Skip to main content
Top

2024 | Book

Handbuch Assistiertes und Automatisiertes Fahren

Grundlagen, Komponenten und Systeme für assistiertes und automatisiertes Fahren

Editors: Hermann Winner, Klaus C J Dietmayer, Lutz Eckstein, Meike Jipp, Markus Maurer, Christoph Stiller

Publisher: Springer Fachmedien Wiesbaden

Book Series : ATZ/MTZ-Fachbuch

insite
SEARCH

About this book

In diesem Grundlagenwerk werden Systeme, die Fahrzeugführung unterstützen oder ganz übernehmen in Aufbau und Funktion ausführlich erklärt. Darüber hinaus enthält es eine Übersicht der Rahmenbedingungen für die Entwicklung solcher Systeme sowie Erläuterungen der angewandten Entwicklungs- und Testwerkzeuge. Die Beschreibung umfasst die heute bekannten Assistenzsysteme einschließlich des Ausblicks auf deren zukünftigen Entwicklungen. Speziell wird den vielfältigen Aspekten der Automatisierung des Fahrens Rechnung getragen, denn mit der Übertragung der Fahraufgabe an eine Maschine leiten sich viele neue Herausforderungen ab.

Im Handbuch werden Funktionsprinzipien und Ausführungsformen die dazu erforderlichen Komponenten und Architekturen für die maschinelle Wahrnehmung, der Planung und der Aktorik erläutert. Der nutzergerechten Gestaltung der Mensch-Maschine-Schnittstellen von Assistenz- und Automatisierungssystemen wird ebenso Rechnung getragen wie die Diskussion zu den Herausforderungen für die Einführung des hochautomatisierten Fahrens ab Level 3. Besonderheiten von Systemen zum assistierten und automatisierten Fahrens bei Nutzfahrzeugen und Motorrädern runden den umfassenden Ansatz ab.

Table of Contents

Frontmatter

Grundlagen der Fahrerassistenzentwicklung

Frontmatter
1. Menschliche Leistung bei der Fahrzeugführung

In diesem Kapitel wird auf die menschliche Leistung bei der Fahrzeugführung eingegangen. Die menschliche Leistung zeigt sich im Verhalten des Fahrers/der Fahrerin und wird durch das Leistungsangebot des Menschen und den Anforderungen, die sich aus der Fahrzeugführungsaufgabe ergeben, bestimmt. Zunächst wird der Zusammenhang zwischen Fahrer*in, Fahrzeug und Umgebung in einem Systemmodell aufgezeigt und anhand dessen der menschliche Informationsverarbeitungsprozess erläutert. Die das Leistungsangebot des Menschen bei der Fahrzeugführung determinierenden Faktoren Alter, Persönlichkeitsmerkmale, Fahrerfahrung und Ermüdung werden aufgezeigt. Anschließend werden die Anforderungen an den Menschen bei der Fahrzeugführung dargestellt. Dazu werden die Teilaufgaben der Fahrzeugführung betrachtet und im Hinblick auf das menschliche Leistungsangebot bewertet.

Bettina Abendroth, Philip Joisten
2. Klassifizierung automatisierter Fahrfunktionen

Dieses Kapitel befasst sich mit der Klassifikation von automatisierten Fahrfunktionen mit Wirkung auf die Bahnführungsebene [5]. Diese werden im ersten Schritt hinsichtlich ihrer Wirkweise unterschieden [6]. Fahrfunktionen der Wirkweise A erzielen ihre Wirkung auf die Bahnführung, indem sie Fahrende warnen und informieren. Fahrfunktionen der Wirkweise B erzielen ihre Wirkung auf die Bahnführung, indem sie kontinuierlich und direkt die Fahrzeugsteuerung beeinflussen. Fahrfunktionen der Wirkweise C erzielen ihre Wirkung auf die Bahnführung, indem sie temporär in unfallgeneigten Situationen eingreifen. Innerhalb einer Wirkweise werden weitere Differenzierungen vorgenommen. Ein prominentes Beispiel hierfür stellt der SAE-Standard J3016 [3] dar, der die Fahrfunktionen der Wirkweise B detaillierter untergliedert. Für die Wirkweisen A und C findet sich in [6] eine detailliertere Unterteilung. Die von Experten und Expertinnen verwendete Klassifikation eignet sich nicht zur Kommunikation von Fahrzeugautomatisierung an Nutzer*innen. Über nutzergerechte Klassifikationskonzepte wird zum Abschluss dieses Kapitels ein Überblick gegeben [11, 12].

Elisabeth Shi, Tom Michael Gasser
3. Allgemeine rechtliche Rahmenbedingungen für assistierte, automatisierte und autonome Fahrfunktionen in Deutschland

Dieses Kapitel liefert einen Überblick über die nach deutschem Recht geltenden Rahmenbedingungen für das assistierte, automatisierte und das autonome Fahren. Der Aufbau orientiert sich an der Klassifizierung (vgl. ► Kap. 2 ). Damit lassen sich alle heute und zukünftig verfügbaren Systeme anhand abstrahierter Merkmale zuordnen. Diese Unterscheidung stimmt zugleich mit der Abgrenzung rechtlicher Rahmenbedingungen überein, sodass die vorliegenden rechtlichen Verständnisgrundlagen sich auch auf neue Systeme übertragen lassen. Vertieft behandelt werden insbesondere die für den Regelbetrieb von kontinuierlich wirkenden automatisierten und autonomen Fahrzeugen im Straßenverkehrsgesetz neu geschaffenen rechtlichen Regelungen. Berücksichtigt werden dabei jeweils die verhaltensrechtlichen Rahmenbedingungen für die Verwendung der Funktionen, der haftungsrechtliche Rahmen bei Unfällen sowie die Haftung der Hersteller für Produkt- und Produzentenhaftung.

Tom Michael Gasser
4. Rahmenbedingungen für Fahrerassistenz aus Typgenehmigung und Verbraucherschutz

Fahrerassistenzsysteme können Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit haben – erwünschte wie unerwünschte. Daher gibt es Rahmenbedingungen, die einerseits die möglichen Funktionen einschränken (wie zum Beispiel das Verbot von Spurhalteassistenzsystemen, die freihändige Fahrt ermöglichen), andererseits sogar weitgehend die Funktion vorgeben (Abbiegeassistenzsysteme, Notbremsassistenzsysteme).

Patrick Seiniger, Andre Seeck, André Wiggerich
5. Fahrerassistenzsysteme und automatisierte Fahrfunktionen – Unfallgeschehen und Sicherheitspotenziale

Für eine in die Zukunft gerichtete Aussage zur Wirkung von Fahrerassistenzsystemen (FAS) und automatisierten Fahrfunktionen (AF) auf die Verkehrssicherheit ist es unbedingt notwendig, das heutige Unfallgeschehen zu kennen und zu verstehen. Die dabei erkannten Unfallmuster sollten dann von den Systemen durch ihre spezielle Funktionalität adressiert werden.Hierzu stehen verschiedene Methoden zur Verfügung, wie beispielsweise Simulationen aber auch Unfallanalysen. Letztere können ein breites Spektrum abdecken, das von einer allgemeinen Erhebung der Daten bis hin zu „In-Depth“-Analysen reicht.Bei der Bewertung der Wirkung von Fahrerassistenzsystemen und automatisierten Fahrfunktionen mittels Unfallanalysen, die den Schwerpunkt dieses Beitrages darstellen, ist zu beachten, dass die zu erwartenden Sicherheitseffekte in Abhängigkeit von dem zu analysierenden Unfallkollektiv deutlich variieren können. Dies gilt beispielsweise dann, wenn unterschiedliche Arten der Verkehrsteilnahme (Pkw, Lkw, motorisierte Zweiräder) einzeln betrachtet werden. So ist aus In-Depth-Analysen bekannt, dass bereits diese einfache Unterscheidung spezielle Unfallmuster für die einzelnen Fahrzeugarten hervortreten lässt, die häufig mit den unterschiedlichen Einsatzbereichen der Fahrzeuge erklärbar sind.Die Diskussion und die Analysen bezüglich des assistierten bzw. des automatisierten Fahrens und deren Beitrag zur Verkehrssicherheit setzen ein klares Verständnis über die Eigenschaften und Fähigkeiten der Funktionen voraus. Ziel des vorliegenden Beitrages ist es daher unter anderem, auf die Notwendigkeit einer klaren Einteilung und Abgrenzung moderner Fahrerassistenz- und automatisierter Fahrfunktionen als Voraussetzung für die Analysen von Unfalldaten hinzuweisen. Basierend auf dieser Einteilung und methodischen Annahmen zeigen die Analysen deutlich, dass zum jetzigen Zeitpunkt der größte Sicherheitsgewinn von Fahrerassistenzsystemen zu erwarten ist. Der Mehrwert durch automatisierte Fahrfunktionen, insbesondere Level 3, in der heutigen Auslegung und mit noch einigen nicht quantifizierbaren Einflussgrößen ist dabei sehr begrenzt.

