Gestaltung von Mobility-as-a-Service – Ergebnisse einer Conjoint-Analyse
- Open Access
- 28-05-2025
- Schwerpunkt
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Zusammenfassung
1 Einleitung
Unternehmen stehen vor der Herausforderung, die digitale Transformation umzusetzen, insbesondere im Bereich der Kundenansprache (Peine und Helferich 2024). Dies betrifft vor allem den Transportsektor, der sich in einem tiefgreifenden Wandel zur geteilten Nutzung aufgrund sich verändernden Mobilitätsverhaltens befindet (Stocker 2021). Im Rahmen dieses Wandels müssen traditionelle Mobilitätsanbieter Mobility Service Provider werden, um den geänderten Kundenbedürfnissen gerecht zu werden (Kurpiela und Teuteberg 2023; Stocker 2021). Dies geschieht etwa unter dem Konzept des Mobilitäts-Ecosystems „Mobility-as-a-Service“ (MaaS) (Kurpiela und Teuteberg 2023). MaaS umfasst die Bündelung von Mobilitätsdienstleistungen und bietet passgenaue Lösungen, die auf Kundenbedürfnisse abgestimmt sind. Diese Dienstleistungen werden über eine digitale Plattform von einem Orchestrator bereitgestellt (Hensher 2017). Der Fokus von MaaS auf Kundenorientierung und der inhärente Technologiebezug macht diesen digitalen Service für die Forschung in Informationssystemen besonders relevant (Jittrapirom et al. 2017). Dennoch gestaltet sich die kundennahe Angebotsgestaltung, wie es Services beinhalten (Schulz et al. 2023), für viele Anbieter als herausfordernd: Keines der aktuell agierenden MaaS-Angebote ist profitabel (Hensher et al. 2023; Kraus 2024), auch aufgrund fehlender Angebotsausrichtung an den Kundenwünschen (Ho 2022; Schulz et al. 2021). Daher ist eine Analyse der Kundenperspektive notwendig, um aufzuzeigen, wie individualisierte Mobilitätsdienste gestaltet werden können, was die Gestaltung der zugrunde liegenden MaaS-Plattform beeinflusst.
Die Ergebnisse vereinzelter Studien zu MaaS, etwa zur Zahlungsbereitschaft, zeigen Widersprüche, etwa hinsichtlich der Präferenz von Pay-as-you-go (PAYG) oder Abonnementmodellen wie auch hinsichtlich der digital zu integrierenden Mobilitätsdienstleister (Kraus et al. 2023; Ho et al. 2020; Stopka et al. 2018). Eine umfassende Untersuchung, wie die Akzeptanz für MaaS als Beispiel für smarte, vernetzte Mobilität gesteigert werden kann, fehlt. Daraus ergibt sich die Forschungsfrage dieses Beitrags:
Wie müssen MaaS-Angebote gestaltet werden, um eine hohe Kundenakzeptanz zu erreichen?
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Diese Untersuchung fokussiert sich auf die Erforschung divergierender Kundeninteressen sowie die Art und den Umfang der Bündelung von Mobilitätsdiensten auf der Plattform. Eine Conjoint-Analyse mit 503 Datensätzen dient zur Auswertung der Kundenpräferenzen und somit zur Beantwortung der Forschungsfrage. Die Ergebnisse sollen Managern von Technologiedienstleistern sowie Mobilitätsanbietern, insbesondere ÖPNV- und Sharing-Mobility-Dienstleister, als Orientierung für die Entwicklung digitaler Angebote dienen.
MaaS muss im spezifischen Länderkontext untersucht werden (Caiati et al. 2020). Dieser Beitrag liefert gegenüber vorheriger Conjoint-basierter Forschung zu MaaS in Deutschland (Maas 2021; Orth et al. 2022; Schulz et al. 2021) in zweierlei Hinsicht (inhaltlich und methodisch) einen neuartigen Mehrwert. Er berücksichtigt einerseits explizit das E‑Scooter-Sharing, das in vielen deutschen Großstädten eine etablierte Mobilitätsoption ist. Andererseits werden die Daten der Conjoint-Analyse für eine nutzenwertbasierte Segmentierung der Befragten weiterverwendet, um noch passgenauere Empfehlungen zu den zu integrierenden Mobilitätsdienstleistern treffen zu können.
