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05-01-2016 | Innovationsmanagement | Interview | Article

"Querdenken ist nicht normal"

Author: Andrea Amerland

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Interviewee:
Jan Pierre Klage

Der Innovations- und Kommunikationsexperte Jan Pierre Klage lehrt an der Business and Information Technology School Hamburg und der Hochschule Macromedia in München und Berlin.

Unternehmen stellen sich selbst ein Bein, wenn sie nur systemkonforme Mitarbeiter fördern. Denkdemokratie statt Denkbürokratie, fordert der Springer-Autor Jan Pierre Klage im Interview. Für Innovationen werden Querdenker dringend gebraucht.

Sie singen in Ihrem Buch "I did it my way!" das Hohe Lied auf das Querdenken. Was genau verstehen Sie unter dem Begriff in Bezug auf Unternehmen?

Von den elf Millionen Informationssignalen, die unser Gehirn pro Sekunde verarbeiten kann, werden gerade mal 40 verwendet, um daraus einen bewussten Gedanken zu formen. Mehr packen wir nicht. Der Rest geht für Erhaltung drauf; Routinen und automatische Abläufe, die unser Organismus braucht, um am Laufen gehalten zu werden. Biologische Bürokratie, wenn Sie so wollen. Fürs Nachdenken bleibt nur ein Bruchteil übrig. Ein ziemlich schwacher F & E-Faktor. Und die wenigen, die ihre knapp bemessenen 40 Bits strapazieren, um Erkenntnis und Einsichten zu gewinnen, haben in der herrschenden Denkbürokratie einen schweren Stand. Sie sind Querdenker, die etwas anderes glauben oder meinen als die im Corporate Design erzogenen Mitarbeiter einer Organisation. Denn 'quer' verwenden wir in unserer Sprache nur, wenn etwas stört, nicht normal ist. Und Querdenken ist nicht normal. Besser, man isoliert die Querdenker in den Organisationen. Dummerweise geht dabei aber sehr viel Substanz verloren.

Menschen, denen es gelingt gewohnte Denkbahnen zu durchbrechen, bezeichnen Sie als mutige Macher. Können Sie an einem Beispiel erklären, wie sie zu Innovationen und kreativen Ideen gelangen?

Google-Gründer Larry Page beispielsweise glaubt, dass große Ideen und Produkte nur durch ebensolches Denken entstehen. Alles, was Google angeht, muss deshalb zehnmal größer, besser, schneller sein als alles, was es bisher gab. „10x Thinking“ lautet dann auch ganz folgerichtig sein Managementmantra: Es ist einfacher, alles zehnmal besser als nur zehn Prozent besser zu machen. Und so ist Google längst kein reines Internetunternehmen mehr, sondern ein globaler Hightech-Konzern, der Glasfaserkabel verlegt, Laptops, Tablets und Software produziert. Page ist dabei, Google in eine Innovationsmaschine zu verwandeln, mit der die Welt von morgen gestaltet werden soll. Das selbstfahrende Auto und Google Glass sind dabei nur der Anfang.

Sie sagen: „Innovation funktioniert nur wirklich, wenn der Ausbruch aus der Routine gewagt, Altes zerstört, Ressourcen anders kombiniert und in neue Verwendungszusammenhänge eingebunden werden.“ Genau das ist in vielen Unternehmen gar nicht möglich. Wie muss die Unternehmenskultur aussehen, damit Querdenken möglich wird?

Innovation braucht eine Geisteshaltung, die auch die gesamte Alltagskultur durchzieht: Kunst, Literatur, Sport oder Architektur – und nicht nur die wirtschaftliche Praxis mit ihrer kurzfristigen Ertragserwartung. Wenn im Gesamtgesellschaftlichen das Festhalten dominiert, wird auch im Wirtschaftlichen nichts entstehen. Auch in den Unternehmen hält man gern fest; besonders am linearen Denken: Man drückt auf den Knopf, und beim Mitarbeiter soll die Innovationslampe leuchten. Aber Innovationen sind Vorkommnisse, deren Eintreten nicht zu erzwingen ist. Ob es der Zufall ist oder ob ein produktiver Irrtum das Neue bewirkt – das Management kann allenfalls die Bedingungen der Möglichkeit von Innovation verbessern. Es kann ein Klima schaffen, das Innovation wahrscheinlicher macht. Mehr nicht. Aber auch nicht weniger.

Vielerorts wird dafür ein Veränderungsprozess nötig sein. Wie können Führungskräfte diesen Change erfolgreich managen?

Unbändige Motivation, umfassende Fähigkeiten und jede Menge Freiräume sind Zutaten mutiger Geschäftsmodelle, die bereits erfolgreich mit bestehenden Mustern gebrochen haben. Mitarbeiter wünschen sich heute den Beteiligungsgrad, den sie aus den sozialen Medien kennen, auch am eigenen Arbeitsplatz, und sie fühlen sich der gemeinsamen Sache um so stärker verpflichtet, je flacher die Hierarchien sind. Vor allem aber sind Querdenker unverzichtbar. Nur sie geben der soliden Arbeit guter Teams oftmals den entscheidenden Kick. Wer Querdenker ermutigt, wird belohnt.

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