3.2.2 Nutzung organischer Böden
In organischen Böden
haben sich über Jahrtausende sehr große Mengen an organisch gebundenem Kohlenstoff und Stickstoff auf vergleichsweise kleinen Flächen angelagert (vgl. Abschn.
2.3). Angesichts des hohen Kohlenstoffspeichers einerseits und des bedeutenden Emissionspotenzials bei ihrer Nutzung andererseits stellen organische Böden einen zentralen Ansatzpunkt für mögliche THG-Einsparungen im Bereich der landwirtschaftlichen Landnutzung dar. Aus diesem Grund werden die Auswirkungen unterschiedlicher Optionen der Nutzung organischer Böden quantitativ analysiert (vgl. Abschn.
4.5.2.1).
Da eine Nutzung organischer Böden zumeist mit einer Wasserstandsabsenkung einhergeht, sind über 90 % der organischen Böden dräniert (Gensior et al.
2012). Um den durch die Wasserstandsabsenkung erfolgenden aeroben Abbau von organisch gebundenem Kohlenstoff zu unterbinden, sind mittlere Jahreswasserstände von 10 cm unter Flur anzustreben (Freibauer et al.
2009).
Die Intensität der Moornutzung, der Beitrag zur Qualität des Landschaftswasserhaushaltes und der Zustand des Bodens können regional und flächenspezifisch sehr unterschiedlich ausfallen, weshalb das Wiedervernässungspotenzial sowie der Beitrag zum Klima- sowie Natur- und Umweltschutz im Einzelfall abgeschätzt werden muss. So ist nicht in allen Fällen auf Grund von hydrologischen und klimatischen Faktoren eine Wiedervernässung überhaupt technisch möglich. Ferner kann der Schutz von bestehenden Gebäuden und Infrastruktureinrichtigungen vor einem steigenden Wassertand technisch nicht möglich sein oder unverhältnismäßig hohe Kosten verursachen (Bonn et al.
2015).
Die Zielsetzung der in diesem Abschnitt aufgeführten Maßnahmen ist die Verringerung der THG-Emissionen aus landwirtschaftlich genutzten organischen Böden durch eine adäquate Einstellung des Bodenwasserhaushaltes sowie eine damit verbundene Extensivierung der Nutzung. Vor diesem Hintergrund ist es selbstverständlich, dass der Schutz bestehender Moore allerhöchste Priorität haben sollte.
3.2.2.1 Wiedervernässung
Für eine Wiedervernässung
ist der Rückbau der Entwässerungssysteme (Gräben, Schöpfwerke, Deiche, Dränagen) sowie eine Anhebung des Grundwasserstandes notwendig (Köbbing et al.
2012). Dränierte organische Böden sind starke CO
2- und N
2O-Emittenten; dagegen besteht bei Überstau die Gefahr hoher CH
4-Emissionen (vgl. Abschn.
2.3). Ein Klimaschutzeffekt kann nur durch naturnahe Wasserstände erzielt werden (Drösler et al.
2011).
Durch die Renaturierung landwirtschaftlicher Flächen im Sinne einer Wiedervernässung wird die Mineralisierungsrate des Torfs und somit die Emission von THG verringert. Eine Wiedervernässung führt nicht sofort zu niedrigeren Emissionen, da sie in drei Phasen verläuft (Augustin und Joosten
2007): Zunächst kommt es infolge der Wiederflutung zu extrem hohen CH
4-Emissionen in Verbindung mit geringer CO
2-Aufnahme, was einen negativen Effekt für das Klima hat. In der zweiten Phase sind die CH
4-Emissionen stark reduziert und die CO
2-Aufnahme erreicht ihr Maximum, sodass sich ein leicht positiver Klimaeffekt einstellt. Schließlich, in Phase drei, wird sowohl die CH
4-Freisetzung als auch die CO
2-Aufnahme gering erwartet und von einem neutralen Klimaeffekt ausgegangen. Verlässliche Angaben zur Dauer der einzelnen Phasen in Verbindung mit den dafür ausschlaggebenden Variablen existieren bisher nicht (Augustin und Joosten
2007). Jedoch berechneten Augustin und Joosten (
2007) die THG-Emissionen für drei Szenarien, die sich hinsichtlich der Dauer der Phasen unterschieden und zeigten, dass sogar unter der pessimistischen Annahme die Wiedervernässung des degradierten Moorbodens das Global Warming Potential (GWP) über 100 Jahre betrachtet um 80 % gegenüber einem Szenario ohne Wiedervernässung verringerte. Huth et al. (
2013) haben ähnlich hohe CH
4-Emissionen in einem vor 15 Jahren wiedervernässten und einem ursprünglichen Niedermoor in Mecklenburg-Vorpommern festgestellt.
Das THG-Reduktionspotenzial wiedervernässter organischer Böden hängt davon ab, wie intensiv zuvor dräniert wurde und ist bis in 60 bis 80 cm Tiefe umso höher, desto niedriger der abgesenkte Grundwasserstand ist (Drösler et al.
2011). Untersuchungen von Drösler et al. (
2011) ergaben, dass das Klimaschutzpotenzial pro Hektar in landwirtschaftlich genutzten Hoch- und Niedermooren ähnlich ist und sich bei mäßiger und intensiver Dränage unter -20 cm nicht unterscheidet; während Hochmoore bei nasseren Verhältnissen klimaneutral und bei Überstau geringe THG-Quellen sind, bleiben Niedermoore auch in wiedervernässtem Zustand geringe Quellen. Die wesentlichste Einflussgröße auf die Höhe der THG-Emissionen ist der mittlere Jahreswasserstand, aber auch Nutzung und Nutzungsintensität spielen eine wichtige Rolle, wobei die Nutzungsintensität die mit dem Erntegut entzogene Menge an Kohlenstoff darstellt. Ackernutzung und Intensivgrünland führten zu den höchsten Emissionen und haben ein THG-Einsparpotenzial von ca. 30 bis 35 t CO
2 ha
−1a
−1 (Drösler et al.
2011).
Durch eine vollständige Wiedervernässung landwirtschaftlich genutzter Hoch- und Niedermoore (1,3 Mio. ha) ließen sich in Deutschland theoretisch bis zu 35 Mio. t CO
2-Äqu.a
−1 bzw. 76 % der aktuellen THG-Emissionen aus Mooren einsparen, wobei durch Niedermoorrenaturierung im Mittel 30 t CO
2-Äqu. ha
−1a
−1 und bei Hochmoorrenaturierung 15 t CO
2-Äqu. ha
−1a
−1 eingespart werden können (Freibauer et al.
2009). Unter der Annahme, dass 75 % der landwirtschaftlich genutzten Moore bzw. 0,9 Mio. ha auf naturnahen Wasserstand renaturiert werden, gehen auch Osterburg et al. (
2013) bei dauerhafter Wiedervernässung von 30 bis 35 Mio. t CO
2-Äqu.a
−1 Minderungspotenzial aus. Das Wiedervernässungspotenzial kann durch die fortgeschrittene Degradierung im Sinne einer Sackung und bereits stark fortgeschrittenen Torfzehrung (Mineralisation) oder durch veränderte Wasserhaushaltsbedingungen, die das Wasserangebot reduzieren, eingeschränkt sein, sodass längst nicht alle Flächen wiedervernässt werden können. Eine Einschätzung des Wiedervernässungspotenzials kann nur fallspezifisch erfolgen. Auch schränken vorhandene Siedlungs- und Verkehrsflächen oder anderweitige Landnutzungen das flächenhafte Potenzial für Wiedervernässungen ein (Röder und Grützmacher
2012).
Drösler et al. (
2011) geben für Nutzungsaufgabe und Wiedervernässung THG-Minderungskosten zwischen 10 bis 135 € t
−1CO
2 bei einer Maßnahmendauer von 20 Jahren an, wobei die Höhe der Kosten von der Nutzungsintensität der Fläche abhängt: bei extensiver oder keiner Nutzung entstehen vergleichsweise geringe Kosten, aber auch geringere THG-Einsparungen. Intensiv landwirtschaftlich genutzte Flächen hingegen haben ein sehr hohes THG-Einsparpotenzial, dem allerdings hohe Opportunitätskosten sowie höhere Renaturierungskosten entgegenstehen. Die THG-Minderungskosten zeigen auch aufgrund landwirtschaftlicher Flächenprämien regionsspezifische Unterschiede. Ohne Kosten für die Wiedervernässung gehen Osterburg et al. (
2013) im Allgemeinen von unter 70 € t
−1 CO
2-Äqu. bei dauerhafter Wiedervernässung aus. Dennoch ist Klimaschutz durch Moorschutz volkswirtschaftlich sinnvoll, „da die THG-Minderungskosten vergleichbar sind mit den Schadenskosten des Klimawandels und weitere Nutzen, z. B. für Biodiversität, Wasserschutz und Tourismus, entstehen“ (Drösler et al.
2011, S. i) (siehe auch Abschn.
4.5.4). Röder und Grützmacher (
2012) nennen Vermeidungskosten von 20 bis 70 € t
−1 CO
2-Äqu. bzw. ca. 1600 € ha
−1, was 835 Mio. € entspricht, wenn alle bisher bewirtschafteten Moorflächen Deutschlands aus der Nutzung genommen würden. Hierbei sind nur die Opportunitätskosten der landwirtschaftlichen Betriebe berücksichtig worden, während Kosten für die Wiedervernässung unberücksichtigt blieben. Bei der Betrachtung von Vermeidungskosten muss bedacht werden, dass Moore zahlreiche Ökosystemleistungen erbringen, die monetär schwer zu messen sind, die Bilanz aber entscheidend verändern würden (Köbbing et al.
2012) (siehe Abschn.
5.1).
Die Wiedervernässung organischer Böden ist eine langfristige Maßnahme. Betroffene Flächen werden im Prinzip aus der Nutzung genommen, was eine Kompensation der betroffenen Landeigentümer bzw. begleitende Maßnahmen für besonders betroffene Betriebe erfordert. Da sich eine Anhebung des Wasserstandes bei Niedermooren in der Regel auf angrenzende Bereiche auswirkt, kann Wiedervernässung nur großräumig erfolgen und muss an die lokalen Gegebenheiten angepasst sein, was eine langwierige Planung erfordert. Als weitere Hemmnisse der Wiedervernässung sind Einbußen beim landwirtschaftlichen Einkommen und die Verringerung des Produktionspotenzials zu nennen, sodass Anreize zur Umsetzung der Maßnahme unumgänglich sind. Eine Wiedervernässung ist oft nicht über Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM)
realisierbar, da der Nutzer der Fläche der Eigentümer sein muss und angrenzende Bereiche auch betroffen wären. Eine mögliche Lösung wäre ein großflächiger Flächenankauf. Flächenhafte Renaturierungen können sich negativ auf die regionale Wertschöpfung auswirken. Alternative Nutzungen mit hohen Grundwasserständen sind grundsätzlich möglich (Arznei- und Kosmetikpflanzen, nachwachsende Rohstoffe für Fasern, Baumaterial und Torfersatz, Beeren etc.; vgl. Osterburg et al.
2013) und verschiedene Pilotprojekte sind hierzu in Erprobung, so z. B. Paludikulturen zur Gewinnung von Bioenergiepflanzen (Abschn.
4.5.2). Bei der Bewertung der Maßnahme muss auch die Produktionsverlagerung z. B. ins Ausland beachtet werden.