Der Beitrag ist wie folgt gegliedert: In Abschn. 2 werden die Grundlagen zu smarter Mobilität durch digitale Services sowie deren Kundenakzeptanz erläutert. Es folgt eine Erklärung der Methodik und des Studiendesigns der Conjoint-Analyse (Abschn. 3). Anschließend werden die Ergebnisse in Abschn. 4 präsentiert, gefolgt von einer Diskussion und Zusammenfassung in Abschn. 5.
2 Grundlagen
2.1 Smarte Mobilität durch digitale Services
Digitale Services werden im Rahmen der Servitization verstärkt diskutiert. Oft liegen ihnen Plattformen zugrunde, etwa zur gemeinsamen Schaffung von Dienstleistungsinnovationen (Barile et al. 2022). Die Innovation smarter Services beinhaltet die Rekonfigurierung von Strukturen, Ressourcen und des Value Co-Creation-Prozesses. Sie ermöglichen datengetriebene Dienstleistungsangebote (Poeppelbuss et al. 2022). Digitale Services sind daher definiert als die Übereinkunft von Serviceaspekten (Angebot, Prozess und Ecosystem) mit digitalen Technologien (Plattformen, intelligente Automatisierung und Internet der Dinge) (Kowalkowski et al. 2024).
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Smarte Mobilität wird als IT-gestützte Bündelung unterschiedlicher Mobilitätsdienste, um von einem Startpunkt A zu einem Endpunkt B zu gelangen, definiert (Schulz et al. 2021). Komplex ist dabei die Anbindung zwischen physischem und digitalem Layer, da das digitale Angebot maßgeblich von verfügbaren Fahrzeugen und der Infrastruktur gesteuert wird (Ketter et al. 2023). Die Verbreitung von Smartphones hat den Zugang zu Mobilitätsdiensten im Rahmen der smarten Mobilität befeuert (Schulz et al. 2021).
MaaS verkörpert die Synergie beider Ansätze. Die Verknüpfung von MaaS mit digitalen Services ist gegeben, da das Konzept als beispielhaft für personalisierte Servitization gilt, in dessen Zentrum die Bündelung mehrerer Mobilitätsangebote über eine zentrale Schnittstelle steht (Vandermerwe und Erixon 2023). MaaS steht außerdem eng mit smarter Mobilität in Verbindung. Das zentrale Merkmal von MaaS, die Bündelung mehrerer Mobilitätsdienste auf einer App, beschleunigt das Aufkommen smarter Mobilität und wird erst durch smarte Mobilität als digitale Vernetzung von Mobilitätsanbietern und Nutzenden ermöglicht (Schulz et al. 2021; Hahn et al. 2020). Entsprechend spielt MaaS in der Forschung zu Informationssystemen eine wichtige Rolle, auch wenn mehr Untersuchungen notwendig sind (Ketter et al. 2023; Sahaym et al. 2023). Dies hebt die Relevanz dieses Forschungsbeitrags besonders hervor.
2.2 Kundenakzeptanz smarter Mobilität
Die Kundenakzeptanz basiert auf unterschiedlichen Determinanten, zu welchen zahlreiche Forschungsmodelle entwickelt wurden. Zahlungsbereitschaft ist ebenso ein Maß für Kundenakzeptanz, da sie auf Nutzenwerten basiert, die Kunden aus bestimmten Angeboten ziehen (Kraus et al. 2023). Außerdem wird die Akzeptanz auch durch Präferenzen ausgedrückt, die sich in Wahlentscheidungen widerspiegeln.