Matthias Kühn, Jenö Bende, Lars Hannawald
6. Sicherheit von assistierten und automatisierten Systemen

Fahrerassistenz- und automatisierte Systeme agieren und interagieren zunehmend in und mit der Umgebung. Um das Umfeld ausreichend erfassen zu können, werden abhängig vom Automatisierungsgrad immer komplexere Umfeldsensoren eingesetzt. Allerdings kann selbst mit einer Rundumsicht durch die Sensoren die Realität nicht vollständig abgebildet und erfasst werden. Zudem muss das Verhalten der Verkehrsteilnehmer prädiziert werden. Beides führt zu Unsicherheiten in dem Systemverhalten, was im Allgemeinen als funktionale Unzulänglichkeit bezeichnet wird. Diese Unsicherheiten können zu einem unerwünschten Systemverhalten führen. Gleiches gilt für Hardware- und Software-Fehler. Bei der Beurteilung, ob ein Produkt wirklich sicher ist, können Normen und andere technische Spezifikationen zugrunde gelegt werden. Maßgeblich sind dabei die Normen zur funktionalen Sicherheit ISO 26262 und zur Sicherheit der Sollfunktion ISO 21448, die in diesem Kapitel vorgestellt werden.

Ulf Wilhelm, Susanne Ebel

Virtuelle Entwicklungs- und Testumgebungen für Fahrerassistenzsysteme

Frontmatter
7. Virtuelle Integration

Während Fahrdynamikregelsysteme trotz aller Komplexität und Variantenvielfalt mit großem Aufwand noch im realen Fahrversuch abgesichert werden können, ist dies bei Fahrerassistenzsystemen mit Umfeldwahrnehmung bereits heute bedingt durch die Systemkomplexität, die Komplexität der Testfälle und durch den nötigen Testumfang nicht mehr möglich. Auch bei vermeintlich gleicher Durchführung ist die Wiederholbarkeit von Tests unter exakt gleichen Rahmenbedingungen aufgrund zahlreicher potenzieller und mitunter unbekannter oder nicht beachteter Einflüsse in der Praxis unmöglich. Damit ist die Reproduzierbarkeit von Ergebnissen nicht gegeben, weil zum einen funktionsrelevante Merkmale die nötige Interaktion mehrerer Verkehrsteilnehmer beinhalten können, zum anderen, weil sie einem komplexen Zusammenspiel von Rahmenbedingungen wie der Blendung durch eine tief stehende Sonne bei gleichzeitiger Reflexion auf nasser Fahrbahn unter einem bestimmten Winkel unterliegen können. Die Funktionen aktueller FAS greifen auf Umfeldinformationen zu, die mitunter von mehreren Sensoren unterschiedlicher Funktionsweisen gesammelt und in einer Umfeldrepräsentation verarbeitet wurden. Zur Erfüllung ihrer Funktionsziele bedienen sich diese Funktionen unterschiedlicher Aktoren und Bestandteile der Mensch-Maschine-Schnittstelle. Aus dieser architektonischen Verteilung von Assistenzfunktionen auf unterschiedliche Steuergeräte und Fahrzeugkomponenten resultiert eine starke Vernetzung, die beim Testen zu berücksichtigen ist und die den Aufwand nach oben treibt. Dieses Kapitel zeigt auf, welche Vorteile sich aus der virtuellen Integration ergeben, wie sie funktioniert und wo ihre Grenzen liegen.

Kochem Michael, Stephan Hakuli
8. Dynamische Fahrsimulatoren

Eine sorgfältige Erprobung der Interaktion von Assistenzsystemen oder automatisierten Fahrzeugen mit menschlichen Fahrern und Bedienern muss sicherstellen, dass die Bedienung und der Informationsaustausch zwischen dem Menschen und der Technik in beiden Richtungen flüssig und zuverlässig funktioniert. Insbesondere wenn sicherheitskritische Funktionen betroffen sind, aber auch zur Erhöhung der Effizienz solcher Untersuchungen, hat sich der Einsatz von Fahrsimulatoren bewährt. Zum Erreichen eines möglichst realitätsgetreuen Fahrgefühls geben dynamische Fahrsimulatoren dem Fahrer über Kräfte und Bewegungen haptische Rückmeldungen. Wichtige Komponenten solcher Simulatoren, die Grundlagen für eine korrekte Wahrnehmung durch den menschlichen Fahrer, aber auch die Grundzüge der Versuchsgestaltung mit dynamischen Fahrsimulatoren sowie die Voraussetzungen für eine valide Übertragung der Ergebnisse auf die Realität werden in diesem Kapitel diskutiert.

Hans-Peter Schöner, Jens Häcker, Katja Nagel

Testmethoden

Frontmatter
9. Testverfahren für Verbraucherschutz und Fahrzeugtypgenehmigung

Testverfahren dienen als Werkzeug, um zu prüfen, ob gewünschte Produkteigenschaften vorhanden sind, was selbstverständlich auch für die Entwicklung von Fahrerassistenzsystemen gilt. Es existieren entwicklungsbegleitende und freigebende Tests, die im Wesentlichen in Eigenregie vom Fahrzeug- oder Systemhersteller durchgeführt werden. Ferner gibt es Tests, die im Sinne einer unabhängigen Produktprüfung von externen, herstellerunabhängigen Testorganisationen vorgenommen werden – sei es für die Genehmigung von Fahrzeugtypen zur Zulassung zum Markt, im Rahmen der Anwendung der Norm zur funktionalen Sicherheit (durch technische Dienste) oder für die Kundeninformation (durch Testinstitute wie Euro NCAP). Weiterhin werden im Rahmen der Marktüberwachung auch Tests durch Behörden selbst durchgeführt.

Patrick Seiniger, Adrian Hellmann, Andre Seeck
10. Menschzentrierte Bewertungsverfahren von assistierten Fahrfunktionen

Die zunehmende Urbanisierung und individuelle Mobilität führen zu einer Zunahme von Mobilität insgesamt. Wachsende technologische Entwicklungen führen weitergehend zu einem Anstieg des Mischverkehrs durch Etablierung automatisierter Fahrzeuge. Voraussetzung für ein dennoch sicheres und akzeptiertes Verkehrsgeschehen ist das Verstehen aller beteiligten Agenten, der Mensch spielt dabei eine zentrale Rolle. Demnach ist es zielführend, den Menschen ins Zentrum einer damit menschzentrierten Entwicklung, Gestaltung und Bewertung von Automations- und Mobilitätssystemen zu stellen. Es wird ein Ansatz beschrieben, bei dem über die Modellierung von beobachtbarem, menschlichem Verhalten im Verkehr eine Grundlage für das Verstehen und die Bewertung des Verkehrsgeschehens geschaffen wird. Zudem wird die Weiterentwicklung klassischer Bewertungsmethoden und Werkzeuge aus dem Bereich der Verkehrspsychologie skizziert, um relevante Konstrukte wie Interaktion und Kommunikation empirisch abbilden zu können.