Aufgrund des hohen THG-Einsparpotenzials je Flächeneinheit ist Wiedervernässung als sehr gut geeignete Maßnahme für den Klimaschutz zu bewerten. Organische Böden können innerhalb kurzer Zeit große Wassermengen aufnehmen, sodass Wiedervernässung auch dem Hochwasserschutz dient. Für die Strategie „Bioenergie“ ist Wiedervernässung als nachteilig zu bewerten, da im Falle einer Entwässerung mit intensivem Anbau mehr Biomasse zur Energiegewinnung produziert werden könnte. Neben der THG-Einsparung können Wiedervernässung und Extensivierung zur Reduktion diffuser Nährstoffeinträge in Gewässer führen, was die Gewässerqualität steigert und für die Trinkwassergewinnung vorteilhaft ist. Da Moore Lebens- und Durchzugsraum vieler seltener Arten sind, hat eine Renaturierung oftmals positive Effekte für die Biodiversität des Standorts, gerade im Hinblick auf hochspezialisierte Arten, die an nasse, nährstoffarme Standorte und einen niedrigen pH-Wert angepasst sind. Wiedervernässung kann allerdings auch häufig Zielen des Artenschutzes entgegenstehen: Für FFH-Gebiete sind beispielsweise klare Artenschutz-Ziele definiert, die durch Wiedervernässung gefährdet werden können. So kann die Wiedervernässung extensiv genutzten Moorgrünlands u. a. eine Verdrängung bestimmter Orchideen- und Insektenarten bewirken (Bonn et al.
2015) (siehe dazu auch Abschn.
4.5.4).
3.2.2.2 Nutzung als extensives Grünland
Der mittlere Jahreswasserstand ist entscheidend für die Klimawirkung organischer Böden (s. o.). Eine Wasserstandsanhebung schließt eine intensive Nutzung aus, da Befahrbarkeit sowie Beweidung eingeschränkt werden. Eine Umwandlung von Acker zu Grünland oder eine Grünlandextensivierung kann erforderlich sein, sofern eine weitere Nutzung angestrebt wird.
Neben einer extensiven Schnittnutzung ist eine extensive Beweidung wiedervernässter Feuchtwiesen möglich. So können Rinder in Mutterkuhhaltung mit einem jährlichen mittleren Besatz unter 1,4 Rinder-GV ha
−1, auf einigen Standorten mit bis zu 2 Rinder-GV ha
−1, gehalten werden (Schuler et al.
2014). Verschiedene Rinderarten wie Heckrind und Galloway sowie Wasserbüffel sind bei geringen Viehbesatzdichten ebenfalls zur Beweidung geeignet.
14 % der Grünlandfläche Deutschlands befinden sich auf Moorböden (Drösler et al.
2011). Ergebnisse von Drösler et al. (
2011) zeigen, dass eine Wasserstandsanhebung auf mindestens −20 cm in Verbindung mit einer extensiven Grünlandnutzung die THG-Emissionen auf etwa 50 bis 75 % gegenüber intensiver Grünlandnutzung senkt. Im Vergleich zu Acker und Intensivgrünland können durch Extensivgrünland in Verbindung mit Wasserstandsanhebung 20 bis 26 t CO
2-Äqu. ha/a eingespart werden. Ohne Veränderung des Wasserstandes führt die Umwandlung von Acker zu extensiv genutztem Grünland zu einer THG-Einsparung von ca. 5 t CO
2-Äqu. ha/a (Flessa et al.
2012). Im Sinne des Klimaschutzes ist also eine Anhebung des mittleren Wasserstandes auf mindestens −20 cm anzustreben (Osterburg et al.
2013).
Je nach Intensität der Wasserstandsanhebung variieren die Kosten in Abhängigkeit lokaler Gegebenheiten stark. Bei einer Extensivierung, die zu einer Einsparung von 5 t CO
2-Äqu. ha
−1 führt, belaufen sie sich auf über 100 € t
−1 CO
2-Äqu. ha
−1 (Osterburg et al.
2013). Eine höhere Einsparung, die durch höhere Wasserstände erreicht werden kann, reduziert diesen Betrag.
Als Hemmnisse sind neben den zur Wiedervernässung genannten Punkten (Abschn.
3.2.2.2) insbesondere Opportunitätskosten zu nennen, die sich aus der verringerten Produktivität ergeben. Neben Ertrags- kommt es zu Qualitätseinbußen beim Futter (Schuler et al.
2014).
Die für den Klimaschutz gut geeignete Maßnahme der Grünlandextensivierung auf organischen Böden ist für die Strategie „Bioenergie“ aufgrund ertragreicherer Alternativen ungeeignet. Für den Natur- und Umweltschutz ergeben sich aus der extensiven Nutzung bei hohen Wasserständen positive Wirkungen auf das Bodengefüge, eine Verringerung von Einträgen in Böden und Gewässer sowie Vorteile für den Artenschutz (Schuler et al.
2014).
3.2.2.3 Nutzung mit Paludikulturen
Paludikultur benennt die standortgerechte Bewirtschaftung von nassen oder wiedervernässten Moorstandorten (lateinisch
palus: Morast, Sumpf), durch die Moor-, Klima- und Gewässerschutz sowie landwirtschaftliche Wertschöpfung miteinander vereinbart werden (Wichmann und Wichtmann
2009; Wichtmann et al.
2010). Hierunter fallen neben der traditionellen Rörichtgewinnung für Dachreet-Verfahren wie die Erlenwertholz-Gewinnung und die Nutzung von Biomasse zur stofflichen Verwertung oder Energiegewinnung auf Nieder- und Anmoorstandorten sowie die Kultivierung von Torfmoosen als torffreie Alternative für den Gartenbau auf Hochmoorstandorten (Joosten et al.
2010). Ziel dieser Bewirtschaftungsformen ist der Erhalt oder die Neubildung von Torf, was durch natur- bzw. flurnahe Wasserstände erreicht werden kann. Seit über 20 Jahren wurde und wird in einer Reihe von Forschungsvorhaben zu Möglichkeiten der nachhaltigen, klimaneutralen Moornutzung geforscht (Wichtmann und Wichmann
2011a).
Die häufigsten Anbauarten auf wiedervernässten Niedermoorstandorten sind Rohrglanzgras
(Phalaris arundinacea), Gewöhnliches Schilf
(Phragmites australis), Rohrkolben (
Typha spec.) und Großseggen (
Carex spec.) (Wichtmann und Wichmann
2011a). Aufgrund der nassen Bodenbedingungen sind ein gefrorener Boden und/oder eine angepasste Landtechnik für die Ernte notwendig. Während für kleinere Flächen und Erntemengen bereits Verfahren für Mahd und Abtransport entwickelt wurden, sind für großflächige Beerntung mit hohem Biomasse-Volumen bei geringem Gewicht schlagkräftigere, schwerere Fahrzeuge notwendig. Hier kommen modifizierte Pistenraupen oder Fahrzeuge mit Ballonreifen zum Einsatz, die durch Mähwerk- oder Häckslervorsätze ergänzt wurden. Die Fahrzeuge üben nur einen geringen Druck auf den Boden aus und verhindern so Schäden an der Pflanzendecke und mechanische Bodenstörungen. Konventionelle Grünlandtechnik ist zwar am günstigsten, kann jedoch nur im Sommer bei ausreichend trockenem Boden eingesetzt werden (Wichmann und Wichtmann
2009). Im Gegensatz zur Wintermahd hat die Sommermahd den entscheidenden Nachteil, dass mit der grünen Biomasse Nährstoffe entzogen werden, was ohne Düngung keine langfristig stabilen Erträge sicherstellt (Wichtmann und Wichmann
2011a). Des Weiteren kann Schilf bei später Sommermahd (August bis September) zurückgedrängt werden, was neben einem Ertragsrückgang langfristig, frühestens nach etwa 10 bis 20 Jahren, zum Verschwinden der Bestände führen kann, sodass sich die Wintermahd im Zeitraum Dezember bis März empfiehlt (Wichmann und Wichtmann
2009). Während die Schilf-Biomasse aus der Winterernte für die Verbrennung in Heizkraftwerken geeignet ist, kann das Erntegut aus der Sommermahd zur Vergärung in Biogasanlagen verwendet werden, wenn die Anlagentechnik entsprechend ausgerichtet ist (Köbbing et al.
2012). Neben der energetischen ist auch eine Nutzung als Tierfutter oder eine stoffliche Verwertung möglich (Wichtmann und Wichmann
2011a).
Die ansteigende Nachfrage nach Bioenergie
erhöht den Druck auf Moorstandorte. Durch die bei Paludikulturen möglichen naturnahen Wasserstände ist eine klimaneutrale Bewirtschaftung möglich. Bei Nutzung der Biomasse zur Substitution fossiler Energien
treten zusätzliche THG-Emissionsminderungen auf, ohne in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion zu stehen. Das THG-Einsparpotenzial sei an folgendem Beispiel verdeutlicht: Unter der konservativen Annahme eines Ertrags von 12 t TM ha/a und einem Heizwert von 17,5 MJ kg
−1 TM, kann die Schilfernte eines Hektars fossile Rohstoffe einer Kraft-Wärme-Kopplungsanlage ersetzen, die andernfalls 15 t CO
2-Äqu. emittiert hätten. Bezieht man Emissionen, die bei den Verfahren der Schilfproduktion anfallen und 2 t CO
2-Äqu. ausmachen sowie die THG-Einsparungen aus der Wiedervernässung von ca. 15 t CO
2-Äqu. mit ein, so werden durch die energetische Nutzung des Schilfs aus Paludikulturen fast 30 t CO
2-Äqu. ha
−1 vermieden (Wichtmann und Wichmann
2011b). Couwenberg et al. (
2007) zeigen, dass alle auf dränierten Moorstandorten gewonnenen Bioenergieträger höhere Emissionen aufweisen als fossile Energieträger. So beträgt die Emissionshöhe für Energiemais zur Biogasproduktion auf entwässerten, gepflügten Moorstandorten 880 t CO
2 TJ
−1, wohingegen der direkte Verbrauch von Heizöl lediglich 73 t CO
2 TJ
−1emittiert; inklusive indirekter Emissionen (Transport, Umwandlung) sind es 81 t CO
2 TJ
−1.
Bisherige Modellkalkulationen zeigten, dass die Nutzung der Biomasse zur Verfeuerung trotz Spezialtechnik mit anderen halmgutartigen Energieträgern (Stroh, Miscanthus) konkurrenzfähig ist, wenn keine Anpflanzung notwendig ist (Wichtmann et al.
2010; Wichmann und Wichtmann
2009).
Neben den zur Wiedervernässung genannten Hemmnissen (Abschn.
3.2.2.1) sehen Landwirte ein wirtschaftliches Risiko hinsichtlich Anlagekosten, Erntetechnik und Absatzmarkt sowie fehlende Erfahrungswerte (Wichmann und Wichtmann
2009). Die Wirtschaftlichkeit wird von zahlreichen Faktoren wie beispielsweise der Infrastruktur in Form von geeigneten Heizkraftwerken und Erntemaschinen, Transportkosten, Bodenbefahrbarkeit sowie Opportunitätskosten beeinflusst. Neben den Produktionskosten und erzielbaren Erlösen sind politische und rechtliche Rahmenbedingungen ausschlaggebend für die Wirtschaftlichkeit der Biomasseproduktion in Paludikulturen (Wichmann und Wichtmann
2009). Bisher wird Paludikultur überwiegend in Pilotprojekten betrieben.
