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2020 | Book

Innovationen und Innovationsmanagement im Gesundheitswesen

Technologien, Produkte und Dienstleistungen voranbringen

Editors: Prof. Dr. Mario A. Pfannstiel, Kristin Kassel, Prof. Dr. Christoph Rasche

Publisher: Springer Fachmedien Wiesbaden

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About this book

Im aktuellen Gesundheitsmarkt entstehen vielfältige innovative Produkte und Dienstleistungen, die dazu beitragen, die Qualität und Sicherheit der medizinischen Versorgung weiter zu steigern. Voraussetzung für die Entstehung von Innovationen sind Akteure, die Potenziale und Lösungswege aufspüren und den Mut haben kreative Ideen in die Tat umzusetzen sowie ein innovationsfreundliches Klima in Unternehmen. Dazu gehören Handlungsspielräume zum Ausprobieren, Erproben und Experimentieren für Mitarbeiter und auf der Führungsebene eine Akzeptanz für ein gewisses Maß an Fehlschlägen, die bei der Suche nach Lösungen entstehen. Nur so können Innovationen den Ausgangspunkt für den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen bilden und zur treibenden Kraft in der Gesundheitswirtschaft werden.Dieses Buch stellt Best-Practice-Beispiele vor und zeigt dabei auf, welche Ansätze, Vorgehensweisen und Methoden sich für das Erreichen von unternehmerischen Innovationszielen besonders gut eignen. Zugleich bietet es einen ganzheitlichen Ansatz von Innovationsmanagement für Entscheidungsträger, Praktiker und Wissenschaftler.

Table of Contents

Frontmatter
1. Innovationsmanagement unter VUKA-Bedingungen: Gesundheit im Fokus von Digitalisierung, Datenanalytik, Diskontinuität und Disruption

Das Gesundheitswesen steht vermutlich vor tektonischen Verschiebungen aufgrund sich abzeichnender VUKA-Bedingungen, die für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität stehen. Viele Gesundheitsinstitutionen unterliegen erheblichen Pfadabhängigkeiten, wodurch Transformationsprozesse erschwert werden. Die vier D Digitalisierung, Datenanalytik, Disruption und Diskontinuität sollten als Weckruf verstanden werden, um durch ein strategisches Innovationsmanagement substanzielle Wettbewerbsvorteile aufzubauen. In kaum einer anderen Branche ist der technisch-naturwissenschaftliche Fortschritt derart rasant wie im Gesundheitswesen, das nicht nur von einer enormen Informations- und Wissensdichte gekennzeichnet ist, sondern auch zunehmend in das Visier aggressiver Neueinsteiger rückt. Diese versuchen – vergleichbar mit den FinTechs im Bankensektor – über Geschäftsmodellinnovationen die Grundlogik und Identität des Gesundheitswesens auf den Prüfstand zu stellen. Für die arrivierten Anbieter impliziert dies Transformation durch Innovation, um nicht lediglich die Erfolgsrezepte der Vergangenheit in die Zukunft zu projizieren. Entsprechendes kann im Anwendungsbereich „Digital Mental Health“ beobachtet werden, in dem vor allem Start-ups mit mobilen Applikationen als digitale Begleiter für Patienten und Therapeuten auf den Gesundheitsmarkt drängen.

Thorsten Knape, Peter Hufnagl, Christoph Rasche
2. Innovation durch Digitalisierung – Eine Chance für die Restrukturierung von Prozessen im Gesundheitswesen

Trends in der Informations- und Kommunikationstechnik kommen und gehen. Aber jeder Trend hinterlässt Spuren. Ein aktueller Megatrend ist die Digitalisierung. Sie verändert Geschäftsmodelle, Organisationsstrukturen und Prozesse, oft mithilfe von Big-Data-Technologien. Die Digitalisierung bringt umfangreiche Innovationen im Gesundheitswesen mit sich und wird auch als Enabler für Innovationen genutzt. Mögliche Konzepte in der Praxis sind die „digitale Arztpraxis“, „digitale Rezepte“ oder „Echtzeituntersuchungen und -operationen“ mit verteilten Standorten von Patient, Operateur und Fachexperten, unterstützt durch digitale Plattformen. Digitalisierung ist einerseits somit Innovation, andererseits ist Innovation häufig mit Digitalisierung verbunden. Beide Begriffe sind wie die Vorder- und Rückseite einer Münze zu sehen, ein unzertrennbares Paar. Waren die Einrichtungen des Gesundheitswesens zunächst zögerlich bei der Nutzung dieser Technologien, so häufen sich jetzt Beispiele von Krankenkassen, Krankenhäusern und anderen Einrichtungen zu diesem Thema. Digitalisierung ist jedoch kein Selbstzweck, sie muss einen inhaltlichen Vorteil bieten. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht kann dies ein neues Geschäftsmodell oder ein effizienterer Prozess sein. Aus medizinischer Sicht kann dies eine Verbesserung der Untersuchung, Behandlung oder Nachsorge von Patienten sein. Aus gesellschaftlicher Sicht ist die Digitalisierung ein Muss. Es ist bereits höchste Zeit, hier mehr für Tempo zu sorgen. Anlässlich der diesjährigen Eröffnung des Branchentreffs, der DMEA Fachkonferenz in Berlin, hat der Bundesminister für Gesundheit, Jens Spahn, darauf hingewiesen, dass es hierbei bereits auf jeden Monat im Rahmen der Umsetzung ankommt. Im Moment sind wir nicht auf dem Weg zur „digitalen Weltmeisterschaft im Gesundheitswesen“. Der Beitrag geht auf die Chancen der Digitalisierung unter besonderer Berücksichtigung von Big-Data-Technologien ein und zeigt auf, wie die Geschäftsprozesse im Gesundheitswesen verbessert werden können.

Andreas Gadatsch
3. Gestaltungsmöglichkeiten eines Erlösmodells für innovative Digital-Health-Start-ups

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist Herausforderung und Chance zugleich, indem sie einerseits viele Fragen beim Thema Datenschutz und Interoperabilität aufwirft und anderseits neue Möglichkeiten der Verbesserung von Versorgung und Kommunikation bietet, die alle Akteure betrifft. Zunehmend werden dazu Angebote von Start-ups entwickelt, die für die Gesundheitsversorgung relevant sind und als Produkt, (Dienst-)Leistung oder Lösung im Versorgungsalltag angeboten werden können. Dabei stellt sich für viele Gründer bei der Gestaltung des Geschäftsmodells die Frage: Welche Wege der Erlösgenerierung sind möglich, um diesen existenzbestimmenden Veränderungen gerecht zu werden? Oder kurz: Wer wird dafür wie bezahlen? In diesem Beitrag werden der Begriff und die Besonderheiten von Digital-Health-Start-ups im deutschen Gesundheitswesen erläutert und Besonderheiten und Praktiken im Hinblick auf die Erlösmodellgestaltung für Digital-Health-Start-ups aufgezeigt. Damit sollen Gründern, Investoren und interessierten Akteuren, die sich dem Thema nähern und digitale Leistungen im Gesundheitswesen anbieten oder einkaufen wollen, themenspezifische Informationen und Handlungsempfehlungen zur Verfügung gestellt werden. Erfahrungswerte aus der Praxis werden am Fallbeispiel des Start-ups BetterDoc geschildert.

