Zum Jahresende 2017 blickt der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V. (Bitkom) auf die vergangenen 24 Geschäftsmonate des deutschen Handels zurück. Insgesamt sieben Studien aus dieser Zeit zeigen deutlich, dass die digitalen Umwälzungen gesellschaftliche wie wirtschaftliche Umbrüche bewirkt haben: Rund 80 Prozent der Deutschen ab 14 Jahren shoppen mittlerweile im Netz. Diese Entwicklung bereitet Händlern Bauchschmerzen. Anstatt sich um die Mitarbeitersuche, steigende Ladenmieten oder den Konkurrenzkampf mit anderen Wettbewerbern zu drehen, nehmen mehr als zwei Drittel der hiesigen Unternehmen die Digitalisierung als größte Herausforderung wahr.
"Kaum eine Branche ist so stark von strukturellen Veränderungen und einer Dynamik der Betriebs- und Vertriebstypen geprägt wie der Handel", stellt ein Springer-Autorenteam im Buchkapitel "Digitalisierung im Handel – das 360-Grad-Omnisales-Modell als Lösungsansatz" passend dazu fest (Seite 483). Permanente Innovationen, der verschärfte Wettbewerb und erstarkte Lieferanten, die ebenfalls in direkte Geschäftsbeziehungen mit dem Endkunden treten, üben einen ständigen Veränderungsdruck hin zu digitalen Lösungen aus.
Mobile-Shopping wächst und wächst
Aber auch das fundamental veränderte Konsumentenverhalten hinterlässt seine Spuren. Denn Kunden nehmen die Online-Einkaufsmöglichkeiten, die sich durch die Digitalisierung ergeben, eifrig an und befeuern dadurch die Entwicklung abermals. So ist die Zahl der Produkte, Läden, Shopping-Kanäle und Lieferoptionen mit dem digitalen Wandel förmlich explodiert. Kunden haben die Qual der Wahl und sind oftmals reizüberflutet. Für Händler stellt sich ebenfalls die Frage, auf welches digitale Pferd der Aufsprung lohnt. Reicht der stationäre Laden? Muss ein Online-Store her? Oder gleich eine Shopping-App? Da kein Ende der Interneteinkäufe abzusehen ist, empfiehlt sich in den meisten Fällen, auf Multi-Channel-Vertrieb zu setzen, der das Online- und Offline-Geschäft miteinander verknüpft.
Die Studienautoren von Bitkom betonen in ihrer Studienauswertung, dass vor allem das mobile Shopping auf dem Smartphone nicht unterschätzt werden sollte. Kaufte 2014 lediglich jeder Fünfte über das Smartphone ein, so waren es vergangenes Jahr 39 Prozent. Der Großteil nutzt dafür die App eines bestimmten Händlers (68 Prozent). Zwar tritt derzeit noch die Mehrheit (64 Prozent) den Online-Einkaufsbummel über den Laptop oder über den Desktop (50 Prozent) an, doch die Entwicklung steht klar auf Veränderungskurs. Das wird sich auch mehr und mehr im stationären Einzelhandel bemerkbar machen, weil auch dort die Kunden auf ihr Smartphone zurückgreifen. Einzelhändler werden ihre Kunden wohl künftig über die "Beacon-Technologie" mit informativen Push-Mitteilungen versorgen.
Das richtige Maß finden
Der Handel befindet sich folglich im Spannungsfeld zwischen veränderten Kundenerwartungen und einem Technologiedruck, der sich aus er innovativen Wettbewerbsdynamik ergibt. Um jetzt nicht unterzugehen, müssen vor allem diejenigen ein gutes Change-Management erarbeiten, die sich selbst als digitale Nachzügler bezeichnen.
Das gelingt zum Beispiel, wenn sich Händler die digitale Informationsflut richtig zunutze machen. Soziale Netzwerke, Scannerkassen oder Kundenkarten verraten viel über die Gewohnheiten und Wünsche der Zielgruppe. Die damit zugängliche, riesige Datenmenge ("Big Data") gilt es zu bezwingen. "Die Antwort auf komplexe Sachverhalte heißt aber nicht die Schaffung noch komplexerer Prozesse, sondern vielmehr Vereinfachung", erklärt das Springer-Autorenteam (Seite 484). Neben maßgeschneiderten Werkzeugen, die von den Mitarbeitern genutzt werden können, nehmen im Zuge dessen auch externe Dienstleister und Berater eine Schlüsselrolle ein. "Die Herausforderung heißt, Kundenwünsche zu erfüllen und dabei entstehende unternehmensinterne Komplexitätsfaktoren erkennen, vermeiden, verringern und beherrschen zu können", so die Autoren weiter (Seite 484).
Im digitalen Wandel besteht die Kunst darin, das eigene Unternehmen aus der Rolle des Getriebenen zu befreien und stattdessen zum aktiven Gestalter zu werden. Nur so lassen sich die zukunftsorientierten Chancen in Profit übersetzen.