Die für den Klimaschutz sehr gut geeignete Maßnahme ist für die Strategie „Bioenergie“ aufgrund ertragreicherer Alternativen ungeeignet. Für den Natur- und Umweltschutz ergeben sich aus der extensiven Bewirtschaftung positive Wirkungen auf das Bodengefüge. Der Ausschluss des Dünge- und Pflanzenschutzmitteleinsatzes führt zur Verringerung von Einträgen in Böden und Gewässer. Als wiedervernässte Nieder- oder Anmoorstandorte bieten Paludikulturen Lebensräume für zahlreiche spezialisierte Arten, wobei durch geeignete Bewirtschaftungsmaßnahmen (z. B. Mahdtermin) bestimmte seltene Arten des Schilfgürtels gefördert werden können, wie beispielsweise Rohrdommel
(Botaurus stellaris) und Seggenrohrsänger (
Acrocephalus paludicola, Wichtmann und Wichmann
2011b). Allerdings sind auch negative Effekte mit Paludikulturen verbunden, da Etablierung und Ernte Störungen darstellen, die mit Bodenverdichtung, Nährstoffentzug (bei Sommermahd, s. o.), verändertem Licht-, Temperatur- und Wasserhaushalt zusammenhängen (Wichmann und Wichtmann
2009). Schilf- und nasse Rohrglanzgrasbestände sind durch eine geringe Pflanzendiversität, aber eine hohe Vielfalt an Tierarten charakterisiert (Wichmann und Wichtmann
2009). Ersetzen Paludikulturen eine abweichende vorherige Nutzung wie z. B. Grünland, sind die hierauf spezialisierten Arten negativ betroffen, sodass der Effekt auf die Biodiversität regional differenziert und abwägend betrachtet werden muss.
3.2.3 Anpassung des Düngemanagements
Um Ertrag und Qualität der landwirtschaftlichen Anbauprodukte zu gewährleisten, ist im Allgemeinen eine Nährstoffzufuhr in Form von mineralischen oder organischen Düngemitteln notwendig. Bei der Ausbringung von Stickstoffdüngern entsteht ein großer Teil der THG-Emissionen aus der Landwirtschaft, wobei es sich in erster Linie um Lachgas handelt (Abschn.
3.2.3.1). Dabei wird zwischen direkten und indirekten THG-Emissionen unterschieden. Direkte THG-Emissionen entstehen durch die Ausbringung von Düngern, während indirekte Emissionen über die atmosphärische Deposition reaktiven Stickstoffs sowie durch Auswaschungen erfolgen, wenn reaktive Stickstoffverbindungen wie Nitrat und Ammoniak über das Sickerwasser und Oberflächenabflüsse in die umliegende Landschaft gelangen und über Nitrifikations- und Denitrifikationsprozesse Lachgas entsteht (Abschn.
2.3). THG-Emissionen treten nicht nur bei und direkt nach der Düngung auf, sondern können im gesamten Jahresverlauf erfolgen. Zudem ist die Herstellung von Mineraldünger durch den Verbrauch fossiler Energien mit hohen THG-Emissionen verbunden.
Die Höhe dieser Emissionen ist neben der Menge der Düngerausbringung von den natürlichen Boden- und Klima-Gegebenheiten (Humus-, Stickstoffgehalt, pH-Wert, Bodenbelüftung bzw. Niederschlag, Temperatur und Frostperioden) und dem Verhältnis von N-Input zu N-Output (Flessa et al.
2012; Osterburg et al.
2013) sowie von der eingesetzten Ausbringungstechnik abhängig. Weiterhin kommt dem Ausbringungszeitpunkt eine große Bedeutung zu (Flessa et al.
2014). Für die Klimawirksamkeit muss der Düngewert in die Gesamtbetrachtung einbezogen werden, da dieser mit zunehmenden NH
3-Emissionen aufgrund hoher N-Verluste sinkt (Flessa et al.
2014). NH
3-Emissionen begrenzen sich auf die Tage nach der Ausbringung, während N
2O-Emissionen zusätzlich im Jahresverlauf auftreten. Für die Bewertung von Ausbringungstechniken ist daher der gesamte Jahresverlauf der Emissionen zu betrachten, da THG-Einsparungen bei der Ausbringung ggf. im Jahresverlauf ausgeglichen werden könnten (Flessa et al.
2014).
Die Wirtschaftsdüngerlagerung und -ausbringung sind die wichtigsten Ursachen für Ammoniak-(NH
3)-Emissionen in Deutschland, wobei das Einsparpotenzial bei der Ausbringung absolut gesehen größer ist als bei der Lagerung (Flessa et al.
2012). Pro Kilogramm eingespartem Rein-Stickstoff bei der Mineraldüngung kann von einer Emissionsminderung von 17,5 kg CO
2-Äqu. kg
−1 N ausgegangen werden. Diese Menge setzt sich aus 6,1 kg CO
2-Äqu. kg
−1 N durch direkte N
2O-Emissionen, 3,9 kg CO
2-Äqu. kg
−1 N durch indirekte Emissionen sowie 7,5 kg CO
2-Äqu. kg
−1 N durch die Bereitstellung des chemisch-synthetischen N-Düngers zusammen (Flessa et al.
2012). Für ein durch Feldversuche zur teilflächenspezifischen Düngung ermitteltes mittleres Einsparpotenzial von ca. 18 kg N ha
−1 ergeben sich somit 315 kg CO
2-Äqu. ha
−1, die bei der Mineraldüngung vermeidbar sind (Flessa et al.
2012, Abschn.
3.2.3.1). Smith et al. (
2008) gehen davon aus, dass über ein geeignetes Nährstoffmanagement auf Ackerflächen der kühl-feuchten Klimazonen Einsparungen von 0,62 (0,02–1,42) t CO
2-Äqu. ha/a möglich sind.
Die Zielsetzung der in diesem Abschnitt aufgeführten Maßnahmen ist die Verringerung der THG-Emissionen, die direkt oder indirekt mit der Düngung in Verbindung stehen. Die Höhe des Flächenertrags soll hierbei nicht reduziert werden, um Verlagerungseffekte zu vermeiden.
3.2.3.1 Effizienzsteigerungen des Mineraldüngereinsatzes sowie der N-Ausnutzung des Wirtschaftsdüngers
In Deutschland werden jährlich etwa 100 kg N aus Mineral- sowie 75 kg N aus Wirtschaftsdünger pro Hektar ausgebracht (BMU und BMELV
2012); die Düngung setzt sich also zu 57 % aus Mineral- und zu 43 % aus Wirtschaftsdünger zusammen. Grundsätzlich ist eine bedarfsgerechte Düngung anzustreben, sodass Stickstoffüberschüsse vermieden werden (Osterburg et al.
2013). Durch den Abbau von Düngungssicherheits-Aufschlägen, die zum Ausgleich von nicht vorhersehbaren Ereignissen wie Auswaschungsverlusten, Ertragsschwankungen oder Verringerung der N-Verfügbarkeit bei Trockenheit ausgebracht werden, kann die N-Nutzungseffizienz (Ertrag pro Menge gedüngten Stickstoffs) erhöht werden. Im Mittel betrug der landwirtschaftliche Stickstoffüberschuss in den letzten Jahren 97 kg N ha/a und lag damit deutlich über dem Ziel von 80 kg N ha/a, das nach der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung bereits 2010 erreicht werden sollte (Geupel und Frommer
2014). Ein Teil des als Dünger applizierten Stickstoffs wird nicht durch die Pflanze aufgenommen, sondern verlässt das Boden-Pflanze-System über Auswaschung (Nitrat) und gasförmige Emissionen (N
2O, NO, NH
3, N
2). Um diesen Anteil möglichst gering zu halten, muss sich die N-Düngung am Ertragspotenzial orientieren, wobei (Teil-)Flächen mit vergleichsweise geringem Ertragspotenzial geringere N-Applikationsraten erfordern und vice versa.
Durch die Ausbringung von Mineraldüngern wurden im Jahr 2012 ca. 9,5 Mio. t CO
2-Äqu. und durch die der Wirtschaftsdünger 4,7 Mio. t CO
2-Äqu. emittiert (NIR
2014). Durch eine gesteigerte Stickstoff-Effizienz und Reduzierung von N-Überschüssen ließen sich insgesamt etwa 5,8 Mio. CO
2-Äqu. a
−1, also 40 % der Emissionen aus der Düngerausbringung, einsparen, wobei die Kosten unter 50 € t
− CO
2-Äqu. liegen (Osterburg et al.
2013). Hierfür gibt es mehrere Ansätze, von denen einige im Folgenden näher beschrieben werden.
Präzisere Ausbringungsverfahren
Präzisere Ausbringungsverfahren, bei denen der Luftkontakt möglichst gering gehalten wird, führen zu niedrigeren THG-Emissionen und höherem Nährstoffangebot im Boden, wodurch ca. 0,33 t CO
2-Äqu. ha/a vermieden werden können (Schuler et al.
2014). Eine bodennahe, abdriftarme Ausbringung kann beispielsweise durch Schleppschlauch- und Injektionsverfahren, bei denen die Nährstoffe direkt in den Boden eingebracht werden, oder durch Exaktstreuer zur gleichmäßigen Verteilung der Nährstoffe, erfolgen. Die THG-Minderungskosten liegen je nach System zwischen ca. 50 bis 200 € t
−1 CO
2-Äqu. und steigen mit der Emissionseinsparungshöhe (Schuler et al.
2014).
Wenngleich hinsichtlich der absoluten Ammoniak-Minderungspotenziale unterschiedlicher Gülleausbringungsverfahren Unsicherheiten bestehen, so sind sich Experten bzgl. der Relationen der Verfahren zueinander weitestgehend einig (vgl. Flessa et al.
2014): Für unbewachsene Flächen ist die sofortige Einarbeitung, möglichst innerhalb der ersten Stunde nach der Ausbringung der Gülle- und Gärreste, das emissionsärmste Verfahren. So werden NH
3-Emissionen größtenteils (>80 % gegenüber oberflächlicher Breitverteilung ohne Einarbeitung) vermieden und bewirken einen hohen Düngewert des Wirtschaftsdüngers. Für bewachsene Flächen sind bodennahe, streifenförmige Ausbringungsverfahren wie Schleppschlauch (Acker: 22 bis 48 % geringere Emissionen) oder Schleppschuh (Acker: 28 bis 78 %, Grünland: 40 bis 66 %) geeignet, wobei auf eine Mindestwuchshöhe des Aufwuchses zu achten ist. Injektionsverfahren in Verbindung mit dem Verschließen der Schlitze mit Boden sind bzgl. NH
3-Emissionsreduktion auf bewachsenen Flächen am effektivsten (Acker: 82 bis 86 %, Grünland: 81 bis 89 %; Flessa et al.
2014).
Auch bei Injektionsverfahren werden die NH
3-Emissionen erheblich reduziert. Allerdings ist eine erhöhte N
2O-Bildung in der Injektionszone aufgrund der engen Kopplung von Nitrifikation
und Denitrifikation möglich, wenn der flüssige Wirtschaftsdünger nicht in den Boden eingemischt, sondern konzentriert in einem Kanal abgelegt wird. Die Bildung von N
2O in der Injektionszone wird durch eine hohe Sauerstoffzehrung bei gleichzeitiger, eingeschränkter Sauerstoffzufuhr durch lokal entstehende anoxische Bedingungen, hohe Gehalte an mineralischem Stickstoff in den Injektionszonen sowie die Verfügbarkeit leicht abbaubarer organischer Substanz in den Injektionszonen begünstigt. Ob ein Großteil der N
2O-Emissionen sowie der Emissionen aus dem erhöhten Energieaufwand bei der Gülleausbringung durch die vermiedenen NH
3-Verluste und dem somit höheren Düngewert ausgeglichen werden können, kann bislang nicht mit einer gesicherten Gesamtbewertung festgestellt werden (Flessa et al.