Heiko Block, Mareike Heinzen, Nils von Dellingshausen
4. Mit Low-End Innovationen die medizinische Versorgung verbessern – Potenziale und Herausforderungen

Unsere Gesellschaft im 21. Jahrhundert steht vor zahlreichen globalen Herausforderungen. Besonders das Gesundheitswesen sieht sich trotz Verbesserungen von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden großen Aufgaben gegenüber. Ein drängendes Problem stellt die Bereitstellung von medizinischer Versorgung dar. Mehrere Milliarden Menschen, v. a. in Entwicklungs- und Schwellenländern, verfügen über keinen oder nur unzureichenden Zugang zu medizinischer Grundversorgung. Ein Weg, um diese Herausforderungen zu bezwingen, stellen Low-End Innovationen dar. Hierbei handelt es sich um neue Produkte oder Dienstleistungen, die deutlich kostengünstiger sind als bisher erhältliche Produkte oder Dienstleistungen. Sie adressieren somit Patienten, deren finanzielle Ressourcen für existierende High-End Lösungen nicht ausreichen. Um das Potenzial von Low-End Innovationen für die Bekämpfung von sozialen Herausforderungen zu nutzen, muss eine Vielzahl von Problemstellungen angegangen werden. In diesem Kapitel beschreiben wir deshalb die Potenziale sowie unternehmerische, staatliche und angebots- und nachfrageseitige Hürden, die genommen werden müssen, damit Low-End Innovationen einen Beitrag zur verbesserten medizinischen Versorgung leisten können.

Ariane Segelitz-Karsten, Nadine Hietschold, Sebastian Gurtner, Ronny Reinhardt
5. Wertschöpfende Innovationen als Ausweg aus der Kostenfalle im Gesundheitswesen

Das Kernproblem des Gesundheitswesens sind steigende Kosten und damit seine Finanzierbarkeit. Der wachsende Anteil alter Menschen an der Gesamtbevölkerung wird dieses Problem in Zukunft noch verschärfen. Ein Blick auf das Verhältnis von Gesundheitskosten einerseits und die von Patienten wahrgenommene Qualität der Gesundheitsversorgung andererseits erlaubt die Schlussfolgerung, dass die vorherrschende bürokratische Regulierung mit Sparprogrammen und Leistungskürzungen der letzten 20 Jahre als weitgehend gescheitert gelten kann. Aus diesem Grund suchen Wissenschaftler und Praktiker weltweit nach kreativen Lösungen. Den Schlüssel könnten wertschöpfende Innovationen (Value Innovations) sowie Führungsprinzipien liefern, die eine Alternative zur traditionellen Führung durch Direktiven und Leistungsdruck darstellen. Zur Implementierung sind neue Managementkonzepte notwendig. Chan Kim und Renee Mauborgne nennen diese Ansätze Blue Ocean Strategy und Blue Ocean Leadership. Im marktwirtschaftlichen Bereich der Gesellschaft gibt es bereits zahlreiche Beispiele für die erfolgreiche Anwendung dieser Konzepte. Nun finden sie Eingang ins Gesundheitswesen. Dieser Beitrag skizziert die Kerngedanken dieser Ansätze und beschreibt Beispiele für die praktische Umsetzung.

Waldemar Pelz
6. Digitale Innovation – Trendwende im deutschen Gesundheitssystem
Wie Unternehmen Digitalisierung zur strategischen Marktpositionierung nutzen

Das Gesundheitswesen sieht sich mit bedeutenden Herausforderungen wie dem steigenden Kostendruck, demografischen Wandel sowie der Zunahme chronischer Krankheiten und Multimorbidität konfrontiert. Auch die Thematik Gesundheit selbst nimmt in ihren zahlreichen Ausprägungen eine zentrale Rolle in der Weltwirtschaft ein. Im Zeitalter der Technologie und Innovation scheint Digitalisierung eine Antwort auf zumindest einige drängende Fragen bieten zu können. Der aktuelle Stand der Digitalisierung sowohl in der deutschen Industrie, besonders jedoch im deutschen Gesundheitssystem ist durchschnittlich, in weiten Teilen sogar unterdurchschnittlich. Trotz der Ausarbeitung einer Strategie zur Verbreitung der Digitalisierung im Gesundheitswesen mangelt es bisweilen an politischer Initiative. Dennoch gibt es diverse Akteure des Gesundheitsmarktes, die digitale Anwendungen fest in ihre Unternehmensstrategie und -prozesse integriert haben. Dazu gehören unter anderem der Medizintechnikhersteller Siemens Healthineers, die private Klinikgruppe Sana und die Techniker Krankenkasse, eine der größten gesetzlichen Krankenversicherungen Deutschlands. Diese Unternehmen zeigen, welches Potenzial sich auch unter schwierigen Marktvoraussetzungen mittels digitaler Anwendungen realisieren lässt. Das betrifft gleichermaßen die Effizienzsteigerung interner Prozesse, Etablierung digitaler Produkte oder Versorgungsangebote und die Verbesserung der Kundenbeziehung. Vor allem das Eingehen von Kooperationen zwischen Unternehmen sowie aktive Unterstützung und Einbindung junger Unternehmen in die eigenen Strukturen scheinen für einen hoch regulierten und digital rückständigen Markt wie das Gesundheitswesen ein entscheidender Erfolgsfaktor zu sein.

Kristin Kassel
7. Spitäler haben blinde Flecken in Bezug auf Innovation

Inwiefern lässt sich die Innovationsmaturität in einem Deutsch-Schweizer Akutspital messen und vergleichen? Und wieweit kann ein bestehendes Mess-Framework (aus ähnlichen oder fremden Industrien) adaptiert werden, um diese Frage zu beantworten? Diese Frage wurde im Rahmen einer Masterarbeit für den Studiengang MAS Business Innovation an der Hochschule für Wirtschaft in Zürich (HWZ) beantwortet. Die Masterarbeit befasst sich damit, die Reife der Akutspitäler in Bezug auf Innovation anhand der Innovationsaktivitäten zu identifizieren und mittels eines Frameworks messbar und vergleichbar zu machen. Um die eingangs erwähnte Forschungsfrage zu beantworten, wurden im Rahmen von einer qualitativen, nichtstandardisierten Datenerhebung 16 semistrukturierte Interviews mit Fachpersonen aus zehn verschiedenen Deutsch-Schweizer Akutspitälern durchgeführt. Die anschließende qualitative Inhaltsanalyse zeigt die Vielseitigkeit des vorherrschenden Innovationsverständnisses sowie der Innovationsaktivitäten der untersuchten Spitäler auf. Die Kategorisierung der Daten in zehn verschiedene Innovationsperspektiven macht Gemeinsamkeiten, aber auch kreative Aktivitäten und Anhaltspunkte zu deren Messbarkeit in einem Framework erkennbar. In den vergangenen Jahren haben die Spitäler große Investitionen in die Beschaffung von Innovationen in Form von medizintechnischen Gerätschaften und Infrastruktur getätigt und im Bereich der Kundenserviceprozesse im Allgemeinen wenige Bestrebungen unternommen. Bezogen auf ein ganzheitliches Verständnis von Innovation gibt es hier offensichtlich blinde Flecken.