Caroline Schießl
11. Wizard-of-Oz-Fahrzeuge

Im Jahr 1900 veröffentlichte Lyman Frank Baum seine Erzählung mit dem Titel „The Wonderful Wizard of Oz“ [1], die nach mehr als 120 Jahren nicht nur als literarischer Klassiker weltbekannt ist, sondern auch als Namensgeber für die in diesem Kapitel vorgestellte Untersuchungsmethode fungiert. In der Erzählung täuscht die Figur „Der Zauberer von Oz“ mithilfe von Illusionen und Effekten seine vermeintlichen Zauberkünste gegenüber den Protagonisten vor, um diese sichtlich zu beeindrucken. Auf eine analoge Weise können auch Studienteilnehmende von einer hohen Leistungsfähigkeit technologischer Systeme überzeugt werden [2] – obwohl es sich dabei lediglich um eine (möglichst valide) Täuschung handelt, und die Systeme nur bedingt funktionsfähig sind. Immer dann, wenn menschliches Verhalten in der Interaktion mit (moderner) Technik analysiert werden möchte – jedoch die Technologie (noch) nicht die finale Reife für eine überzeugende Umsetzung erlangt hat – bietet das „Wizard-of-Oz“-Prinzip (siehe [3]) eine methodische Lösung an. Dabei führte Kelley [4] erstmals den Terminus „Wizard-of-Oz“ ein, nachdem diesem die Parallelen zur Erzählung offenbar wurden [5]. Teilweise lesen sich in der Forschungsliteratur Abkürzungen wie „Oz-Prinzip“ oder auch „Woz“, im Folgenden wird „WoOz“ verwendet. Die ersten Anwendungen der seinerzeit neuen psychologischen Untersuchungsmethode fanden zunächst außerhalb des Automotive-Bereichs statt: Bengler, Omozik und Müller [6] erklärten, dass Forschende seit den 1980er-Jahren beispielsweise „Wizard“-gestützte Illusionen von vermeintlichen Spracherkennungs- und Dialogsystemen einsetzen [7]. Entsprechend definierten Green und Wei-Haas [5] die Methode zunächst als „… an efficient way to examine user interaction with computers and facilitate rapid iterative development of dialog wording and logic.“ ([5], S. 470). Später konnten diese Prinzipien auch auf die Erforschung der Ergonomie von Spracherkennung und -ausgabe im Fahrzeug übertragen werden [8]. Damit wurde der Grundstein für WoOz-Anwendungen im Fahrzeug gelegt, mit denen Forschenden – insbesondere für interaktionsbezogene Fragestellungen bei zunehmender Fahrzeugautomatisierung – heutzutage ein mächtiges Werkzeug zur Verfügung steht: Konkret sind hier sog. „WoOz-Fahrzeuge“ zu nennen, deren methodische Grundlagen in den nachfolgenden Abschnitten entsprechend gewidmet werden sollen. WoOz-Fahrzeuge erlauben die Nachahmung einer Fahrt in einem automatisierten oder sogar autonomen Fahrzeug. Der „Wizard-Fahrer“ oder die „Wizard-Fahrerin“ übernimmt hierfür alle Aufgaben oder Teile der Aufgaben, die eine entsprechende Automatisierungsfunktion übernehmen würde, falls diese real im Fahrzeug vorhanden wäre. So können verschiedene SAE-Level für Studienteilnehmende erlebbar gemacht werden, ohne auf ein „echtes“ Fahrzeug mit der entsprechenden Technologie zurückgreifen zu müssen.

Alexander T. Frey, Meike Jipp
12. EVITA – Das Verfahren zur realistischen Darbietung auffahrkollisionskritischer Situationen im Fahrversuch
Systembeschreibung, Bewertungsmethodik für Antikollisionssysteme und Anwendungsbeispiele im realen

Das vorliegende Kapitel beschreibt die Entwicklung des Werkzeuges EVITA, ausgehend von der ursprünglichen Fragestellung: „Wie lassen sich Antikollisionssysteme für den Längsverkehr bewerten?“ Der Aufbau und die Funktion von EVITA werden beschrieben. Es erfolgt eine Einführung in die grundlegende Bewertungsmethodik für Antikollisionssysteme. Auf eine Ergebnisdarstellung wird jedoch unter Verweis auf die 3. Auflage des Buches verzichtet. Durch die Fähigkeit, auffahrkollisionskritische Situationen im Fahrversuch ohne Gefährdung der Studienteilnehmenden bieten zu können, wird EVITA in zahlreichen Studien mit unterschiedlichsten Fragestellungen eingesetzt. Beispielhaft wird eine Übersicht über die aktuellen und künftigen Einsatzbereiche von EVITA gegeben.

Norbert Fecher, Jens Hoffmann, Hermann Winner
13. Testen mit koordinierten automatisierten Fahrzeugen

Zur Erprobung und Absicherung von Assistenzsystemen und autonomen Fahrzeugen müssen auf dem Prüfgelände präzise einstellbare Verkehrssituationen realisiert werden: Die zu untersuchenden Fahrzeuge müssen in Bezug auf feste Objekte (z. B. Fahrbahnmarkierungen) aber auch gegenüber anderen bewegten Verkehrsteilnehmenden (z. B. Fahrzeuge, Fußgehende) in reproduzierbare Situationen mit vorgegebenen Bewegungsabläufen gebracht werden. Zudem sind in der Entwicklungsphase von kollisionsvermeidenden Systemen knappe Vorbeifahrten und gefährliche Kollisionsszenarien Teil des Erprobungsprogramms, die ein Sicherheitsrisiko für die testenden Personen darstellen würden. Zur Erfüllung der hohen Anforderungen sowohl für das Versuchsfahrzeug als auch für die als Target bezeichneten Verkehrspartner wurde ein System zur koordinierten automatisierten Versuchsdurchführung entwickelt, das in diesem Kapitel beschrieben wird.

Hans-Peter Schöner, Pim van der Jagt, Sebastian Werr

Sensoren für Fahrerassistenzsysteme

Frontmatter
14. Ultraschallsensorik

Ultraschalltechnologie wird für viele unterschiedliche Einsatzgebiete verwendet und speziell auf diesem physikalischen Prinzip basierende Sensoren werden in sehr vielen messtechnischen Anwendungsbereichen eingesetzt. Man findet die Technologie sowohl in der Industrie, in der Medizin, der Messtechnik, der Materialbearbeitung und weiteren bis hin zur Kosmetik. Eine gute Übersicht hierzu findet sich z. B. in [1–3]. Fledermäuse verwenden Ultraschall als perfektes Ortungssystem, und speziell hier sieht man das noch nicht voll ausgeschöpfte Potenzial dieser Technologie. Allgemein wird Ultraschall als eine sehr robuste und vergleichsweise günstige Technologie angesehen, die als einfaches Abstandsmessgerät in den verschiedensten Medien eingesetzt werden kann.

Heinrich Gotzig
15. Radarsensorik

Radarsensoren finden sich mittlerweile in einer Vielzahl von Fahrzeugen. Die heute in Kraftfahrzeugen eingesetzten Radarprinzipien haben eine eigene, sich von anderen Einsatzdomänen unterscheidende Charakteristik. Deshalb werden neben den physikalischen Grundlagen zur Radartechnik auch die technologischen Aspekte der Kfz-Radarsensoren beschrieben. Daraus ergibt sich das Verständnis über das Potenzial und die Grenzen dieser sehr leistungsfähigen Technik. Mehrere Beispiele erläutern Radarsensoren, die sich aktuell auf dem Markt befinden und die, getrieben durch gestiegene Anforderungen von Fahrerassistenzsystemen und dem automatisierten Fahren, die Entwicklungstrends der letzten Jahre hin zu höherer Leistungsfähigkeit erkennen lassen.

Hermann Winner, Christian Waldschmidt
16. LiDAR

Das Akronym LiDAR steht für „Light Detection and Ranging“. Es umschreibt alle optischen Messmittel, die auf Entfernung mit elektromagnetischen Wellen einer Lichtquelle des ultravioletten, sichtbaren oder infraroten Spektrums Eigenschaften von Objekten durch Reflektion und Streuungen messen [1]. Im weiteren Sinne sind so direkte Messungen von Reflexions- und Streuungseigenschaften, Abständen, Geschwindigkeiten, Oberflächen- und Materialbeschaffenheiten möglich. Im Automobil werden typischerweise die Abstandsmessungen genutzt, um eine dreidimensionale Punktwolke der Umgebung aufzunehmen. Indirekt kann man jedem Abstandsmesspunkt auch eine Signalstärke zuordnen werden, welche es ermöglicht, über eine Menge an Punkten Objekterkennungen durchzuführen und somit Teile der 3D-Karte in Klassen wie Fahrbahn, Autos, Personen, Bäume oder Ähnliches aufzugliedern.

Thorsten Beuth, Christoph Parl, Heinrich Gotzig
17. Kamerasensorik

Kameras bilden die Basis moderner Fahrerassistenzsysteme. Sie werden für verschiedene Funktionen innerhalb als auch außerhalb des Fahrzeugs verwendet. Die Basis eines jeden Kamerasystems ist das Kameramodul mit seinen Hauptteilen – dem Linsensystem und dem Bildsensor. Die zugrunde liegenden Technologien werden beschrieben und die Entstehung des Kamerabildes wird besprochen. Auf der Systemebene werden grundlegende Kameraarchitekturen analysiert. Abgerundet wird das Kapitel mit einer Erörterung der Kalibrierung von Kamerasystemen.

