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08-08-2022 | Gesamtbanksteuerung | Schwerpunkt | Article

Deutsche Retail-Banken spielen nur im Mittelfeld

Author: Angelika Breinich-Schilly

4:30 min reading time

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Im zweiten Corona-Jahr haben europäische Retail-Banken ein durchschnittliches Umsatzplus von vier Prozent erzielt. Nun bringen stagnierende Immobilienmärkte, Inflation und der Ukraine-Krieg neue Unsicherheiten. Vor allem deutsche Institute müssen laut einer aktuellen Studie reagieren.

In einem herausfordernden Umfeld war 2021 "ein durchaus erfolgreiches Jahr für europäische Privatkundenbanken", lautet die Kernaussage des "Retail Banking Monitor 2022". Hierzu beigetragen hat der Studie zufolge unter anderem die voranschreitende Reduzierung der Filialen, die sich um durchschnittlich acht Prozent verringerte. Zudem haben Unsicherheiten infolge der Covid-19-Krise, der EZB-Zinspolitik sowie des Unkraine-Krieges eine Vielzahl von Banken veranlasst, die Einlagen- und damit Bilanzsteuerung aktiver zu gestalten oder die Risikopolitik mit Blick auf die Immobilienfinanzierung anzupassen. 

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Digitalisierung von Geschäftsmodellen vs. Digitalisierung von Geschäftsprozessen

Die digitale Transformation ist dadurch gekennzeichnet, dass sie in einer enormen Geschwindigkeit und in vielen Bereichen gleichzeitig stattfindet. Seien es nun Geschäftsmodelle, interne Prozesse und Organisationen, aber auch die Mitarbeiterführung.

Zu diesen Ergebnissen kommt Strategy &, die Strategieberatung von Pricewaterhouse Coopers (Pwc), in der im Juli veröffentlichten Analyse. Für diese wurden rund 50 Privatkundenbanken und Bankengruppen in Europa (in Nordamerika und Australien als Vergleichsgrößen) mit insgesamt 690 Millionen Kunden und geschätzten Einlagen und Kreditvolumina in Höhe von mehr als 19 Billionen Euro untersucht.

Trotz Filialabbau punktet persönliche Beratung

Der auffälligste Unterschied ist, dass die Filiale hierzulande trotz zunehmender Digitalnutzung und anhaltendem Niederlassungsabbau immer noch und nachhaltig eine größere Rolle spielt als international betrachtet. In Deutschland erledigt ein Drittel den Großteil der Bankgeschäfte lieber persönlich. 29 Prozent besuchen die Filiale häufig, weltweit tun dies nur 16 Prozent", schreibt Edeltraud Leibrock, Managing Partner und Group Vice President Financial Services beim Beratungshaus Publicis Sapient, in ihrem Bankmagazin-Beitrag "Global, digital und vor Ort Sinn stiften" (Ausgabe 5 | 2022). 

"Ein weiterer Trend ist, dass selbst ursprünglich rein digitale Anbieter zunehmend vor Ort Präsenz zeigen. Baufinanzierungsberater wie die Interhyp und Baufi 24 sind inzwischen mit Geschäftsstellen in der Fläche präsent. Robo Advisor wie Scalable Capital bieten Infoabende und persönliche Beratungsgespräche an. Dies unterstreicht, wie wichtig menschlicher Kontakt und Vertrauen gerade bei komplexen Finanzfragen sind", erläutert Leibrock.

Retail-Banken wachsen bei Einlagen und Krediten

Laut Banking-Monitor wird die insgesamt positive Entwicklung im Retail-Banken-Segment vor allem durch das gesteigerte Geschäftsvolumen mit sieben Prozent Wachstum bei Einlagen sowie um sechs Prozent größere Kreditvolumina getrieben. Auch erfolgreiche Preisstrategien für Konten sowie höhere Servicegebühren haben zu diesem Ergebnis beigetragen. Dem Umsatzzuwachs von vier Prozent stehen um ein Prozent gestiegene Kosten gegenüber. Fast drei Viertel (70 Prozent) der untersuchten Banken konnten ihr Betriebsergebnis steigern. Der Rest wies eine insgesamt sinkende Rentabilität auf.

