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2024 | Book

Forschungsmethoden Landschaftsarchitekturtheorie

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About this book

​Wie werden in Forschungsarbeiten in der Landschaftsarchitekturtheorie Erkenntnisse gewonnen? Um diese Frage zu beantworten, ist es sinnvoll, die Methode der Forschung einer individuellen Forschungsarbeit anschaulich zu machen. Ziel des Buchs ist es, eine Übersicht an aktuellen Forschungsmethoden im Feld der Landschaftsarchitekturtheorie zu geben. Damit möchte das Buch einen Beitrag zur Methodendiskussion in der Landschaftsarchitekturtheorie leisten, die häufig gefordert, aber selten geführt wird. Die Aufsätze in dem Buch sind untereinander formal und inhaltlich abgestimmt: Formal haben sie einen ähnlichen Aufbau, sodass die Methoden gut miteinander verglichen werden können. Inhaltlich sind die Aufsätze insofern miteinander abgestimmt, weil jeder Aufsatz für eine bestimmte Forschungsmethode in der Landschaftsarchitekturtheorie steht.

Table of Contents

Frontmatter
Forschungsmethoden Landschaftsarchitekturtheorie. Einführung
Zusammenfassung
Es mangelt an einem Diskurs über Methodologie und Methoden der Landschaftsarchitekturtheorie. Das Buch versteht sich als Beitrag zu einem solchen Diskurs. Um diesen präziser führen zu können, werden in der Einführung einige Differenzierungsvorschläge gemacht. So wird zum Beispiel zwischen der Landschaftsarchitektur als Entwurfsdisziplin und der Landschaftsarchitektur als Fachgebiet unterschieden, wobei die Beiträge der Landschaftsarchitekturtheorie dem letztgenannten Tätigkeitsfeld zugeordnet werden. Darüber hinaus werden in der Einführung einige wissenschaftstheoretische Anmerkungen gemacht, die in einem sich hoffentlich intensivierenden Diskurs über Methodologie und Methoden der Landschaftsarchitekturtheorie behandelt werden sollten. Dies betrifft zum Beispiel die Unterscheidung zwischen Theorie und Praxis oder zwischen Verfügungs- und Orientierungswissen.
Karsten Berr, Sebastian Feldhusen
Forschen durch traditionsgerichtete Lektüre: Von der reflexiven Orientierung zum Produktionsfaktor
Zusammenfassung
Forschende zehren in ihrer Forschungsarbeit von Traditionsbeständen disziplintypischen Wissens. Das gilt für Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften sowie für Entwurfs- oder Planungsdisziplinen wie etwa die Landschaftsarchitektur mehr als für Naturwissenschaften. Die besondere Situation des gegenwärtigen Wissenschaftssystems mit beispielsweise dem zunehmenden Zwang zu Veröffentlichungen, vorzugsweise in ‚peer-reviewten‘ Fachzeitschriften, führt häufig dazu, vermeintlich Originelles oder Innovatives zu produzieren, zu oft allerdings in Unkenntnis oder Nichtbeachtung der Traditionsbestände. Dieser Traditionsvergessenheit setzt der Beitrag die Propagierung einer traditionsgerichteten Lektüre als Forschungsmethode entgegen, deren Sinn und Anwendungsbereich exemplarisch erhellt und demonstriert wird. Wichtig für eine angemessene Einordnung und Bewertung dieser Methode ist der Hinweis darauf, dass im Sinne eines zu propagierenden Methodenpluralismus diese Methode eine unter vielen möglichen ist und ihre Anwendungsmöglichkeiten und ihr entsprechender Wert insbesondere als ‚Orientierungsfaktor‘ im Rahmen von ‚Orientierungswissen‘ einzuschätzen sind. Vor einer Applizierung landschaftsarchitektonischen Wissens als ‚Produktionsfaktor‘ und vor der Applizierung als ‚Orientierungsfaktor‘ (Jürgen Mittelstraß) ist vorab eine ‚reflexive Orientierung‘ (Christoph Hubig) im Sinne einer pragmatischen und aktiv aneignenden Selbstverortung eigenen Forschens und Denkens in einen Traditionszusammenhang angeraten.