Martin Punke, Boris Werthessen, Peter Geisler, Christian Mindescu, Andreas Wagner
18. Maschinelles Sehen

Höhere Lebewesen nutzen maßgeblich visuelle Information zur sicheren Bewegung durch den Raum. Dabei ist die scheinbare Leichtigkeit, mit der diese Information sicher ausgewertet und in sensomotorische Aktionen überführt wird, für manchen auf dem Gebiet der Bildauswertung arbeitenden Wissenschaftler verblüffend. In der Fahrzeugautomatisierung besitzt maschinelles Sehen aufgrund der in Bildfolgen enthaltenen Informationsfülle bereits heute eine dominante Rolle, die durch die zunehmende Verfügbarkeit hochauflösender Sensoren und leistungsfähiger Steuergeräte zur Bildauswertung stetig wächst. Nicht zuletzt der faszinierende Forschritt im Bereich künstlicher Intelligenz hat im vergangenen Jahrzehnt einen Technologiesprung in der Bildauswertung bewirkt [63]. Das Kapitel betrachtet die Bildentstehung und stellt eine mathematische Formulierung hierfür auf. Anschließend werden typische Operationen der Bildverarbeitung vorgestellt. Die Rekonstruktion der 3d Szenengeometrie einschließlich zeitlicher Verfolgungsfilter werden diskutiert. Abschließend werden mit der panoptischen Segmentierung und dem Einsatz in automatischen People Movern zwei Anwendungsbeispiele des maschinellen Sehens vorgestellt.

Christoph Stiller, Alexander Bachmann, Ole Salscheider
19. Stereosehen

Die Gliederung des vorliegenden Kapitels orientiert sich an der Verarbeitungskette von in der Praxis erfolgreich eingesetzten Verfahren der stereoskopischen Szenenanalyse. Zunächst werden die signaltheoretisch motivierten lokalen Ansätze der Disparitätsschätzung neueren global optimierenden Ansätzen und lernenden Verfahren gegenübergestellt. Im weiteren Verlauf des Kapitels werden die so gewonnenen Disparitätsinformationen zur Objektgenerierung genutzt. Im Gegensatz zu monokularen, also einäugigen Ansätzen erlaubt das Sehen mit zwei Augen eine vollständige dreidimensionale Erfassung der Umgebung anhand eines einzelnen Bildpaares, unabhängig vom Bewegungszustand des Beobachters und auch in Szenen, in denen sich andere Verkehrsteilnehmer bewegen. Dies ermöglicht sehr anspruchsvolle Fahrerassistenzsysteme mit hohem Automatisierungslevel.

Uwe Franke, Stefan Gehrig

Datenfusion und Umweltrepräsentation

Frontmatter
20. Repräsentation fusionierter Umfelddaten

Unter einer Fahrzeugumgebungsrepräsentation, häufig auch einfach als Fahrzeugumgebungsmodell bezeichnet, versteht man eine dynamische Datenstruktur, in der alle relevanten Objekte, Infrastrukturelemente und Kontextinformationen in der Nähe des eigenen Fahrzeuges möglichst korrekt in Ort und Zeit in einem gemeinsamen Bezugssystem repräsentiert sind. Deren Erfassung und zeitliche Aktualisierung erfolgt hierbei fortlaufend unter Verwendung und Auswertung von bordeigener Sensorik wie Kameras, Lidaren und Radaren (► Kap. 15 , 16 und 17 ), aber auch durch statische Informationen hochgenauer, attribuierter digitaler Karten (► Kap. 22 ). Hinzu kommen in absehbarer Zeit externe Informationen über Car2x-Kommunikation, beispielsweise der Zustand von Lichtsignalanlagen als weiterer unabhängiger Informationskanal. ◘ Abb. 20.1 zeigt eine häufig verwendete Verarbeitungskette für automatisiertes und teilautomatisiertes Fahren. Die Fahrumgebungsrepräsentation ist das Ergebnis der Perzeptionsschicht.

Klaus Dietmayer, Fabian Gies, Dominik Nuss, Stephan Reuter, Marcel Schreiber
21. SLAM und kartenbasierte Lokalisierung

Dieses Kapitel gibt sowohl einen Einblick in die kartenbasierte Lokalisierung als auch in die Erstellung von Lokalisierungskarten. Nahezu alle zugrunde liegenden Konzepte und Methoden zur Erstellung einer Lokalisierungskarte als auch zur kartenbasierten Lokalisierung entspringen aus dem Forschungsfeld „Simultaneous Localization and Mapping (SLAM)“ [4–7]. In diesem Kapitel werden die die Grundlagen von SLAM aufgezeigt und beschrieben. Darauf basierend werden die wichtigsten Konzepte und Begriffe der kartenbasierten Lokalisierung detalliert beschrieben sowie exemplarisch unterschiedliche Kartierungs- und Lokalisierungsmethoden vorgestellt.

Marc Sons, Mario Theers, Isabell Hofstetter

Digitale Infrastruktur

Frontmatter
22. Digitale Karten im Navigation Data Standard Format

In diesem Kapitel werden die Ziele, die Merkmale, die Struktur mit den Bestandteilen und dem Aufbau von digitalen Karten im Navigation Data Standard Format (NDS) beschrieben. Des Weiteren wird auf dessen Partitionierung, auf die Generalisierung von Kartendaten und auf Werkzeuge der NDS e.V. eingegangen. An einem Beispiel wird das Lernen von Kartendaten veranschaulicht und ein Ausblick auf die Zukunft des Standards NDS gegeben.

Katharina Jülge, Ralph Behrens, Roland Homeier
23. Vehicle-2-X

Die Vernetzung zwischen Fahrzeugen sowie zwischen Fahrzeugen und der Verkehrsinfrastruktur ist die technologische Basis für „kooperative intelligente Verkehrssysteme“. Die Fähigkeit eines Fahrzeuges, mit seiner Umgebung (anderen Fahrzeugen, der Straßenverkehrsinfrastruktur oder Verkehrsleitzentralen) zu kommunizieren – gemeinhin als Vehicle-to-X- (V2X) Kommunikation bezeichnet – ermöglicht eine Vielzahl neuer oder verbesserter Funktionen, die zu mehr Verkehrssicherheit, verbesserter Verkehrseffizienz und mehr persönlichem Komfort für die Fahrerin oder den Fahrer führen. Die aktuellen Entwicklungen zielen insbesondere auf die Unterstützung des automatisierten Fahrens in Form von kooperativer automatisierter Fahrmanöverkoordination ab. In diesem Kapitel wird nach einer kurzen Einführung zunächst auf die für V2X-Systeme erforderlichen Standardisierungsaktivitäten eingegangen. Anschließend werden unterschiedliche, für eine stufenweise Einführung konzipierte Klassen von Anwendungsfällen mit exemplarischen Beispielen betrachtet. Als Nächstes wird das zugrunde liegende Systemkonzept mit seinen verschiedenen Subsystemen, deren Funktionalität sowie das Zusammenspiel miteinander erläutert. Wesentliche Grundlage für V2X-Systeme ist die Konnektivität der Fahrzeuge. Zentraler Bestandteil ist daher die Beschreibung der Datenübertragungstechnologien. Nach einer Übersicht über die V2X-Kommunikationstechnologien wird auf die technischen Herausforderungen eingegangen, gefolgt von der Betrachtung des Funkkanals und der Frequenzzuordnung sowie der Beschreibung der für den Informationsaustausch benötigten Datenformate. Anschließend werden die wichtigen Fragen der Datensicherheit und des Datenschutzes angesprochen, wobei die Schutzziele und -herausforderungen erläutert werden, gefolgt von der Beschreibung aktueller Lösungen und ihrer Mechanismen. Abschließend wird auf den aktuellen Stand der Markteinführung eingegangen und ein kurzer Ausblick auf die weitere Entwicklung gegeben.

Frank Hofmann, Hendrik Fuchs, Ignacio Llatser Marti, Christian Zimmermann, Kurt Eckert

Aktoren für Fahrerassistenzsysteme

Frontmatter
24. Lenksysteme für Fahrzeuge mit Querführungsassistenzsystemen oder automatisierten Fahrfunktionen

Dieses Kapitel führt zunächst in verschiedene existierende Ausführungen von Lenksystemen ein und stellt im Folgenden den Beitrag moderner Lenksysteme (Funktionalitäten) für Fahrerassistenzsysteme und automatisiertes Fahren dar. Dabei werden auch die möglichen Zusatzfunktionalitäten bei Einsatz einer Hinterachslenkung behandelt. Es werden sowohl die notwendigen robusten Entwicklungsmethoden des System-Engineerings angesprochen, um zur Gewährung der Sicherheit lückenloses Anforderungsmanagement zu realisieren, als auch die technische Ausführung des Produktes zur Absicherung der Robustheit diskutiert. Die besondere Rolle künftiger Steer-by-Wire-Lenksysteme wird in einem Ausblick dargestellt.

