Der Immobiliensektor navigiert in schwierigem Fahrwasser. Kredite sind teuer und Investoren wie Käufer stehen bei neuen Wohn- und Gewerbeobjekten nicht Schlange. Ein Umdenken ist erforderlich - bei Planung, Finanzierung und Bau.
Ein Patentrezept, mit dem sich der Immobilienmarkt nachhaltig ankurbeln lässt, gibt es nicht.
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Das Beratungshaus Barkow Consulting gibt das Volumen neuer Hypothekarkredite für März 2024 mit 15,4 Milliarden Euro an - nach 14,2 Milliarden im Februar und 14,6 Milliarden im Januar. Das sei der höchste Wert seit dem Einbruch des Immobilienmarktes nach der Zinswende. Gegenüber dem Vormonat macht das ein sattes Plus von acht Prozent. Doch der Vergleich mit dem Vorjahr zeigt kaum eine Veränderung (15,3 Milliarden Euro). Zudem gelte der März neben dem Juli als zweitstärkster Monat im Immobilienjahr.
Vergaberichtlinien noch immer ein Hindernis
So sind die Zinsen für Häuser und Wohnungen von Januar auf Februar 2024 nur um 0,1 auf 3,8 Prozent gefallen, heißt es im Monatsbericht der Europäischen Zentralbank (EZB) vom März. Allerdings haben sich die Vergaberichtlinien von Banken und Sparkassen mittlerweile etwas gelockert. Dennoch bleibe die Lage angespannt: "Die Wirtschaftstätigkeit im Immobiliensegment ist weiter rückläufig, weshalb sich das Verbrauchervertrauen um ein historisch niedriges Niveau bewegt", so die EZB.
Vom einstigen Immobilienboom, der sich zwischen 2010 und 2022 von niedrigen Zinsen, einer guten Konjunktur und einer hohen Flächennachfrage nährte, ist damit kaum etwas geblieben. Aufgrund stark gestiegener Baukosten und hoher Hürden bei der Kreditvergabe ist die Baubranche massiv ins Schlingern geraten.
Baukredite um ein Drittel gesunken
Die im Verband deutscher Pfandbriefbanken zusammengeschlossenen Häuser vergaben im vergangenen Jahr Kredite in Höhe von insgesamt 110 Milliarden Euro für den Bau und Erwerb von Wohn- und Gewerbeimmobilien. Das ist ein Minus von 31,3 Prozent gegenüber 2022. Dabei fiel der Rückgang bei Gewerbeprojekten mit 23,8 Prozent deutlich niedriger aus als bei Wohnimmobilien mit 35,8 Prozent.
Die Entwicklung der Immobilienkreditvergabe von 2020 bis 2023 laut Verband deutscher Pfandbriefbanken.
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Käufer warten auf besseres Umfeld
"Die Erschwinglichkeit von Wohneigentum - also Preis plus Zinsaufwand im Verhältnis zum verfügbaren Einkommen - hatte sich 2022 dramatisch verschlechtert, als sich die Hypothekenzinsen mehr als verdoppelten", beschreibt Deutsche Bank Research die Lage im Deutschland-Monitor vom 8. Mai. 2023 habe sich dieses Niveau kaum verändert. Im Vorjahr standen erneut gestiegene Finanzierungskosten die um durchschnittlich sieben Prozent gesunkenen Immobilienpreise gegenüber.
Insgesamt haben sich in der aktuellen Phase mehr als zwei Drittel (71 Prozent) der potenziellen Interessenten vorerst von ihren Kaufvorhaben verabschiedet - allerdings nicht endgültig. Sie warten auf bessere Rahmenbedingungen, fand Deutsche Bank Immobilien in einer aktuellen Umfrage heraus.