Karsten Berr
Forschen durch Vergleichen historischer Darstellungen: Gestaltungsentwürfe für das Budapester Stadtwäldchen von 1813
Zusammenfassung
Eine Methode in der Gartenkulturgeschichte, das Werden und Gewordensein von Gärten und, Parks zu verstehen und diese zu beurteilen, ist der systematische Vergleich historischer Darstellungen dieser Objekte. In diesem Beitrag werden zwei unausgeführte Entwürfe eines Wettbewerbs für das sogenannte Stadtwäldchen in Budapest analysiert, die 1813 angefertigt wurden und deren Verfasser unbekannt sind. Beide sind der Erforschung wert, da sie in ihrem Entstehungszusammenhang und ihrer jeweiligen Eigenart und Unterschiedlichkeit sehr gut die Entwicklung der Disziplin der Landschaftsarchitektur am Beginn des 19. Jahrhunderts widerspiegeln. Mithilfe einer ikonografischen Bildanalyse und detailliertem Vergleich dieser Entwürfe wird gezeigt, wie sich aus der Art und Weise der Darstellung Rückschlüsse auf die Inhalte des jeweiligen Konzepts und auch auf die Planenden ziehen lassen. So kann gezeigt werden, dass ein Wettbewerbsbeitrag von dem bekannten Gartenkünstler Peter Joseph Lenné stammt, während ein anderer sehr wahrscheinlich von einem gebildeten Laien aus der Budapester Stadtgesellschaft angefertigt wurde.
Sylvia Butenschön
Forschen auf der Basis empirisch ermittelter Sekundärdaten: Landschaftsarchitektur und Energiewende. Energetische Aspekte des urbanen Freiraums umfassend beschreiben
Zusammenfassung
Bei der Energiewende ist die energetische Optimierung der Gebäude, insbesondere des Siedlungsbestandes in den Städten ein zentrales Ziel. Wesentliche Handlungsfelder sind dabei eine verbesserte Dämmung, die effizientere Energienutzung und die Nutzung regenerativer Energien. Wenig beachtet wurde dabei in der Vergangenheit die Rolle der Freiflächen und des Stadtgrüns. Verschiedene Forschungsprojekten an der TU Darmstadt haben in den letzten Jahren untersucht welche Bedeutung grünbestimmte Freiflächen für eine energetische Optimierung haben können und in welchem Maße sie für die Gewinnung regenerativer Energien aktivierbar sind. Betrachtet wurden verschiedene Elemente des Stadtgrüns bis hin zur Gebäudebegrünung. Die Ergebnisse zeigen bemerkenswerte Potenziale aber auch Grenzen auf. Für die Landschaftsarchitektur ist die Integration energetischer Fragestellungen und die stärkere Berücksichtigung stadtklimatischer Belange bei dem Entwurf und der Unterhaltung von grünbestimmten Freiflächen in der Stadt ein an Bedeutung zunehmendes Aufgabenfeld.
Jörg Dettmar, Sandra Sieber
Forschen durch das digitale dreidimensionale Visualisieren von unsichtbaren Phänomenen: 3D-Visualisierung als Forschungsmethode der Landschaftsarchitektur. Aktuelle Potenziale durch freie Geodaten und Software-Verfügbarkeit
Zusammenfassung
Forschungsmethoden aus der Kartografie als ein geoinformationswissenschaftliches Fachgebiet, können der Diskussion über die Methoden der Landschaftsarchitekturtheorie neue Möglichkeiten eröffnen. Eine zunehmende freie Verfügbarkeit von Geodaten und quelloffene Fachsoftware unterstützt diese Möglichkeiten und weite Verbreitung der Geodatenverarbeitung und -visualisierung. Viele amtliche Geodaten, wie digitale Geländemodelle und Orthofotos, stehen heute als Downloads online zur Verfügung. Aus ihnen können mit Geografischen Informationssystemen texturierte 3D-Geländedarstellungen abgeleitet werden. Entsprechende 3D-Erzeugnisse können mittlerweile auch in Software der Video- und Computerspieleindustrie (Game Engines) eingeladen werden und beispielsweise mit weiteren 3D-Modellen und Animationen angereichert werden. Die entstehenden Landschaften in immersiver Virtual Reality (VR) können ich Echtzeit erfahren und gesteuert werden. In diesem Beitrag wird eine Methode vorgestellt, wie mit Hilfe von digitalen 3D-Visualisierungen ansonsten unsichtbare Phänomene im Bereich der Landschaftsarchitektur sichtbar gemacht werden können.