Thilo Bitzer, Heinz-Dieter Heitzer, Christoph Elbers, Michael Scholand
25. Elektronische Bremssysteme

Elektronische Pkw-Bremssysteme erfahren aktuell einen Technologiewandel, der in diesem Kapitel dargestellt wird. Zunächst wird auf die Funktionen des Bremssystems eingegangen. Danach wird die Technik des konventionellen Bremssystems mit Vakuumbremskraftverstärker, des Elektro-Booster-basierten Bremssystems und der elektrohydraulischen sowie der elektromechanischen By-Wire-Bremssysteme vorgestellt. Ein Unterkapitel beschreibt die in elektrisch angetriebenen Fahrzeugen mögliche Abbremsung von Fahrzeugen mittels eines elektrischen Antriebsstrangs, womit dem Haupttrend der Elektrifizierung des Antriebs Rechnung getragen wird. Noch größeren Einfluss auf die weitere Entwicklung des Bremssystems nimmt der Trend zum automatisierten Fahren (automated driving, AD). Die Anforderungen an die Verfügbarkeit des Bremssystems steigen mit dem Automatisierungsgrad der Fahrzeugführung. Um diese neuen Anforderungen zu erfüllen, werden technische Redundanzen in das Bremssystem integriert. Daraus leiten sich unterschiedliche Konzepte für zukünftige Bremssysteme ab.

Paul Linhoff, Stefan Drumm, Thorsten Ullrich, Bernhard Schmid

Mensch-Maschine-Schnittstellen für Fahrerassistenzsysteme

Frontmatter
26. Nutzergerechte Gestaltung der Mensch-Maschine-Interaktion von Fahrerassistenzsystemen

Sowohl im Bereich der Fahrerinformationssysteme als auch der Fahrerassistenzsysteme nehmen die Zahl und Komplexität von Funktionen kontinuierlich zu [1]. Dies gilt besonders für Systeme, die den Nutzer in herausfordernden Fahrsituationen, wie z. B. bei einem Fahrstreifenwechsel, unterstützen sollen, also primär auf eine Steigerung der Sicherheit abzielen. Bei Funktionen, an die der Fahrer oder die Fahrerin die Fahraufgabe zunehmend delegieren kann, besteht eine wesentliche Herausforderung darin, dem Menschen die Fähigkeiten und Systemgrenzen zu vergegenwärtigen, sodass dieser eine klare Vorstellung der Rollenverteilung hat. Hinzu kommt, dass in der Regel in einem Fahrzeug eine Vielzahl von situativ unterstützenden Systemen und zusätzlich mehrere sog. Komfortfunktionen angeboten werden, an welche die Fahrerin oder der Fahrer je nach Funktionsbereich (engl. Operational Design Domain ODD) einen mehr oder weniger großen Teil der Fahraufgabe delegieren kann. Deshalb spielt über die Lenkung der Aufmerksamkeit hinaus auch die sogenannte Mode Awareness eine Rolle, womit das Bewusstsein der Rollen- und Aufgabenverteilung zwischen Fahrer*in und Fahrzeug gemeint ist.

Klaus Bengler, Lutz Eckstein
27. Bedienelemente für Fahrerassistenzsysteme

Dieses Kapitel beschreibt, wie Bedienelemente für Fahrerassistenzsysteme ergonomisch gestaltet werden. Da Fahrerassistenzsysteme sicherheitsrelevante Fahrzeugfunktionen sind, ist eine ablenkungsfreie und intuitive Bedienbarkeit von höchster Bedeutung. Im ersten Schritt werden die Eigenschaften von Fahrerassistenzsystemen beschrieben, die bei der Gestaltung der Bedienelemente berücksichtigt werden müssen. Anschließend werden Hinweise für die Auswahl der Bedienteile, die räumliche Anordnung im Fahrzeuginnenraum sowie für die Gestaltung der Haptik und der Bedienrichtungen gegeben. Im letzten Schritt werden gängige sowie zukunftsgerichtete Lösungen für die Bedienungen von Fahrerassistenzsystemen dargestellt und bezüglich ihrer Vor- und Nachteile beschrieben.

Matthias Pfromm, Klaus Bengler
28. Insassenzustandserkennung

Dieses Kapitel beschreibt praxisnah die technologischen Prozesse der Modellierung von Nutzerzuständen, stellt relevante Sensorsysteme zusammen und gibt einen Überblick über aktuell in der Entwicklung befindliche oder bereits in den Markt eingeführte Funktionen und Anwendungen. Da im Zusammenhang mit automatisiertem Fahren auch das Wohlergehen der Fahrzeugpassagiere in den Fokus rückt – hier ist insbesondere das Problem der Reisekrankheit (motion sickness) zu erwähnen (siehe z. B. [3]) – wird in diesem Kapitel auch der Begriff Insassenzustandserkennung verwendet, der die Beobachtung und Analyse von Zuständen des Nutzers bzw. Fahrers sowie anderer Personen in der Fahrzeugkabine einschließt. Das Kapitel beschäftigt sich außerdem mit der Problematik irrtümlich im Fahrzeug zurückgelassener Kleinkinder und deren gesundheitliche Gefährdung (sog. Hitzetod-Problematik).

Stephan Cieler, Fabian Faller, Moritz Groh, Manfred Wilck
29. Menschliches Verhalten als Grundlage für die Situations- und Risikobewertung

In Forschung und Wissenschaft begegnen wir zunehmenden Herausforderungen individueller Mobilität, wachsenden neuen Mobilitätsangeboten (z. B. Elektrokleinstfahrzeuge wie Elektroroller, Lastenräder) und damit einhergehend der Zunahme an Verkehrsgeschehen. Seit einigen Jahren steht dabei immer mehr die Betrachtung des Verkehrsgeschehens im urbanen Raum im Fokus. Dabei werden insbesondere Fragen zur verkehrlichen Sicherheit einerseits sowie einer möglichst hohen Effizienz des Verkehrsgeschehens andererseits adressiert, welche stets miteinander in Einklang zu bringen sind. Das Zusammenspiel ingenieurstechnischer und verkehrspsychologischer Methoden ermöglicht die Erfassung und Analyse menschlichen Verhaltens und damit die Gewinnung eines tiefgreifenden Verständnisses über resultierende verkehrliche Abläufe und Prozesse unter Einbeziehung aller beteiligten Verkehrsteilnehmenden und der maßgeblichen Rahmenbedingungen. Die objektive messtechnische Erhebung von Verhalten schafft eine Basis für deren Nutzung im Rahmen einer maschinell und automatisiert ausgeführten Situations- und Risikobewertung unter Nutzung quantitativer Zusammenhänge. Diese Informationen lassen sich für eine Vielzahl von Anwendungen nutzen, wie z.B. der optimierten Auslegung von Straßenraum oder Regelwerken. Insbesondere ermöglichen sie aber auch die Ausgestaltung von technischen Systemen mit dem Ziel einer adäquaten Unterstützung der Verkehrsteilnehmenden bis hin zu integrierten übergreifenden Ansätzen im Feld des automatisierten und vernetzten Fahrens.

Sascha Knake-Langhorst, Mandy Dotzauer, Kay Gimm, Marek Junghans, Hagen Saul, Caroline Schießl, Meng Zhang

Fahrerassistenzsysteme auf Bahnführungs- und Navigationsebene

Frontmatter
30. Sichtverbesserungssysteme und Signaleinrichtungen

Das folgende Kapitel befasst sich mit Lichtsystemen im Fahrzeug, die dazu entwickelt und eingeführt wurden, um Fahrenden eine bessere Sicht und Orientierung bei Nachtfahrten zu ermöglichen. Zu Beginn werden zunächst Grundlagen zu lichttechnischen Größen, Wahrnehmung sowie Blendung dargestellt. Anschließend werden zunächst die aktuell verfügbaren Lichtquellen in der Reihenfolge der Entwicklungshistorie dargestellt. Von diesen ausgehend werden die aktuell vorhandenen Licht-Assistenzsysteme technisch beschrieben und die Vorteile dieser Systeme anhand von Beispielen dargelegt. Abgeschlossen wird dieser Teil durch noch offene Fragestellungen und aktuelle Probleme der automobilen Lichttechnik. Im letzten Abschnitt werden mögliche neuartige Lichtsignalsysteme für hochautomatisierten Fahrzeuge thematisiert. Diese werden hinsichtlich ihrer technologischen Umsetzung klassifiziert und in Bezug zu vorhandenen Signalsystemen gesetzt. Im Ausblick wird die zukünftige Rolle der Lichttechnik im Kraftfahrzeug diskutiert.

