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1999 | Book

Fuzzy Theorie und Stochastik

Modelle und Anwendungen in der Diskussion

Editor: Rudolf Seising

Publisher: Vieweg+Teubner Verlag

Book Series : Computational Intelligence

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About this book

Alle Prozesse in der Natur enthalten eine oder mehrere ungewisse Komponenten, zeigen Ungewißheiten oder haben einen mehr oder weniger ungewissen Ausgang. Dabei kann man unterscheiden, ob man einen Vorgang -oder einen Teil davon -als ungewiß ansieht, weil man ihn nicht exakt deterministisch erfassen kann (z. B. die Kursentwicklung an einer Wertpapierbörse), ob man ihn als genuin zufällig ansieht (z. B. den radioaktiven Zerfall eines Stoffes) oder ob die Ungewißheit des Vorgangs von seiner Beschreibung mit vagen Begriffen herrührt. Unsere heutigen sehr kom­ plexen sozialen und technischen Strukturen sind ohne den Einsatz von Verfahren zur Behandlung ungewisser Effekte nicht mehr vorstellbar, wenn man z. B. nur an Lebens-und Krankenversicherungen einerseits und an die Berechnung der Zu­ verlässigkeit technischer Systeme und Prozesse andererseits denkt. Die Entwicklung mathematischer Werkzeuge zur Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik führte zu der bis in unser Jahrhundert unangefochtenen Stellung der Stochastik als der besten wissenschaftlichen Methode zur Behandlung von Aspekten der Ungewißheit. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts etablierte sich dann die Fuzzy Theorie, die Lotfi Zadeh in der Arbeit "Fuzzy Sets" (1965) als Verallgemeinerung der Can­ torschen Mengentheorie begründete, als eine ernstzunehmende Konkurrentin für die Aufgabe, Ungewißheiten zu modellieren. Die weiteren Entwicklungen brachten eine über Jahrzehnte geführte Auseinandersetzung zwischen Stochastikern und Vertre­ tern der Fuzzy Theorie, aber auch eine überaus erfolgreiche Anwendung der Theorie in vielen Bereichen der angewandten Wissenschaften und der Industrie.

Table of Contents

Frontmatter

Einleitung

1. Einleitung
Zusammenfassung
Inwieweit kann der Mensch die Welt, in der er lebt, mit den Mitteln seines Verstandes beschreiben und verstehen? Kann er die Dinge und Prozesse in seiner Umwelt mit vernünftigem Denken durchschauen, sogar vorhersagen? — René Descartes (1596–1650) war davon überzeugt, daß der Mensch imstande ist, dies mit Hilfe der modernen Wissenschaften zu leisten. Er hatte die Idealvorstellung, ein System der Wissenschaften zu konstruieren, das auf vernünftigen Prinzipien beruht.
Rudolf Seising