In den Transportwissenschaften konnte dies durch ein Wahlmodell gezeigt werden. Dieses Wahlmodell integriert mehrere Eigenschaften, die dem Produkt, aber auch dem individuellen Entscheidungsfindungsprozess und anderen psychologischen Faktoren zugeschrieben werden (McFadden 1986). Dies erklärt Kundenakzeptanz als Ergebnis eines Prozesses, der auf individuellen Entscheidungen und veränderlichen Kontextfaktoren basiert. So werden Mobilitätsdienstleistungen nach den Nutzenwerten ausgesucht, die ein Kunde daraus zieht.
Dementsprechend wurde die Kundenakzeptanz smarter Mobilität zumeist als Wahlentscheidung zwischen unterschiedlich zusammengestellten Bündeln aus Mobilitätsdiensten im Sinne von MaaS untersucht. Diese Untersuchungen variieren in der Art der enthaltenen Dienste (öffentlich versus privat), deren Umfang (PAYG versus Abonnement) und der Definition des enthaltenen Umfangs (beispielsweise distanz-, zeit- oder mengenbasiert) (Kraus et al. 2023). Auch die Ergebnisse dieser Studien variieren: So ist nach Ho et al. (2018) die Zahlungsbereitschaft für den ÖPNV deutlich geringer als für Car-Sharing, während nach Feneri et al. (2022) der Nutzenwert für den ÖPNV deutlich über dem für Car-Sharing liegt. Zudem ist die Zahlungsbereitschaft sehr heterogen (Polydoropoulou et al. 2020), weshalb die Ergebnisse bisheriger Studien nicht vergleichbar sind. Eine gesonderte Studie zur Kundenakzeptanz von smarter Mobilität ist notwendig. Darüber hinaus wurden im deutschsprachigen Raum bislang E‑Scooter-Dienstleister noch nicht explizit einbezogen (Maas 2021; Orth et al. 2022; Schulz et al. 2021), obwohl diese auch in der globalen Betrachtung eine wichtige Rolle in der smarten Mobilität spielen (International Transport Forum 2020).
3 Methodik und Studiendesign der Conjoint-Analyse
Zur Untersuchung der Kundenakzeptanz verschiedener Mobilitätsdienstleister in einer MaaS-App wurde eine auswahlbasierte Conjoint-Analyse gewählt (Del Mar Parra López et al. 2022). Sie eignet sich für neue Produkte, mit denen die Kunden noch keine Erfahrung haben (Stopka et al. 2018). Die Conjoint-Analyse ist ein dekompositionelles Verfahren zur Untersuchung von Präferenzstrukturen, bei dem Produkte anhand ihrer Merkmalseigenschaften bewertet werden, was insbesondere für MaaS als Mobilitätsbündel optimal ist. Dazu werden die Befragten wiederholt gebeten, aus variabel zusammengestellten Produkten ihr Präferenzprodukt auszuwählen. Aus den Wahldaten können Nutzenwerte für einzelne Merkmalsausprägungen geschätzt werden, die in Marktsimulationen zur Bestimmung der Zahlungsbereitschaft verwendet werden (Orme und Chrzan 2017). Außerdem wurden die Nutzenwerte als Basis für die Befragtensegmentierung verwendet (sog. Benefit-Segmentierung), was ein weiteres Alleinstellungsmerkmal dieses Beitrags gegenüber vorherigen MaaS-Untersuchungen in Deutschland ist (Maas 2021; Orth et al. 2022; Schulz et al. 2021). Die Nutzenwerte ermöglichen eine passgenauere Segmentierung als soziodemografische Variablen.
3.1 Auswahl von Merkmalen und Merkmalseigenschaften
Als Merkmale wurden Mobilitätsdienste ausgewählt, die global verfügbar sind: der ÖPNV, On-Demand E‑Shuttles, Car-Sharing, Bike-Sharing und E‑Scooter-Sharing (International Transport Forum 2020). Die Merkmalseigenschaften entsprechen dem enthaltenen Leistungsumfang in einer möglichen MaaS-App. Diese wurden basierend auf einer Marktanalyse mit einem Fokus auf dem Ruhrgebiet ermittelt, um die Bündel als MaaS-Angebote realitätsgetreu abzubilden. Eine Eigenschaft ist dabei immer PAYG, die Abwesenheit eines „prepaid“-Kontingents. Um die Anzahl möglicher Kombinationen gering zu halten, wurden je Merkmal zwei zusätzliche Merkmalseigenschaften definiert. Ergänzend wurde ein Preismerkmal aufgenommen. Tab. 1 zeigt die verwendeten Merkmale, Arten des Leistungsumfangs und Merkmalseigenschaften je Monat.