Tran Quoc Khanh, Jonas Kobbert, Timo Singer
31. Niedergeschwindigkeitsassistenz

Das Manövrieren im niedrigen Geschwindigkeitsbereich bis ca. 15 km/h (Ein- und Ausparken, Rangieren, Wenden etc.) stellt häufig eine Herausforderung für die Fahrenden dar, insbesondere das Rückwärtsfahren. Zudem fällt die Dauer dieser Fahraufgabe im Vergleich zur gesamten Fahrzeit gering aus und deshalb fehlt den Fahrenden oft die notwendige Übung. Dieses Kapitel klassifiziert zunächst die verfügbaren Assistenz- und Automatisierungssysteme nach der Art der Assistenz und dem jeweiligen Anwendungsbiet, die die Fahrenden im Niedergeschwindigkeitsbereich unterstützen können. Anschließend werden die verfügbaren Systeme vorgestellt und beschrieben. Es wird auf die besonderen Aspekte der Umfelderfassung, Planung und Regelung im Niedergeschwindigkeitsbereich eingegangen, und beispielhafte Ansätze sowie deren Implementierung werden vorgestellt. Im Anschluss wird ein Ausblick gegeben und auf Systeme eingegangen, die sich zurzeit noch in der Forschung und Entwicklung befinden.

Ahmed Benmimoun, Sebastian Klaudt
32. Längsregelung

Die Längsregelung übernimmt als eigenständiges System die adaptive Fahrgeschwindigkeitsregelung (Adaptive Cruise Control, ACC). Sie umfasst mehrere Module: für Bedienung und Anzeige, für die Auswahl des Zielfahrzeuges zum Folgen und unterlagerte Regler, die die beabsichtigte Fahrzeugbeschleunigung über Antrieb und Bremse realisieren. Neben der Funktion werden die Anforderungen an die einzelnen Module beschrieben sowie das Sicherheitskonzept dargelegt.

Hermann Winner, Jens Desens
33. Querführungsassistenz

Die Querführung eines Fahrzeuges ist eine der primären Aufgaben von Fahrerinnen und Fahrern auf der Bahnführungs- und Stabilisierungsebene, der sie kontinuierlich während der Fahrt nachkommen müssen. Das Ziel ist dabei, das Fahrzeug sicher im Fahrstreifen zu halten. Assistenzsysteme zur kontinuierlichen Unterstützung der Querführung bieten insbesondere auf längeren Fahrten einen Komfortgewinn für die Fahrenden, wenn sie als – umgangssprachlich bezeichnet – „Spurhalteassistent“ (lane-keeping-assistance/LKA) mit aktivem Eingriff in die Fahrzeugquerführung ausgelegt sind. „Spurverlassenswarnsysteme“ (Lane-Departure-Warnung/LDW) sollen die Fahrenden rechtzeitig vor einem ungewollten Verlassen des Fahrstreifens warnen oder dieses durch einen aktiven Eingriff in die Querführung verhindern und adressieren daher den Sicherheitsgewinn.

Dirk Wisselmann, Arne Bartels, Felix Fahrenkrog, Gregor Nitz
34. Integrierte Quer- und Längsregelung

Fahrerassistenzfunktionen mit simultaner Längs- und Querführung stellen unter anderem aufgrund ihrer sehr unterschiedlichen Betriebsbereiche hinsichtlich der Fahrzeuggeschwindigkeit, der Kraftschlussausnutzung in Längs-und Querrichtung sowie des Autonomiegrades eine große Herausforderung dar. Ausgehend von konkreten Anforderungen an solche Funktionen wird ein erfolgreich industrialisierter regelungstechnischer Ansatz im Detail vorgestellt, der diese Betriebsbereiche und sämtliche Übergänge zwischen ihnen, also auch das Aktivieren und Deaktivieren von Funktionen, in ihrer Gesamtheit abdeckt.Grundgedanke des Ansatzes ist, die Fahraufgabe in die drei Ebenen Navigation, Bahnführung und Fahrzeugführung zu unterteilen und daraus die Reglerarchitektur zu entwickeln. Es kommen robuste Störgrößenbeobachter zum Einsatz, die erlauben, einerseits äußere Störungen wie Wind und Fahrbahnneigung stationär vollständig zu unterdrücken und andererseits für Fahrereingriffe bei Bedarf durchlässig zu sein.Das Kapitel schließt mit Beispielen zu Fahrerassistenzfunktionen, die mit diesem Ansatz serienreif dargestellt wurden.

Christian Rathgeber, Dirk Odenthal, Norbert Nitzsche
35. Motorrad-Fahrassistenzsysteme

Motorradfahren stellt aufgrund der fahrdynamischen Besonderheiten von Einspurfahrzeugen sowie der im Vergleich zur Systemmasse hohen Fahrleistung einen besonderen Reiz für viele Straßenverkehrsteilnehmer dar. Assistenzsysteme, deren Anwendung im Motorradsektor stetig zunimmt, sind aufgrund dieser fahrdynamischen Besonderheiten und Fahrleistungen jedoch großen Herausforderungen gegenübergestellt. Das nachfolgende Kapitel befasst sich damit, wie moderne Motorrad-Fahrassistenzsysteme mit der Systeminstabilität, dem Fahren in Schräglage, abhebenden Rädern und starkem Aufsasseneinfluss umgehen können. Dabei werden Stabilisierungsassistenzsysteme ebenso behandelt wie moderne Systeme mit Umfelderfassung.

Raphael Pleß, Andreas Georgi, Jonas Lichtenthäler, Gerald Matschl, Sebastian Will
36. Fahrerassistenzsysteme im Nutzfahrzeug

Fahrerassistenzsysteme für Nutzfahrzeuge sind aus der Transportlogistik nicht mehr wegzudenken. Aufgrund der stetig steigenden globalen Transportleistung parallel zur Erhöhung der Verkehrsdichte und den „Verkehrssondersituationen“, wie bspw. Staus und Baustellen, sind sie Garant für die Erhöhung der Verkehrssicherheit wie auch der Wirtschaftlichkeit der Transportaufgabe. In diesem Kapitel wird dabei auf die Entwicklung von Assistenzsystemen eingegangen. Von der Motivation an sich über die wichtigsten Entwicklungsschritte vom Beginn an bis zur Gegenwart. Dabei werden auch die Unterschiede zu den Systemen im Pkw dargestellt sowie der Einfluss der globalen Gesetzgebung erörtert. Der Schwerpunkt liegt auf der Erläuterung der einzelnen Systeme und der Anwendung geeigneter Test- und Validierungsverfahren in der Entwicklungsphase. Der Ausblick über die zukünftigen Technologien, die sich für Fahrerassistenzsysteme in Entwicklung befinden, und deren mögliche neue Funktionen bildet damit auch den Übergang zum Abschnitt „Zukünftige Entwicklungen“ des fahrerlosen Fahrens.

Christian Ballarin, Felix Manuel Reisgys, Ingo Scherhaufer, Christoph Tresp
37. Unterstützung von Fahrfunktionen durch die digitale Karte

Der erste Abschnitt gibt einen Überblick über die verschiedenen Rollen der digitalen Karte. Im weiteren Verlauf des Kapitels werdem die einzelnen kartenbasierten Funktionen und die dafür notwendigen Karteninformationen weiter ausgeführt.

Roland Homeier, Roland Jentsch, Katharina Jülge, Benjamin Lippelt, Werner Pöchmüller

Automatisiertes Fahren

Frontmatter
38. Human Factors: Level 3+

Der Logik der SAEJ3016 [1] folgend wird mit zunehmendem technischen Fortschritt das Automationslevel 3 erreicht werden. Die Aufgabe der Fahrzeugführung geht auf diesem Level auf das Fahrzeug über, und der Nutzer kann sich von der Fahrszene abwenden. Allerdings wird vorausgesetzt, dass der Nutzer wahrnehmungsbereit bleibt, um aufgefordert durch das Fahrzeug die Fahraufgabe übernehmen zu können. Sollte die Übernahme nicht eintreten, dann wird das Fahrzeug in einen risikoreduzierten Zustand überführt. Dieser sehr hohe Automationsgrad kann unter bestimmten Bedingungen sehr schnell erreicht werden, wenn der entsprechende Einsatzbereich (engl.: Operational Design Domain, ODD) entsprechend festgelegt wird. So ist es durchaus denkbar, dass eine Stauassistenzfunktion mit sehr hoher technischer Zuverlässigkeit im niedrigen Geschwindigkeitsbereich über einen längeren Zeitraum funktionieren kann.