Geschichte

Frontmatter
2. Supervaluvagefuzzysoritalhistorisch, oder: Ein kurzer Bericht der langen Geschichte, wie die Vagheit auf den Begriff und unter die Formel kam
Zusammenfassung
Wenn man im antiken Athen vom nächtlichen Komos, dem damals nicht unüblichen den Tag beschließenden ‚Zug durch die Gemeinde‘ heimkehrte, konnte es passieren, daß man von Sokrates den Weg versperrt, dessen Stock auf die Brust gesetzt bekam und mit Fragen nach der Tugend aus weinseliger Stimmung gerissen wurde. Was einem jedoch nicht passieren konnte, egal was und wie man antwortete, war, daß man sich vom gestrengen Sokrates den Vorwurf ‚vage zu antworten‘ einhandelte.
Bernd Buldt
3. Die Stochastik zwischen Laplace und Poincaré
Zusammenfassung
Daß der bereits 1827 gestorbene Pierre Simon Laplace (geb. 1749) eine zentrale Stellung für die Stochastik des 19. Jahrhunderts spielte, wird in nahezu allen historischen Darstellungen betont. Die Literatur zur Wahrscheinlichkeitsrechnung zeigt, daß dieser Einfluß bis ins letzte Drittel des 19. Jahrhunderts reicht.
Ivo Schneider
4. Wahrscheinlichkeitsrechnung im frühen 20. Jahrhundert — Aspekte einer Erfolgsgeschichte
Zusammenfassung
Das Weltbild des 20. Jahrhunderts ist wie das keiner anderen Zeit gekennzeichnet durch das Eindringen von Methoden der Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik in die Sphären von Wissenschaft und Technik; statistische Methoden haben unter anderem die Physik und die Ingenieurwissenschaften, die Psychologie, die Biologie und die Medizin deutlich verändert. Wir leben, so eine Gruppe von Wissenschaftlern, die zeigen will „how probability changed science and everyday life“, in einem Empire of Chance [28]. Von den Entwicklungen, die diesen rasanten „Aufstieg“ wahrscheinlichkeitstheoretischer Methoden ermöglichten, handeln die folgenden Seiten. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Diskussionen über den mathematischen Begriff der Wahrscheinlichkeit gerichtet, denn bei diesem handelt es sich natürlich um die begriffliche Basis für die genannte Erfolgsgeschichte, die erst durch eine theoretisch befriedigende Definition des mathematischen Wahrscheinlichkeitsbegriffes ermöglicht wurde.
Thomas Hochkirchen
5. Von der Fuzzy Set Theorie zur Computational Intelligence
Zusammenfassung
Die Fuzzy Set Theorie (FST) wurde erstmals in der Veröffentlichung von Zadeh [29] als rein formale Theorie vorgestellt. Sie kann als eine Verallgemeinerung entweder der klassischen Mengenlehre oder der dualen Logik angesehen werden. Zu Beginn wurde sie primär als eine Modellierungssprache für nichtstochastische Unsicherheit angesehen, was zu einem 20jährigen wissenschaftlichen Streit mit den Vertretern der Wahrscheinlichkeitstheorien (vor allem den Bayesianern) führte. In der Zwischenzeit hat sich weitgehend die Erkenntnis durchgesetzt, daß andere Zielsetzungen mindestens ebensogut angestrebt werden können, die im folgenden kurz skizziert werden sollen.
Hans-Jürgen Zimmermann

Modelle

Frontmatter
6. Mehrwertige Logik und unscharfe Mengen
Zusammenfassung
Schon frühzeitig in der (relativ kurzen) Geschichte der Theorie der unscharfen Mengen ist es klar geworden, dass es einen sehr engen Zusammenhang zwischen dieser Theorie und der mehrwertigen Logik gibt. In der Anfangsphase war es dabei insbesondere die Beziehung zu der „fuzzy logic“ im damaligen Verständnis dieses Wortes: als einer Art von mehrwertiger Logik mit besonderer Beziehung zu Problemen der Schaltalgebra.
Siegfried Gottwald
7. Bausteine der Fuzzy Logic: t-Normen — Eigenschaften und Darstellungssätze
Zusammenfassung
Aufbauend auf den Vorschlägen von K. Menger [12], führten B. Schweizer und A. Sklar [17] den Begriff der t-Normen (Dreiecksnormen) ein. Dieser diente dazu, in probabilistischen metrischen Räumen [17, 18] die von den klassischen Metriken wohlbekannte Dreiecksungleichung in geeigneter Weise zu verallgemeinern.
Erich Peter Klement, Radko Mesiar, Endre Pap
8. Allgemeine Bemerkungen zu nichtklassischen Logiken
Zusammenfassung
Nichtklassische Logiken entstanden zu Beginn dieses Jahrhunderts aus der Infragestellung des Satzes vom ausgeschlossenen Dritten (tertium non datur). Innerhalb der Mathematik geht diese Kritik auf L. E. J. Brouwer und seine Schüler A. Heyting und H. Weyl zurück, die sich gegen die naive Verwendung des Begriffs des AktualUnendlichen in der Mengenlehre wenden. In der Physik werden, im Gegensatz zur Mathematik, diese Bedenken nicht unmittelbar formuliert, aber die Entwicklung der Quantenmechanik zeigt, daß zur Beschreibung physikalischer Phänomene im subatomaren Bereich nicht alle Gesetze der klassischen Logik herangezogen werden können. Die intrinsische Ununterscheidbarkeit von Partikeln (da deren Ort und Geschwindigkeit nicht mit gleicher Exaktheit simultan gemessen werden können) veranlaßte schon H. Poincaré in seinen populärwissenschaftlichen Schriften (La Science et l’Hypothèse (1902), La Valuer de La Science (1904)) darauf hinzuweisen, daß — im Gegensatz zum mathematischen das physikalische Kontinuum nicht transitiv ist — d. h. A ist ununterscheidbar von B, und B ist ununterscheidbar von C, aber A ist wohl unterscheidbar von C. Diese Überlegungen werden von K. Menger in seinem Vortrag über Geometrie und Positivismus anläßlich des Mach-Symposiums 1966 weitergeführt (vgl. [13]).
Ulrich Höhle