Franziska Wilhelm, Martin Kägi
8. Innovationen im (öffentlichen) Gesundheitssystem: Eine Analyse aus strategischer Perspektive

Primärversorgungszentren sind als innovative Idee im österreichischen Gesundheitssystem entwickelt und eingeführt worden. Ein Ziel hierbei war es, ein attraktives Angebot für Patienten zu schaffen und eine effiziente Versorgung im öffentlichen Versicherungssystem zu garantieren. Dieser Beitrag wendet das theoretische Konzept der dynamischen Kompetenzen (engl. Dynamic Capabilities) an, um anhand einer Sekundärdatenrecherche die Entstehung und Umsetzung dieser Innovation systematisch zu analysieren. Darauf aufbauend werden Erfolgsaspekte und Herausforderungen der Entwicklung und Einführung von Primärversorgungszentren beschrieben sowie Handlungsempfehlungen aus der Theorie der dynamischen Kompetenzen abgeleitet. Dieser Beitrag nimmt eine strategische Perspektive ein und will Akteuren im Gesundheitssystem Impulse für die Entwicklung und Umsetzung von Innovationen geben.

Anne Maria Busch, Renate Kratochvil, Christina Schweiger
9. Professionelles Projektmanagement als Grundlage für erfolgreiche Innovationsentwicklung im Gesundheitswesen

Die Etablierung eines professionellen Projektmanagements stellt eine wichtige Voraussetzung für die zielorientierte und erfolgreiche Durchführung von Projekten dar. Dies betrifft in besonderem Maße Organisationen der Gesundheitswirtschaft, welche strategische und operative Projekte in einem sich schnell wandelnden unternehmerischen Umfeld durchführen. Die Wahl der adäquaten Projektmanagementmethodik und der systematische Aufbau von Projektmanagementkompetenz kann Gesundheitsorganisationen dabei unterstützen, mit Projekten die strategische Unternehmensentwicklung zu fördern und innovative Strukturen und Prozesse aufzubauen. Projekte zur Entwicklung von innovativen Strukturen, Prozessen oder Dienstleistungen zeichnen sich dabei regelhaft durch eine wesentliche Erhöhung der Anforderung an die Projektmanagementkompetenz der Organisation aus, sodass die organisationale Fähigkeit zum professionellen Management von Projekten auch die Innovationsfähigkeit einer Organisation maßgeblich beeinflusst.

Matthias L. Zuchowski, Frank Kohler
10. Regulatory Sandboxes – Ein Instrument für digitale Innovationen im Gesundheitssektor

Digitale Gesundheitsinnovationen gewinnen an Relevanz. Gleichzeitig ist der Umgang mit ihnen noch immer schwierig aufgrund verschiedener Herausforderungen. Innovative Lösungen für den Gesundheitssektor lassen sich schwierig mit bestehenden Rahmenbedingungen zusammenbringen. In anderen Branchen wurden als Antwort auf diese Frage Regulatory Sandboxes eingerichtet. Aus dem Finanzsektor ist eine Vielzahl solcher Ansätze bekannt. Das Kapitel beschäftigt sich mit der Funktionsweise und ersten Erfahrungen aus Regulatory Sandboxes aus dem Finanzsektor und aus anderen Bereichen. Das Ziel besteht darin, zu verstehen, welche Aspekte sich auf eine Regulatory Sandbox im Gesundheitssektor in Deutschland übertragen lassen könnten. Dafür werden sowohl die Chancen als auch die Risiken betrachtet. Aufgrund der überschaubaren Studienlage und der wenigen Erfahrungen aus anderen Ländern bleiben viele Fragen noch offen. Grundsätzlich zeigt sich, dass es Argumente gibt, die dafür sprechen, die Möglichkeit einer Regulatory Sandbox im Gesundheitssektor in Deutschland tiefergehend zu analysieren und politisch zu diskutieren.

Julia Hagen
11. Prozessinnovation in der Praxis
Die Anwendung der Lean-Methode auf Arztpraxen

Als Methode zur kontinuierlichen Qualitätsverbesserung ist Lean mittlerweile im Gesundheitswesen, insbesondere in Krankenhäusern, etabliert. Bisher gibt es nur wenige Erkenntnisse zur Anwendung von Lean in Arztpraxen. Dieser Beitrag beleuchtet das Innovationspotenzial von Lean in Arztpraxen und zeigt praktische Umsetzungsmöglichkeiten auf. Bisher durchgeführte Studien zeigen, dass Arztpraxen langfristig primär das „Kaizen-Prinzip“ befolgen und in kurzen intensiveren Phasen Projekte umsetzen. Übergeordnetes Ziel der Lean-Initiativen ist meist eine Verbesserung der Effizienz und Produktivität bei gleichbleibender (medizinischer) Qualität und gleichbleibendem oder reduziertem Ressourceneinsatz. Die Akzeptanz der Lean-Implementierung wird stark von der vorherrschenden Kultur und dem Führungsstil beeinflusst und davon, welche Art der Implementierung gewählt wurde (Bottom-up vs. Top-down). Aus der Literatur können für den Praxistransfer drei Handlungsempfehlungen aus den Bereichen Mitarbeitereinbindung, Erfolgsevidenz und patientenzentrierte Outcomes extrahiert werden.

Alfred Angerer, Eva Hollenstein
12. Vom Lean Management zur Reorganisation
Der Einfluss der Lean-Hospital-Philosophie auf Dienstleistungs- und Prozessinnovationen

Managementmodelle haben den Auftrag, integrative und interdisziplinäre Sichten darzustellen. Die sich im Gesundheitswesen etablierende Lean-Philosophie soll Innovationen und Verbesserungen unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts bei gleichzeitiger intensiverer Betreuung der Patienten mit kürzerer Aufenthaltsdauer und damit einhergehender Personalintensität bei geforderter erhöhter Kosten- und Leistungstransparenz ermöglichen. Welche Prinzipien kommen zum Einsatz und welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, um das Modell der Kundenorientierung in der Praxis umsetzen zu können? Die Anpassung von Strategien, Strukturen und Systemen hat schrittweise und zielorientiert zu erfolgen.