Tab. 1
Merkmale, Arten des Leistungsumfangs und Merkmalseigenschaften
Merkmal | Art des Leistungsumfangs | Merkmalseigenschaft |
|---|---|---|
ÖPNV | Fahrten im Geltungsbereich | PAYG1, unbegrenzt in einer Stadt, unbegrenzt im VRR-Gebiet2 |
On-Demand E‑Shuttles | Fahrten und Strecken | PAYG1, 10 Fahrten an einem Standort, 10 Fahrten auch zwischen Standorten |
Car-Sharing | Stunden und Distanzen | PAYG1, 3 h bzw. 100 km, 9 h bzw. 300 km |
Bike-Sharing | Fahrten bis 30 min | PAYG1, 30 min normales Rad, beliebig oft, 30 min Pedelec, beliebig oft |
E‑Scooter-Sharing | Fahrten und Distanzen | PAYG1, 10 Fahrten bzw. 50 min, 20 Fahrten bzw. 100 min |
Preis | € | Summierte Preise variiert um ± 30 % und aufgerundet auf Zehner |
Die Kombination der Merkmalseigenschaften geschah optimiert auf der Basis der Vermeidung dominanter Konzepte, also der gehäuften Darstellung bestimmter Kombinationen. Jede befragte Person durchlief acht Wahlrunden, in welcher aus drei hypothetischen Angeboten in einer MaaS-App das präferierte auszuwählen war.
3.2 Erstellung des Fragebogens
Zuerst wurden soziodemografische Daten der Teilnehmenden anonymisiert erhoben. Dann wurden den Befragten die Merkmale und Merkmalseigenschaften vorgestellt, die in den monatlichen fiktiven Mobilitätsbündeln enthalten waren (s. Tab. 1). Zuletzt wurden die in Abschn. 3.1 beschriebenen acht Auswahlaufgaben bearbeitet.
3.3 Datenbasis
Die Umfrage wurde in Deutschland im Frühjahr 2021 im Rahmen eines Forschungsprojekts zu nachhaltiger Mobilität an drei Universitäten im Anschluss an eine allgemeine Mobilitätsbefragung (Philipp et al. 2022) gestreut. Insgesamt nahmen 741 Angestellte teil, davon 570 vollständig. Datensätze mit inkonsistentem Antwortverhalten wurden im Anschluss ausgeschlossen, sodass die finale Datenbasis Informationen von 503 Befragten enthielt. Der Anteil Beschäftigter in Technik und Verwaltung (48,4 %) war ähnlich zum Anteil der in der Wissenschaft Beschäftigten (51,4 %). Eine Mehrheit (52,5 %) war weiblich. Das Alter war im Median zwischen 50–59 Jahre, das monatliche Nettoeinkommen 3000–3500 €. Außerdem lebten im Haushalt im Median zwei Personen, die Befragten eingeschlossen. Fast alle Teilnehmenden (96,8 %) besaßen einen Führerschein und 82,7 % verfügten über einen PKW. Die Stichprobe spiegelt daher in vielerlei Hinsicht die erwerbstätige Bevölkerung Deutschlands wider, lediglich im Alter und im Einkommen sind Abweichungen festzustellen. Das recht hohe Medianalter der Befragten führt im Zuge des demografischen Wandels jedoch nicht zu großen Einschränkungen bezüglich der Verallgemeinerbarkeit, das höhere Einkommen sollte in Bezug zur Zahlungsbereitschaft gesetzt werden.