Dennis Edler
Forschen durch postduales Entwerfen: Postduales Entwerfen. Gestalten sozio-natürlicher Verknüpfungen im Anthropozän
Zusammenfassung
Ein Großteil der landschaftsarchitektonischen Praxis arbeitet immer noch mit dualistischen Leitbildern wie Stadt und Land oder Natur und Kultur. Das sind längst überkommene Leitbilder, die der Realität im 21. Jahrhundert nicht mehr gerecht werden. Das hat zuletzt die Diskussion über das Anthropozän deutlich gemacht. Seit den 2000er-Jahren haben sich differenzierte Diskurse zum Anthropozän herausgebildet. Stand zu Beginn vor allem das Gewahr werden des Einflusses des Menschen im Vordergrund, geht es aktuell darum, die Prozesse der Interaktion zwischen Mensch und Erde und deren veränderte Zukunft stärker zu reflektieren. Landschaftsarchitektonisches Entwerfen als forschende und raumgestaltende Praxis prägt deren zukünftige Ausdrucksform entscheidend mit. Landschaftsarchitektur gestaltet Räume und vermittelt zugleich Wissen und Erzählungen durch sie. Was, wenn mit dem Anthropozän die bisherigen Ordnungen dieser Wissenssysteme auf den Prüfstand gestellt werden? Was, wenn die Konstrukte eines landschaftlichen Gegenübers, einer Umwelt, eines Draußen, einer ästhetischen Distanzierung erodieren und statt trennender Kategorien das Gestalten von Verknüpfungen in den Vordergrund tritt? Der Beitrag umreißt notwendige Erweiterungen des Theorie- und Methodenrepertoires der Landschaftsarchitektur für die Bewältigung anthropozäner Gestaltungsaufgaben. Drei methodische Testläufe des Entwerfens sozio-natürlicher Verknüpfungen markieren forschende Bewegungen in diese Richtung.
Undine Giseke, Kathrin Wieck
Forschen durch Entwerfen: Zyklische Präzisierung. Synergien von Photovoltaik und urbanen Freiräumen
Zusammenfassung
Die Stärke des Entwerfens liegt im integrativen und gestalterischen Denken, das in der Forschung zum Erkenntnisgewinn genutzt wird. Auf Basis einer Typisierung von Freiräumen und Photovoltaik (PV) wird in Entwürfen der Frage nachgegangen, wo und wie in urbanen Freiräumen PV implementiert werden kann. Die Entwurfsmethode der zyklischen Präzisierung wird dafür um systematische interdisziplinäre Bewertungen erweitert. Diese Bewertungen der Vor- und Nachteile und der Besonderheiten der Lösungen werden erst durch konkrete Entwürfe möglich. Die Bandbreite von PV als integrales Gestaltungselement wird identifiziert und Synergien zwischen Freiraum und PV abgeleitet. Durch eine thematische Gruppierung der einzelnen Erkenntnisse und Bewertungen der Entwürfe werden Handlungsfelder aufgespannt, mittels derer Entwerfende beim Entwickeln von Synergien unterstützt werden.