2014). Des Weiteren muss noch erforscht werden, inwiefern Injektionstiefe, -abstände, offene und geschlossene Injektion die Höhe der N
2O-Emissionen beeinflussen, ebenso, ob der Einsatz von Nitrifikationshemmstoffen hierbei eine geeignete Option zur Reduktion sein könnte (Flessa et al.
2014).
Zur Effizienzsteigerung des Mineraldüngereinsatzes ist zudem Präzisionslandbau/Precision Farming eine Option, bei dem die Arbeitsgeräte der Landmaschinen GPS- und sensorbasiert gesteuert werden. Bei dieser teilflächenspezifischen Bewirtschaftung werden Unterschiede bezüglich des Bodens und der Ertragsfähigkeit innerhalb eines Feldes berücksichtigt, sodass die Nährstoffverteilung optimiert werden kann. Auf diese Weise lässt sich der Ertrag steigern und der Einsatz von Dünger sowie Pestiziden reduzieren. Präzisionslandbau ist also umso nützlicher, je heterogener ein Standort ist. Feldversuche zur teilflächenspezifischen Düngung deuten auf ein mittleres Einsparpotenzial von ca. 18 kg N ha
−1 (mit einhergehenden N-Produktivitätssteigerungen um 3,4 kg Nt
−1 Getreide) und damit 315 kg CO
2-Äqu. ha
−1 hin (Flessa et al.
2012). Etwas niedriger ist die Annahme von Rösch et al. (
2005), die davon ausgehen, dass der Mineraldüngereinsatz durch Präzisionslandbau auf heterogenen Feldern im Durchschnitt um ca. 7 % bzw. 14 kg N ha
−1 reduziert werden kann, wobei der Ertrag gleich bleibt oder um bis zu 6 % ansteigt. Rösch et al. (
2005) geben an, dass, gemessen am Ertrag, teilflächenspezifische Düngergaben die N-Verluste um 5 bis 10 % vermindern können. Nach Osterburg et al. (
2013) beträgt das Minderungspotenzial der v. a. für den Marktfruchtbau geeigneten teilflächenspezifischen Düngung 300 kg CO
2-Äqu. ha
−1 mit Kosten von mindestens 50 € t
−1 CO
2-Äqu.
Verzögerte Nährstofffreisetzung
Nitrifikationsinhibitoren bewirken eine verzögerte Bildung von Nitrat in der Injektionszone, indem die mikrobielle Oxidation von NH
3 bzw. NH
4 zu Nitrit gehemmt und so die Nitratbildung um mehrere Wochen verzögert wird. Hohe Nitratgehalte nach der Düngung werden vermieden und so die Gefahr der Nitratauswaschung und Denitrifikation verringert. Nitrifikationsinhibitoren werden hauptsächlich in flüssigen oder granulierten Mineraldüngern eingesetzt, können aber auch in Flüssigmistdüngern oder Biogasgülle eingesetzt werden. Auswertungen verschiedener, in Flessa et al. (
2014) zitierter Studien zur N
2O-Emissionsminderung durch Einsatz von Nitrifikationsinhibitoren zeigten, dass ein Minderungspotenzial von im Mittel 40 % realistisch ist, wobei dieses Potenzial sehr variabel ist und von Standortbedingungen, eingesetzter Düngerart und -form, Art des Nitrifikationshemmstoffs und gedüngter Kulturart abhängig ist. Osterburg et al. (
2013) gehen beim Einsatz von Nitrifikationsinhibitoren unter der vereinfachten Annahme, dass bei 50 % der Mineraldüngermenge 25 % der N
2O-Emissionen eingespart werden, von einem theoretischen Reduktionspotenzial von 1,1 Mio. t CO
2-Äqu. für Deutschland bzw. von 0,2 t CO
2-Äqu. ha
−1 aus. Bei der Ermittlung des Reduktionspotenzials sind ganzjährige Messungen notwendig, da es zur zeitlichen Verschiebung der N
2O-Emissionen kommen kann. Wenn die Düngehäufigkeit durch eine längere Düngerwirkung reduziert werden kann, sinken mit der Anzahl der Überfahrten zusätzlich die Emissionen aus dem Dieselverbrauch. Weiter sind Emissionen aus der Herstellung der Hemmstoffe zu berücksichtigen. Wenngleich für Nitrifikationsinhibitoren ein hohes THG-Einsparpotenzial angenommen werden kann, besteht Forschungsbedarf hinsichtlich der Emissionseinsparung, der Wirkungen auf den Ertrag, des Einflusses der Standortparameter sowie der ökotoxikologischen Langzeitwirkungen der Hemmstoffe, wozu vor allem Langzeituntersuchungen notwendig sind (Flessa et al.
2014). In Sonderkulturen mit hohen Deckungsbeiträgen und verhältnismäßig geringen Kosten für die Düngung an den Gesamtkosten, wie z. B. dem Gemüseanbau, ist seitens der Landwirte eine höhere Motivation zum Einsatz von Nitrifikationsinhibitoren gegeben (Flessa et al.
2014). Die Kosten für THG-Einsparungen durch den Einsatz von Nitrifikationsinhibitoren liegen bei unter 50 € t
−1 CO
2-Äqu. (Osterburg et al.
2013).
Wie Nitrifikationsinhibitoren dienen kunststoffummantelte Langzeitdünger dazu, gedüngten Stickstoff möglichst ausreichend lange im Wurzelhorizont zu halten und damit eine lange Pflanzenverfügbarkeit zu gewährleisten. In Abhängigkeit von der Art der Umhüllung und den temperatur- und feuchteabhängigen Lösungsprozessen verzögern kunststoffummantelte Langzeitdünger auf mechanischem Weg die Freisetzung von Düngerstickstoff und minimieren auf diesem Wege die mikrobiell induzierten Transformationen des Stickstoffdüngers. Dies verringert Auswaschungs- und Ausgasungsverluste (Sommer
2005). Akiyama et al. (
2010) werteten zahlreiche Studien aus und kamen zu dem Ergebnis, dass, in Abhängigkeit von Bodentyp und Landnutzung, die Reduktion der N
2O-Emission im Vergleich zur konventionellen Düngung im Schnitt bei 35 % liegt, weisen aber auf die mangelnde Repräsentativität der zugrundeliegenden Untersuchungen hin.
Direkte und indirekte N
2O-Emissionen lassen sich auch durch Düngung im CULTAN-Verfahren
(Controlled Uptake Long Term Ammonium Nutrition) reduzieren. CULTAN-Verfahren sind sowohl für Mineral- als auch Wirtschaftsdünger
geeignet, wobei verschiedene Depot- und Ausbringetechniken je nach Kultur und Standort zum Einsatz kommen (vgl. Sommer
2005). Auch Gärreste aus Biogasanlagen können zu CULTAN-Düngern aufgearbeitet werden. Einmal pro Vegetationsperiode wird Ammonium hoch konzentriert punkt- oder linienförmig auf oder in den Boden leicht versetzt zur Saat- oder Pflanzreihe ausgebracht und über die Wurzeln der Pflanzen bedarfsangepasst aufgenommen: Ammonium ist phytotoxisch und kann deshalb nur über die Wurzelspitzen aufgenommen werden, wenn deren Kohlenhydratgehalt ausreichend hoch ist, und wird dann direkt in den Stoffwechsel der organischen N-Verbindungen aufgenommen.
Durch Ansäuerung von Gülle und Gärresten mit Schwefel- oder Salpetersäure kann die Reduktion von NH
3-Emissionen sowie indirekten N
2O-Emissionen signifikant erhöht werden, wodurch der Düngewert bzw. die N-Verfügbarkeit steigt. Hierfür existieren erst seit wenigen Jahren zugelassene Verfahren, die derzeit in deutschen Betrieben erprobt werden (Flessa et al.
2014).
Zeitpunkt der Düngung
Zur Vermeidung hoher N
2O-Emissionen im Winterhalbjahr sollten hohe Nitratgehalte im Herbst und Winter vermieden werden, wobei die Höhe der Emissionen stark vom Temperaturverlauf, der Anzahl der Frosttage sowie von Frost-Tau-Perioden abhängt. Winterzwischenfrüchte können Nitratauswaschungen und N
2O-Emissionen verringern und sind vor allem nach der Ernte von Kulturen, die während der Vegetationsperiode geerntet werden (z. B. Feldgemüse) und hohe Restnitratgehalte aufweisen, von Bedeutung. Wird die Zwischenfrucht im Frühjahr eingearbeitet, steht der Stickstoff der nachfolgenden Kultur zur Verfügung. Da es durch Zwischenfruchtanbau zu erhöhten N
2O-Emissionen kommen kann, ist die Verwendung als Biogassubstrat mit anschließender Ausbringung der Gärreste zur Düngereinsparung sowie Substitution fossiler Energieträger möglich (Flessa et al.
2014).
Die zeitliche Verteilung von N-Applikationsraten entscheidet über die N-Nutzungseffizienz. Während einmalige Düngergaben pro Kultur höhere Sicherheitsaufschläge erfordern, da die Bestandsentwicklung und die Auswaschungsgefahr nur abgeschätzt werden können, erlaubt die zeitlich bedarfsgerechte Düngung geringere Risikoaufschläge, ist aber mit häufigeren Überfahrten verbunden.
Umsetzungshemmnisse und Beitrag der Maßnahmen zu den Strategiezielen
Viele der hier aufgeführten Verfahren stehen noch in der Anfangsphase, sodass zuverlässige Angaben zu Kosten und Wirkung fehlen. Dies hat zur Folge, dass die Techniken zur N-Effizienzsteigerung bei der Beratung der Landwirte entweder keine Rolle spielen oder zu viele Informationslücken enthalten, sodass diese einer Umsetzung skeptisch gegenüber stehen. Des Weiteren ist die Umsetzung mit z. T. hohen Investitionen in Maschinen und Technik (GPS, Sensortechnik etc.) sowie in Dünger-Zusatzstoffe verbunden. Durch den Einsatz anderer als der bisher verwendeten Maschinen zur Düngerausbringung kann sich die Arbeitsbreite verringern, was den Zeitaufwand und somit die Kosten anhebt. Je nach Maßnahme und den Voraussetzungen vor Ort ergeben sich unterschiedliche Hemmnisse. Dies sei hier am Beispiel des Präzisionslandbaus dargestellt: Die hohen Kosten der Technologie und die Komplexität der Technik stellen das Haupthemmnis für die Landwirte dar (Reichardt und Jürgens
2009). Auch lässt sich der ökonomische Vorteil des Präzisionslandbaus schwer quantifizieren (ebd.) und hängt von der Betriebsgröße, den Eigenschaften der genutzten Flächen und der Fruchtart ab, sodass die Kosten auf etwa −30 bis + 20 € ha
−1 geschätzt werden (Rösch et al.
2005). Teilflächenspezifische N-Düngung wurde 2005 auf etwa 3,4 % der Ackerflächen Deutschlands praktiziert (ebd.). Interviews auf landwirtschaftlichen Messen haben ergeben, dass die Zahl der Landwirte, die Präzisionslandbau einsetzen, zwischen 2001 und 2006 von 6,7 auf 11,0 % gestiegen ist, wobei diese vor allem in Ostdeutschland wirtschaften, wo die Betriebs- und Schlaggrößen über dem Bundesdurchschnitt liegen (Reichardt und Jürgens
2009). Dennoch ist die Haltung der Landwirte meist ablehnend, was z. T. an der Unkenntnis ökonomischer und ökologischer Effekte liegt (Rösch et al.
2005).