Meinungen

Frontmatter
9. Fuzzy Theorie als Alternative zur Stochastik — Was heißt hier: Eine Alternative?
Zusammenfassung
Im Streit der Meinungen über das Für und Wider der Fuzzy Theorie hat es schon oft Auseinandersetzungen gegeben. So hat 1982 D.V. Lindley in [8] unter der Überschrift „Scoring Rules and the Inevitability of Probability“ mit G. A. Barnard, J. M. Bernardo, H. Dinges, G. Shafer, B. W. Silverman, C. A. Smith und L. A. Zadeh die Klingen gekreuzt.
Volker Mammitzsch
10. Fuzzy Daten und Stochastik
Zusammenfassung
Der Titel der am 25. März 1998 an der Universität der Bundeswehr in München abgehaltenen Podiumsdiskussion über „Fuzzy Theorie — eine Alternative zur Stochastik“ scheint mir irreführend, da wohl eine Symbiose aus der Beschreibung realer Daten kontinuierlicher Größen mittels Fuzzy Sets und der Beschreibung nichtdeterministischer Phänomene mittels stochastischer Modelle am geeignetsten ist. Der Inhalt dieser Abhandlung ist daher dem Thema Fuzzy Theorie und Stochastik gewidmet.
Reinhard Viertl
11. Unscharfe Analyse unscharfer Daten
Zusammenfassung
Wörtlich verstanden meint Datum etwas „aktuell Gegebenes”. Es bekommt seinen Sinn nur in einem gewissen Kontext und drückt aus, daß ein gewisses „Etwas” in einem Zustand gefunden wurde, der durch eben dieses Datum charakterisiert wird. Solch ein Datum trägt nur dann Information, wenn es mindestens zwei verschiedene Möglichkeiten für den Zustand dieses fraglichen Etwas gibt. Daher läßt sich jedes Datum als Realisierung einer gewissen Variablen in einer geeigneten Menge, dem sogenannten Universum, betrachten, das diese Möglichkeiten im gegebenen Kontext ausdrückt.
Hans Bandemer
12. Fuzzy Theorie — eine Alternative zur Stochastik? Eine Podiumsdiskussion
Zusammenfassung
Die in der Überschrift stehende Frage war das Thema einer Podiumsdiskussion, die wir am 25. März 1998 im Rahmen der Münchner Stochastik-Tage veranstalteten. Dem hier dokumentierten Ablauf gingen insgesamt acht Vorträge voran:
  • Ein Einführungsvortrag von R. Seising, der in erweiterter Form als Einleitung zu diesem Buch dient.1
  • Ein in die Mathematik der Fuzzy Theorie einführender Vortrag von E. P. Klement, der seinem Beitrag in diesem Buch entspricht.2
  • Ein Vortrag von Th. Runkler, der die probabilistischen Methoden für die Clusteranalyse mit den entsprechenden Fuzzy Methoden vergleicht. Dieser Vortrag entspricht seinem Beitrag zu diesem Buch.3
  • Ein Vortrag von J. Hollatz über heutige industrielle Anwendungen von Fuzzy Systemen, der in erweiterter Form in den in diesem Buch abgedruckten Beitrag von ihm und M. Appl einging.4
Rudolf Avenhaus, Rudolf Seising