Dagmar Grimm-Pretner, Roland Tusch, Georg Bautz
Forschen durch Beschreiben von Atmosphären: Atmosphären als ganzheitliche Wirkmedien der Landschaftsarchitektur
Zusammenfassung
Der Beitrag widmet sich der phänomenologischen Beschreibung von Atmosphären. Gegenstand ist dabei nicht die naturwissenschaftliche Landschaft der objektiv im Raum existierenden Flüsse, Berge, Bauten etc., sondern die leiblich und gefühlsmäßig sich zu spüren gebende Erlebnislandschaft herumräumlicher „Gegenden“. Jede landschaftsarchitektonisch bewusste Gestaltungsentscheidung verlangt die Fähigkeit, intendierte wie realisierte Wirkungsweisen planender Interventionen im Raum nicht zuletzt sprachlich „auf den Punkt“ zu bringen. Die sprachliche Aussage atmosphärischer Anmutungsqualitäten verlangt jedoch die Übung genauen Sprechens über das, was sinnlich eindrücklich wird. Planungswissen basiert nicht nur auf objektlogischem Fakten-Wissen, sondern zugleich auf einverleibtem pathischen Wissen über die erlebnisrelevante Wirkungsweise landschaftlicher Inszenierungen durch das Arrangement von Dingen (Steinpflaster, Holzplanken sowie Pflanzen und Blumen) und Halbdingen (wie Licht und Schatten). Am eigenen Leib erfahrbare Grenzen zwischen landschaftlichen Räumen sind nicht nur Resultat der Setzung von Zaun, Mauer und Hecke, sondern auch der Gestaltung z. B. von Wärmeinseln und Schattenzonen. Die skizzierte Methode fördert zugleich die Sensibilisierung der Aufmerksamkeit gegenüber diffusen atmosphärischen Eindrücken im Allgemeinen. Als Beispielraum dient dem Beitrag eine Hafenpromenade, deren atmosphärische Wirklichkeit sich gleichsam zwischen Land, Wasser und Himmel konstituiert.
Jürgen Hasse
Forschen durch pflanzenbasierte Experimente: Polymethodisches Forschen in der pflanzenbasierten Landschaftsarchitektur
Zusammenfassung
Der Bereich Pflanzenverwendung und Vegetationstechnik gehört zu den Kernkompetenzen der Landschaftsarchitektur. Er liegt im Schnittpunkt von landschaftsarchitektonischem Entwurf, Vegetationsökologie, landschaftsbaulichen Techniken und gesellschaftlichen Anforderungen. Die zugehörigen Forschungsfragestellungen können daher unterschiedliche Schwerpunkte besitzen. Um zu guten Ergebnissen zu kommen, benötigt es adäquate Methoden -wir nennen dieses Vorgehen polymethodisches Forschen. An drei unterschiedlichen Beispielen wird aufgezeigt, wie polymethodisches und zugleich pflanzenbasiertes Forschen aussehen kann. Es reicht von Literaturreview, empirischen Feldversuchen, Umfragen, geostatistischen Auswertungen bis zur kritischen Analyse historischer Quellen. Dabei ist es eine Herausforderung das Wissen bezüglich der unterschiedlichen Methoden in einer Forschungseinheit halten bzw. so mit anderen Institutionen zu kooperieren, dass sie auf hohem Niveau bereitgestellt werden können. Insgesamt ist festzustellen, dass die Aufgaben im Bereich Vegetationstechnik und Pflanzenverwendung stetig wachsen. Es ist verführerisch sich immer mehr um technische Details zu kümmern, die leicht nachprüfbar sind. Dadurch könnte es jedoch dazu kommen den entwurfsbasierten Ansatz zu verlassen und sich vom Kern der Landschaftsarchitektur, ihrer holistisch synthetisierenden Position, zurückzuziehen und sich auf die Rolle der botanischen und vegetationstechnischer ExpertenInnen zu beschränken. Eine universitäre Forschung sollte jedoch auch immer selbst neue Fragen aufwerfen und Diskussionen in die Fachcommunity bzw. die Gesellschaft hineintragen. Gute pflanzenbasierte Forschung kann und sollte demzufolge eine Brücke zwischen Naturwissenschaften, gesellschaftlichen Anforderungen und landschaftsarchitektonischen Lösungen im Entwurf herstellen.
Norbert Kühn, Daniela Corduan, Dominic Wachs
Forschen durch Deuten von Spuren des Gebrauchs: Spurensuche
Zusammenfassung
Spuren des Gebrauchs vermitteln den Nutzenden relevante Informationen bei der Bewältigung von Alltagshandlungen in Freiräumen. Daher können Spuren auch von Planenden professionell als Indizien genutzt werden, um beispielsweise Nutzungsgewohnheiten oder einzelne Ereignisse nachzuvollziehen und sie in ihrer sozialen und kulturellen Bedeutung einzuschätzen. In der Planung von Freiräumen kann ihre Interpretation folglich auch genutzt werden, um Rückschlüsse auf die Qualitäten der Organisation (Baustruktur, Erschließung, Unterteilung der Freiräume) und Ausstattung (verwendete Materialien, eingesetzte Gegenstände und Vegetation) für die in den Freiräumen agierenden Personen zu ziehen. Durch den Vergleich unterschiedlich genutzter Freiräume lassen sich somit bewährte und zukunftsfähige Vorbilder für Vorhaben ermitteln. Der Artikel erklärt die Herkunft der Theorie und Praxis des Spurenlesens als wissenschaftlicher Ansatz in der Freiraumplanung und führt in Fragen der Methodologie und Anwendung ein. Darüber hinaus erläutert er ein elaboriertes Mittel zur Bestimmung von Qualitäten in der Freiraumplanung.