Umsätze im Investmentmarkt abgestürzt
Und auch Gewerbeprojekte warten oft vergeblich auf Investoren. "Entsprechend werden sehr viel weniger Immobilien gehandelt", berichten Francesco Fedele und Steffen Sebastian in der Zeitschrift "Bankmagazin". BNP Paribas Real Estate habe in den ersten neun Monaten des Jahres 2023 knapp 16,3 Milliarden Euro Umsatz auf dem deutschen Investmentmarkt für gewerblich genutzte Immobilien verzeichnet.
"Gegenüber dem Rekordwert 2022 beläuft sich der Umsatzrückgang auf etwa 63 Prozent. Der Zehn-Jahres-Durchschnitt wurde um 55 Prozent unterschritten", schreiben der CEO von BF Direkt und der Professor für Immobilienfinanzierung an der International Real Estate Business School (IREBS) der Universität Regensburg.
Büroimmobilien haben es besonders schwer
Besonders hart trifft es derzeit vor allem Büroimmobilien. Im März veröffentlichte das Statistische Bundesamt (Destatis) Daten zu neu gebauten Büro- und Verwaltungsobjekten. Deren Zahl ist im Jahr 2022 bundesweit auf 1.563 gesunken. Das ist ein Minus von 13,6 Prozent gegenüber 2019 (1.810) und sogar 46 Prozent im Vergleich zum Jahr 2002 (2.897). Weniger Büroimmobilien sind Destatis zufolge seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 1993 nur 2010 mit insgesamt 1.533 fertiggestellt worden.
Und dieser Abwärtstrend hat offenbar noch nicht seine Talsohle erreicht: So wurde im Jahr 2023 der Bau von 1.665 Büro- und Verwaltungsgebäuden genehmigt, berichtet Destatis. Das waren 16,6 Prozent weniger als 2022 mit 1.996 Objekten. Und dieser Wert lag bereits gut 7,5 Prozent unter dem aus dem Jahr 2021 mit 2.159 Büroimmobilien.
Homeoffice lässt Nachfrage sinken
Vor allem das seit der Corona-Pandemie in vielen Branchen eingeführte Homeoffice macht dem Segment neben den stark gestiegenen Baukosten zu schaffen. Wo "working from home" Einzug hält, sinkt der Bedarf an Büros und Verwaltungsräumen - und das deutschlandweit.
Anfang April berichtete etwa der Hessische Rundfunk von einer großen Zurückhaltung der Investoren in Frankfurt. Der Sender berief sich dabei auf Zahlen von Jones Lang LaSalle. Im ersten Quartal hat es laut des Immobiliendienstleisters nur acht Transaktionen gegeben, "so wenige wie seit 14 Jahren nicht mehr". 2023 lag die Mainmetropole laut der Bestandszahlen des Portals Statista.de aber noch immer auf Rang vier der Top-Büroimmobilien-Standorte in Deutschland. Auf dem Podest stand München vor Berlin und Hamburg.
In der Isar-Metropole verzeichnete BNP Paribas Real Estate im ersten Quartal 2024 einen Flächenumsatz von rund 140.000 Quadratmeter. Dieser Wert liege zwar 21 Prozent unter dem Zehn-Jahres-Mittel, aber immerhin 17 Prozent über dem Vorjahr. Einen ähnlichen Trend ermittelte die Immobilienberatung auch für Berlin. In Hamburg lag der Flächenumsatz im ersten Jahresviertel mit 81.000 Quadratmeter knapp 21 Prozent unter Vorjahr und 28 Prozent unter dem langjährigen Durchschnitt.
Neue Konzepte für Käufer und Investoren
In der Branche sind neue Konzepte gefragt, stellen Tamino Meier, Larissa Dell und Thomas Glatte mit Blick auf die Zukunftsfähigkeit von Büroimmobilien fest. Vor allem New Work und Nachhaltigkeit müssen bei der Planung stärker berücksichtigt werden, fordern die Springer-Autoren und schreiben:
Stets zu beachten ist jedoch, dass Büroarbeit eine hohe Bandbreite unterschiedlicher Formen und Ausprägungen sowohl in Abhängigkeit der Organisation, ihrer Kultur, Struktur und Branche als auch bei den unterschiedlichen Tätigkeiten und Funktionen innerhalb der einzelnen Organisation aufweist. Anforderungen sind demnach stets unternehmens- und abteilungsspezifisch. Eine Beleuchtung der allgemein entscheidenden Veränderungstrends und resultierenden essenziellen Anforderungen ist dennoch darstellbar."
