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09-07-2019 | Fintechs | Kolumne | Article

Fintechs bringen eine neue Kultur in die Finanzbranche

Author: Mark Bettels, CFA, MBA

3:30 min reading time

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Lassen sich Banken und Fintechs vergleichen? Die Geldhäuser kämpfen mit langsamen Legacy-Systemen, die mit den schlanken, schnellen Schnittstellen der Fintechs oft nicht mithalten können. Doch das ist nicht der Kern der Diskussion, meint Branchenexperte Mark Bettels. 

Auch wenn es für Fintechs nichts Schöneres gibt, als die technischen Vorzüge ihrer brandneuen Prozesse und Plattformen anzupreisen, die sie selbst gebaut haben, sollten die technischen Unterschiede nicht den Blick auf das Wesentliche versperren. Fintechs wollen nicht nur durch ausgefeilte Algorithmen überzeugen. Der Kern ihres Angebots ist darauf ausgerichtet, das traditionelle Parkett der Finanzindustrie mit einer neuen Kultur zu betreten. Wer die Unterschiede in den Arbeitsweisen zwischen Banken und Fintechs verstehen will, muss also dort ansetzen.

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Digitalisierung und Fintechs – das traditionelle Bankgeschäft im Wandel

Das Thema Digitalisierung ist in der deutschen Kreditwirtschaft hoch priorisiert. Doch statt revolutionärer Strategien stehen meist Kostensenkungsmaßnahmen, flankiert durch die Optimierung des Online- und Mobile-Banking-Angebotes, im Fokus. Hinzu kommt das Thema Daten- und IT-Sicherheit. Das Buchkapitel wirft einen Blick auf das Geschäftsmodell der klassischen Kreditinstitute ihre Bedrohung durch Fintechs. 


Fintechs punkten mit Geschwindigkeit

Ja es stimmt. Heutzutage können viele Fintechs bei ihren Kunden besonders in Sachen Geschwindigkeit und User Experience auf ihrer kurzen Customer Journey punkten. Schnelligkeit ist aber auch kulturell im Sinne der kurzen internen Wege und flachen Hierarchien wichtig. Kernpunkt ist hier vor allem eine offene Feedback-Kultur. Diese ermöglicht es beispielsweise Angestellten mit Kundenkontakt, direkt mit den höchsten Strategieebenen des Unternehmens zu kommunizieren, wenn es Ideen zur Verbesserung des Produkts gibt. Es ist also ganz normal, dass Praktikanten in Meetings mit Gründern Gedanken darüber austauschen, wie das Unternehmen noch besser werden kann.

Dabei ist der Eigenantrieb aller Kollegen, Prozesse sorgfältig und schnell angehen und abschließen zu wollen. Das wird durch eine starke Mission garantiert, mit der sich Mitarbeiter identifizieren können und die immer vor Augen führt, welchen direkten Unterschied das Produkt für die Arbeit oder den Alltag des Kunden bedeutet. Die Kompatibilität von Mitarbeitern und Mission steht deshalb im Fokus der Mitarbeiterauswahl.

Im Recruitment setzen Fintechs andere Anreize

Generell kann man davon ausgehen: Kandidaten, die eine entsprechende Ausbildung oder ein entsprechendes Studium abgeschlossen haben, werden in der Lage sein, die technischen Anforderungen an einen Job zu erfüllen. Der Anteil an Coachings und Trainings, die neue Kollegen bei Fintechs erwartet, ist sowieso relativ hoch, da sie sich mit vielen Systemen und Prozessen konfrontiert sehen, die sie noch nicht in ihrem bisherigen Arbeitsalltag kennengelernt haben.

In der Regel ist der Kern von Bewerbungsgesprächen deshalb immer das Abtasten einer Grundeinstellung, die wir bei uns als Growth Mindset bezeichnen. Dabei steht die Frage im Vordergrund, ob Kandidaten sich in ein Umfeld integrieren können, in dem eine Einstellung des 'Ich kann schon alles' mit einem bodenständigen 'Diese Dinge will ich lernen und erreichen' ersetzt wird. Die Voraussetzungen hierfür sind klar: Der Start findet auf einem Level-Playing-Field statt – auch häufig in Sachen Gehalt. Wer allerdings zeigt, dass er Chancen zu nutzen weiß, wird sehr schnell, auch in einer jungen Karriere, Verantwortung übernehmen können.

Hierdurch wird sichergestellt, dass der Hauptanreiz nicht allein über Geld, sondern Erfolg definiert wird. Die Botschaft an die Kollegen ist, dass sie  selbstbestimmt über ihren Karriereweg entscheiden können, während er bei klassischen Banken viel eindeutiger vor- und fremdbestimmt ist.

Kultur und Wachstum als Herausforderung

Während die Etablierung einer Kultur in einem kleinen Start-up-Team sicher einfacher fällt als in einer großen Organisation, sehen sich reifere und stark wachsende Fintechs inzwischen der Herausforderung gegenüber, eine starke Kultur auch in großen Teams implementieren zu müssen. Wir sind zum Beispiel innerhalb weniger Jahre von zwei auf über 300 Angestellte angewachsen. In Deutschland wollen wir in den nächsten zwölf Monaten die Mitarbeiterzahl in unserem Büro in Frankfurt vervielfachen.

Dass es möglich ist, eine individuelle kulturelle Identität auch in großen Teams beizubehalten, leben große Tech-Unternehmen vor, in denen Managementprinzipien wie die des Radical Candor eine eigenständige Kultur prägen.

Banken können Innovation über Kultur entwickeln

Viele Prozesse und Systeme in Fintechs sind nicht ausschließlich von den technologischen Voraussetzungen abhängig, sondern sie werden zum großen Teil von einer neuen Kultur bedingt. Auch wenn es im Gegensatz zu technischen Systemen nach einem eher soften Managementfaktor klingt, so ist die Umsetzung einer starken Kultur der erste und effektivste Schritt für große Veränderungen. Der Vorteil ist, dass diese Änderungen auch auf Bankenseite erfolgen können – unabhängig von behäbigen Legacy-IT-Systemen.

 

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