Frank Lorberg, Florian Bellin-Harder
Forschen durch Gestalten von Prototypen: ‚Ornamentale Betrachtung‘: Das Gazebo als optisches Gerät
Zusammenfassung
Ziel des Forschungsprojekts ist es, den Blick (the Gaze) durch den archetypischen Gartenpavillon zu untersuchen, insbesondere durch das Gazebo. Als Bauwerk im Zentrum des Gartens ermöglicht das Gazebo die Wahrnehmung der Landschaft zu überprüfen; im Zentrum des Innen-Außen-Kontinuums erzeugt ein perforiertes Gitter im „Fenster“, bekannt als Maschrabiyya (auch Jali, Shanshūl oder Rūshān) aus islamischen Traditionen, eine Art Doppelperspektive, bei der sowohl die Nah- als auch die Fernsicht gleichzeitig wahrgenommen wird. Die Maschrabiyya tut mehr als dem Innenraum gedämmtes Sonnenlicht zu spenden, sie projiziert nämlich auch gemusterte Schatten auf Innenflächen, lenkt und fixiert den Blick auf das entstehende Lichtspiel und animiert sogar die statischen Dekorationsmuster an Wand, Boden und Möbel. Wenn die oft geometrischen Muster der Maschrabiyya und floralen Muster der Innendekoration durch Schattenprojektionen in Dialog treten, entsteht ein visueller Effekt, den wir als ornamentale Betrachtung („ornamental Gaze“) bezeichnen. Hierin besteht das Potenzial zur Neudefinition der visuellen Beziehung zwischen Innen- und Außenraum und des Erlebnisses bei der Betrachtung der Landschaft. Um diesem Dialog nachzugehen, zu verifizieren und zu testen, wurde dieses Forschungsprojekt durch die Realisierung von verschiedenen analogen und digitalen Prototypen durchgeführt.
Lara Mehling, Bahar Akgün
Forschen durch Führen von Gesprächen zwischen unterschiedlichen Disziplinen: Gespräche als Methode. Räumliche Transformationsprozesse kommunikativ gestalten
Zusammenfassung
Der Artikel beschäftigt sich mit einem interdisziplinären Forschungsprojekt zur Förderung des Urbanen Gartenbaus in der Metropolregion Hamburg. Ziel des Projekts war es, den professionellen Gartenbau mit zivilgesellschaftlichen Initiativen zu verknüpfen und kooperative Transformationsprozesse anzustoßen. Durch Gespräche und Diskurse sollten gemeinsame Probleme analysiert, Ziele formuliert und Konzepte zur Transformation des Raumes entwickelt werden. Das Projekt gliederte sich in drei Phasen: das Generieren von System- und Akteurswissen, die Entwicklung von Zielwissen und dessen Vernetzung sowie die Verankerung des Transformationswissens. In der ersten Phase wurden die vorhandenen Wissensbereiche der verschiedenen Akteure identifiziert und Verbindungen zwischen ihnen hergestellt. Die zweite Phase beinhaltete einen Workshop, bei dem über verschiedene Formen von Begegnungsorten für den Urbanen Gartenbau diskutiert wurde. In der dritten Phase wurden die Ideen der Akteure in Konzepten zusammengeführt, die als Grundlage für eine räumliche Planung dienten. Durch den gemeinsamen Arbeitsprozess wurden Probleme erkannt, Ziele formuliert und konkrete Konzepte entwickelt. Die Teilnehmer des Projekts zogen positive Erfahrungen aus den Gesprächen und waren bereit, sich aktiv an der Transformation des Gartenbaus zu beteiligen. Die gewonnenen Erkenntnisse und die entstandenen Konzepte bieten Impulse für zukünftige Transformationsprozesse in diesem Bereich.