Eine Verbesserung der N-Effizienz trägt direkt zur THG-Einsparung bei. Zudem werden Reduktionen indirekter Emissionen durch die verringerte Produktion von mineralischem Stickstoff erzielt. Die effektivere Ausbringung hat durch die Reduzierung diffuser Nährstoffeinträge (v. a. Nitrat) in Grund- und Oberflächengewässer außerdem positive Effekte für den Gewässerschutz, sodass hier zum Erreichen der Wasserschutzziele beigetragen werden kann. Des Weiteren können Stickstoffüberschüsse als eutrophierende und versauernde Luftschadstoffe in empfindliche Ökosysteme eingetragen werden und die Bodenversauerung beschleunigen (Flessa et al.
2014), sodass deren Vermeidung dem Biodiversitätsschutz dient.
3.2.3.2 Überregionale Transporte von organischem Dünger aus Überschuss- in Zuschussregionen
Die Spezialisierung in der Landwirtschaft führt in Regionen mit intensiver Nutztierhaltung zu einem Überangebot an Wirtschaftsdünger. Die N-Überschüsse aus der Viehhaltung stehen oft in einem Missverhältnis zu der zur Verfügung stehenden Ausbringungsfläche. Gleichzeitig muss in vieharmen Regionen Mineraldünger eingesetzt werden, bei dem zusätzlich THG-Emissionen während der Produktion entstehen. Der Transport der Nährstoffüberschüsse der Veredelungsregionen in Ackerbauregionen kann in beiden Regionen zur Emissionsreduzierung beitragen. Aus Klimaschutzsicht gilt es dabei zu beachten, dass die bei der überregionalen Verteilung des Wirtschaftsdüngers anfallenden Transport-Emissionen die durch den geringeren Mineraldüngereinsatz eingesparten THG-Emissionen nicht überschreiten.
Zum aktuellen Stand überregionaler Wirtschaftsdüngertransporte sei auf die Nährstoffberichte der Bundesländer Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen hingewiesen. So wurden 2013/2014 in Niedersachsen 8400 abgebende Betriebe erfasst, die eine Nettomenge von ca. 17,7 Mio. t Wirtschaftsdünger meldeten, wovon 17.300 niedersächsische Betriebe 16,7 Mio. t und Betriebe in anderen Bundesländern sowie im Ausland 0,97 Mio. t aufnahmen. Die überregional verbrachte Wirtschaftsdüngermenge betrug 2,76 Mio. t, wovon die Region Weser-Ems 2,28 Mio. t in andere Regionen Niedersachsens transportiert hat. Hierbei ist Hannover mit 34 % die größte Aufnahmeregion des exportierten Wirtschaftsdüngers. Der Import spielt in Niedersachsen als viehstarkes Bundesland eine geringere Rolle: Aus anderen Bundesländern wurden 0,23 Mio. t Wirtschaftsdünger und Gärreste importiert; weitere 0,9 Mio. t kamen aus den Niederlanden. Für Niedersachsen wird auf Landesebene ein Stickstoffüberschuss von 67.000 t N bzw. 26 kg N ha
−1 angegeben, was „ein erhebliches Einsparpotenzial an Mineraldüngerstickstoff vermuten lässt“ (Landwirtschaftskammer Niedersachsen
2015). Nach Berechnungen von Kreins et al. (
2007) verursacht die Einhaltung der laut Düngeverordnung zulässigen regionalen N-Bilanzüberschüsse in den viehintensiven Regionen Niedersachsens rund 100 bis 140 Mio. € an Kosten, um die Wirtschaftsdüngerüberschüsse in Ackerbauregionen zu transportieren.
Nordrhein-Westfalen ist ebenfalls ein viehstarkes Land. Hier wurden für 2013 5800 Abgabe- und 13.300 Aufnahme-Betriebe gemeldet (2300 Betriebe waren beides). Insgesamt wurden 3,6 Mio. kg Stickstoff und 2,4 Mio. kg Phosphat aus Nordrhein-Westfalen exportiert. Aus den Niederlanden wurden 1,4 Mio. t Wirtschaftsdünger importiert (v. a. in die Regierungsbezirke Düsseldorf und Köln). Importe aus anderen Ländern und Bundesländern machten gut 10 % der aus den Niederlanden stammenden Wirtschaftsdüngermenge aus und stammten zu 90 % aus Niedersachsen. Auf Landesebene wird unter der Einbeziehung der Mineraldüngung ein N-Überschuss von 18 kg N ha
−1 angegeben (Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen
2014).
Bronsema et al. (
2012) modellierten unter Einhaltung der gesetzlichen Restriktionen zwei Szenarien für Wirtschaftsdüngertransporte (Flüssig- und Festdünger) innerhalb Niedersachsens und zeigten, dass aufgrund der hohen Transportkosten lediglich ein geringer Teil der Transporte im Vergleich zum Einsatz von Mineraldünger wirtschaftlich ist. Die Wirtschaftlichkeit ist hierbei vom Preisniveau des Energie- und Düngermarktes abhängig und könnte durch die Schaffung eines Mehrwertes, wie z. B. durch die Vergärung von Wirtschaftsdüngern in Biogasanlagen, verbessert werden (Bronsema et al.
2012). Durch die Erzeugung eines transportablen Guts, der nährstoffreichen Festphase, die z. B. durch Separierung gewonnen werden kann, lässt sich die Wirtschaftlichkeit überregionaler Transporte steigern. Ein Verfahren zur Gülleseparierung besteht seit den 1970er-Jahren, war aber aufgrund bisher fehlender Absatzmärkte ökonomisch nicht attraktiv (vgl. Kröger et al.
2014).
Die Reduzierung der Mineraldüngung durch überregionale Wirtschaftsdüngertransporte hat ein hohes Potenzial zur THG-Einsparung: Durch die Vermeidung von Dünge-Überschüssen lassen sich pro eingespartem Kilogramm Mineraldünger-Stickstoff inklusive der Emissionen aus der Bereitstellung 17,5 kg CO
2-Äqu. vermeiden (Flessa et al.
2012).
In Veredelungsregionen stellt der Düngerexport eine Alternative zur Flächenzupacht dar, wobei je nach Transportkosten- und Pachtpreishöhe die Wirtschaftlichkeit der einen oder anderen Option überwiegt. Hohe Transportkosten lassen den Einsatz von transportierten Wirtschaftsdüngern anstelle von Mineraldünger unattraktiv werden (vgl. Bronsema et al.
2012). Ein Vorteil von Mineral- gegenüber Wirtschaftsdüngern ist, dass bei ersteren die Nährstoffmenge gleichbleibend ist, sodass eine gezielte Düngung einfacher ist als mit Wirtschaftsdüngern. Außerdem ist Mineraldünger zeitlich flexibler einsetzbar.
Durch den überregionalen Handel mit organischem Dünger kann die N-Effizienz durch die Vermeidung von Überdüngung in Überschussregionen gesteigert und zugleich der Einsatz von Mineraldünger in Ackerbauregionen verringert werden. Dadurch können sich positive Effekte für den Gewässerschutz durch die Reduzierung diffuser Nährstoffeinträge (v. a. Nitrat) in Grund- und Oberflächengewässer ergeben, sodass zum Erreichen der Wasserschutzziele beigetragen werden kann. Allerdings ist darauf zu achten, dass durch die Ausbringung von in Ackerbauregionen transportierten Wirtschaftsdüngers die Erreichung von Wasserschutzzielen dieser Regionen nicht beeinträchtigen werden, was den Umfang der potenziell infrage kommenden Ackerbauregionen stark einschränkt. Des Weiteren können Stickstoffüberschüsse als eutrophierende und versauernde Luftschadstoffe in empfindliche Ökosysteme eingetragen werden und die Bodenversauerung beschleunigen (Flessa et al.
2014), sodass sich eine Reduzierung positiv auf die Biodiversität auswirken kann.
3.2.4 Substitution fossiler Energie durch Bioenergie
Hoher Energieverbrauch, Rückgang fossiler Brennstoffe und mit fossilen Brennstoffen in Verbindung stehende Umweltbeeinträchtigungen haben das Thema Bioenergie in den letzten Jahrzehnten stark vorangetrieben. Energiepflanzen
können für die Erzeugung von Biogas, Strom, Wärme sowie Biokraftstoffen genutzt werden. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)
hat zu einem starken Anstieg der Nutzung erneuerbarer Energien geführt, zu denen die Bioenergie zählt. So ist z. B. die Zahl der Biogasanlagen innerhalb von 13 Jahren um das 7,5-fache angestiegen: Während im Jahr 2000 1050 Biogasanlagen betrieben wurden, waren es 2013 bereits 7850 Anlagen (Fachverband Biogas e. V.
2014). Nachwachsende Rohstoffe machen fast die Hälfte der in Biogasanlagen eingesetzten Substratanteile aus (48 %); weitere Substrate sind Exkremente (Gülle, Mist: 44 %), industrielle und landwirtschaftliche Reststoffe (6 %) und Bioabfall (2 %; FNR
2014a).
Im Jahr 2014 wurden in Deutschland auf ca. 2,1 Mio. ha Energiepflanzen angebaut (FNR
2014a13), also auf etwa 12,6 % der landwirtschaftlichen Fläche. Dieser Flächenanteil steht je nach Verfahren mehr oder weniger stark ausgeprägt in Konkurrenz zur Nahrungs- und Futtermittelproduktion um knappe Produktionsmittel (v. a. Fläche; Gömann und Kreins
2012). Durch die Ausdehnung der Bioenergie-Verfahren wird in der Regel das Nahrungsmittelangebot eingeschränkt, was bei sonst gleichbleibenden Bedingungen zu einem Anstieg der Agrarpreise führt. Für eine Bewertung der Gesamtbilanz der Bioenergie müssen Landnutzungsänderungen aufgrund von Produktionsverlagerungen mit einbezogen werden. Hierbei wird zwischen direkten und indirekten Landnutzungsänderungen unterschieden. Bei der direkten Landnutzungsänderung
(dLUC) ändert sich die Nutzung einer bereits genutzten Fläche zur Nutzung für den Anbau von Energiepflanzen. Von indirekten Landnutzungsänderungen (iLUC) ist die Rede, wenn bisher nicht zur landwirtschaftlichen Produktion genutztes Land in Nutzung genommen wird, weil der Verwendungszweck oder die Produktionsmenge eines Rohstoffes sich ändert. Dies tritt ein, wenn der Anbau von Energiepflanzen den Anbau von Lebens- und Futtermitteln von Flächen verdrängt, die dann anderenorts angebaut werden, um die Nachfrage bedienen zu können sowie wenn durch die anderweitige Nutzung der Ernte die Lebensmittelpreise aufgrund einer Verknappung steigen und dies dazu führt, dass neue Flächen landwirtschaftlich erschlossen werden (Wicke et al.
2012). Diese mit der Bioenergiegewinnung in Verbindung stehenden indirekten Landnutzungsänderungen sind weder aus ökologischer noch politischer Sicht eine sinnvolle Strategie, da eingesparte THG-Emissionen aus fossilen Energieträgern überkompensiert werden können, wenn für neue Ackerflächen intakte Naturräume in anderen Ländern zerstört werden. Die Rodung von Regenwald für Ölpalmenplantagen ist hierfür ein gutes Beispiel (u. a. Schuler et al.
2014). Ravindranath et al. (
2009) entwickelten globale Szenarien zur Biokraftstoffproduktion und kamen zu dem Ergebnis, dass die Einbeziehung von Lebenszyklusanalysen/Lifecycle-Assessment sowie THG-Emissionen aus der Landnutzungsänderung wesentlich für die Bewertung des THG-Mitigationspotenzials von Biokraftstoffen sind. Werden ursprüngliche Ökosysteme für die Biokraftstoffproduktion umgewandelt, so ist die THG-Netto-Bilanz im Allgemeinen negativ (Ravindranath et al.
