Gut ein Viertel der Unternehmen, die 2023 einen Kredit bei ihrer Bank oder Sparkasse anfragten, wurde auf das Thema Nachhaltigkeit angesprochen, offenbart eine aktuelle Umfrage. Und dieser Anteil dürfte weiter steigen - vor allem bei kleineren Instituten.
Bei den Kreditverhandlungen von Firmenkunden und ihren Banken spielen die Aspekte Environment, Social und Governance, kurz ESG, eine wachsende Rolle. Das ergab eine breit angelegte Umfrage, die die Förderbank KfW gemeinsam mit insgesamt 17 Spitzen-, Fach- und Regionalverbänden der deutschen Wirtschaft im März und April 2024 durchgeführt hat. Knapp 1.800 Unternehmen aller Größenklassen, Wirtschaftszweige, Rechtsformen und Regionen standen Rede und Antwort zum Finanzierungsklima. Die Ergebnisse geben dabei die Stimmungslage im Jahr 2023 wieder.
Emissionsdaten und Energieverbrauch abgefragt
Mehr als ein Viertel (27 Prozent) der Unternehmen, die in den vergangenen zwölf Monaten Kreditverhandlungen geführt haben, gaben an, dass das Thema Nachhaltigkeit von den Beratern der Banken und Sparkassen angesprochen wurde. In der Vorgängerstudie aus dem Jahr 2022 lag der Anteil bei erst 18 Prozent.
Dabei fragten die Geldhäuser in mehr als der Hälfte (56 Prozent) der Fälle nach spezifischen Nachhaltigkeitsinformationen oder -indikatoren. Konkret wünschten diese vor allem Daten zu Treibhausgasemissionen (40 Prozent) sowie zum Energieverbrauch (38 Prozent). Mehr als jedes vierte Unternehmen, das nach spezifische Daten gefragt wurde, gab an, dass ein ESG-Rating oder Zertifizierung vorgelegt werden musste. Dabei handelte es sich vor allem um größere Unternehmen.
Regulatorik treibt häufig das ESG-Interesse
Insbesondere regulatorische Gründe und der Blick auf das eigene Reputationsmanagement lassen das Interesse der Finanzhäuser an ökologischen, sozialen und Governance-Kriterien, bei der Kreditvergabe steigen. "Dieser Trend wird sich weiter verstärken", erläutert Juliane Gerstenberger, Senior Economist der KfW.
Insbesondere bei kleinen Instituten wird die Regulatorik gilt laut der Springer-Autoren Hans-Christian Brauweiler und Christian Bergeraktuell als wichtigster Treiber für die Berücksichtigung nachhaltiger Faktoren in der Kreditvergabe gesehen. "So sehen einige Banken einen Zusammenhang zwischen der Berücksichtigung von ESG-Kriterien und der Profitabilität und Kreditwürdigkeit von Unternehmen sowie der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in ihrer Kreditvergabe aus Performance-Gründen."
Eine Reihe von Instituten hat sogar das gesamte Geschäftsmodell nachhaltig und werteorientiert ausgerichtet. "Sie werden gemeinhin als Ethik- oder Nachhaltigkeitsbanken bezeichnet. Nachhaltigkeit ist bei ihnen nicht nur in die Unternehmensphilosophie integriert, sondern sie investieren proaktiv in nachweislich ethische, öko-soziale Unternehmen und definieren für ihre Finanzprodukte klare wertebasierte Richtlinien", erläutert Nicole Fabisch im Buch "Sustainable Service Management". Sie verfügen meist über klare Ausschlusskriterien, nach denen in bestimmte kritische Branchen oder Unternehmen nicht investiert wird.
Verarbeitendes Gewerbe und Dienstleister vorne
Laut der Studie rechnen daher 40 Prozent der Befragten damit, dass nachhaltige Aspekte bei künftigen Darlehensgesprächen wichtiger werden. Für 53 Prozent der Unternehmen hat das Thema daher einen "hohen" oder sogar "sehr hohen" Stellenwert.
Als besonders rührig hat sich in der Studie das Verarbeitende Gewerbe und der Dienstleistungssektor erwiesen. Gut die Hälfte aller Unternehmen dieser Sektoren sagen, dass Nachhaltigkeit einen "hohen" oder sogar "sehr hohen" Stellenwert für ihre Geschäftstätigkeit hat. Auch größere Firmen schätzen die Bedeutung des Themas tendenziell höher ein, wie nachstehende Tabelle belegt:
Das Nachhaltigkeitsprofil stärken
Allerdings hält sich nur gut ein Drittel (34 Prozent) der befragten Betriebe auf die wachsende Bedeutung von Sustainable Finance für sehr gut oder zumindest gut vorbereitet. Es gebe einen großen Handlungsbedarf bei der Erfassung von Nachhaltigkeitskennzahlen, folgert die KfW.
Das gelte vor allem im Segment der größeren Unternehmen, bei denen sich "ausgeprägte Lücken zwischen erwarteter Relevanz des Themas und Vorbereitungsstand" zeigen. Diese werden sich zukünftig stärker mit ihrem Nachhaltigkeitsprofil auseinandersetzen und entsprechende Informationen und Daten strukturiert erfassen müssen.
ESG-Risiken im Kreditvergabeprozess verankern
Banken und Sparkassen benötigen Prozesse, die ESG-induzierte Kreditrisiken im Rahmen der Bonitätsanalyse bei der Darlehensvergabe berücksichtigen. Um das Ausmaß entsprechender Gefahren zu beurteilen, müssen Banken unter anderem eine sogenannte Green Asset Ratio (GAR20) ermitteln und offenlegen. Dabei gibt es einige Hürde zu überwinden, wie Springer-Autor Thilo Grundmann erklärt:
Zunächst ist zu klären, von welchen zukünftigen umwelt- und wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen sowie deren Auswirkung auf physische und transitorische Risiken auszugehen ist. Die Bewertung entsprechender Risiken wird hierbei noch zusätzlich durch eine mangelnde Verfügbarkeit historischer beziehungsweise vergleichbarer Daten erschwert. Die erforderliche Übersetzung von ESG-Risiken in finanzielle Risiken erfordert ferner ein Verständnis und eine Analysierbarkeit (zumindest der wesentlichen) zukünftigen Wertschöpfungsprozesse der zu betrachtenden Unternehmen."