Karin Messer-Misak
13. TWI im Gesundheitswesen – Das System von innen heraus innovieren

Training-Within-Industry-(TWI-)Methoden wurden vor langer Zeit zur Sicherung guter Leistungserbringung bei gleichzeitig hoher Qualität und Mitarbeiterzufriedenheit entwickelt. Im Rahmen von Lean-Ansätzen sind diese Methoden in der Industrie wieder neuentdeckt worden und ihr Nutzen wird nun auch zunehmend in Organisationen des Gesundheitswesens im Rahmen von Lean-Healthcare- bzw. Lean-Hospital-Ansätzen wahrgenommen. Der Artikel beschreibt, wie diese Methoden einerseits dazu beitragen können, eine innovative Organisationsgestaltung zu unterstützen, und andererseits die schnelle und reibungsarme Adoption von externen Innovationsimpulsen ermöglichen. Verschiedene Anwendungsbeispiele vermitteln abschließend einen Eindruck der Methodenanwendung und möglicher Einsatzfelder.

Christian M. Thurnes, Patrick Graupp, Gerard Berendsen, Alexandra Thurnes, Dik Versteeg
14. Das AGAPLESION-Konzept

Innovationsmanagement im Gesundheitswesen ist immer noch nicht üblich. In den letzten Jahren hat sich zwar schon viel getan, vor allem durch die Dynamik im Markt und das große Thema „Digitalisierung“. Es geht aber trotzdem nur langsam voran. AGAPLESION, einer der größten Gesundheitskonzerne in Deutschland und der größte freigemeinnützige Träger, beschäftigt sich bereits seit 2012 mit dem Innovationsmanagement. Der Konzern hat dabei schon viele Hürden überwunden. Es ist auf keinen Fall einfach und schon gar nicht trivial, aber es lohnt sich, vor allem mit Blick auf die Zukunft.

Claudia Möller
15. Digitale Transformation in Krankenhäusern: Potenziale und Innovationen entlang des stationären Leistungsprozesses

Stationäre Einrichtungen stehen, bedingt durch die Asymmetrie zwischen erhöhtem Bedarf bei nur begrenzten Kapazitäten, einer Vielzahl an Herausforderungen entgegen. Zeitmangel, Überlastung und Prozessineffizienzen bedingen risikobehaftetes Verhalten der Leistungserbringer, was zulasten der Patientensicherheit gehen kann. Vor diesem Hintergrund ist die Entwicklung innovativer Bewältigungsstrategien unabdinglich, um die patientenzentrierte Versorgung wieder in den Fokus zu rücken. Digitale Innovationen bieten, insbesondere im Bereich der Unterstützungsprozesse, vielversprechende Möglichkeiten, um den Konflikt zwischen verfügbaren Ressourcen und gestiegenen Anforderungen bewältigen zu können. Durch gezielten Einsatz digitaler Technologien in jedem Segment des stationären Leistungsprozesses kann es gelingen, prozessuale Nutzeneinbußen auszugleichen und durch Vernetzung der einzelnen Segmente, in verbesserter Versorgungsqualität, einen Mehrwert für alle Beteiligten zu schaffen.

Eileen Doctor, Christoph Buck, Torsten Eymann
16. Raum für Innovation – Möglichkeiten und Begrenzungen der indirekten Steuerung für innovative Organisationsprozesse in der ambulanten Pflege

Die vielfältigen Herausforderungen in der Versorgung älterer und chronisch sowie multimorbid erkrankter Menschen durch ambulante Dienste erfordern auf verschiedenen Ebenen Innovationen. In dem folgenden Beitrag werden erste Ansätze für eine Auseinandersetzung mit organisationaler Innovation in der ambulanten Pflege thematisiert. Dabei werden indirekte Steuerungsmechanismen und deren Auswirkungen auf die Leistungs- und Innovationsdynamik erörtert. Es zeigt sich, dass der Einzug von Marktmechanismen im Gesundheitssektor sowohl zu Spannungen zwischen wirtschaftlichen und fachlichen Interessen bei den Mitarbeitern führen kann, auf der anderen Seite aber auch neue Möglichkeiten der organisationalen Innovation eröffnet. Im Rahmen des BMBF-Projektes ITAGAP wurden diese neuen Möglichkeiten konzeptualisiert und in der organisationalen Praxis der ambulanten Pflege erprobt. Erste Evaluationsergebnisse verweisen darauf, dass neue Formen der Fallzuteilung sowie eine Intensivierung von Reflexion und Kommunikation dazu beitragen können, dass moderne Steuerungsmechanismen und Innovationsbestrebungen sich nicht widersprechen, sondern zur Eröffnung neuer Innovationsräume genutzt werden können.

Lena Marie Wirth, Sabine Daxberger, Miriam Peters, Manfred Hülsken-Giesler
17. Diffusionshindernisse bei der Einführung des Gesamtbudgets in der Psychiatrie als innovativen Ansatz für kommunale psychiatrische Versorgung

Die Entwicklung innovativer Versorgungsformen im Gesundheitswesen in Deutschland hinkt weit hinter den Erwartungen des Gesetzgebers, der Akteure und den Erfordernissen der Gesundheitsversorgung hinterher. Eine wesentliche Hürde sind in Deutschland die Vielfalt der Finanzierungsträger und eine Institutionszentriertheit des Versorgungssystems anstelle einer Patientenzentriertheit. Das Regionale Psychiatriebudget bzw. ein Gesamtbudget im Rahmen von Modellvorhaben nach § 64b SGB V ist eines von vielen innovativen Versorgungsmodellen im Gesundheitssystem in Deutschland. Trotz wissenschaftlicher Evidenz für wirtschaftliche Vorteile sowie Verbesserung der Patientenversorgung und Mitarbeiterzufriedenheit sind nach 15 Jahren der Erprobung weniger als 5 % der Versorgungsregionen diesem Modell für die Versorgung psychisch Kranker gefolgt. Eine Untersuchung des Diffusionsverlaufs und der Diffusionsbarrieren unter Anwendung etablierter Ansätze der Diffusionsforschung wie Rogers’ Modell zur Diffusion von Innovationen identifizierte entscheidende Blockaden. Hindernisse hierfür liegen in einer mangelnden Erprobbarkeit des Modells, schlechter Kompatibilität mit gleichzeitiger Regelversorgung, fehlender Reversibilität und einem folglich wahrgenommenen erheblichen Risiko der Implementierung in Modellregionen. Da eine erfolgreiche Kontrahierung nur bei völligem Konsens sehr unterschiedlicher Akteursgruppen gelingt, sind die Vertragsverhandlungen in der Regel aufwendig. Während der frühere gesetzliche Rahmen eine Kontrahierung auf Verbandsebene ermöglichte, ist unter aktueller Gesetzgebung eine Vertragsschließung mit Krankenkassen auf Einzelakteursebene erforderlich, was das Zustandekommen des Modells deutlich erschwert.