2009). Wenngleich Modellierungen von Landnutzungsänderungen ständig weiterentwickelt und verbessert werden, bestehen große Unsicherheiten bezüglich der Datengrundlagen und Annahmen, die die Erfassung der Komplexität von iLUC und deren Zuordnung schwierig gestalten (Wicke et al.
2012).
Wie bei iLUC
spielt die vorherige Nutzung bei dLUC eine entscheidende Rolle, wie Fritsche und Wiegmann (
2008), bezogen auf einen 20-Jahres-Zeitraum, zeigen: Beim Biomasseanbau auf vorherigem Grünland ergeben sich CO
2-Emissionen, die für den Anbau von Pappel-KUP mit 1,255 t CO
2 ha/a, für Rutenhirse mit 1,897 t CO
2 ha/a und für Mais, Raps oder Weizen mit 2,630 t CO
2 ha/a angegeben werden, während es beim Anbau auf Ackerstandorten aufgrund der Wurzelbildung bei Pappel-KUP zur Sequestrierung von 1,375 t CO
2 ha/a und bei Rutenhirse von 0,733 t CO
2 ha/a kommt. Die Kohlenstoffbilanz ist hingegen neutral, wenn ein Wechsel von einer Ackerkultur zu einer anderen erfolgt (Fritsche und Wiegmann
2008). Deller et al. (
2011) zeigen, dass die Umstellung von Ackernutzung mit einjährigen Marktfrüchten zu mehrjährigen nachwachsenden Rohstoffen (Miscanthus, Weide, Pappeln) zu beachtlicher C
org-Anreicherung im Boden führt.
Neben der untersuchten flächenbasierten Bioenergie-Produktion soll an dieser Stelle kurz auf die güllebasierte Biogaserzeugung eingegangen werden.
Flessa et al. (
2012) verglichen Minderungspotenziale verschiedener bioenergetischer Nutzungspfade mit und ohne Einbeziehung von iLUC und zeigten, dass die höchsten THG-Einsparungen von 1237 g CO
2-Äqu.kWh
−1 durch die güllebasierte Biogaserzeugung erzielt werden können. Unter Einbeziehung von iLUC kommt es beim Einsatz von Bioethanol aus Getreide sowie Biodiesel aus Raps sogar zu einer zusätzlichen Klimabelastung. Für die Verwendung von Holzhackschnitzeln aus Kurzumtriebsplantagen zur Strom- und Wärmeerzeugung sowie für die Biogaserzeugung aus Mais können trotz iLUC THG-Einsparungen entstehen, wobei die potenzielle Klimaschutzleistung der Bioenergieträger maßgeblich von der Art der Verwertungslinie beeinflusst wird (Flessa et al.
2012).
Die regionale Allokation des Anbaus von Bioenergie-Kulturen hängt u. a. von den Standortgegebenheiten und unternehmerischen Entscheidungen ab. Aufgrund der bei vielen Verfahren hohen Transportkosten richtet sich der Anbau nach der regionalen bzw. lokalen Nachfrage nach Biomasse, d. h. nach vorhandenen Anlagen (z. B. Biogas- oder Holzhackschnitzelanlagen), die die produzierte Biomasse zur Erzeugung von Biogas, Strom und/oder Wärme benötigen.
Durch die Substitution fossiler Energieträger ist ein Beitrag zum Klimaschutz möglich, wenn die Emissionen aus Düngeraufwendung sowie direkter und indirekter Landnutzungsänderung niedriger als die CO
2-Einsparung aus fossilen Energien sind. Die Klimabilanz ist dabei stark abhängig von der Umsetzung des Verfahrens und fällt bei mehrjährigen Anbauarten im Allgemeinen positiver aus als bei einjährigen (WBGU
2009). Durch den Anbau von Bioenergiepflanzen können aber auch zahlreiche Umweltprobleme auftreten, die durch Intensivierung (gesteigerte Düngung, Pestizideinsatz), ausgedehnte Monokulturen oder Umwandlung von Grünland zu Acker (z. B. für Maisanbau) entstehen. Als gesellschaftliche Vorteile sind die Verringerung der nationalen Abhängigkeit von Energieimporten und die Schaffung neuer Wertschöpfungsketten in ländlichen Räumen zu nennen.
Die Zielsetzung der in diesem Abschnitt aufgeführten Maßnahmen ist die Verringerung von THG-Emissionen, indem fossile Energieträger durch nachwachsende Rohstoffe substituiert werden. Es werden ein- und mehrjährige Anbaukulturen sowie landwirtschaftliche Nebenprodukte betrachtet.
3.2.4.1 Anbau einjähriger Biomassekulturen
Einjährige Energiepflanzen zur Erzeugung erneuerbarer Energien sind Kulturen, die sonst für die Nahrungs- und Futtermittelproduktion genutzt werden. Diese Kulturen bieten den Vorteil, dass die herkömmlichen Anbaumethoden angewandt werden können, Erfahrungen mit der Anbaukultur bestehen und Märkte bereits vorhanden sind. Die höchsten Flächenanteile in Deutschland haben Silomais (Energiemais für Biogasproduktion: 0,9 Mio. ha in 2014; entspricht 35 % der Maisanbaufläche; FNR
2014b) und Raps (Raps für Biodiesel/Pflanzenöle: 0,629 Mio. ha in 2014, FNR
2014a). Weitere, verbreitete Bioenergiekulturen sind Getreide und Zuckerrüben. Energiepflanzen können für die Erzeugung von Biogas, Strom, Wärme sowie Biokraftstoffen genutzt werden.
Das THG-Vermeidungspotenzial beim Anbau annueller Kulturen für Biogasanlagen ist mit 6 bis 10 t CO
2-Äqu. ha/a (ohne dLUC/iLUC) wesentlich höher als bei Raps für Biodiesel (2,5 t CO
2-Äqu. ha/a) und kohlehydratreichen Kulturen zur Produktion von Bioethanol (z. B. Zuckerrüben oder Weizen, ca. 2 t CO
2-Äqu. ha/a; Schuler et al.
2014). Ebenso weisen die THG-Vermeidungskosten große Unterschiede auf und liegen bei Raps für Biodiesel mit ca. 175 € t
−1 CO
2-Äqu. unter den Kosten für annuelle Kulturen für Biogasanlagen (250 bis 400 € t
−1 CO
2-Äqu.; 500 kW-Anlage, Referenzpreis konventioneller Strom-Mix) und kohlehydratreiche Kulturen (ca. 459 € t
−1 CO
2-Äqu.; Schuler et al.
2014).
Ein Vorteil gegenüber mehrjährigen Anbaukulturen ist der jährliche Ertrag und die Flexibilität, die Nutzung im Folgejahr ändern zu können. Da die einjährigen Bioenergiekulturen auch als Lebensmittel genutzt werden könnten, steht ihr Anbau in gesellschaftlicher Kritik. Vor allem der großflächige Anbau von Silomais für Biogasanlagen stößt in der Öffentlichkeit zunehmend auf Ablehnung. Alternative Bioenergie-Kulturen sind zwar vorhanden, schneiden allerdings in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit in der Regel schlechter ab als Mais, auch wenn für ihren Anbau erprobte Verfahren zur technischen Umsetzung überwiegend vorhanden sind. Die Anreize zur Förderung ihres Anbaus sind derzeit unzureichend. Der massebezogene Substrateinsatz nachwachsender Rohstoffe in Biogasanlagen setzt sich derzeit zu 73 % aus Maissilage, 12 % Grassilage, 7 % Getreide-Ganzpflanzensilage, 2 % Getreidekorn, 2 % Landschaftspflegematerial, 1 % Zwischenfrüchte, 2 % Zuckerrüben, 1 % Sonstiges zusammen (Angaben für 2013; FNR
2014a).
Durch den Einsatz annueller Kulturen zur Bioenergiegewinnung können fossile Rohstoffe und damit in Verbindung stehende THG-Emissionen eingespart werden. Wichtig ist hierbei, dass keine negativen Effekte durch dLUC und iLUC entstehen, wodurch Emissionen lediglich verlagert und oftmals erhöht werden (Abschn.
3.2.4). Für den Natur- und Umweltschutz können sich Nachteile ergeben, wenn es zu Landnutzungsänderungen kommt oder die Anbauintensität auf bisher genutzten Flächen gesteigert wird. Eine Intensivierung tritt auf, da der energetische Biomasseanbau in Konkurrenz zur Nahrungs- und Futtermittelproduktion steht und so die Nachfrage steigt. Ein möglicher Vorteil ist eine Erhöhung der Anbaudiversität durch den Anbau alternativer Energiepflanzen.
3.2.4.2 Anbau mehrjähriger Biomassekulturen
Der Anbau mehrjähriger Kulturen steht in Deutschland noch am Anfang; Züchtung und Anbautechnik werden noch optimiert (FNR
2015). So beträgt der derzeitige Anbauumfang von Kurzumtriebsplantagen (KUP)
ca. 5000 ha, wobei überwiegend Pappeln angebaut werden (FNR
2011). Für Miscanthus wird die Anbaufläche in Deutschland auf etwa 3000 ha geschätzt (Jahr 2011; Pude
2012), während es für die Durchwachsene Silphie 2011 ca. 150 ha waren (FNR
2012).
Das THG-Vermeidungspotenzial mehrjähriger Kulturen wie mehrjährigen Gräsern und Leguminosen für Biogasanlagen liegt zwischen 0,6 bis über 10 [
\( {\text{t}}_{{{\text{CO}}_{ 2} - \ddot{\text{A}}{\rm{qu}} .}} / ( {\text{ha*a}}) \)]; für KUP werden 5 bis 20 [
\( {\text{t}}_{{{\text{CO}}_{ 2} - \ddot{\text{A}}{\rm{qu}} .}} / ( {\text{ha*a)}} \)] (Grundlage Hackschnitzel-BHKW; Schuler et al.
2014) bzw. ca. 10 [
\( {\text{t}}_{{{\text{CO}}_{ 2} - \ddot{\text{A}}{\rm{qu}} .}} / {\text{ha}} \)] (Osterburg et al.
2013) angegeben. Werden mehrjährige Arten auf ehemaligem Ackerland angebaut, können sie zusätzlich Kohlenstoff im Boden sequestrieren: Pappeln und Weiden ca. 44 MgC ha/a, Miscanthus 0,66 MgC ha/a. Beim Anbau der mehrjährigen Kulturen auf Grünland ergeben sich keine positiven oder sogar negative C-Bilanzen (Don et al.
2012). Für die THG-Vermeidungskosten für KUP geben Schuler et al. (
2014), bezogen auf eine kombinierte Strom- und Wärmeerzeugung, 50 € [
\( {\text{t}}_{{{\text{CO}}_{ 2} - \ddot{\text{A}}{\rm{qu}} .}} \)] an. Osterburg et al. (
2013) decken diesen Wert mit ihrer Angabe von einer Spanne von −25 bis 75 € [
\( {\text{t}}_{{{\text{CO}}_{ 2} - \ddot{\text{A}}{\rm{qu}} .}} \)]. ab.