Klaus Bengler, Johanna Josten, Claus Marberger
39. Architektursichten für Fahrzeugautomatisierungssysteme

Der Entwurf und die Entwicklung von automatisierten Fahrzeugen sind interdisziplinäre Prozesse. Gleichzeitig sind die zu realisierenden Systeme hochkomplex: Eine Vielzahl von funktionalen Elementen, aber auch Hardware- und Software-Komponenten interagieren über eine große Anzahl von Schnittstellen miteinander. Um trotzdem eine sichere Systemrealisierung argumentieren zu können, werden Methoden zur Beherrschung der entstehenden Komplexität benötigt. Ein Mittel zur Komplexitätsbeherrschung aus dem (modellbasierten) Systems Engineering sind Architektur-Frameworks, die es ermöglichen, Architektursichten nachverfolgbar zu gestalten und Stakeholder-Anliegen aus verschiedenen Disziplinen zu adressieren. Dieses Kapitel erläutert die Motivation zum Einsatz von Architektur-Frameworks für automatisierte Fahrzeuge, gibt einen Überblick über Ansätze aus der Domäne und aus dem (modellbasierten) Systems Engineering und zeigt schließlich Lücken in etablierter Praxis und Terminologie zwischen dem Feld des automatisierten Fahrens und dem Systems Engineering auf, deren Schließung großes Potenzial für den Entwurf und die Entwicklung sicherer automatisierter Fahrzeuge bietet.

Marcus Nolte, Markus Maurer
40. Sicherheit und Risiko – ein Beitrag zur Bedeutung grundlegender Begriffe

Der Betrieb automatisierter Straßenfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr bedeutet, dass ein breites Spektrum an Stakeholdern Anliegen an die Sicherheit dieser Systeme hat. In diesem Kapitel werden Bedeutungen und Anwendungen des Begriffs „Sicherheit“ (aus dem Englischen safety) aus den Perspektiven verschiedener Interessengruppen analysiert. Hierbei wird beispielhaft die Sicht von Ingenieur*innen, Gesetzgeber*innen, Verbraucherorganisationen und der breiten Öffentlichkeit eingenommen und ihre Sicherheitsinteressen bezüglich automatisierter Fahrzeuge formuliert. Diese Sicherheitsinteressen unterscheiden sich durch die darin berücksichtigten Risiken. Unsere Analyse veranschaulicht, dass Sicherheitsbegriffe teilweise explizit definiert werden und teilweise implizit zusammen mit den assoziierten Risiken beschrieben werden. Dementsprechend sind Schlussfolgerungen und Analysen des Begriffs „Sicherheit“ erforderlich, um dessen mutmaßlich intendierte Bedeutung in seiner Verwendung herauszuarbeiten. Die Analyse zeigt auf, dass Stakeholder unterschiedliche Risiken mit sicheren automatisierten Fahrzeugen verbinden, was zu unterschiedlichen Erwartungen, unter welchen Umständen ein automatisiertes Fahrzeug sicher ist, führen kann. Auf Basis dieser Analyse werfen wir Fragen auf, welche betroffene Stakeholder bei einer detaillierten Unterscheidung des Sicherheitsbegriffs und darin berücksichtigter Risiken unterstützen können. Mit diesem Beitrag zur expliziten Kommunikation von Risiken automatisierter Fahrzeuge können zukünftige Diskussionen zwischen Stakeholdern über Ansätze zur Absicherung dieser Systeme unterstützt werden.

Nayel Fabian Salem, Sophie Le Page, Jason Millar, Philipp Junietz, Marcus Nolte, Robert Graubohm, Markus Maurer
41. Taktische Sicherheit für autonome Fahrzeuge auf Autobahnen

Eine generelle Risikobewertung im Verkehr erfordert, dass man drei Faktoren berücksichtigt: die Häufigkeit des Auftretens einer gefährlichen Verkehrssituation, die Beherrschbarkeit im Sinne einer Schadensabwendung in dieser gefährlichen Situation und die Schadenshöhe im Falle einer Nicht-Beherrschbarkeit. In der Vergangenheit sind signifikante Sicherheitsgewinne insbesondere durch Minderung der Schadenshöhe basierend auf Maßnahmen der „Passiven Sicherheit“ und durch Erhöhung der Beherrschbarkeit mithilfe von Systemen der „Aktiven Sicherheit“ erreicht worden. Darüber hinaus bietet das autonome Fahren die Möglichkeit, die Häufigkeit des Auftretens gefährlicher Situationen durch vorausschauendes, vorsichtiges und kooperatives Verhalten zu verringern. Die Voraussetzungen für dieses als „Taktische Sicherheit“ bezeichnete Verhalten werden in diesem Kapitel beleuchtet. Insbesondere wird die Notwendigkeit der Berücksichtigung dieses Verhaltens für das schnelle Fahren auf Autobahnen diskutiert. Szenarien zur gezielten Einführung und Verifikation taktischen Sicherheitsverhaltens werden vorgestellt.

Hans-Peter Schöner, Jacobo Antona-Makoshi
42. Verhaltensentscheidung für automatisches Fahren

Die Generierung angemessenen Verhaltens ist eine Schlüsselkompetenz automatischer Fahrzeuge, die die Sicherheit und die Effizienz des Gesamtsystems maßgeblich bestimmt. Aus der klassischen Robotik bekannte Verfahren bildeten lange auch die Grundlagen für das Verhalten automatischer Fahrzeuge. Daher stellt dieses Kapitel zunächst regelbasierte Verfahren vor. Anschließend werden Graphensuchverfahren beschrieben, bei denen die Bewegungsplanung in eine Graphensuche überführt wird. Durch probabilistische Modellierung als (PO)MDPs entstehen Verfahren, die erst während der Bewegung endgültige Entscheidungen aufgrund der laufend vorgenommenen Beobachtungen treffen. Zuletzt werden lernende Verfahren vorgestellt, die jüngst auch für die Verhaltensgenerierung erforscht und eingesetzt werden.Die Architektur des Verhaltenssystems hat einen maßgeblichen Einfluss auf die erzielbare Skalierbarkeit, Nachvollziehbarkeit und Sicherheit. Als Anwendungsbeispiel wird ein Arbitratorkonzept vorgestellt, das in realen Erprobungsfahrzeugen implementiert wurde und seine Leistungsfähigkeit im öffentlichen Straßenverkehr unter Beweis stellen konnte.

Piotr Spieker, Johannes Fischer, Christoph Stiller
43. Optimale Trajektorien

Neue aktive Fahrerassistenzsysteme, die auf der Führungs- und Navigationsebene arbeiten sowie das automatisierte Fahren stehen vor einer anspruchsvollen Aufgabe. Sie müssen permanent die Fahrzeugstellgrößen (z. B. für die Lenkung, die Bremsen und den Motor/Antriebsstrang) berechnen, um eine gewünschte zukünftige Fahrzeugbewegung, eine Fahrtrajektorie, zu realisieren. Diese Trajektorie muss hinsichtlich eines Kriteriums (im Allgemeinen ein Kompromiss zwischen Komfort, Sicherheit, Energieaufwand und Fahrzeit) optimal sein, die Fahrzeugdynamik berücksichtigen und die Fahrspurbegrenzungen oder den prognostizierten freien Raum inmitten von (möglicherweise sich bewegenden) Hindernissen einbeziehen. Diese Art der Optimierung lässt sich mathematisch als sogenanntes Optimalsteuerungsproblem formulieren. Um den Rechenaufwand zu begrenzen, wird das Optimalsteuerungsproblem in der Regel nur auf einem begrenzten Prädiktionsintervall (beginnend mit dem aktuellen Zeitpunkt) gelöst, was zu einer Optimierung auf einem zeitlich mitbewegten Horizont führt. Das Kapitel veranschaulicht diesen praktisch bewährten Ansatz im Detail. Darüber hinaus werden die drei allgemeinen Prinzipien der dynamischen Optimierung vorgestellt, die aus der Regelungstheorie und der Robotik bekannt sind, nämlich die Variationsrechnung, die direkte Optimierung und die dynamische Programmierung. Darüber hinaus werden deren Anwendung auf Fahrerassistenzsysteme und automatisiertes Fahren beispielhaft dargestellt und die hohe Praxisrelevanz durch die angegebene Literatur belegt. Abschließend werden die jeweiligen Vorteile und Grenzen der Optimierungsprinzipien ausführlich diskutiert und ihre Kombination für komplexere Systementwürfe vorgeschlagen.

Moritz Werling
44. KI für automatisiertes Fahren

Maschinelles Lernen beschreibt die Fähigkeit einer Maschine, das Bewältigen einer Aufgabe aus Daten zu erlernen, ohne dafür explizit programmiert worden zu sein [65]. Dies bedeutet nicht, dass maschinelle Lernverfahren vollständig ohne Programmierung auskämen. Sie verwenden stattdessen parametrierbare Modelle, deren Struktur implizit die Lösung einer ihnen gestellten Aufgabe erlaubt. Um dies zu bewältigen, ist allerdings der eigentliche Lernvorgang nötig. Dabei werden die Parameter des Modells so angepasst, dass die gestellte Aufgabe auf gegebenen Daten gelöst wird. Der Algorithmus lernt also die gewünschte Verarbeitung.