Anwendungen

Frontmatter
13. Zur Modellierung von Unsicherheit realer Probleme
Zusammenfassung
Dieser Aufsatz beschäftigt sich ausschließlich mit Anwendungen bzw. der Modellierung von Anwendungen.
Hans-Jürgen Zimmermann
14. Fuzzy Regelung
Zusammenfassung
Der bei industriellen Prozessen zumeist angewandte Regler ist der PID-Regler, der allerdings in einer Vielfalt verschiedener Regelungstechniken wie der adaptiven Regelung, dem Gain Scheduling und dem Supervisory Control eingesetzt wird. Prozesse und Anlagen sind gegenwärtig aber so komplex, daß PID-Regler nicht mehr ausreichen, obwohl sie durch zusätzliche Algorithmen, wie adaptive Verfahren, verbessert wurden. Obwohl es eine ausreichende Anzahl von Methoden und Theorien für komplexe Regelungsprobleme in der Automatisierung, der Robotertechnik und dem Schiffbau gibt [47], so sind doch die Einschränkungen zu deren Anwendung entweder zu stark, oder die Methoden sind zu kompliziert, um praktisch effizient zu sein.
Rainer Palm
15. Behandlung von Ungewißheit und Vagheit in Kommunikationsnetzen
Zusammenfassung
Die Entwickler heutiger Hochgeschwindigkeitsnetze müssen Entwurfsentscheidungen fällen, obwohl es ungewiß ist, wie die künftigen Anforderungen an die Netze genau aussehen werden. Die Ungewißheit tritt in unterschiedlichen Ausprägungen auf: einerseits handelt es sich um wohldefinierte Ereignisse, deren künftiges Eintreten ungewiß ist, wie zum Beispiel der Verlust einer Nachricht im Übermittlungssystem; andererseits sind manche Erwartungen und Expertenaussagen inhaltlich vage und daher schwer zu berücksichtigen.
Fritz Lehmann
16. Probabilistische und Fuzzy Methoden für die Clusteranalyse
Zusammenfassung
Ausgehend von der probabilistischen Clusteranalyse mit dem Fuzzy c-Means (FCM) Modell lassen sich Methoden der nichtprobabilistischen Clusteranalyse herleiten. Eine bekanntes nichtprobabilistisches Modell ist Possibilistisches c-Means (PCM). Eine neue, verallgemeinerte Methode der Clusteranalyse ist die alternierende Clusterschätzung (alternating cluster estimation, ACE), die als spezielle Instanzen sowohl probabilistische als auch nichtprobabilistische Methoden enthält. Anhand einiger Beispiele werden die unterschiedlichen Methoden verglichen: (A) probabilistische Clusteranalyse mit FCM und nichtprobabilistische Clusteranalyse mit (B) PCM und mit (C) tanzenden Kegeln (dancing cones, DC), einer speziellen Instanz von ACE. Die Ergebnisse zeigen, daß probabilistische und nichtprobabilistische Clustermethoden spezifische Vor- und Nachteile besitzen. Es ergeben sich Kriterien im Anwendungskontext, mit denen die am besten geeignete Methodenklasse bestimmt werden kann.
Thomas A. Runkler
17. Fuzzy Methoden in der Datenanalyse
Zusammenfassung
Das Gebiet der Datenanalyse entwickelt sich rasch, da wegen der Menge derzeit erfaßter und der Auswertung harrender Daten einfach zu handhabende und leicht zu verstehende Analysetechniken in vielen Bereichen der Industrie, der Medizin etc. benötigt werden. Die Fuzzy Datenanalyse erfreut sich wachsender Beliebtheit, weil die im Bereich der Fuzzy Systeme entwickelten Methoden oft besonders leicht zu verstehen und daher einfach anzuwenden sind — wie ja schon die Entwicklung und der Einsatz der Fuzzy Regelungstechnik zeigte.
Christian Borgelt, Jörg Gebhardt, Rudolf Kruse
18. Anwendung von Fuzzy Systemen zur Prozeßoptimierung
Zusammenfassung
Fahrrad fahren ist für die meisten von uns ein einfacher Balanceakt, den wir unbewußt beherrschen. Wir können auch verbal beschreiben, wie zu lenken ist, um nicht umzufallen. Doch ist es nur wenigen vergönnt, die mathematischen Gleichungen des zugrundeliegenden dynamischen Systems und dessen Kontrolle für eine maschinelle Lösung, eine Robotersteuerung zum Beispiel, zu formulieren. Die Fähigkeit, auch ohne Differentialgleichungen Fahrrad fahren zu können, kann man sich technologisch durch Fuzzy Systeme, die linguistisch formuliertes Wissen verarbeiten können, zunutze machen. So ist es möglich, Fuzzy Systeme sowohl direkt zur Regelung und Steuerung als auch zur Modellierung zu benutzen. Fuzzy Modelle eignen sich besonders zur rechnergestützten Darstellung von technischen Prozessen, die dadurch kostengünstig simuliert werden können. Dies gilt besonders für Arbeitsbereiche, in denen der Prozeß nicht oder nur schwer physikalisch zu realisieren ist. Neben der Simulation werden Fuzzy Modelle häufig auch als Softsensoren oder Prädiktoren eingesetzt, die z. B. Qualitäten online berechnen können.
Martin Appl, Jürgen Hollatz
Backmatter
Metadata
Title
Fuzzy Theorie und Stochastik
Editor
Rudolf Seising
Copyright Year
1999
Publisher
Vieweg+Teubner Verlag
Electronic ISBN
978-3-663-10120-8
Print ISBN
978-3-528-05682-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-663-10120-8