Insbesondere ökologische, soziale und Governance-Aspekte, kurz ESG, spielen hierbei eine zentrale Rolle. Ein entsprechender Ansatz durchdringe mittlerweile sämtliche Bereiche im gesamten Lebenszyklus einer Immobilie - "von der ersten Projektierung, über die Finanzierung bis hin zum Bau und der anschließenden Bewirtschaftung", fasst Christoph Straube zusammen.
Mehrwert durch nachhaltige Gebäude
"ESG-Konformität betrifft insbesondere im Finanzierungssektor alle Assetklassen und wird über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg betrachtet. Man kann sogar so weit gehen, dass eine Immobilienfinanzierung unter Ausschluss der ESG-Kriterien heute kaum noch möglich erscheint", so der Springer-Autor. Und das gilt für alle Immobilienbereiche.
Damit ein Gebäude nachhaltig gebaut werden kann, seien einerseits höhere Investitionen erforderlich, denn bereits in der Planungsphase müssen neue Aspekte berücksichtigt werden. "Auf der anderen Seite sind grüne Gebäude und nachhaltige Projekte sehr gefragt und erzielen tendenziell auch höhere Immobilienwerte", erklärt Straube.
Antizyklische An- und Verkäufe bieten Chancen
Institutionelle Investoren sollten ihre direkten sowie indirekt über Fonds gehaltenen Immobilienanlagen genau analysieren, beispielsweise ob es möglich ist, durch Mietsteigerungen die Einnahmen zu verbessern und durch optimiertes Vermietungsmanagement Leerstände zu vermeiden, raten Fedele und Sebastian. Möglicherweise lasse sich eine Wertsteigerung durch bauliche Maßnahmen der Objekte erreichen:
Auch in einem krisenhaften Marktumfeld ergeben sich Gelegenheiten für lohnende antizyklische An- und Verkäufe, zumal der Wettbewerb auf der Nachfrageseite deutlich abgenommen hat. Auf der Angebotsseite finden sich zunehmend Opportunitäten, die mit einem attraktiven Renditeprofil, inflationsgeschützten Cashflows und hohen Qualitäten hinsichtlich Gebäudesubstanz, Lage, Nachhaltigkeit und Mieterbesatz aufwarten. Zwar ist nach der Zinswende der Renditeabstand zwischen Immobilien und Staatsanleihen geschrumpft, sodass Immobilien ihre Rolle als Anleihe-Substitut eingebüßt haben. In der langfristigen historischen Betrachtung ist der Renditeaufschlag für Immobilieninvestments aber immer noch attraktiv."
Wolken am Immobilienhimmel lichten sich langsam
Die jüngsten Daten deuten zudem auf eine Stabilisierung am Wohnungsmarkt hin, schreibt Stefan Mitropoulos, von Helaba-Research & Advisory, im aktuellen "Fokuis: Immobilien" der Landesbank. In den gewerblichen Segmenten scheine es zumindest zu einer Verlangsamung des Abwärtstrends gekommen zu
sein.
Als weniger eindeutig bezeichnet der Experte die Vorzeichen im Bereich der Büroimmobilien. Hier dürfte die Bodenbildung "noch auf sich warten lassen". Obgleich steigende Mieten "in einer Größenordnung von im Vorjahresvergleich zuletzt etwa drei Prozent für einen soliden Cash-Flow" sorgen. Auch sei die Nachfrage nach hochwertigen Flächen in guten Lagen trotz Homeoffice robust.