Anne Berghöfer, Farideh Carolin Afraz, Carsten Dreher
18. Einordnung und Entwicklung von Produktdienstleistungssystemen im Innovationsmanagement

Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit Produktdienstleistungssystemen. Produktdienstleistungssysteme sind Systeme, die technisch komplex, wertvoll, für Kunden interessant und damit auch wirtschaftlich erfolgreich sind. Sie gewinnen mehr und mehr an Bedeutung, da ihre praktischen Vorzüge die Kundenakzeptanz und die Kundenzufriedenheit erhöhen und sie bei der täglichen Anwendung Bequemlichkeit, Flexibilität und einfache Bedienbarkeit vermitteln. Sie können die Wettbewerbsfähigkeit steigern, Wachstum generieren und zur nachhaltigen Entwicklung beitragen. Zur Gestaltung, Realisierung und Entwicklung von Produktdienstleistungssystemen müssen Unternehmen eine systematische, zielorientierte und kollaborative Vorgehensweise im Innovationsmanagement wählen. Bestehende Ressourcen müssen effizient eingesetzt werden, damit tragfähige Innovationen für den Markt entstehen. Akteure aus Wirtschaft und Wissenschaft müssen untereinander und mit Kunden zusammenarbeiten. Durch Partnerschaften können Innovationshindernisse bei der Entwicklung von Produktdienstleistungssystemen überwunden werden. Die Kollaboration kann dabei als Auslöser und Impulsgeber für Ideen dienen. Kunden müssen verstärkt angesprochen und eingebunden werden, damit ertragreiche Innovationen für den Markt entstehen, diese weiterentwickelt werden können und einen Beitrag zur Wertsteigerung von Unternehmen leisten.

Alma Dautovic, Mario A. Pfannstiel
19. Gesundheitszentren als innovative Lösung der absehbaren Versorgungskrise im ländlichen Raum

Die zunehmende Multimorbidität der Bevölkerung und der Anstieg der Zahl chronisch kranker Menschen treffen auf einen Generationswechsel in der niedergelassenen Versorgung, den Abbau wohnortnaher stationärer Versorgungsstrukturen und die Feminisierung der Medizin. Die äußeren Einflüsse bedingen den Wandel der ambulanten Versorgung in Richtung angepasster, innovativer und nachhaltiger Strukturen, die eine gute medizinische Versorgung gewährleisten und attraktive Rahmenbedingungen für die nächste Generation niedergelassener Ärzte gestalten. Die Schließung von Krankenhäusern im ländlichen Raum hat Auswirkungen nicht nur auf die ambulante Versorgung, sondern auch auf die Vorhaltung von Ressourcen in anderen Versorgungsbereichen, wie z. B. der rettungsdienstlichen Notfallversorgung. Anhand der Analyse der Veränderungen wird eine innovative Versorgungskonzeption zur Lösung der gravierenden Problematik vorgeschlagen.

Guntram Fischer
20. Der Innovation Hub Digital Health – Unterstützung von klein- und mittelständischen Unternehmen bei Innovationen im Gesundheitssektor

Die Digitalisierung durchzieht inzwischen weite Teile der Gesellschaft. Auch der Gesundheitssektor befindet sich zurzeit im digitalen Wandel. Dabei steht die Gesundheitsbranche, die in Deutschland zum großen Teil aus kleinen und mittelständischen Unternehmen besteht, vor völlig neuen Herausforderungen. War die Entwicklung bisher aufgrund der aufwendigen und kostenintensiven Zertifizierungen eher durch inkrementelle Innovation geprägt, sind heute sowohl technisch als auch politisch Lösungen möglich, die noch vor wenigen Jahren kaum Marktchancen gehabt hätten. Auch die digitale Start-up-Szene ist im Gesundheitsbereich sehr aktiv. Die notwendigen Expertisen, um sich diesen Herausforderungen zu stellen und mit innovativen Lösungen wettbewerbsfähig zu bleiben, sind dabei so vielfältig, dass sie in kleineren Unternehmen oft nur unvollständig zur Verfügung stehen. Hier setzt der Innovation Hub Digital Health (IHDH) an, der Unternehmen der Gesundheitsbranche einen einfachen Zugang der an der Fachhochschule existierenden Expertisen und Ressourcen bieten soll. In diesem Betrag werden das Konzept sowie die praktischen Erfahrungen nach zweieinhalb Jahren Laufzeit vorgestellt und kritisch diskutiert.

Dagmar Krefting, Peter Hufnagl
21. Konzepte und Faktoren für Innovation bei Pfizer
Dare to Try, Start-up Hubs und Green Economy

Ein flexibles und dennoch formalisiertes Innovationsmanagement stellt heute einen wichtigen Wettbewerbsfaktor für Unternehmen dar. Das pharmazeutische Unternehmen Pfizer hat vor diesem Hintergrund den sogenannten Dare-to-Try-Ansatz implementiert, der als Katalysator für eine neue Innovations- und Experimentierkultur wirkt. Ein Ergebnis, das diese Struktur hervorgebracht hat, war das „Pfizer Healthcare Lab“ in Berlin, das eine flexible Plattform für Kooperationen zwischen Pfizer und verschiedenen Start-ups darstellte. Das Lab entwickelte sich bald zu einem Erfolgsmodell und wurde zum internationalen „Pfizer Healthcare Hub“ ausgebaut. Zudem wurden auch an anderen Standorten weitere Hubs eingerichtet, darunter der Produktionsstandort Freiburg, wo die Innovationsfelder Patientenorientierung und ökologische Nachhaltigkeit im Mittelpunkt stehen. Das innovationsfreundliche Umfeld im Land Baden-Württemberg wirkt sich dort zusätzlich als positiver Treiber aus.

Ekaterina Alipiev, Peter Neske, Ralph Lägel
22. Innovationen an der Schnittstelle von Lebens- und Arzneimitteln: Herausforderungen für Firmen und Verbraucher

Das Zusammenwachsen unterschiedlicher Wissens- und Technologiefelder oder gar ganzer Branchen stellt ein hochaktuelles empirisches Phänomen dar, was in unterschiedlichen Sektoren beobachtbar ist. Dieses Kapitel ordnet sich in die Konvergenzliteratur ein und fokussiert Hybrid- oder Grenzprodukte, die Funktionalitäten vormals getrennter Branchen und Leistungsangebote kombinieren. In den letzten Jahrzehnten ist eine Vielzahl solcher Grenzprodukte (z. B. funktionelle Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel) an der Schnittstelle von Lebens- und Arzneimitteln entstanden, welche verändernde Bedürfnisse von Verbraucher hinsichtlich Ernährung und Gesundheit mit einem einzigen Produkt ansprechen sollen. Die Einführung dieser Grenzprodukte wird von Unternehmen sowie Verbrauchern angetrieben. In diesem Kontext ergründet dieses Kapitel für beide Stakeholder-Gruppen die Herausforderungen, die im Bezug zu Grenzprodukten stehen, auf verschiedenen Ebenen (z. B. auf Gesetzes-, Industrie-, Gesellschafts-, Inhaltstoff- sowie Produkt-Ebene). Die Analyse zeigt, dass neben diesen verschiedenen Herausforderungen (z. B. spezielle Vorschriften, Kategorisierung, Verbraucherwahrnehmung und Akzeptanz) aufgrund des hybriden Charakters der Grenzprodukte zwischen Lebens- und Arzneimitteln, diese innovativen Produktkonzepte mehrere Forschungs- und Innovationsmöglichkeiten, wie z. B. eine personalisierte Ernährung, bieten.