Ein Nachteil gegenüber einjährigen Anbaukulturen ist, dass nicht jedes Jahr eine Ernte stattfindet und somit kein jährlicher Ertrag erzielt werden kann. Auch entfällt die Flexibilität, die Nutzung im Folgejahr ändern zu können. Dies ist vor allem bei Pachtverträgen, die meist eine kürzere Laufzeit haben als die Länge der Flächenfestlegung beim Anbau mehrjähriger Kulturen, hinderlich. Weiter sind die Etablierungskosten z. B. bei KUP recht hoch und aufgrund unzureichender Förderanreize oftmals nicht attraktiv. Für viele mehrjährige Biomassekulturen fehlen bisher noch ausreichende Praxiserfahrungen (z. B. Durchwachsene Silphie) und geeignete Infrastrukturen. Darüber hinaus sind z. T. spezielle Maschinen notwendig, was Investitionen mit sich bringt. Ein Vorteil ist je nach Anbaukultur die bessere Verteilung von Arbeitsspitzen, da beispielsweise Miscanthus und KUP im Winter geerntet werden.
Durch den Einsatz mehrjähriger Kulturen zur Bioenergiegewinnung können fossile Rohstoffe und damit in Verbindung stehende THG-Emissionen eingespart werden. Wichtig ist hierbei, dass keine negativen Effekte durch dLUC und iLUC entstehen, wodurch Emissionen lediglich verlagert und oftmals erhöht werden (Abschn.
3.2.4). Für den Natur- und Umweltschutz können sich Nachteile ergeben, wenn es zu Landnutzungsänderungen kommt oder die Anbauintensität auf bisher genutzten Flächen gesteigert wird, da der Biomasseanbau in Konkurrenz zur Nahrungs- und Futtermittelproduktion steht. Positive Auswirkungen ergeben sich in Abhängigkeit von der Anbaukultur durch die längere Bodenruhe mehrjähriger Anbauverfahren, Erosionsschutz durch Wurzelbildung und dauernde Bodenbedeckung, den geringeren Energie-, Düngemittel- und Pestizideinsatz sowie die geringe Bodenbearbeitungsintensität. Die Erhöhung der Anbaudiversität kann für bestimmte Arten Vorteile mit sich bringen, wobei die Standortwahl entscheidend ist. So ist die von Juli bis September blühende Durchwachsene Silphie eine ergiebige Nektar- und Pollenquelle für Honigbienen, hat allerdings für Wildbienen und andere Insektenarten keinen Vorteil sondern birgt sogar die Gefahr, dass sie auf Restarealen etabliert wird, die wichtige Rückzugsräume darstellen (Schmid-Egger und Witt
2014).
3.2.4.3 Stärkerer Fokus auf landwirtschaftlichen Nebenprodukten in der Biomassennutzung
Biogene Reststoffe fallen bei einer anderen Biomassenutzung an und werden im Gegensatz zu Energiepflanzen nicht für die Bioenergieerzeugung
angebaut. Sie können zur Strom-, Wärme- und Biokraftstoffproduktion genutzt werden. Zu unterscheiden sind primäre Reststoffe, die bei der Ernte als erstem Schritt der Produktionskette anfallen (Erntereste), sekundäre Reststoffe aus weiteren Verarbeitungsschritten (Nahrungsmittel-, Tierproduktion) sowie nach einem (teilweisen) Endkonsum (Nahrung, Energie) anfallende tertiäre Reststoffe (Hoogwijk et al.
2013; Zeller et al.
2013). Beispiele sind Stroh, Rübenblätter, Wirtschaftsdünger, Bio- und Grünabfälle, Rapspresskuchen und Trester. Ihr Vorteil liegt darin, dass sie als Nebenprodukt ohnehin anfallen und nicht angebaut werden, sodass keine zusätzlichen Flächen in Anspruch genommen werden und keine Konkurrenzsituation zu anderen landwirtschaftlichen Nutzungen besteht.
Durch die thermische Nutzung landwirtschaftlicher Reststoffe können ca. 3 bis 13 [
\( {\text{t}}_{{{\text{CO}}_{ 2} - \ddot{\text{A}}{\rm{qu}} .}} / ( {\text{ha*a)}} \)] vermieden werden, durch die Vergärung in Biogasanlagen ca. 3 [
\( {\text{t}}_{{{\text{CO}}_{ 2} - \ddot{\text{A}}{\rm{qu}} .}} / ( {\text{ha*a)}} \)] und durch die Erzeugung von Biokraftstoffen aus Reststoffen bis zu 1,8 [
\( {\text{t}}_{{{\text{CO}}_{ 2} - \ddot{\text{A}}{\rm{qu}} .}} / ( {\text{ha*a)}} \)] (Schuler et al.
2014). Die THG-Vermeidungskosten belaufen sich bei thermischer Nutzung auf etwa 45 € [
\( {\text{t}}_{{{\text{CO}}_{ 2} - \ddot{\text{A}}{\rm{qu}} .}} \)]. (Co-Verbrennung Stroh in Kohlekraftwerken) bis 130 € [
\( {\text{t}}_{{{\text{CO}}_{ 2} - \ddot{\text{A}}{\rm{qu}} .}} \)] (Getreideheizung: Ausschuss), bei Vergärung auf 60 bis 120 € [
\( {\text{t}}_{{{\text{CO}}_{ 2} - \ddot{\text{A}}{\rm{qu}} .}} \) (95 % Masseanteile) und sind für den einfach mobilisierbaren Anteil mit „gering“ angegeben (Schuler et al.
2014).
Eine Studie des DBFZ (Zeller et al.
2013) zur nachhaltigen Strohnutzung aus dem Getreide- und Rapsanbau gibt für die Strohnutzung THG-Emissionen von ca. 8 bis 40 [
\( {\text{g}}_{{{\text{CO}}_{ 2} - \ddot{\text{A}}{\rm{qu}} .}} / {\text{MJ}} \)] an, wobei THG-Einsparungen gegenüber durchschnittlicher fossiler Referenz von 52 bis 126 [
\( {\text{g}}_{{{\text{CO}}_{ 2} - \ddot{\text{A}}{\rm{qu}} .}} / {\text{MJ}} \)] mit dem größten Potenzial für KWK-Konzepte möglich sind; jährlich könnten in Deutschland mit einer nachhaltigen Strohnutzung bis zu 13,5 Mio. [
\( {\text{t}}_{{{\text{CO}}_{ 2} - \ddot{\text{A}}{\rm{qu}} .}} \)] vermieden werden (Zeller et al.
2013).
Die FNR (
2014a) schätzt das Potenzial für landwirtschaftliche Koppelprodukte und Reststoffe am Gesamtenergiebedarf Deutschlands (6950 PJ) für das Jahr 2050 auf 4 % (entspr. 300 PJ), weitere 3 % entfallen auf sonstige biogene Reststoffe (240 PJ). Insgesamt wird das Bioenergiepotenzial mit 23 % am Gesamtenergiebedarf angenommen (FNR
2014a). Für die nachhaltige Strohnutzung aus dem Getreide- und Rapsanbau liegt das Potenzial, in Abhängigkeit der verwendeten Methode zur Humusbilanzierung, bei 8 bis 13 Mio. [
\( {\text{t}}_{\text{FM}} / {\text{a}} \)], was 27 bis 43 % der Getreidestrohmenge entspricht (Zeller et al.
2013). Stroh ist zur Strom-, Wärme- und Biokraftstoffproduktion verwendbar (Mühlenhoff
2013).
Das Aufkommen primärer, landwirtschaftlicher Reststoffe aus Stroh und Ernterückständen von Hackfrüchten beträgt etwa 60,5 Mio. [
\( {\text{t}}_{\text{FM}} / {\text{a}} \)], wovon aktuell lediglich ein sehr geringer Teil des Getreidestrohs energetisch genutzt wird (Tab.
3.2; Zeller et al.
2013). Die sekundären und tertiären Reststoffe belaufen sich auf 155 Mio. [
\( {\text{t}}_{\text{FM}} / {\text{a}} \)], wobei von der Rinder- und Schweinegülle 11,6 % als Biogassubstrat und vom Festmist 2,6 % als Biogassubstrat verwendet werden. Bezogen auf die Trockenmasse machen Stroh und Ernterückstände 63 % der Reststoffe aus, was einem sehr hohen theoretischen Potenzial entspricht (Zeller et al.
2013). Der Heizwert des Strohs ist vergleichsweise hoch. Übernimmt man die für eine nachhaltige Nutzung von Zeller et al. (
2013) angegebenen 27 bis 43 % der Getreidestrohmenge, liegt der Heizwert bei 114.400 bis 185.900 Mio. [MJ
\( / {\text{a}} \)], und somit immer noch über dem für Mist und Gülle angegebenen Wert. Aus transporttechnischer Sicht hat Stroh den Vorteil eines mit 14 % geringen Wassergehalts, der beim Rübenblatt bei 82 % liegt (Zeller et al.
2013).
Tab. 3.2
Aufkommen landwirtschaftlicher Reststoffe (Mittelwerte 1999–2007). (Quelle: Erweitert nach Zeller et al. (
2013) und Heizwerte (z. T. FNR
2014aa; FNR
2014cb))
Getreidestroh (Winter-, Sommerweizen, Roggen, Winter-, Sommergerste, Triticale, Hafer) | 30 | 25,8 | 14.300 | 429.000 |
Rapsstroh | 7,5 | 6,4 | 14.200a | 106.500 |
Körnermaisstroh | 4 | 3,1 | | |
Ernterückstände Hackfrüchte (Kartoffel, Zuckerrübe) | 19 | 3,1 | 1.357 (Rübenblatt) | 25.783 |
Rapspresskuchen | 3 | 2,7 | 30.600 (w < 5 %)b | 91.800 |
Rinder- und Schweinegülle | 122 | 12,2 | 538/653 | 65.636/79.666 |
Festmist (Rinder-, Schweine-, Pferde-, Schafs-, Geflügelkot inkl. Hühnertrockenkot) | 30 | 7,5 | 646/1.292/1.723 (Rind, Schwein, Huhn) | 19.380/38.760/51.690 |
GESAMT | 215,5 | 60,8 | | |
Zu den ökonomischen Hemmnissen zählen Investitions- und Transportkosten, die für Stroh höhere Gestehungskosten als bei konventioneller Bioenergie-Bereitstellung bewirken (Zeller et al.
2013). Darüber hinaus muss eine entsprechende Infrastruktur mit Abnehmern vorhanden sein.
Durch die bioenergetische Nutzung von landwirtschaftlichen Nebenprodukten können fossile Brennstoffe substituiert und THG-Emissionen eingespart werden. Bei vollständiger Ernte würden die Böden Humus und Nährstoffe verlieren, sodass zum Ertragserhalt gedüngt werden müsste. Dem kann mit einer Beschränkung der Entnahme von Stroh und Ernteresten entgegengewirkt werden, sodass trotz Nutzung ein Beitrag zum Bodenkohlenstoffhaushalt erfolgt. Des Weiteren kann der Düngemitteleinsatz durch eine andere Sortenwahl, von z. B. Sorten mit höherem Strohertrag, steigen. Durch den Einsatz von Gärresten aus Biogasanlagen kann Mineraldünger substituiert werden. Für die Bioenergieerzeugung ist die Maßnahme gut geeignet. Für den Natur- und Umweltschutz ist positiv zu beurteilen, dass kein zusätzlicher Flächenverbrauch anfällt. Allerdings darf keine vollständige Ernte erfolgen (s. o.).
3.2.4.4 Erhalt und Schaffung von Treibhausgassenken
Böden speichern unterschiedliche Mengen an Kohlenstoff. Auch die Bodennutzung ist für die Speicherung ausschlaggebend. So wird unter Grünland wesentlich mehr Kohlenstoff sequestriert als unter Ackerland. Weiter ist die Speicherung z. B. auf alten, humosen sowie moorigen Grünland-Standorten höher als unter jungem Grünland auf Mineralböden (Schuler et al.
