Die Stabilität des Geldwertes ist von überragender Bedeutung für eine funktionierende Marktwirtschaft und gehört daher zu den zentralen Zielen der Wirtschaftspolitik. Wie kann die Stabilität des Geldwertes gesichert werden? Welche Rolle spielen dabei insbesondere die Notenbanken mit ihrer Geldpolitik? Und was sind die Nebeneffekte einer Politik stabiler Preise? Kann Geldwertstabilität schädlich für die „Gesundheit“ einer Volkswirtschaft sein?
5.1 Das Konzept der Geldwertstabilität und die Kosten der Inflation
Geld erfüllt in einer modernen arbeitsteiligen Volkswirtschaft wichtige Aufgaben als Zahlungsmittel, Wertaufbewahrungsmittel und als Recheneinheit. Diese Funktionen kann das Geld nur dann optimal erfüllen, wenn sein Wert stabil ist. Geldwertstabilität ist gegeben, wenn sich das Preisniveau nicht ändert, also die Güterpreise im Durchschnitt stabil sind. In dieser Situation bleibt die Kaufkraft des Geldes über die Zeit erhalten. Geldwertstabilität ist somit gleichbedeutend mit Preisniveaustabilität (siehe auch Kap.
3).
Preisniveau und Geldwert entwickeln sich immer gegenläufig. Bei steigendem Preisniveau können die Menschen für einen gegebenen Geldbetrag nur noch weniger Güter und Dienstleistungen kaufen. Je höher das Preisniveau ist, desto geringer ist also der Wert des Geldes.
Preisniveaustabilität bedeutet nicht, dass alle Preise in einer Volkswirtschaft konstant bleiben (sollen). Es ist im Gegenteil für das Funktionieren einer Marktwirtschaft von zentraler Bedeutung, dass sich die einzelnen Güterpreise entsprechend der relativen Knappheiten ändern. So signalisiert der steigende Preis für ein Produkt, dass dieses knapper geworden ist. Die Nachfrager werden weniger von dem teurer gewordenen Produkt nachfragen, die Anbieter entsprechend ihr Angebot ausweiten. Insgesamt passt sich so die Produktion den veränderten Nachfrageverhältnissen an, und der Nachfrageüberhang wird abgebaut. Solche Änderungen der relativen Preise gleichen sich bei einem stabilen Preisniveau im Durchschnitt aus.
Inflation, also ein allgemeiner Anstieg der Preise, verursacht eine Reihe ganz unterschiedlicher gesamtwirtschaftlicher Kosten. Die Vorteile der Geldwertstabilität liegen darin, dass diese Kosten vermieden werden. Dies gilt im Wesentlichen analog für einen Rückgang des Preisniveaus, also einer Deflation. Zu den wesentlichen Kosten der Inflation gehören i) die Beeinträchtigung des Preismechanismus, dem zentralen Steuerungsmechanismus in einer Marktwirtschaft, ii) die unerwünschte Umverteilung von Einkommen und Vermögen sowie iii) die direkten Kosten für die Anpassung von Preisen.
5.2 Rolle der (Europäischen) Geldpolitik
Aufgrund ihrer überragenden Bedeutung für die effiziente Funktionsfähigkeit einer Marktwirtschaft zählt Preisniveaustabilität in vielen Ländern zu den zentralen Zielen der Wirtschaftspolitik. In der Bundesrepublik Deutschland etwa wurde ein stabiles Preisniveau erstmals im Jahr 1967 im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes als Teil des sogenannten Magischen Vierecks vorgegeben, in der Europäischen Union im Rahmen von Art. 3 EUV festgelegt. Besonders ist dabei, dass spezialisierte Institutionen beauftragt werden, nämlich die Notenbanken (ein anderes Wort ist Zentralbanken), um dieses Ziel zu erreichen. Sie sollen mit ihrer Geldpolitik für stabile Preise sorgen.
5.3 Geldwertstabilität und andere wirtschaftspolitische Ziele
Angesichts der vielfältigen negativen Wirkungen von Inflation und Deflation kann es nicht überraschen, dass heute große Übereinstimmung über die Vorteile des Ziels Geldwertstabilität besteht. Umso mehr überrascht dann aber, dass in keinem Land Geldwertstabilität tatsächlich dauerhaft erreicht wird und in manchen Ländern sogar Hyperinflationen zu beobachten waren. Selbst die anscheinend so stabilitätsbewusste Deutsche Bundesbank hat über fünfzig Jahre hinweg eine durchschnittliche Inflationsrate von rund 3 % toleriert, sodass die D-Mark zwischen 1948 und 1998 rund zwei Drittel ihrer realen Kaufkraft verlor, von einer D-Mark nach dieser Zeit also real nur noch rund 30 Pfennige übriggeblieben waren.
Während also die Vorteile der Geldwertstabilität in Wissenschaft und Wirtschaftspolitik unbestritten sind, besteht Uneinigkeit darüber, inwieweit eine Politik der Geldwertstabilität andere wirtschaftspolitische Ziele gefährdet. Gibt es also Konflikte zwischen Preisniveaustabilität und anderen wirtschaftspolitischen Zielen? Führt etwa mehr Geldwertstabilität zu mehr Arbeitslosigkeit? Während der mögliche Zielkonflikt zwischen Preisniveau und Beschäftigung schon lange die wirtschaftspolitische Debatte prägt, wird in neuerer Zeit auch intensiv diskutiert, inwieweit eine an der Geldwertstabilität orientierte Geldpolitik mit Finanzmarktstabilität und dem Kampf gegen den Klimawandel vereinbar sei. Damit eng verbunden ist auch die Diskussion, ob die Aufgaben von Notenbanken auf diese Ziele erweitert werden sollten.
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