4 Ergebnisse
4.1 Modell
Für die Modellschätzung wurde Hierarchical Bayes verwendet, das sich durch eine hierarchische Struktur auszeichnet, die die Schätzung individueller Parameter unter Verwendung von Informationen über die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Gesamtheit und über die Wahlentscheidungen jedes Einzelnen ermöglicht (Hein et al. 2020). Das Modell erreichte McFaddens Pseudo R2 von 0,618. Tab. 2 zeigt die resultierenden Modellparameter für die Merkmalseigenschaften und die relative Bedeutung der Merkmale.
Tab. 2
Modellparameter und relative Bedeutung der Merkmale
Merkmal | Eigenschaft | Nullzentrierter Nutzenwert | Relative Bedeutung (%) |
|---|---|---|---|
ÖPNV | PAYG1 | −61,45*** | 26,40 |
Unbegrenzt in einer Stadt | −7,42 | ||
Unbegrenzt im VRR-Gebiet2 | 68,88*** | ||
On-Demand E‑Shuttles | PAYG1 | 11,32*** | 5,62 |
10 Fahrten an einem Standort | −7,02*** | ||
10 Fahrten auch zwischen Standorten | −4,30*** | ||
Car-Sharing | PAYG1 | 5,81** | 6,78 |
3 h bzw. 100 km | −10,61*** | ||
9 h bzw. 300 km | 4,80*** | ||
Bike-Sharing | PAYG1 | 2,69* | 5,69 |
30 min normales Rad, beliebig oft | −6,74** | ||
30 min Pedelec, beliebig oft | 4,06*** | ||
E‑Scooter-Sharing | PAYG1 | 15,25** | 5,15 |
10 Fahrten bzw. 50 min | −8,37*** | ||
20 Fahrten bzw. 100 min | −6,88*** | ||
Preis (€) | 0 | 168,04*** | 50,37 |
40 | 66,02*** | ||
70 | 46,32*** | ||
90 | 16,42*** | ||
120 | −7,65*** | ||
160 | −39,73*** | ||
210 | −115,26*** | ||
370 | −134,16*** |
Mit Ausnahme der unbegrenzten ÖPNV-Fahrten in einer Stadt sind alle Parameter signifikant. Da Bayessche Signifikanztests durchgeführt wurden, bedeutet fehlende Signifikanz bei unbegrenztem ÖPNV-Angebot in einer Stadt, dass statistisch nicht abgesichert ist, dass der Nutzenwert negativ ist (s. ausführlicher Orme und Chrzan 2017). Die hohe Bedeutung des Preises deutet darauf hin, dass es für Unternehmen sinnvoll sein kann durch eine Segmentierung Kunden mit geringerer Preissensibilität zu identifizieren.
4.2 Zahlungsbereitschaft
Aus den Nutzenwerten konnte die monatliche Zahlungsbereitschaft für MaaS-Angebote ermittelt werden (s. Tab. 3). Diese wird als maximaler Preis simuliert, bis zu dem eine Merkmalseigenschaft noch gewählt wird. Die Zahlungsbereitschaft ist je Merkmal in Relation zum Basisniveau (auf 0 € gesetzt) zu interpretieren. Entsprechend impliziert die negative Zahlungsbereitschaft für 20 Fahrten bzw. 100 min E-Scooter-Sharing, analog zum negativen Nutzenwert und der niedrigen relativen Bedeutung der E‑Scooter insgesamt, dass, anders als die PAYG-Option, dieses Angebot nur gegen Geld gewählt würde. Eine Aufnahme dieser Eigenschaft in ein Paket ist daher nicht empfehlenswert, der PAYG-Option jedoch schon. Ein MaaS-Angebot, das die Zahlungsbereitschaft maximiert, sollte entsprechend ÖPNV unbegrenzt im Verbundtarifgebiet und Pedelecs im Bike-Sharing enthalten, die restlichen Dienste sollten als Pay-as-you-Go-Option enthalten sein. Die Zahlungsbereitschaft für dieses MaaS-Angebot beträgt 207,80 €.