Stefanie Bröring, Sukhada Bidkar, Carolin Kamrath
23. Disruption E-Health: Treiber für die sektorenübergreifend-personalisierte Medizin der Zukunft

Moderne Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) sind zunehmend integraler Bestandteil in unserem alltäglichen Leben. Damit einhergehend und für die Nutzer nahezu unbemerkt steigen Quantität und Qualität an digitalen Informationen als Basis für maschinelles Lernen und die künstliche Intelligenz. Auch in der Medizin nehmen Vielfalt und Nutzung digitaler Technologien rasant zu und die sich ständig weiterentwickelnden sogenannten „E-Health-Anwendungen“ haben großes Potenzial, die Qualität, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit der Gesundheitsversorgung deutlich zu verbessern. Insbesondere die zunehmend strukturiert vorliegenden digitalen Informationen bilden dabei die Basis für „maschinelles Lernen“ (ML) und die Anwendung von „künstlicher Intelligenz“ (KI) auf dem Weg zu einer zunehmend sektorenübergreifenden „personalisierten Medizin“ (PM). Das sektorenübergreifende Zusammenwirken dieser innovativen Methoden und Technologien ermöglicht von der Prävention über die Diagnostik, Therapie und Nachsorge die individuellen Eigenschaften und Bedürfnisse der Bevölkerung für eine kontinuierliche Verbesserung der Gesundheitsversorgung zunehmend integrieren zu können.

Martin Holderried, Ansgar Höper, Friederike Holderried
24. Dynamische Innovationsnetzwerke als Erfolgsfaktor

Das Gesundheitswesen zeichnet sich durch große Komplexität, heterogene Schnittstellen und eine hohe Dynamik hinsichtlich Marktumfeld und Rahmenbedingungen aus. Die Kombination aus technologischen Transformationen und permanenter Verschärfung regulativer Vorgaben macht es Innovatoren zunehmend schwer, die nötige Expertise in allen relevanten Schritten im Innovationsprozess bereitzustellen. Aus dieser Situation ergibt sich die Notwendigkeit für kollaboratives Arbeiten in Form von Innovationsnetzwerken. Diese ermöglichen durch eine projektbezogene und dynamische Zusammensetzung die effiziente Erarbeitung marktfähiger Innovationen, die im Ergebnis dem medizinischen Bedarf entsprechen und vergleichsweise robust gegen Veränderungen des Umfelds sind. Eine wichtige Rolle beim Aufbau von Innovationsnetzwerken stellen Netzwerkorganisationen dar, die als Initiator, aber auch als Vermittler geeigneter Netzwerkteilnehmer fungieren.

Matthias Schier, Bianca Heinrich
25. Zur Parallelität der Vernetzung und zur Nutzung des Innovationspotenzials verknüpfter Daten in Entscheidungsprozessen des Gesundheitswesens

Die Digitalisierung des Alltages der Gesellschaft und des Gesundheitswesens führt zu einer wesentlich größeren Verfügbarkeit von Daten. Gleichzeitig werden Entscheidungsprozesse auf der Grundlage von Daten immer weiter automatisiert. Dieser Beitrag schildert die sich abzeichnenden, signifikanten Datennetzwerke zwischen verschiedenen Institutionen und Patienten in Bezug auf die Gestaltung der Vernetzung und potenzielle Anwendungen. Insbesondere sollen das Netzwerk der Selbstverwaltung (Telematik), webbasierte Plattformen der gesetzlichen Krankenkassen und privaten Krankenversicherungen, Datennetzwerke der Leistungserbringer und die freiwillige Vernetzung von Unternehmen und Konsumenten dargestellt werden. Diese komplexe Parallelität der Vernetzung im deutschen Gesundheitswesen wird der Vernetzung in Ländern, deren digitale Transformation weiter fortgeschritten ist, gegenübergestellt. Der Blick auf die tatsächliche Vernetzung wird ergänzt durch eine Darstellung der vermeintlichen Konsequenzen in Bezug auf Entscheidungsprozesse und einen Ausblick auf die sich abzeichnende Nutzung von Daten als Grundlagen künftiger Innovationen in der Gesundheitsversorgung.

Anisa Idris
26. Die elektronische Gesundheitskarte und ihr möglicher Beitrag zu einer vernetzten innovativen Behandlung am Beispiel des Diabetes mellitus Typ 1 und 2

Diabetes mellitus ist eine chronische Erkrankung mit hoher Komplikationsrate. Deshalb ist es meist unabdingbar, dass verschiedene Leistungserbringer bei der Behandlung Betroffener zusammenarbeiten. Eine große Anzahl an Behandlern ist allerdings einhergehend mit einer großen Anzahl an Schnittstellen, die die Behandlungsqualität negativ beeinflussen können. Um Schnittstellenprobleme zu minimieren und Vernetzung voranzutreiben, werden verschiedene Maßnahmen getroffen. Hervorzuheben sind hier integrierte Versorgung und die Disease-Managementprogramme für Diabetes mellitus Typ 1 und 2. Einen weiteren Beitrag zur Vernetzung könnte die elektronische Gesundheitskarte mit ihren vielfältigen bisher ungenutzten Funktionen liefern. Zusammen mit dem bestehenden Disease-Managementprogramm könnte sie eine standardisierte und gut vernetzte Behandlung unterstützen. Datenschutzbedenken und mangelnde Akzeptanz bei Leistungserbringern verhindern dies jedoch bisher.

Astrid Loßin, Birte Schöpke
27. Vom Produkt zum Kundenerlebnis: Experience-Design als innovative Methode der Dienstleistungsgestaltung

In der Unternehmenspraxis geht es immer mehr um das Management von Kundenerlebnissen, das sogenannte Customer Experience Management bzw. Service Experience Management. Zentrale Zielsetzung dieser Managementkonzepte ist dabei die Schaffung einzigartiger und außerordentlicher Kundenerlebnisse („Experiences“) entlang sämtlicher Kundenkontaktpunkte eines Anbieters. Wie solche Kundenerlebnisse bzw. Kundenerfahrungen insbesondere im Dienstleistungskontext systematisch und zielorientiert zu entwickeln sind, wird in jüngerer Zeit unter dem Stichwort des Experience Designs bzw. Service Designs in Wissenschaft und Praxis immer stärker thematisiert. Zielsetzung des Beitrages ist es, den Zusammenhang zwischen Customer Management, Customer Experience und Experience Design als innovative Methode der Dienstleistungsgestaltung aufzuzeigen.

