffen.

Im Vergleich dazu war Deutschland bis vor wenigen Jahren ein Fintech-Entwicklungsland. Erst im November 2013 fand beispielsweise das erste Fintech-Forum in Frankfurt statt, während sich Unternehmen wie Finovate und Innotribe in New York und London schon über mehrere Jahre etabliert hatten. 

Das Ziel des Fintech-Forums: deutschsprachige Fintech-Gründer mit Investoren und Banken zusammenzubringen. Gerade mal 14 Start-ups fanden sich 2013 zusammen, darunter deutschsprachige Fintech- Pioniere wie Moneymeets, Wikifolio, Just ETF, Open Bank Project, Lendstar, Finpoint und Moneygarden, die sich seitdem sehr unterschiedlich weiterentwickelt haben. Bezeichnend, dass unter den rund 50 Teilnehmern damals nicht ein einziger Vertreter einer deutschen Bank oder Sparkasse dabei war, und auch kein deutscher Investor. Dafür reisten Banker und Investoren aus London, Madrid, Moskau, Amsterdam und sogar Sydney an. Auch heute noch wird beim Fintech-Forum nur in englischer Sprache präsentiert.

Wandel im Fintech-Sektor 

Doch das Bild hat sich inzwischen stark verändert. Deutsche Fintech-Pioniere, Investoren und Blogger, etwa Sebastian Diemer (Kreditech, bezahlt), André Bajorat (Figo), Spiros Margaris (Kapilendo, Niiio, Werthstein) und Samarth Shekhar haben die Fintech-Gründer auch in Deutschland zum Thema gemacht. Inzwischen zählen wir mehr als 400 der jungen Finanztechnologieunternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Allerdings sind sie nicht so konzentriert, wie in New York und London, sondern verteilen sich auf die großen Metropolen, wie Berlin, München, Frankfurt, Hamburg, Wien und Zürich. Während CB Insights zwischen 2012 und 2014 Fintech-Investments in Höhe von 233 Millionen Euro in Deutschland ermittelt hat, wurde in Großbritannien im gleichen Zeitraum etwa das Vierfache oder 872 Millionen Euro in Fintechs investiert. Zwischenzeitlich hat Deutschland Großbritannien überholt. In den ersten drei Quartalen des Jahres 2016 wurden in Deutschland 421 Millionen Euro investiert, in Großbritannien 375 Millionen Euro.

Auswirkungen durch Trump und Brexit

Stellt sich die Frage, welche Auswirkungen durch den Brexit und die Wahl von Trump für deutsche Fintech-Schmieden zu erwarten sind. Es gibt vor allem Unsicherheiten bei Gründern und Investoren in Großbritannien. Und zwar bei denjenigen, die heute in London bereits ansässig sind und geplant haben, von dort aus mittels Passporting der eigenen UK-Lizenz einen europäischen Roll Out zu starten. Im Rahmen des Brexit ist unklar, ob dies rechtlich noch möglich sein wird. Britische Fintechs denken deshalb zurzeit darüber nach, Büros in Berlin oder Frankfurt zu eröffnen. Deutlich kann man die Folgen der Verunsicherung auch bei asiatischen oder amerikanischen Start-ups  sehen, die planen, in den europäischen Markt einzutreten. Ohne Brexit würde diese Fintechs aufgrund der geringeren Sprachbarrieren zunächst in London starten. Aber aufgrund der aktuellen wirtschaftspolitischen Unsicherheiten sieht man beispielsweise den europäischen Markteintritt von Alipay im Rahmen einer Kooperation mit der Münchner Wirecard und einem Feldversuch am Münchner Flughafen.

Was die Auswirkungen von Trump auf den deutschen Fintech-Markt bedeuten, darüber lässt sich zurzeit nur spekulieren. Trump hat angekündigt, dass er die Regulierung der Finanzbranche wieder lockern will und am 13. Januar 2017 hat das amerikanische Finanzministerium das elfseitige Whitepaper "A Framework for Fintech" zur Förderung von Fintechs veröffentlicht. Die US-amerikanische Finanzwirtschaft und Fintechs bekommen also Rückenwind. Das könnte hierzulande eine Gegenreaktion auslösen und auch im deutschen Markt Förderungen für Fintechs nach sich ziehen. Somit könnte es aus einen positiven Innovationswettbewerb entfachen. Vielleicht geben diese Entwicklungen den deutschen Fintechs, wie beispielsweise der Initiative Paydirekt der deutschen Banken und Sparkassen, weitere Motivationsschübe, sich US-Konkurrenten wie Paypal entgegenzustellen und sich mittelfristig auch zu behaupten.

Unabhängig von Brexit und Trump entwickelt sich die deutschsprachige Fintech-Szene mit ihren mehr als 400 Finanztechnologie-Start-ups und mehreren 100 Millionen Euro an Investitionen zurzeit prächtig. Das zeigt sich nicht zuletzt an der Vielzahl der Kooperationen zwischen Banken und Fintechs, über die André Bajorat regelmäßig in seinem Paymentandbanking-Blog berichtet.

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