Tab. 3
Zahlungsbereitschaft für die Merkmalseigenschaften
Merkmal | Eigenschaft | Zahlungsbereitschaft (€) |
|---|---|---|
ÖPNV | PAYG1 | 0 |
Unbegrenzt in einer Stadt | 48,73 | |
Unbegrenzt im VRR-Gebiet2 | 106,14 | |
On-Demand E‑Shuttles | PAYG1 | 31,09 |
10 Fahrten an einem Standort | 0 | |
10 Fahrten auch zwischen Standorten | 3,08 | |
Car-Sharing | PAYG1 | 25,00 |
3 h bzw. 100 km | 0 | |
9 h bzw. 300 km | 19,22 | |
Bike-Sharing | PAYG1 | 19,17 |
30 min normales Rad, beliebig oft | 0 | |
30 min Pedelec, beliebig oft | 20,57 | |
E‑Scooter-Sharing | PAYG1 | 25,00 |
10 Fahrten bzw. 50 min | 0 | |
20 Fahrten bzw. 100 min | −1,43 |
4.3 Segmentspezifische MaaS-Angebote
Für die Benefit-Segmentierung wurden die Datensätze anhand der relativen Bedeutung der Mobilitätsmerkmale mithilfe des k‑Means-Clustering-Algorithmus in SPSS segmentiert. Die Drei-Cluster-Lösung lieferte in der Diskriminanzanalyse eine korrekte Klassifizierung von 98,4 % der Datensätze und wurde daher verwendet. Tab. 4 zeigt die Mittelwerte der Segmente und der Gesamtheit je Merkmal. Für Segment 1 ist der Preis am wichtigsten, für Segment 2 Car-Sharing und Bike-Sharing und für Segment 3 die anderen Mobilitätsdienste. Die um teils mehr als 30 % abweichenden Mittelwerte je Merkmal zwischen den Clustern zeugen von heterogenen Präferenzen der Befragten.
Tab. 4
Mittelwerte und Standardabweichung der relativen Merkmalsbedeutung je Segment und gesamt
Segment | Wert | Relative Bedeutung (%) | |||||
|---|---|---|---|---|---|---|---|
ÖPNV | On-Demand E‑Shuttles | Car-Sharing | Bike-Sharing | E‑Scooter-Sharing | Preis | ||
1 (N = 155) | Mittelwert | 10,69 | 4,43 | 6,85 | 5,19 | 3,75 | 69,09 |
Stabw.1 | 3,94 | 2,73 | 4,83 | 3,81 | 2,14 | 10,41 | |
2 (N = 168) | Mittelwert | 25,52 | 5,83 | 6,89 | 6,26 | 5,48 | 50,02 |
Stabw.1 | 4,46 | 2,99 | 3,62 | 3,44 | 2,30 | 8,23 | |
3 (N = 180) | Mittelwert | 40,68 | 6,46 | 6,58 | 5,56 | 6,03 | 34,69 |
Stabw.1 | 4,88 | 3,30 | 3,21 | 2,47 | 2,41 | 8,48 | |
Gesamt (N = 503) | Mittelwert | 26,37 | 5,62 | 6,77 | 5,68 | 5,14 | 50,41 |
Stabw.1 | 13,02 | 3,14 | 3,90 | 3,28 | 2,48 | 16,67 | |
Um die präferierten MaaS-Angebote je Segment zusammenzustellen, wurde eine Sensitivitätsanalyse im Choice Simulator von Sawtooth Software durchgeführt. Hierbei wird jede Merkmalseigenschaft eines Merkmals einzeln geändert und die Änderung in relativer Präferenz je Merkmal verglichen, während alle anderen Merkmale als PAYG-Eigenschaften festgelegt werden (s. ausführlicher Orme 2010). Für jedes Merkmal wird die Merkmalseigenschaft mit der höchsten relativen Präferenz in das Bündel aufgenommen. Dies wurde für die drei Segmente sowie die Grundgesamtheit durchgeführt. Das resultierende beste MaaS-Angebot für die Gesamtheit und je Segment ist in Tab. 5 dargestellt. Jedes Segment präferiert andere MaaS-Angebote.