2014). Kommt es zum Grünlandumbruch, werden THG-Emissionen freigesetzt. Diese Emissionen sind bei organischen Standorten wesentlich höher als bei Mineralböden. Der Erhalt von Grünland sowie die Ackerumwandlung in Grünland tragen zur THG-Einsparung bei (Abschn.
3.2.4.5).
Bei der Nutzung organischer Böden ist der Wasserstand entscheidend für die Höhe der THG-Emissionen. Die Vermeidung der Entwässerung organischer Böden sowie Wiedervernässung
können zum Erhalt noch vorhandener THG-Senken wesentlich beitragen (Abschn.
3.2.2).
Hinsichtlich möglicher Humusanreicherungen durch pfluglose und konservierende Bodenbearbeitung gehen die Meinungen auseinander. Studien berichten sowohl von negativen (z. B. Six et al. (
2002): −0,2 [
\( {\text{t}}_{{{\text{CO}}_{ 2} - \ddot{\text{A}}{\rm{qu}} .}} \)/(ha*a)]; Oorts et al. (
2007): −0,17 ± 0,07 [
\( {\text{t}}_{{{\text{CO}}_{ 2} - \ddot{\text{A}}{\rm{qu}} .}} \)/(ha*a)]) als auch von positiven THG-Bilanzen (z. B. Smith et al. (
2008): 0,53 (−0,04–1,12) [
\( {\text{t}}_{{{\text{CO}}_{ 2} - \ddot{\text{A}}{\rm{qu}} .}} \)/(ha*a)]; Naumann und Frelih-Larsen (
2010): 0,25 bzw. 0,94 [
\( {\text{t}}_{{{\text{CO}}_{ 2} - \ddot{\text{A}}{\rm{qu}} .}} \)/(ha*a)] für reduzierte bzw. keine Bodenbearbeitung), was auch an den unterschiedlichen Untersuchungsdesigns liegen dürfte. Einen umfassenden Überblick hierzu liefern Flessa et al. (
2012). Die Analysen müssten größere Bodentiefen und neben Kohlenstoff auch Lachgas umfassen. Dies ist oft nicht gegeben. Studien, die den IPCC-Ansatz
verwenden, bei dem lediglich die Kohlenstoffspeicherung im Oberboden bis in maximal 30 cm Bodentiefe untersucht wird, kommen zu positiven Bilanzen. Pfluglose und konservierende Bodenbearbeitung sowie Direktsaat führen nachweislich zur Humusanreicherung in den ersten 15 cm Bodentiefe. Wird die Bilanzierung jedoch bis in 40 bis 60 cm vorgenommen, treten zumeist keine Differenzen gegenüber konventioneller Bearbeitung auf, da in den Unterböden gepflügter Böden oft höhere Humusgehalte festgestellt werden; Grund hierfür ist die Einarbeitung des organischen Materials und die langsame Zersetzungsrate in tieferen Bodenschichten. Weiter können Lachgas-Emissionen
die THG-Bilanz von Bodenbearbeitungssystemen in Abhängigkeit von Standortfaktoren (Klima, Bodenstruktur) entscheidend beeinflussen. Flessa et al. (
2012) kommen zu dem Ergebnis, dass derzeit keine wissenschaftlich gesicherte Klimawirksamkeit bodenkonservierender Verfahren möglich ist und weisen auf mögliche Ertragsunsicherheiten hin. Gesichert ist lediglich die THG-Einsparung über den reduzierten Dieselverbrauch, der als relativ gering angegeben wird. Die Vorteile einer pfluglosen Bodenbearbeitung bestehen bzgl. der Bodeneigenschaften im Aufbau eines ungestörten Makroporensystems, Erosionsschutz, erhöhter Wasserinfiltration und Bodenfruchtbarkeit sowie geringeren Nährstoffausträgen. Durch die Humusanreicherung im Oberboden ist eine Steigerung der Biodiversität möglich (Tebrügge
2003). Allerdings ist eine dauerhafte und stark reduzierte Bodenbearbeitung durch Fruchtfolgeprobleme wie Pilz- und Insektenbefall begrenzt (Osterburg et al.
2009), was ggf. den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln erhöht. Besonders aus Sicht des Ökolandbaus stellt die wendende Pflugbodenbearbeitung die effektivste mechanische Unkrautkontrolle dar; weiter erhöht die Bodenlockerung durch Pflugeinsatz die mikrobielle N-Mineralisation und damit den Ertrag (Bloch und Bachinger
2010).
Aufgrund unserer Literaturanalyse und dem vorrangigen Ziel, möglichst hohe THG-Einsparungen in der landwirtschaftlichen Bodennutzung zu erzielen, wurde die Maßnahme pfluglose bzw. konservierende Bodenbearbeitung ausgeschlossen. Im Folgenden wird Grünlandnutzung als sehr effiziente THG-Senke näher betrachtet.
3.2.4.5 Grünlandnutzung
In den letzten Jahren ist der Konkurrenzdruck auf Flächen aufgrund zunehmender Erzeugerpreise durch die steigende Nachfrage im Nahrungs- und Energiesektor sowie durch die Konkurrenz zwischen Energie- und Nahrungs- sowie Futtermittelproduktion gestiegen. Dies führte zu einer Intensivierung der Landwirtschaft, Reaktivierung von Stilllegungsflächen und der Umwandlung von Grünland
in Ackerland (Gensior et al.
2012).
In Deutschland hat sich der Umfang der Grünlandfläche zwischen 1991 und 2012 um 0,7 Mio. ha (15 %) von 4,6 Mio. ha auf 3,9 Mio. ha reduziert, wohingegen die Ackerfläche um 0,3 Mio. ha auf 11,8 Mio. ha anstieg (Laggner et al.
2014). Bei der Umwandlung von Grünland zu Acker kommt es über die verstärkte Mineralisation organischer Bodensubstanz zur Freisetzung von überwiegend CO
2 und in geringerem Ausmaß N
2O (Osterburg et al.
2013). Hierbei erfolgt die CO
2-Freisetzung zunächst sehr schnell; ein Gleichgewicht des Bodenkohlenstoffgehaltes stellt sich, in Abhängigkeit von Temperatur, Niederschlag, Bodentiefe und Lehmgehalt, nach ca. 17 Jahren ein. Der ursprüngliche Bodenkohlenstoffgehalt reduziert sich in diesem Zeitraum um etwa 36 % (Poeplau et al.
2011). Anders herum wird bei einer Landnutzungsänderung von Acker zu Grünland Kohlenstoff im Boden sequestriert und somit eine THG-Senke geschaffen (NIR
2014). Durch die Anlage von Grünland wird eine dauerhafte Senke mit einer CO
2-Anreicherung um im Mittel etwa 128 % etabliert, wobei auch nach 100 Jahren noch kein CO
2-Gleichgewicht wiederhergestellt ist (Poeplau et al.
2011); die Neuanlage von Grünland kann also nicht zeitnah die durch einen Grünlandumbruch rasch verursachten CO
2-Emissionen kompensieren.
Die Kohlenstoffspeicherung im Boden ist unter Grünland wesentlich größer als unter Acker (s. o.). Bodenbürtige THG-Emissionen aus der Umwandlung von Grünland zu Acker beliefen sich nach der Nationalen THG-Berichterstattung im Jahr 2012 auf 2986
\( {\text{kt}}_{{{\text{CO}}_{ 2} - \ddot{\text{A}}{\rm{qu}} .}} \) für organische Böden bei einer Fläche von 74,03
\( {\text{kha}} \) und auf 3312
\( {\text{kt}}_{{{\text{CO}}_{ 2} - \ddot{\text{A}}{\rm{qu}} .}} \) für Mineralböden bei einer Fläche von 1.038,1
\( {\text{kha}} \) (Berechnung S. Baum nach NIR
2014); 47 % der durch Umbruch von Grünland zu Acker verursachten THG-Emissionen entstammten also aus organischen Böden, die lediglich 6,7 % der umgebrochenen Flächen ausmachten. Dies zeigt, dass insbesondere auf organischen Standorten ein Grünlandumbruch vermieden werden sollte.
Bei einem zehnjährigen Betrachtungszeitraum lassen sich über die Ackerflächenumwandlung zu Grünland etwa 10 [
\( {\text{t}}_{{{\text{CO}}_{ 2} - \ddot{\text{A}}{\rm{qu}} .}} \)/(ha*a)] einsparen. Unter Einbeziehung eines verminderten N-Austrags um 50 [
\( {\text{kg N}}_{ .} \)/(ha*a)]; belaufen sich die THG-Vermeidungskosten auf 35 bis 55 € [
\( {\text{t}}_{{{\text{CO}}_{ 2} - \ddot{\text{A}}{\rm{qu}} .}} \)] (Osterburg et al.
2009). Entsprechend lassen sich durch den Erhalt von Grünland gut 10 [
\( {\text{t}}_{{{\text{CO}}_{ 2} - \ddot{\text{A}}{\rm{qu}} .}} \)/(ha*a)] vermeiden. Direkte Kosten sind hiermit nicht verbunden, Opportunitätskosten sind jedoch möglich. Diese belaufen sich je nach Ausgangsbedingungen auf ca. 15 bis 60 € [
\( {\text{t}}_{{{\text{CO}}_{ 2} - \ddot{\text{A}}{\rm{qu}} .}} \)] (Osterburg et al.
2009).
Aus Sicht der Landwirte stehen der Ackerflächenumwandlung zu Grünland Opportunitätskosten entgegen, die sich aufgrund gestiegener Flächennutzungskonkurrenzen der letzten Jahre ebenfalls erhöht haben. Dies gilt ebenso für den Grünlanderhalt, wenn dieses auch für eine anderweitige Nutzung geeignet ist. Da allerdings in der Vergangenheit viel Grünland umgebrochen wurde, ist heute kaum noch umbruchsfähiges Grünland vorhanden. Die Umwandlung von Acker zu Grünland kann zu indirekten Verlagerungseffekten in Form von intensiverer Ackernutzung anderenorts führen, da die Produktivität auf dem Acker höher als auf dem Grünland ist.
Durch die Schaffung und den Erhalt von Grünland kann eine THG-Senke geschaffen bzw. erhalten werden, sodass diese Maßnahmen für die Strategie „Klimaschutz“ gut geeignet sind. Dies gilt insbesondere für organische Böden. Für die Strategie „Bioenergie“ sind diese Maßnahmen ungeeignet, da durch eine Ackernutzung mehr Biomasse gewonnen werden könnte. Für den Natur- und Umweltschutz ist die Maßnahme „Grünlanderhalt“ sehr gut geeignet, da so der Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten erhalten bleibt, darunter zahlreiche gesetzlich geschützte. Weiter sind Erosionsschutz, positiver Einfluss auf Temperaturausgleich und Luftfeuchte sowie die Vermeidung von Nitratauswaschungen zu nennen (Schuler et al.
2014). Auch die „Ackerflächenumwandlung zu Grünland“ ist gut geeignet, wenngleich eine Umwandlung nicht den Verlust der ökologischen Funktionen durch Grünlandumbruch kompensieren kann (Nitsch et al.
2010).
Im Folgenden wird unter der Maßnahme „Erhalt von Grünland“ der Trend der Anbaustrukturentwicklung vom Grünlandumbruch zur Schaffung von Ackerflächen unterbunden. Bei der Maßnahme „Ackerflächenumwandlung in Grünland“ werden Ackerflächen in Grünland umgewandelt, wobei Grünlandetablierung durch Selbstbegrünung oder Ansaat erfolgt.