Ole Oßenbrink, Cord Petermann
Forschen durch Sichtbarmachen eines Denkstils: Denkstile des Mikroklimas. Zur Aneignung des Mikroklimakonzeptes in der amerikanischen Landschaftsarchitektur
Zusammenfassung
Das Mikroklima ist eine Kategorie, die sich aus Einsichten unterschiedlicher Disziplinen speist und seit jeher auch über Bezüge zur Architektur und Landschaftsarchitektur verfügt. Es ist, wie ich zeigen möchte, ein exemplarisches Hybridthema an der Schnittstellt von Natur und Kultur, aber auch von Architektur und Landschaftsarchitektur. In diesem Beitrag werden Aspekte der Aneignung des Mikroklima-Konzeptes durch die Architektur und Landschaftsarchitektur beleuchtet – und zwar in einem nordamerikanischen Kontext der 1960er- und 1970er-Jahre und unter Anwendung einer diskursanalytischen Methodik. Die nordamerikanische Aneignung des Mikroklimas blieb gekennzeichnet durch einen „Denkstil“ (Ludwig Fleck), der auf der Natürlichkeit der Mikroklimata beharrte, obschon das Artefaktische und das Konstruierte in urbanen Landschaften immer deutlicher erkennbar wurde. Hierfür werden von mir Texte von Entwerfenden ausgewertet sowie mündliche Aussagen im Rahmen eines Dokumentarfilms und eines von mir geführten Interviews analysiert. In einem ersten Teil gehe ich auf das neue Paradigma der Ökologie in den 1960er- und 1970er-Jahren ein. Die Mikroklimatologie, wie sie in der ersten Jahrhunderthälfte in Europa entstanden ist, erlangt im Fahrwasser dieser Debatten neue Konturen. Im zweiten Teil meiner Ausführungen stelle ich zwei interdisziplinäre Kollaborationen zwischen Architekt:innen, Landschaftsarchitekt:innen sowie Naturwissenschaftler:innen vor, in welchen die Untersuchung und Herstellung von Mikroklimata zu einem Objekt der Planung und des Entwurfs gemacht wurden. Die erste Kollaboration entwickelte sich in einem neuen Labor am MIT; die andere betraf die Planung des so genannten Sea Ranch Areals in Nordkalifornien.
Sascha Roesler
Forschen durch Raumstrukturanalysen von kartografischen Plänen: Öffentliche Sphären in der Landschaft des Nolli-Plans
Zusammenfassung
Die Wechselbeziehung von gebautem Raum und sozialen Sphären ist für die Stadt bereits beschrieben worden, aber für die Landschaft mangelt es an Auseinandersetzungen über das Verhältnis von physisch-materieller Umwelt und öffentlichem Leben. Denn auch im Freiraum von Kulturlandschaften, in suburbanen Räumen sowie auf dem Land bilden räumliche Strukturen die grundsätzlichen Qualitäten von Zugänglichkeit, Durchlässigkeit, Maßstäblichkeit und Orientierung. Der berühmte Nolli-Plan von Rom, Giambattista Nollis Nuova Pianta di Roma, zeigt neben der Stadt auch die umliegende, suburbane Landschaft. In ihm werden außer Gebäuden auch permanente Freiraum- und Landschaftsstrukturen so dargestellt, dass sie räumliche Qualität und Atmosphäre wiedergeben. In der vorgestellten qualitativen Raumstrukturanalyse wird die Beziehung von Raumstrukturen und ihre Relevanz für die öffentliche Sphäre durch das Isolieren von Strukturen und Schichten im historischen Plan transparent und interpretierbar gemacht. Durch die Darstellungsweise von Nolli werden räumliche Strukturen in der Planung sichtbar, die scheinbar unwichtig sind. Sie bilden die räumliche Textur und beschreiben so den öffentlichen Raum. Der Nolli-Plan wird deshalb als Vorlage für mögliche Planwerke gegenwärtiger suburbaner Landschaften interpretiert. Indem er die Bedeutung der Textur auch in der Landschaft hervorhebt, wird er zur Grundlage für die Diskussion über die Veränderung von heutigen Kulturlandschaften sowie in der Anwendung selbst zum Entwurfswerkzeug.