Tab. 5
Präferierte MaaS-Angebote je Segment und gesamt
Segment | Merkmalseigenschaft | ||||
|---|---|---|---|---|---|
ÖPNV | On-Demand E‑Shuttles | Car-Sharing | Bike-Sharing | E‑Scooter-Sharing | |
1 (N = 155) | Unbegrenzt in einer Stadt | PAYG1 | 9 h bzw. 300 km | 30 min Pedelec, beliebig oft | PAYG1 |
2 (N = 168) | Unbegrenzt im VRR-Gebiet2 | PAYG1 | PAYG1 | 30 min Pedelec, beliebig oft | PAYG1 |
3 (N = 180) | Unbegrenzt im VRR-Gebiet2 | PAYG1 | PAYG1 | PAYG1 | PAYG1 |
Gesamt (N = 503) | Unbegrenzt im VRR-Gebiet2 | PAYG1 | 9 h bzw. 300 km | 30 min Pedelec, beliebig oft | PAYG1 |
5 Diskussion und Zusammenfassung
Die Ergebnisse der Untersuchung sind wie folgt zu diskutieren. Die hohe Preissensibilität (Bedeutung von 50,37 %, s. Tab. 2) ähnelt den Ergebnissen früherer Studien (Kraus et al. 2023; Polydoropoulou et al. 2020; Caiati et al. 2020). Die Dominanz des ÖPNV unter den Mobilitätsdiensten (Bedeutung von 26,40 %, s. Tab. 2) bestätigt seine Rolle als Rückgrat des Verkehrssystems (Caiati et al. 2020; Ho et al. 2018; Kraus 2024; Hensher 2017).
Bei Betrachtung der Zahlungsbereitschaft zeigt sich, dass Nutzende bereit sind, auch für Fahrten zwischen Standorten von On-Demand E‑Shuttles, für 9 h bzw. 300 km Car-Sharing und für Pedelecs im Bike-Sharing ein monatliches Abonnement zu zahlen, wenn auch nicht unter Ausschöpfung der maximalen Zahlungsbereitschaft (s. Tab. 3). Lediglich für E‑Scooter besteht keine Zahlungsbereitschaft für die Integration. Diese Erkenntnis konnte dank der Integration dieses Merkmals, im Gegensatz zu vorherigen MaaS-Studien in Deutschland (Maas 2021; Orth et al. 2022; Schulz et al. 2021), in diesem Beitrag zuerst gewonnen werden. Dies deckt sich mit vorherigen internationalen Studien (Enoch und Potter 2023; Jang et al. 2021). Die gesamte Zahlungsbereitschaft für MaaS pro Monat von 207,80 € ist höher als in vorherigen Studien, die ca. 140 € (Liljamo et al. 2020) bis 180 € (Jang et al. 2021) ermittelten. Allerdings war auch das Medianeinkommen der Befragten relativ hoch. Ein Zusammenhang wurde statistisch nicht erfasst, konnte aber in anderen Untersuchungen festgestellt werden (Caiati et al. 2020). Mehr als die Hälfte der Zahlungsbereitschaft ist auf den ÖPNV zurückzuführen (s. Tab. 3). Jedoch ist kritisch zu diskutieren, dass mit der verwendeten Software auch für die PAYG-Optionen Zahlungsbereitschaft ermittelt wird, was in einem Marktangebot schwer umsetzbar ist. Eine differenzierte Betrachtung der Datenbasis durch die Segmentierung zeigt, dass sich die Präferenzen unter den Befragten unterscheiden. Zur Beantwortung der Forschungsfrage kann daher Tab. 5 herangezogen werden: ÖPNV, Bike- und Car-Sharing sollten je nach adressiertem Segment in unterschiedlichen Merkmalskonstellationen über die PAYG-Option hinaus (der ÖPNV für Segment 1 als Option in einer Stadt, für alle weiteren Befragten als tarifweites Angebot, das Bike-Sharing mit Pedelec-Option, Car-Sharing mit 9 h bzw. 300 km Kontingent) in einer MaaS-App angeboten werden. Eine Integration von Kontingenten für E‑Shuttles und E‑Scooter erhöht nicht die Nutzerakzeptanz. Diese Präferenz eines komprimierten Bündels widerspricht vorherigen Studien mit Befragten mit höherem Einkommen (Ho et al. 2021), deckt sich jedoch mit den allgemeinen Präferenzen von Verkehrsmitteln (Feneri et al. 2022). Um den größtmöglichen Nutzenwert über die Nutzenden zu generieren, sollte das Angebot in der MaaS-App personalisierbar sein und der Preis die Zahlungsbereitschaft je Merkmalseigenschaft nicht überschreiten. Diese Studie konnte durch ihren einzigartigen Einsatz der Benefit-Segmentierung entsprechend differenziertere Empfehlungen zur MaaS-Gestaltung aussprechen als vorherige Untersuchungen (Maas 2021; Orth et al. 2022; Schulz et al. 2021).