Spitzenreiter im Hinblick auf die Betriebserträge pro Kunde ist die Schweiz mit 528 Euro nach 444 Euro im Jahr 2020. Die Banken dort profitierten offenbar von den weniger strengen oder kürzeren Covid-19-Schutzmaßnahmen, weil die Konsumtätigkeit früher wieder eingesetzt hat. Hinzu kommen Effekte durch zyklische Schwankungen wie etwa in Großbritannien mit einer starken Abhängigkeit vom Immobilienmarkt sowie Konsumentenkrediten. Aufgrund von Wettbewerbsdynamiken sank etwa in den Niederlanden der Ertrag pro Kunde von 245 auf 208 Euro. 

Deutsche Banken verbessern den Gewinn pro Kunde im vergangenen Jahr leicht auf 180 Euro (2020:  172 Euro). Im internationalen Vergleich rangieren sie mit diesem Ergebnis dennoch im unteren Drittel. 

Jahrzehnt mehrerer Großtransformationen

"Die steigenden Umsätze und Gewinne zeigen, dass deutsche Privatkundenbanken bereits viele richtige Schlüsse aus den Herausforderungen der vergangenen Jahre gezogen haben. Gleichzeitig befinden wir uns mit Zinswende, Inflation, Kaufkraftverlusten und geopolitischen Risiken in einem Jahrzehnt mehrerer Großtransformationen", stellt Andreas Pratz, Studienautor und Partner bei Strategy & Deutschland, fest. 

Es gehe nicht mehr um ein Sichern des Status quo bei gesteigerter Effizienz, sondern um die strategische Gestaltung des Geschäftsmodells der Zukunft rund um innovative Produkte und neue Vertriebswege, sowie einen klaren ESG-Fokus. "Hinzu kommen taktische Maßnahmen in einem Umfeld mit attraktivem Einlagengeschäft, aber auch schwieriger werdendem Kreditmarkt."

Organisation mit klaren Zuständigkeiten 

Die Ausrichtung auf den Kunden […] bedarf vollständig integrierter Handlungsstränge, um das gewünschte Kundenerlebnis zu gewährleisten. Hierbei ist die Organisation mit klaren Zuständigkeiten von hoher Bedeutung, um die Planung, Koordination und Steuerung des Kundenbeziehungsmanagements sicherzustellen - sei es in einer eigenständigen Einheit oder im Marketingbereich angesiedelt mit dem Ziel, die Verwaltungs-, Beratungs- und Vertriebseinheiten sowie das Produktmanagement im Sinne der Kundenorientierung zu vereinen", beschreibt Axel Steudle ein agiles Kundenbeziehungsmanagement in Banken im gleichnamigen Buchkapitel auf Seite 61.  

Die Umsetzung im Rahmen einer IT-basierten Projektarbeit sollte seiner Ansicht nach primäre und sekundäre Stakeholder berücksichtigen, wenn auch die gesamten Bemühungen final auf den Kunden ausgerichtet sind. "Unter den primären Stakeholdern können Entwickler, Anwender, Projektmanager und Business-Analysten verstanden werden, wo hingegen die sekundären Interessensinhaber aus den Kunden, Interessenten, Lieferanten, Medien, Aktionären, Investoren, Gesellschaftern und der Gesellschaft bestehen", so der Springer-Autor.

Agenda mit Robo Advisory und Embedded Finance

Für das Retail Banking der Zukunft sollten Banken eine strategische Agenda entwickeln, "die neue Outbound-Vertriebsmodelle genauso einschließt wie kundenfreundliche Produktangebote", betont Studienautor Pratz. Beispiele hierfür seien die vereinfachten mobile Brokerage-Angebote, sogenannte Robo Advisors, oder die Weiterentwicklung von Verbraucherkrediten zu Buy-Now-Pay-Later-Kreditoptionen. Diese ermöglichten einfachere und günstigere Angebote für breitere Zielgruppen. 

"Zudem benötigen Institute attraktive Lösungen für den wachsenden Embedded-Finance-Bereich, der bis zum Jahr 2030 bereits 15 Prozent der Erträge im Privatkundengeschäft ausmachen könnte", so Pratz.

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