Innovationsmanagement funktioniert nicht top down oder als betriebliches Vorschlagswesen. Vielmehr braucht es hauptamtliche Ideenmanager, die den Kulturwandel zur innovativen Organisation vorantreiben, so Eberhard Steiner und Miriam Landes im Gespräch.
Springer Professional: In Unternehmen werden Innovationen oft vom Management entwickelt, an die Belegschaft durchgereicht, die diese dann nebenbei umsetzen sollen. Ergänzend gibt es ein Postfach, an das Mitarbeiter Ideen schicken können. Funktionieren Kreativität und Innovationen im Unternehmen so?
Eberhard Steiner: Kreativität ist das Entwickeln neuer Ideen und Innovation die Umsetzung in etwas Greifbares. In der beschriebenen Situation wird Kreativität begrenzt sein, nämlich auf das Management. Es herrscht dann der Grundsatz "alles Gute kommt von oben". Man kann sich vorstellen, wie fatal sich dies auf die Motivation auswirkt. Motivation ist eine Grundvoraussetzung, damit aus Kreativität eine Innovation entsteht, die von der Belegschaft umgesetzt wird. Gleichzeitig ist Kreativität natürlich in der Belegschaft vorhanden. Wird diese nicht gefördert, vergibt das Unternehmen wertvolle Chancen auf Weiterentwicklung.
Die besten Ideen haben oft Mitarbeitende im Tagesgeschäft. Revolutionäre Ideen sind naturgemäß selten – es kommt auf die kleinen und mittleren Verbesserungen an. Diese können Beschäftigte sehr viel besser einschätzen als das Management. Landen diese Impulse in einem Mail-Postfach, zerlegen sie die bürokratischen Mühlen des Vorschlagswesens, so dass dabei jede Motivation verloren geht. Leider geht es nicht selten ausschließlich darum, ob eine Idee zu unmittelbaren Kosteneinsparungen führt. Wenn die Ablehnung von Ideen dominiert, lernt die Belegschaft, dass es sich nicht lohnt, diesen häufig formalistisch überformten Prozess zu durchlaufen. Als Folge nimmt die Anzahl der Vorschläge ab und diese Quelle für Kreativität versiegt.
Was sollten Unternehmen im Innovationsmanagement besser machen?
Miriam Landes: Ein modernes Ideenmanagement funktioniert über hauptamtliche Ideenmanager, über interne Ideenwettbewerbe, über Social Intranet Likes sowie eine Umsetzungsfokussierung, statt der leider häufig vorherrschenden Konzentration auf Abwehr störender neuer Gedanken. Jeder Vorschlag beinhaltet eine konstruktive Kritik am Ist-Zustand – und dieser hat eine große Anziehungskraft. So wird oftmals versucht, kognitive Dissonanzen mit dem Spruch "Das haben wir schon immer so gemacht!" aufzulösen.
Damit frustriert man die Ideeneinbringer. Diesen geht es meistens nicht um die Prämie, sondern um Wertschätzung, darum, die eigene Idee geprüft und idealerweise umgesetzt zu sehen. Ein modernes Ideenmanagement greift früher abgelehnte Vorschläge aus einem Ideenpool wieder auf und prüft, ob diese inzwischen passen. Wichtig ist, eine Vielzahl von Vorschlägen zu generieren. Hier kann man mit Kennzahlen arbeiten, um zu ermitteln, ob die Ideenquote im Vergleich zu anderen Unternehmen über- oder unterdurchschnittlich ist. Die Vielzahl muss durch eine Filterfunktion reduziert und in einen Bewertungsprozess eingespielt werden, bei dem das Umsetzen von Ideen der Standard ist.
Auf welche kreativitätsfördernde Faktoren können Unternehmen setzen, um den Erfindergeist in der Belegschaft zu wecken?
Eberhard Steiner: Ein Ideenmanagement sollte sich dem Kulturwandel verschreiben. Das ist seine eigentliche Funktion. Die Entwicklung führt idealerweise hin zu einem innovationsfreundlichen Unternehmen als offenem System, das Impulse aufnimmt und sich dem Diskurs stellt. Dabei sollte man bei Regeln und Formalismen sparsam sein. Die Unternehmenskultur ist dann geprägt von einem freien Informationsfluss, einer Zusammenarbeit über Abteilungsgrenzen hinweg und wie beim Open-Innovation-Ansatz auch über das Unternehmen hinaus. Konflikte werden konstruktiv angegangen und es gibt eine positive Fehlerkultur. Im Recruitimg sollte auf unkonventionelle und kreative Menschen geachtet werden, die sonst gerne durch das Einstellungsraster fallen. Wichtig ist, dass das Innovationsmanagement Haltungen ändert, Kulturwandel fördert und einen Change-Prozess anstößt.
Was sollten Führungskräfte beim Kulturwandel hin zum innovativen Unternehmen beachten?
Miriam Landes: Es geht darum, Beschäftigte zu ermutigen, etwas auszuprobieren, Experimente zuzulassen und zu akzeptieren, dass etwas scheitern kann. Entscheidungsfreiräume zu schaffen und partizipative Sicherheit zu vermitteln, sind weitere wichtige Punkte. Innovative Unternehmen haben eine Innovationsvision, Mitarbeitende werden einbezogen und der Sinn von Innovationen wird vermittelt. Man muss Unterstützung geben, wo es nötig ist und Freiräume lassen, soweit es geht. Kreativität braucht Zeit und die Möglichkeit, sich aus den Alltagssorgen zu lösen, zu träumen. Der wichtigste Aspekt ist, Fehler als Chance zur Entwicklung zu sehen und Lerngewinne konstruktiv zu sichern – nach der Maxime "Scheitere früh und oft und lerne daraus".
Und noch eine grundlegende Frage: Wann ist eine Innovation überhaupt wirklich eine Innovation?
Eberhard Steiner: Laut Definition ist Innovation das Ergebnis eines kreativen Prozesses, der zu etwas geführt hat, was neu, nützlich und angemessen ist. Etwas, was nicht neu ist, kann zwar auch nützlich sein, zum Beispiel eine Wiederentdeckung von vergessenem Wissen, und etwas, was neu ist, kann keinen Nutzen haben, etwa ein eckiges Rad. Oder etwas Neues passt nicht in die Zeit und wird als unangemessen angesehen. Man denke nur an die Luftschraube von Leonardo da Vinci. Um Innovationen handelt es sich dann nicht. Innovation erfüllt alle drei Kriterien: neu, nützlich und angemessen.