Die Präferenz für den ÖPNV eröffnet die Frage, ob der ÖPNV-Betreiber auch die MaaS-Plattform steuern soll. Bike- und Car-Sharing sollte zur Abdeckung der ersten und letzten Meile integriert werden (Becker et al. 2020). Daraus leitet sich die Frage ab, wie die Akteure im Mobilitäts-Ecosystem auf der Plattform zusammenarbeiten, um dieses Nutzenversprechen zu erfüllen. Beispielsweise sind dem möglichen Umsatz die Kosten für die Beförderung und die Plattform gegenüberzustellen. Eine Kooperation im Sinne einer Public-Private-Partnership ist ein mögliches Modell für Manager, um MaaS gewinnbringend anzubieten (Smith und Sørensen 2023).
Die Integration des ÖPNV, Car-Sharing und Bike-Sharing auf einer MaaS-Plattform bedarf eines modularen und interoperablen Aufbaus. Sowohl der ÖPNV als auch die privaten Anbieter müssen dafür ihre Schnittstellen öffnen und einheitliche Datenformate verwenden (Hensher et al. 2023). Pragmatismus bei der Steuerung des MaaS-Vorhabens ist dafür ein notwendiger Erfolgsfaktor. Für ÖPNV-Anbieter hat dies zur Einführung des Deutschlandtickets bereits funktioniert.
Diese Studie weist vier Limitationen auf. Anhand der Daten konnte nicht analysiert werden, warum sich Kunden für ein bestimmtes MaaS-Angebot entscheiden. Darüber hinaus kann smarte Mobilität über die Integration von Mobilitätsdiensten hinaus auch als Angebot komplementärer Services (bspw. Bonuspunkte für nachhaltiges Reisen im lokalen Einzelhandel, Tracking des CO2-Verbrauchs, KI-gestützte Vorschläge zur Routenoptimierung oder Prognose vorhandener stationsbasierter Verkehrsmittel) definiert werden, was nicht Gegenstand dieser Untersuchung war. Des Weiteren handelte es sich bei dieser Untersuchung um ein Experiment, da eine MaaS-App im Betrachtungsraum nicht existierte. Die Antworten reflektieren daher hypothetische Entscheidungen. Zuletzt wurde die Kundenseite smarter Services betrachtet, nicht aber die Angebotsseite.
Zukünftige Forschung sollte auch psychologische Faktoren des Wahlentscheidungsprozesses berücksichtigen. Um die Zahlungsbereitschaft zu erhöhen, ist eine Akzeptanzanalyse von Up- und Cross-Selling-Potenzialen, etwa Premiumfahrzeuge im Car-Sharing oder Bonuspunkte für die Wahl nachhaltiger Mobilität, notwendig. Außerdem könnte ein Reallabor zu smarter Mobilität mit anschließender Conjoint-Analyse die Ergebnisse dieser Studie validieren. Die Kooperationsbereitschaft zwischen Technologiedienstleistern und traditionellen Mobilitätsanbietern ist ein weiterer zukünftiger Forschungsgegenstand. Die Ergebnisse dieser Untersuchung bieten aufgrund der umfassenden Untersuchung von Mobilitätsdiensten und der großen Stichprobe einen solide Basis.
Funding
This research received funding from the BMUV NRW (grant number: 2020 18 111).
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