Marco A. Gardini, Raija Seppälä-Esser
28. Ein engagierter Begleiter – Potenziale mobiler Erreichbarkeit am Beispiel eines Reha-Klinikverbundes

Die Klinik-Patient-Kommunikation ist eine besondere Kommunikationsform. Patienten, z. B. mit einer onkologischen Erkrankung, befinden sich in einer physisch wie psychisch extremen Situation. Sowohl in der Akut-Therapie als auch bei Rehabilitationsmaßnahmen fordern sie schnelle Hilfe und umfangreiche Information im Umgang mit ihrer Krankheit ein. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit den aktuellen Herausforderungen und Innovationspotenzialen der Klinik-Patient-Kommunikation. Anhand eines Praxis-Cases wird die Einführung einer App als innovativer Kommunikationskanal diskutiert. Ziel ist es, sowohl potenziell erreichbare Verbesserungschancen für Klinik und Patient als auch mögliche Risiken der Kommunikation zu analysieren und zu bewerten. Dabei stützt sich der Beitrag zum einen auf eine Befragung onkologischer Patienten und zum anderen auf die Einschätzungen von Medizin- und Management-Rehabilitationsexperten.

Angela Bittner-Fesseler, Cindy Grant
29. Innovationsmanagement für Medizintechnik-Unternehmen in einem VUCA-Umfeld: Innovationssystem & Fallbeispiel

Steigende Volatilität, Unsicherheit, Komplexität sowie Mehrdeutigkeit des Unternehmensumfelds machen es für Medizintechnikunternehmen immer herausfordernder, innovative Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle zu entwickeln. Vor diesem Hintergrund wird in diesem Beitrag basierend auf grundlegenden Ausführungen zu den Themen Innovationssysteme und VUCA-Management ein Innovationssystem beschrieben, welches als Referenzframework für das Management von Innovationen in einem VUCA-Umfeld herangezogen werden kann. Dieses von den Autoren als „Gyro Innovation Model“ bezeichnete System geht von der Prämisse aus, dass in einem VUCA-Umfeld sowohl die strategischen als auch operativen Aktivitäten des Innovationsmanagements in hohem Maße agil, anpassungsfähig, flexibel und beschleunigt durchgeführt werden müssen. Hieraus ergibt sich die kreisförmig-zirkulierende Grundstruktur des Modells, welche die laufend notwendigen Iterationen und Rückkopplungen auf allen Ebenen des Innovationsmanagements gewährleistet. Im Anschluss an die Beschreibung des Frameworks wird die Implementierung und Anwendung desselben in einem Medizintechnikunternehmen dargestellt.

Kurt Gaubinger, Michael Rabl, Susanna Sulzer
30. Patentbasierte Exploration von Innovationen durch Digitalisierung in der Medizintechnik

Der vorliegende Beitrag nimmt Chancen und Risiken der Digitalisierung zum Anlass, Innovationspfade und Entwicklungen von Digitalisierung in der Medizintechnik zu untersuchen. Dazu werden Patentanalysen verwendet, die bereits zur Untersuchung der Bewegungsbahnen anderer Technologien eingesetzt werden. Dies geschieht über semantische Ähnlichkeiten in Patentdokumenten, wobei eine wachsende semantische Ähnlichkeit als das Verschmelzen der Technologien gedeutet wird. Hier setzt der Beitrag an und identifiziert semantische Ähnlichkeiten zwischen der Medizintechnik und der Digitalisierung. Dabei werden Innovationen und Weiterentwicklungen bestimmten Zeiträumen zugeordnet und inhaltliche Schwerpunkte von der Datenaufzeichnung über die Speicherung bis hin zur Verarbeitung aufgezeigt. Dadurch lassen sich anhand der vorgestellten Methode der Anfang und die Entwicklungspfade von Innovationen nachzeichnen und daraus Implikationen für Theorie und Praxis ableiten.

Kathi Eilers
31. Innovation und Imitation – zur Diskussion einer nachhaltigen Implementierung
Eine Betrachtung am Beispiel von technischen Innovationen im Pflegemarkt

Technische Innovationen gelten als ein möglicher Lösungsbeitrag im Bereich der Langzeitpflege, sowohl auf Angebots- als auf der Bedarfs- und Nachfrageseite. Die Implementierung von Pflegetechnologien in der Praxis scheitert häufig an nichttechnischen, personalen, organisatorischen wie ökonomischen Gründen. Eine systematische Auseinandersetzung mit Adoptions- und Diffusionsbedingungen, sprich mit der Beförderung imitativer Strukturen im Quasi-Markt Pflege, könnte zur Verbesserung der Durchdringung und zur Auswahl effektiver wie effizienter technologischer Pflegelösungen führen. Technologien im Kontext der Sorge- und Interaktionsbeziehungen in der Pflege müssen sich immer an ihrem Beitrag zum Outcome für Gepflegte und im Sinne einer Verbesserung der Produktivität und Akzeptanz von Pflegenden darstellen lassen. Eine methodische Auseinandersetzung mit systematischen Ansätzen der Technikimplementierung kann als Ansatzpunkt für eine Gestaltung einer sozialen Infrastruktur für die Pflege wirken.

Jürgen Zerth
32. Technologische Innovationen in der Pflege: von der routinebasierten zur anlassinduzierten Pflege

Technologischen Innovationen wird ein hohes Potenzial für die Weiterentwicklung von Pflege und Betreuung zugeschrieben. Sie können helfen, Pflegekräfte und pflegende Angehörige bei ihrer Arbeit zu entlasten und menschliche Zuwendung als Zentrum der Pflegearbeit zu fördern. Dadurch kann sich die Lebensqualität der zu Pflegenden verbessern. Dennoch werden bislang Technologien nur vereinzelt in den pflegerischen Alltag integriert. Dabei ist es häufig nicht die technische Innovationshöhe, die Innovationen in der Anwendung scheitern lässt, sondern bspw. die Akzeptanz der Akteure sowie die Passung in organisatorische und institutionelle Kontexte. Technologische Innovationen in der Pflege verändern Prozesse, Arbeitsabläufe, erforderliche Kompetenzen und möglicherweise sogar Berufsbilder. Am Beispiel eines sensorgestützten Monitoringsystems – dem intelligenten Pflegepflaster – wird in diesem Beitrag dargestellt, wie sich die Pflegearbeit, orientiert am Pflegeprozess, von einer routinebasierten zu einer anlassinduzierten Pflege entwickeln kann.

Michael Schneider, Jürgen Besser, Silke Geithner
33. Eventisierte Zwischenzeiten
Technologien im pflege- und betreuungsfreien Alltag von Personen mit Demenz

Dieser Beitrag setzt sich mit den betreuungs-, beschäftigungs-, kontakt-, personen- und begegnungsfreien Zeiträumen im institutionalisierten Pflegesetting auseinander. Diese Zeiträume der Inaktivität erleben Personen mit Demenz oft als langweilig. Zudem scheinen solche Zeiten das Phänome der gemeinsamen Einsamkeit zu fördern. Es gilt daher zu prüfen und zu diskutieren, ob situationserkennende und impulsgebende Technologien ein Innovationspotenzial bzw. einen eventisierenden Charakter aufweisen, der zur Erweiterung des kommunikativen Austauschs bzw. der sozialen Interaktion beiträgt und die Bewältigung des pflege- und betreuungsfreien Alltags von Personen mit Demenz unterstützt. Damit verbunden ist auch der gesellschaftliche und ethische Diskurs über Möglichkeiten und Grenzen der Technisierung von Pflege- und Lebenswelten.