Julian Schäfer
Forschen durch Wandern: Landschaftsforschung En Route
Zusammenfassung
Der performative Akt des Wanderns ermöglicht es, komplexe und großräumige Landschaften erfinderisch zu erkunden und dabei unmittelbar Wissen zu generieren. In der Situation des Wanderns kommen intensive Raumwahrnehmung, Flow (der Intuition und Ideen stimuliert), Aktion (die verändert und Neues hervorbringt) und Reflexion (die das Neue als solches erkennt und transferiert) zusammen. Anhand von zwei transdisziplinären Projekten wird die Forschungsmethode des Wanderns vorgestellt. Ihr Ziel ist es, dass wandernde Fachleute verschiedener Professionen und Laien ohne zeitliche und räumliche Distanz zum Forschungsgegenstand – also en route – Landschaften verstehen, Erfahrungswissen und Ideen für diese Landschaften sowie passende Forschungsfragen generieren und diese unterwegs explorieren können. Wandern ist somit Entwurfs- und Forschungsmethode im Sinne eines entwerfenden Forschens.
Henrik Schultz
Forschen durch körperliche Erfahrung: Die Spaziergangswissenschaft als Methode
Zusammenfassung
Im Beitrag „Gehen durch urbane Landschaftsräume“, beschreibt die Autorin Nicola C. Thomas die Spaziergangswissenschaften als eine geeignete Methode, um die phänomenologischen Auswirkungen von aktuellen Verdichtungsprozessen im Stadtbild näher zu erforschen. Am Beispiel von urbanen Kleingärten zeichnet sie die Möglichkeiten aber auch Begrenzungen der Methode nach. Dabei analysiert sie, wie sich innerstädtische Verdichtungsprozesse auf Kleingärten als grüne Rückzugsorte auswirken und beschreibt anhand von empirischen Forschungsmaterial die Folgen von Parzellenverdichtung und öffentlichen Durchgangswegen an der Raumwahrnehmung. Damit leistet die Autorin einen wichtigen Beitrag zur Einordnung von Neugestaltungskonflikten im Stadtgrün und liefert Ansatzpunkte für eine sensiblere Grünraumgestaltung.
Nicola C. Thomas
Forschen durch Identifizieren theoretischer Modelle: Auf der Suche nach der Wildnisformel – Modellbildung als Zugriff auf landschaftsarchitektonische Konzepte
Zusammenfassung
Landschaftsarchitektonische Werke stehen im Zusammenhang mit unterschiedlichsten räumlichen, ästhetischen und weltanschaulichen Konzepten. Diese bilden ein aufschlussreiches Forschungsfeld, da sie Traditionslinien in der Entwicklung der Landschaftsarchitektur und Bezüge zu anderen Künsten und Wissenschaften verdeutlichen. Methodisch beruht der Erkenntnisgewinn dabei auf dem Vergleichen unterschiedlicher Artefakte über zeitliche und Gattungsgrenzen hinaus. Einen Ansatz, um so verschiedene Quellenarten wie den erhaltenen Bestand eines Gartens, Entwurfspläne, Beschreibungen und graphische Darstellungen vergleichen zu können, bietet die Untersuchung als Modell. Gemeint sind damit theoretische Modelle, anhand derer für die Forschungsperspektive relevante Eigenschaften der Untersuchungsobjekte herausarbeitet werden. Für Forschungen zur Landschaftsarchitekturgeschichte öffnet dieser Ansatz eine vielversprechende Perspektive, da er Einzelaspekte des Gestaltungsprozesses als Akte der Konkretisierung und Aktualisierung von Ideen und Konzepten an einem spezifischen Ort und unter jeweils besonderen Bedingungen untersucht. Damit ist die Modellbildung geeignet, um unterschiedliche Auffassungen von Begriffen und Konzepten in der Landschaftsarchitekturgeschichte und deren Wandel zu analysieren, was im Beitrag am Vergleich unterschiedlicher Wildnisverständnisse dargestellt werden soll.
Thomas Thränert, Kirsten Krepelin
Metadata
Title
Forschungsmethoden Landschaftsarchitekturtheorie
Editors
Karsten Berr
Sebastian Feldhusen
Copyright Year
2024
Electronic ISBN
978-3-658-46065-5
Print ISBN
978-3-658-46064-8
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-46065-5