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08-12-2021 | Funktionswerkstoffe | Schwerpunkt | Article

Mit smarten Materialien zu leichteren Kleinantrieben

Author: Thomas Siebel

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Die Anforderungen an den Komfort im Automobil wachsen – und damit auch die Zahl der elektrischen Antriebe. Durch den Einsatz von Formgedächtnisaktoren anstelle von Elektromotoren lässt sich dabei Gewicht sparen.

Mit jeder Fahrzeuggeneration nimmt die Zahl an mechatronischen Systemen zu. Damit wächst auch ihr Beitrag zum Gesamtgewicht des Fahrzeugs. Mehr als 200 elektromechanische Kleinantriebe können in einem modernen Automobil verbaut sein, in elektrischen Fensterhebern, Sitzverstellungen, Außenspiegeln oder Heckklappen. Allein im Türschloss eines Pkws befinden sich bis zu vier Elektromotoren.

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2021 | OriginalPaper | Chapter

FG-Aktoren

Will man leichte und kompakte Aktoren generieren, sollte man auf eine möglichst hohe Materialausnutzung im Aktorelement achten. Bauteilformen mit einer Zug- oder Druckbelastung bieten dabei den besten Materialausnutzungsgrad und sind damit am wirtschaftlichsten.

Was einerseits dem Bedürfnis nach Komfort und Sicherheit dient, treibt auf der anderen Seite die Gewichtsspirale bei Neufahrzeugen auf immer neue Höhen. Mit den zahlreichen Elektromotoren steigt auch das Gewicht der Karosserie. In der Folge muss das Fahrwerk robuster ausgelegt werden, was wiederum eine stärkere Motorisierung inklusive größerer Tanks oder Batterien bedingt. Um die schwereren Komponenten tragen zu können, muss wiederum die Karosserie erneut angepasst werden. "Die Aufwärtsspirale schraubt sich weiter nach oben", wie Thomas Gänsicke, Martin Goede und Julian Sandiano im Kapitel Die Technische Motivation im Buch Leichtbau in der Fahrzeugtechnik feststellen.

Gewichtsspirale durchbrechen

Mit dem Ziel, die Gewichtsspirale zu durchbrechen, beschäftigen sich Ingenieure seit Jahren intensiv mit leichteren Karosseriebauweisen. Zahlreiche Beispiele führender Automobilhersteller zeugen davon, wie sich mithilfe durchdachter Materialbauweisen aus unterschiedlichen Stahlgüten, Aluminium und Magnesium sowie faserverstärkten Kunststoffen Karosserien leichter bauen lassen, ohne Abstriche bei der Crashsicherheit zu machen. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass die leichteren Karosserien in vielen Fällen nur teilweise kompensieren können, was auf der anderen Seite an immer neuen sicherheits- und komfortrelevanten Komponenten an zusätzlichem Gewicht dazu kommt.

Eine Möglichkeit, dem Herr zu werden, ist der Systemleichtbau. Anstatt nur durch konstruktive Maßnahmen und dem Einsatz neuer Werkstoffe einzelne Komponenten gewichtsmäßig zu optimieren, sollten Baugruppen in ihrer Gesamtfunktionalität optimiert werden. So könnten beispielsweise Fasern in Faserverbundwerkstoffen auch sensorische oder aktorische Funktionen übernehmen, Strukturmaterialien könnten auch hinsichtlich Schall- und Wärmedämmung ausgelegt werden oder auch elektromechanische Antriebe integrieren.

Eigengewicht von Kleinantrieben berücksichtigen

In einer systematisch optimierten Baugruppe erfüllen einzelne Komponenten mehrere Funktionen. Damit sinkt die Anzahl von Einzelbauteilen und damit das Gewicht, wie Max Hoßfeld im Kapitel Leichtbau durch Funktionsintegration im gleichnamigen Buch erläutert. Allerdings gehen mit diesen Leichtbauansatz heute noch erhebliche Herausforderungen design- und fertigungstechnischer Natur einher.

Weitaus einfacher ließe sich komfortbedingtes Gewicht einsparen, wenn möglichst viele der elektromechanischen Antriebe durch Aktoren auf Basis vom Formgedächtnislegierungen ersetzt würden. Diese Position vertreten Sven Langbein und Alexander Czechowicz im Kapitel FG-Aktoren (S. 223) des Buchs Formgedächtnistechnik. Sie bemängeln, dass das Eigengewicht bei der Auswahl von Kleinantrieben in Fahrzeugentwicklung heute in der Regel keine Rolle spielt.

Gewichtsersparnis von über 90 % möglich

Am Beispiel einer Tankkappenentriegelung erläutern sie, wie ein raumsparendes 8 g schweres formgedächtnisbasiertes System ein 236 g schweres konventionelles Verriegelungssystem aus Elektromotor und Metallgestänge ersetzen kann. Kern des neuen Aktors ist dabei ein Draht aus einer Formgedächtnislegierung, der elektrisch angesteuert und damit erhitzt wird und über ein Stellelement Lasten von bis 600 g anheben könnte.

Verformte Formgedächtnislegierungen kehren unter Wärme-, Spannungs- oder Magnetfeldeinfluss wieder in ihre ursprüngliche Form zurück. Dabei können die robusten Materialien sehr hohe Stellkräfte aufbringen. Die sonderbaren Eigenschaften der Legierungen liegen in ihrer Kristallstruktur begründet, die sich auf sechs verschiedenen Wegen zwischen martensitischen und austenitischen Phasen wandeln kann, wie Kush Mehta und Kapil Gupta in der Einführung zum Buch Fabrication and Processing of Shape Memory Alloys schreiben. Heute sind zahlreiche metallische, polymere oder keramische Formgedächtnislegierungen bekannt. Aufgrund ihrer vergleichsweise hohen Ansprechtemperaturen sind es aber insbesondere die kupferbasierten Legierungen, die für Anwendung in Automobilbau, Robotik oder Industrie infrage kommen.

Stark bei hohen Stellkräften und niedrigen Schaltfrequenzen

Der Einsatz von Formgedächtnisaktoren bietet sich Langbein und Czechowicz zufolge für Bereiche an, wo große Stellkräfte oder Stellwege bei niedrigen Schaltfrequenzen gefordert sind. Neben der Tankklappenentriegelung wären das beispielsweise Innenraumanwendungen wie die elektrische Entriegelung des Handschuhfachs oder der Rückbank. Dass Formgedächtnisaktoren heute noch nicht in Serienanwendungen zu finden sind, liegt den Autoren zufolge vor allem an den Umwandlungstemperaturen.

Problematisch sei etwa, dass Aktoren sich erst bei 70 °C rückumwandeln; im Automobilbau müssen jedoch alle Systeme bei 85 °C voll funktionsfähig sein. Langbein und Czechowicz schreiben in diesem Zusammenhang von "überzogenen Anforderungen, die sich in den Lastenheften vieler Produkte" hinsichtlich Stellwegen oder zyklischer Dynamik angesammelt haben, und der vorteilhaften Nutzung von Formgedächtnislegierungen im Wege stünden.

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