Eike Rehder, Marius Cordts
45. Besondere Anforderungen des automatisierten Fahrens an den Entwurf

Die Entwicklung automatisierter Fahrzeuge und Fahrfunktionen stellt eine ausgesprochen komplexe Aufgabe dar, die bereits im Zuge des Systementwurfs die Einbeziehung einer Vielzahl teilweise konfliktärer Interessen und diverser Randbedingungen erfordert. Dieses Kapitel erläutert wichtige Herausforderungen bei Konzeptspezifikationen im Themenfeld des automatisierten Fahrens und stellt ein systematisches Prozessmodell vor, das einen Beitrag zur Erfüllung der besonderen Anforderungen des automatisierten Fahrens an den Entwurf leistet. Darüber hinaus wird die erfolgreiche Durchführung einer strukturierten Konzeptspezifikation für ein automatisiertes Fahrzeugführungssystem beschrieben.

Robert Graubohm, Markus Maurer
46. Testkonzepte für die Absicherung von automatisiertem Fahren

Automatisiertes Fahren ohne Fahrerüberwachung stellt neue und erheblich höhere Anforderungen an die Funktions- und Sicherheitsvalidierung und folglich an die dafür einzusetzenden Test- und Absicherungskonzepte. Wesentliche Anforderungen und ausgewählte Konzeptansätze werden hier vorgestellt. Aufgrund der umfangreichen Forschung weltweit sowie der zahlreichen zum Teil vertraulichen Initiativen kann dieses Kapitel keinen vollständigen Überblick zu diesem zentralen Thema geben. Deshalb erläutern die Autoren die Grundzüge der Testkonzepte mit einem besonderen Fokus auf Forschungsarbeiten, zu denen sie selbst beigetragen haben. Ferner werden die Stärken und Schwächen der einzelnen Bausteine zur Absicherung automatisierter Fahrfunktionen diskutiert. Dabei reicht das Spektrum von Fahrerprobungen über Simulation bis hin zum szenarienbasierten Testen. Trotz der vorgestellten Ansätze kann die Thematik noch nicht als gelöst angesehen werden, was die große Zahl der weltweit laufenden Projekte eindrucksvoll belegt.

Lutz Eckstein, Hermann Winner
47. Wartbarkeit und Updatebarkeit von ADAS Software

Große Anteile der Funktionalität von Fahrerassistenzsystemen (FAS) werden in Software realisiert. Hierdurch kommt auch der Wartbarkeit und Updatebarkeit dieser Software eine zentrale Rolle im Entwicklungsprozess zu. Durch den hohen Grad an Automatisierung mit Längs- und Querführungseingriffen müssen Entwicklung, Wartung und Updates auch immer unter dem Aspekt der funktionalen Sicherheit erfolgen. Gleichzeitig führt die gemeinsame Nutzung der Hardware/Software-Plattform, durch eine Vielzahl von Anwendungen unterschiedlicher Art und Kritikalität zu komplexen Querbeziehungen und einer möglichen gegenseitigen Beeinflussung. Hieraus können Seiteneffekte von Updates mit Einfluss auf die funktionale Sicherheit resultieren. Dieser Einfluss beschränkt sich nicht etwa auf das Zeitverhalten, sondern kann ebenso die Funktion selbst verändern. Dieses Kapitel beleuchtet daher zunächst die unterschiedlichen Arten von Software-Updatess sowie die damit einhergehenden Herausforderungen bezüglich der Beherrschung der Seiteneffekte von Updates. Für die Familie der AUTOSAR-Standards wird hierzu der Stand der Technik in den Bereichen Update-Management und Laufzeitüberwachung dargestellt. Um eine Integration und Verifikation von Software-Updatess zu erleichtern, werden daraufhin Mechanismen zur Entkopplung von Daten und Zeitverhalten diskutiert, sowie ein Überblick über mögliche Absicherungsmechanismen durch eine Laufzeitüberwachung gegeben.

Mischa Möstl, Johannes Schlatow, Kai-Björn Gemlau, Rolf Ernst
48. ODD Güterverkehr

Wenn über autonome Fahrzeuge gesprochen wird, fallen mit hoher Wahrscheinlichkeit Worte wie Robo-Taxi und -Shuttles. Setzt man sich etwas detaillierter mit der Thematik auseinander, fällt auf, dass der Güterverkehr als Motor der Wirtschaft ebenfalls ein enormes Potenzial aufweist. Dieses Kapitel beleuchtet, wie der Güterverkehr funktioniert, wo die Potenziale stecken und erläutert anhand der beiden sehr populären Use Cases „Middle Mile“ und „Last Mile Delivery“, wie diese erschlossen werden können.

Axel Gern, Michael Haag, Jens Kotte, Kai Furmans, Peter Vaughan Schmidt
49. Fahrerlose Shuttles als Ergänzung des öffentlichen Personennahverkehrs
Anforderungen an die Operational Design Domain

Fahrerlose Shuttles sind bereits heute in vielen Ländern im Piloteinsatz. Der Einsatz der Shuttles lässt sich durch die Definition einer sehr reduzierten Operational Design Domain (ODD) beschleunigen. In dieser werden die Fahrzeuge dabei zumeist durch eine Aufsichtsperson begleitet. Durch die flexible Definition von befahrbaren Routen, Geschwindigkeiten und Umweltbedingungen eignet sich die eingeschränkte ODD daher, um automatisierte, fahrerlose Fahrzeuge frühzeitig erproben und der breiten Bevölkerung gleichzeitig die Vorteile automatisierter Fahrzeuge aufzeigen zu können. Die Eingrenzung der ODD erlaubt, dass Fahrzeuge eines frühen Entwicklungsstadiums der Automatisierungsfunktionen ohne begleitende Person mit Eingriffsmöglichkeit, sondern nur mit Begleitpersonal an Bord, pilothaft in Betrieb sind. Besonderheiten der ODD sind dabei sowohl auf gesellschaftlicher, regulatorischer, ökonomischer, ergonomischer als auch auf technischer Ebene festzustellen.

Timo Woopen, Lutz Eckstein
50. ODD Taxi

Als Teil der zukünftigen urbanen Mobilität decken automatisierte Taxis mit unterschiedlichen Betriebsmodellen einen breiten Einsatzbereich ab. Der klassische, individuelle Taxibetrieb wird dabei zukünftig um geteilte bzw. gemeinsame Fahrten ergänzt. Der Entfall der Kosten für eine fahrzeugführende Person und die Verfügbarkeit eines automatisierten Fahrtenbuchungs- und -managementsystems lassen für die Kunden geringere Mobilitätskosten erwarten. Die zu lösenden technischen Herausforderungen, die bereits vorhandenen Lösungsbausteine und weitere Auswirkungen von automatisierten Taxis auf die Gesellschaft werden in diesem Kapitel diskutiert.

Frank Diermeyer, Dominik Raudszus, Marc Wimmershoff
51. Fahrerzustandsbeobachtung beim automatisierten Fahren

In diesem Beitrag wird die Rolle der Fahrerzustandsbeobachtung beim teil- und hochautomatisierten Fahren näher beleuchtet. Die Fahrerzustandsbeobachtung erscheint als eine wichtige Maßnahme zur Unterstützung der Fahrenden, um ein automatisiertes Fahrsystem bestimmungsgemäß zu nutzen und die verbleibende Fahraufgabe zuverlässig wahrzunehmen. Das theoretische Konstrukt „Fahrerbereitschaft“ dient in der fachlichen Auseinandersetzung als ein mögliches Rahmenmodell, wie eine Bewertung des Fahrerzustands auf Basis messbarer Fahrerzustandsindikatoren vor dem Hintergrund konkreter Situationsanforderungen erfolgen kann. Die Beschreibung soll zudem verdeutlichen, dass ein (nicht direkt messbarer) Fahrerzustand nicht vorschnell mit einem einzelnen Fahrerzustandsindikator verknüpft werden sollte, sondern idealerweise durch Integration mehrerer Indikatoren erschlossen wird. Ebenso zeigt sich, dass einzelne Technologien zur Fahrerzustandserfassung ein stark unterschiedliches Spektrum an Anwendungsfällen adressieren. Hier hebt sich insbesondere die kamerabasierte Beobachtung des Innenraums von alternativen Verfahren ab.

Claus Marberger, Dietrich Manstetten
Backmatter
Metadata
Title
Handbuch Assistiertes und Automatisiertes Fahren
Editors
Hermann Winner
Klaus C J Dietmayer
Lutz Eckstein
Meike Jipp
Markus Maurer
Christoph Stiller
Copyright Year
2024
Electronic ISBN
978-3-658-38486-9
Print ISBN
978-3-658-38485-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-38486-9

Premium Partner