Thomas Beer, Julian Hirt, Helma M. Bleses
34. Einführung humanoider Roboter in eine Demenz-WG – Herangehensweise an eine technische Innovation

Wir geben in diesem Kapitel einen Erfahrungsbericht seitens der Diakonie Schleswig-Holstein und der Fachhochschule Kiel über die Einführung eines humanoiden Roboters in einer Demenz-Wohngemeinschaft in Kiel. Wir schildern die Herangehensweise, berichten über Leitlinien des gemeinsam beschrittenen Weges, über Schwierigkeiten und gefundene Lösungen. Wir stellen dar, auf welche Fragen wir auf dem bereits gegangenen Weg bislang noch keine Antworten finden konnten und geben einen Ausblick auf zukünftige Entwicklungslinien.

Heiko Naß, Jens Lüssem, Hannes Eilers
35. Digitalisierung im Krankenhaus: Nutzerakzeptanz als Voraussetzung für digitale Innovationen

Die Investitionen der Krankenhäuser in digitale Innovationen haben in den letzten Jahren stark zugenommen und werden aufgrund unterschiedlicher gesellschaftlicher Entwicklungen voraussichtlich auch in den kommenden Jahren weiter ansteigen. Um die knappen Ressourcen der Krankenhäuser möglichst optimal einzusetzen, ist es notwendig sicherzustellen, dass die innovativen Systeme auch von den Mitarbeitern der Krankenhäuser genutzt werden. Voraussetzung für die Nutzung ist dabei die Akzeptanz aufseiten der Mitarbeiter, die bei oft disruptiven Innovationen nicht gleich gegeben ist. Als „Kerntechnologie“ kommt dem Krankenhausinformationssystem dabei eine tragende Rolle zu, da es Aufsatzpunkt für die meisten digitalen Erneuerungen im Krankenhaus ist. Das Management kann bei der Implementierung solcher Innovationen durch bestimmte Aktivitäten die Nutzerakzeptanz erhöhen und so zum erfolgreichen digitalen Wandel im Krankenhaus beitragen.

Tobias Schmidt-Logenthiran, Michael Stephan
36. Klinische Entscheidungsunterstützungssysteme: von der Datenrepräsentation zur künstlichen Intelligenz

Klinische Entscheidungsunterstützungssysteme (KEUS) sind Computersysteme, die die Entscheidung des Klinikers wesentlich beeinflussen, und zwar zum Zeitpunkt der Behandlung eines individuellen Patienten. Diese Systeme kommen in verschiedensten Varianten und Spielformen vor und sind daher formal schwer zu charakterisieren. Obwohl ihre Bedeutung im Behandlungsprozess des Patienten unbestritten ist, auch und vor allem wegen der immer größeren verfügbaren Daten- bzw. Wissensmenge und der fortschreitenden Digitalisierung, treten sie in manchen Bereichen nur punktuell in Erscheinung bzw. werden im klinischen Alltag noch zu wenig genutzt. Diese Systeme erlauben die schnelle standardisierte Reaktion auf neue medizinische Erkenntnisse in der medizinischen Behandlung und Dokumentation bei gleichzeitiger Reduktion von medizinischen Fehlern. Die Vielfalt an Erscheinungsformen von KEUS erschwert die Kategorisierung von dieser Art Computersystemen. In dieser Arbeit wird eine 3-stufige Einteilung versucht und mit Beispielen aus der klinischen Praxis unterlegt. Der Erfolg von KEUS mit Elementen der künstlichen Intelligenz wirft auch rechtliche Fragen auf, die in dieser Arbeit beleuchtet werden.

Joachim Steinwendner
37. Innovativer Einsatz künstlicher Intelligenz bei bildgebenden Verfahren im klinischen Alltag

Begriffe wie Machine Learning, Deep Learning oder künstliche Intelligenz sind Schlagworte, die derzeit in nahezu jeder Branche für große Aufmerksamkeit sorgen und oftmals Begehrlichkeiten wecken. Die mit diesen technologischen Entwicklungen verknüpften Potenziale scheinen oftmals gar unerschöpflich. Doch welche Anwendungsgebiete und Entwicklungspotenziale hält diese Technologie für das Gesundheitswesen bereit? Wie profitieren Patienten und Ärzte von modernen algorithmischen Anwendungsverfahren? Auch im deutschen Gesundheitswesen gibt es Fachbereiche, die bereits heute vom Einsatz künstlicher Intelligenz lernen und profitieren. Der Blick in die Zukunft lässt darüber hinaus soziodemografische und technologische Entwicklungen erkennen, die ein Umdenken erfordern und den Einsatz intelligenter, technologischer Lösungen obligatorisch erscheinen lassen. Im Fachbereich der Radiologie werden die Potenziale künstlicher Intelligenz bereits heute offensichtlich und geben einen Einblick in Chancen und Risiken, die mit dem Einsatz moderner Technologien verknüpft sind.

Johannes Winter
38. Vermeidung der medizinischen Unterversorgung ländlicher Strukturen durch innovative Ansätze der Telemedizin

Die Gesundheitsversorgung in Deutschland ist insgesamt nicht durch Unterversorgung bedroht. Vielmehr ist die Versorgung durch Disparitäten in der regional ungleichen Verteilung der Ressourcen geprägt. Im ambulanten Sektor kommt es daher aufgrund von Fachkräftemangel zur Unterversorgung ländlicher Gebiete bei einer gleichzeitigen Erhöhung des Versorgungsbedarfs der Bevölkerung in ländlich geprägten Regionen. Als eine Option zur Überwindung der Versorgungslücken können Versorgungskonzepte auf Basis von telemedizinischen Anwendungen dienen. Diese Anwendungen müssen, um die Bedürfnisse aller beteiligten Parteien mit einzubeziehen und effizient eingesetzt werden zu können, durch nutzerzentrierte Innovationsansätze gestaltet und umgesetzt werden. Ein vielversprechender Ansatz hierzu ist die aus der Softwareentwicklung stammende Scrum-Methode. Scrum wurde bei der Umsetzung des telemedizinischen Versorgungsansatzes „Gesundheitsversorgung 4.0“, welches vom Bayerischen Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat gefördert wurde, eingesetzt. Das Versorgungskonzept „Gesundheitsversorgung 4.0“ soll der Berücksichtigung der Bedürfnisse älterer Patienten, auch in stationären Pflegeeinrichtungen, dienen.

Christoph Buck, Eileen Doctor, Torsten Eymann
Metadata
Title
Innovationen und Innovationsmanagement im Gesundheitswesen
Editors
Prof. Dr. Mario A. Pfannstiel
Kristin Kassel
Prof. Dr. Christoph Rasche
Copyright Year
2020
Electronic ISBN
978-3-658-28643-9
Print ISBN
978-3-658-28642-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-28643-9