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2016 | Book

Gewalt und Mimikry

Vom frühen Trauma zum Amoklauf

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About this book

Andreas Prokop untersucht spektakuläre Fälle exzessiver Gewalt, deren Protagonisten eine narzisstische Bedürftigkeit und Kränkbarkeit aufweisen, die zuvor häufig hinter einer Fassade der Unscheinbarkeit und Angepasstheit verborgen geblieben war. Während die empirische Forschung hier an ihre Grenzen stößt, legt der Autor mithilfe der Adaption psychoanalytischer und phänomenologischer Perspektiven eine genealogische Linie bis hin zu frühesten Traumata frei, die insbesondere die sexuelle Entwicklung kontaminieren und die Persönlichkeit dauerhaft destabilisieren. Diese exemplarische Rekonstruktion ermöglicht zudem eine Korrektur kriminologischer Kontrolltheorien.

Table of Contents

Frontmatter
Chapter 1. Anpassung, Messung und Erfahrung
Zusammenfassung
An dieser Stelle sollte normalerweise ein methodologischer Rahmen dargestellt werden, mit dessen Hilfe das zu untersuchende Phänomen erklärt werden könnte. Wie nähert man sich aber einem Phänomen wie es die amokartige Gewalt darstellt? Während anderswo von Postempirismus die Rede ist (vgl. Whitebook 2006, S. 1021), scheint in der Kriminologie, wie bereits Fritz Sack (2003, S. 76) konstatierte, das empiristische Paradigma ungebrochen attraktiv. Muss aber eine strikte Methodik nicht zwangsläufig das Wesentliche verfehlen, indem sie den Schrecken in das Prokrustesbett des immer schon Bekannten einsperrt? Solche Versuche hat es gegeben; Mobbing, Computerspiele, psychische Störungen, die Verfügbarkeit von Waffen waren die schnell herbeizitierten Kandidaten einer Kausalerklärung.
Andreas Prokop
Chapter 2. Das Ungeheuerliche bleibt außen vor
Zusammenfassung
Peter Winckler, seines Zeichens psychiatrischer Gerichtsgutachter, ist in der Presse schlecht weggekommen. Der Psychiater hatte aus seiner Unsicherheit und Ratlosigkeit keinen Hehl gemacht und damit Erwartungen frustriert. Zur Begutachtung war ihm ein Fall aus Eislingen vorgelegt worden, der im Frühjahr 2009 über die Grenzen Baden-Württembergs hinaus für Aufsehen sorgte.
Andreas Prokop
Chapter 3. Selbstkontrolle, soziale Bindung und Stress
Zusammenfassung
Wie gezeigt, ist es nicht so einfach, eine Art typologische Klammer der exzessiven Gewaltausbrüche zu finden. Auffällig ist indessen die Wucht, die diese Taten entfalten, nachdem ihnen eine mehr oder weniger lange Zeit der Klausur, der Vorbereitung vorausgegangen war. Letzteres unterscheidet sie von spontanen Gewalttaten und es stellt sich die Frage, was es mit dieser Vorbereitungszeit auf sich hat.
Andreas Prokop
Chapter 4. Der Imperativ der Anpassung
Zusammenfassung
Voranstehend habe ich mich dafür ausgesprochen, die Frage der Selbstkontrolle und der Gewalt weder in den Konnex bürgerlicher Erziehungspraktiken noch in den desubjektivierender Hirnmythen zu stellen, sondern in den des Subjekts, des Ichs. Sozialforschung im Sinne der Sozial-Behavioral Sciences versteht sich als »angewandte Wissenschaft«, das heißt, als Problemlöseverfahren. Gesucht werden also technische Routinen zur Bewältigung sozialer Probleme.
Andreas Prokop
Chapter 5. Kultur und Narzissmus
Zusammenfassung
In der vornehmlich amerikanisch geprägten Kriminologie lässt sich die erziehungsgenerierte Spaltung von Denken und Verhalten (unter Ausblendung des Erlebens), also die vor allem kognitivistische, aber auch behavioristische Matrix ebenfalls erkennen, zumal wo es um die Frage der Devianzmotivation geht. Solche geläufigen Konzepte beschreibt etwa Robert Agnew, der sich auf Kriminalitätsphänomene insgesamt bezieht. Nach Agnew ist die Kriminologie von kognitivistischen Motivationstheorien beherrscht, die auf die moralische oder rationale Bewertung von kriminalisierten Handlungen (soziale Lerntheorien) sowie Handlungsfreiheit (Kontrolltheorien) abstellen (und damit der Management-Logik entgegenkommen) (Agnew 1995, S. 376 ff.).
Andreas Prokop
Chapter 6. Die Spur des Anderen im Selbst
Zusammenfassung
Da der (methodische) Empirismus auf der Subjekt-Objekt-Spaltung beruht, sie voraussetzt, sind ihm wie bereits vermerkt die Probleme, die mit der Konstitution von Subjekt und Objekt verbunden sind, notwendig verschlossen. Daher kann er nur einen quantitativen Unterschied zwischen Aggression und Gewalt ausmachen, während ein verstehender Zugang den Schluss auf einen qualitativen zulässt, nämlich im Hinblick auf die Differenzierung von Subjekt und Objekt – und das heißt, der Transformation des primären Narzissmus – in der individuellen Entwicklung.
Andreas Prokop
Chapter 7. Der traumatische Einbruch des Triebhaften
Zusammenfassung
Sehr frühe Traumen gerieten erst spät in den Fokus der Psychoanalyse, die sich bekanntlich zunächst mit dem sexuellen Trauma späterer Zeit befasste. Gerade die Sexualität ist bei den Amokläufern, soweit es darüber Zeugnisse gibt, der neuralgische Punkt. Auf diesbezügliche Selbstaussagen von Amokläufern bin ich in der Einleitung eingegangen.
Andreas Prokop
Chapter 8. Die Unfähigkeit (nicht) zu lieben
Zusammenfassung
Im Anschluss an das Vorstehende stellt sich nun die Frage, inwiefern die Aversion der christlich geprägten bürgerlichen Kultur gegen insbesondere weibliche Sexualität mit dieser Desintegration des Trieblebens in Verbindung zu bringen ist. Böhme und Böhme in ihrer Auseinandersetzung mit Kant erklären in diesem Sinne die hysterische Frau zur kulturellen Gefahr des bürgerlichen Mannes. Denn der unkontrollierbare Leib dieser Frauen verkörpere genau das, »was die vernünftigen, moralisch und leiblich zusammengenommenen Männer des Bürgertums fürchten: die Einbildungskraft und die Sympathie, die betroffen machen«.
Andreas Prokop
Chapter 9. Zusammenfassung
Zusammenfassung
Diese Verse stammen aus einem Hit-Song der britischen Band Genesis mit dem Titel Many too Many – Viel zu Viele. Viel zu viele bleiben in einer pathologschen Mutterbeziehung gefangen: »[…] you securely locked me up, then threw away the key«. Aber außerhalb dieser Hermetik verlieren sie den Boden unter den Füßen. Nur wenige sind es glücklicherweise, die tatsächlich solche bizzaren Taten begehen, wie sie hier im Fokus stehen.
Andreas Prokop
Backmatter
Metadata
Title
Gewalt und Mimikry
Author
Andreas Prokop
Copyright Year
2016
Electronic ISBN
978-3-658-13797-7
Print ISBN
978-3-658-13796-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-13797-7

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