Im Mittelstandsgeschäft von HSBC Deutschland spielen Unternehmen aus dem Automobilsektor eine wichtige Rolle. Vorstandsmitglied Christian Kolb erläutert im Bankmagazin-Gespräch, warum die Branche trotz vieler Herausforderungen auch künftig ein zentrales Standbein der deutschen Wirtschaft bleibt.
Bankmagazin: Herr Kolb, Sie führen seit 2016 das Mittelstandsgeschäft von HSBC Deutschland. Wie bringen Sie die verschiedenen Bedarfe der Unternehmen in dieser Zielgruppe zusammen?
Christian Kolb: Den Mittelstand definieren wir tatsächlich sehr breit. Mindestens 100 Millionen Euro Jahresumsatz sollten es zwar grundsätzlich sein, doch es sind auch einige kleinere Unternehmer darunter. Die Untergrenze ist also nicht streng vorgegeben. Entsprechend zählen sowohl mittelständische Betriebe zu meinen Kunden als auch einzelne große Firmen, die 20 Milliarden Euro und mehr pro Jahr umsetzen. Überdies gehören zwei DAX-Konzerne in meinen Betreuungsbereich. Aber abgesehen vom Umsatz sind die Unterschiede beim Corporate Banking gar nicht so groß. Viel relevanter ist, ob es sich um eine inhabergeführte Firma handelt oder um ein an der Börse gelistetes Unternehmen. Letztere stellen auf Druck der Eigentümer zügiger strategische Weichen, während Unternehmer langfristiger agieren können.
Inwieweit erschwert die derzeit noch anhaltende Corona-Lage die unternehmerischen Entscheidungen Ihrer Kunden?
Das größte Problem war der freie Fall der Wirtschaft zu Beginn der Corona-Krise und die dadurch stark eingeschränkte Sichtweite. Am schlimmsten war die Lage im Februar und März zum ersten bundesweiten Lockdown. Im zweiten Quartal 2020 haben dann viele Unternehmenskunden, egal ob vom Eigentümer geführt oder börslich gelistet, überhaupt keine Prognose mehr abgegeben. Einige haben ihre bisherigen Vorhersagen und Ziele einkassieren müssen, weil sie angesichts der Pandemie und der wirtschaftlichen Umstände irrelevant geworden sind. Manche Firmen sind noch immer nicht in der Lage, eine Prognose abzugeben. Mittlerweile läuft das Geschäft in vielen Betrieben aber insgesamt wieder besser. Insbesondere die für die Bundesrepublik wichtige Automobilbranche konnte im dritten Quartal etwas aufatmen. Doch mit dem zweiten Lockdown, wenn auch in Light-Form, wird die wirtschaftliche Lage wieder schwieriger und die unternehmerischen Unsicherheiten nehmen erneut zu.
Bereits 2018 warnte eine HSBC-Studie, dass der für Deutschland wichtige Fahrzeugsektor vor einer massiven Krise steht. Heute stellen wir fest, dass diese Krise - nicht nur wegen Corona - eingetreten ist. Welche Bedeutung hat der Sektor für Ihr Firmenkundengeschäft?
Wir betreuen viele Unternehmen aus dem Automobilsektor. Darunter sind die Fahrzeughersteller selbst sowie deren Zulieferer und Dienstleister. Die Abgrenzung zu anderen Sektoren ist jedoch nicht immer eindeutig. Denn es gibt auch Betriebe, die eigentlich dem Maschinenbau oder der Chemieindustrie zuzuordnen sind und bei denen nur Teilbereiche dem Automobilsektor zuliefern. In meinem Kreditportfolio sind das bis zu 30 Prozent mit dem beschriebenen erweiterten Kreis. All diesen Firmen kommen die Stützungsmaßnahmen der Bundesregierung kurzfristig zugute. Aber die Automobilhersteller befanden sich schon vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie in einer Transformation. In den vergangenen Monaten sind in dieser Branche viele zusätzliche Belastungen zusammengekommen, von Lieferengpässen und Nachfrageeinbrüchen bis zu immer weiter steigenden Kosten. Viele Unternehmen versuchen jetzt mit enormen Anstrengungen, eine neue Normalität in ihr Geschäft zu bringen und es wieder profitabel auszurichten. Wir müssen aber davon ausgehen, dass diese Anpassungen noch einige Zeit dauern und die Automobilbranche insgesamt erst 2023 wieder auf das Niveau von 2019 zurückkommen kann.
Wird die Fahrzeugherstellung auch in Zukunft ein Schwerpunkt der deutschen Wirtschaft bleiben?
Der Automobilsektor wird ein Schwerpunkt in Deutschland bleiben. Trotz der starken Konkurrenz für den Standort aus den USA und China glaube ich ganz allgemein weiterhin an die deutsche Industrie. Es gibt wirklich fantastische Unternehmen, denen es dank guter Produkte auch weiterhin richtig gut gehen wird. Selbst mitten in der Corona-Krise eröffnen sich Umsatzchancen für solche Betriebe und es gibt neues Wachstumspotenzial. Diese Opportunitäten konnten viele Firmen mit unserer Hilfe auch tatsächlich nutzen.
Warum sollten Unternehmer ihr Risiko in der derzeitigen Wirtschaftskrise noch steigern?
Zu Beginn der Corona-Pandemie wusste keiner, wo die Entwicklung hingeht. Wir fuhren alle durch eine dichte Nebelwand. Die meisten Unternehmen haben die Rollläden erst mal runtergelassen und Statussicherung betrieben. Sie sind an ihre Banken herangetreten und haben nach zusätzlicher Liquidität gefragt. Binnen kurzer Zeit mussten sie ihre Geschäftsmodelle in einem neuen Kontext analysieren. Das kann auch zum Ergebnis führen, dass sie ihr Risiko etwa durch Zukäufe zunächst ausweiten müssen, um langfristig besser dazustehen.
Das vollständige Interview mit Christian Kolb lesen Sie in der Januar-Ausgabe von Bankmagazin.
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