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Published in: BHM Berg- und Hüttenmännische Monatshefte 8/2021

Open Access 10-08-2021 | Originalarbeit

Innovative Energie- und Qualitäts-Adaptierte Lenkungsstrategien für Mobile Autonome Brecher

Vorstellung des Dissertationsprojektes

Authors: Dipl.-Ing. Dietmar Kemper, Siegfried Scheibner, Matthias Egger, Hermann Almer, Helmut Flachberger

Published in: BHM Berg- und Hüttenmännische Monatshefte | Issue 8/2021

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Zusammenfassung

Mobile Brechanlagen haben ein starkes Wachstum durch viele Bereiche der Primär- und Sekundärrohstoffaufbereitung – beispielsweise in Steinbrüchen für Baurohstoffe, Industrieminerale und Erze (primär) und für Baureststoffe, schadstoffentfrachtete Schlacken und diverse Verbundstoffe (sekundär) vollzogen. Dabei gingen die Bemühungen der Ingenieur*innen in den vergangenen Jahren verstärkt in Richtung immer größerer Mobilanlagen zur Steigerung der erzielbaren Durchsatzraten unter Wahrung der Transportierbarkeit auf dem öffentlichen Straßennetz.
Seitens der Forschungspartner „SBM Mineral Processing“ und „Lehrstuhl für Aufbereitung und Veredlung“ wird erwartet, dass Innovationen in ein weitgehend autonomes Brechen durch digitale Transformation einen weiteren Wachstumsschub in den internationalen Märkten ermöglichen werden. Dazu müssen diese mobilen Brechaggregate mit intelligenter und zugleich robuster Sensorik und Aktorik sowie modernen Algorithmen ausgestattet werden, damit diese in die Lage versetzt werden können, ihren voreingestellten Betriebszustand zu halten, Abweichungen zu erkennen und darauf richtig zu reagieren, um dann wieder in den optimalen Betriebszustand zurückkehren zu können. Bei den derzeit am Markt befindlichen Aggregaten ist das „Reagieren“ überwiegend den Maschinenbetreibern vorbehalten, deren Erfahrung und Können einen maßgeblichen Einfluss auf das wirtschaftliche Betreiben mobiler Brechanlagen hat. Der kampagnenartige Einsatz und die damit einhergehenden unterschiedlich zu verarbeitenden Rohgutarten mit ihren zerkleinerungstechnischen Spezifika wie auch der derzeitige Stand der Technik und ein oftmals ungenügendes Prozessverständnis der Maschinenbetreiber tragen zum jetzigen Zeitpunkt dazu bei, dass diese Brechaggregate sehr häufig außerhalb des optimalen Betriebsfensters für eine energie- und qualitätsoptimierte Anlagenfahrweise betrieben werden. Ein unzureichendes Produktausbringen und ein erhöhter Wartungs- und Energieaufwand sind die unerwünschten Konsequenzen.
Die Erhebung des Stands der Technik und der am Markt befindlichen Maschinen hat gezeigt, dass bereits gewisse Aspekte des automatisierten Betriebes in mobilen Brechaggregaten vorhanden sind (z. B. das Koppeln der zuzuführenden Rohgutmenge an den Lastzustand), die Möglichkeiten eines autonomen Brechens sind aber noch bei weitem nicht erreicht. Hier ist Platz für vielfältige maschinenbauliche, prozesstechnische und mechatronische Innovationen.
Ziel des Projektes ist es, durch den Bau eines Prototyps mit innovativer Sensorik und Aktorik die Grenzen des Machbaren aus technologischer wie auch wirtschaftlicher Sicht für ein autonomes Brechen (durch ein selbststeuerndes und lernendes Aggregat) auszuloten bzw. neu zu definieren und wissenschaftlich zu untermauern. Unterschiedliche neue innovative Baugruppen mit Sensoren und Aktoren sowie integrierten Steuerungsalgorithmen sollen auf Einsatztauglichkeit getestet werden. Zunächst unter kontrollierten Bedingungen im Labor und am Technikum-Versuchsstand, nachfolgend in rauen Feldversuchen.
Notes

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

1 Einleitung

Die Firma SBM Mineral Processing, im Folgenden mit SBM abgekürzt, ist ein österreichisches Traditionsunternehmen mit Firmenstandorten in Oberweis und Liezen. SBM zählt im DACH-Raum zu den führenden Komplettanbietern von Aufbereitungs- und Förderanlagen für die Rohstoff- und Recyclingindustrie und von Betonmischanlagen für Transport- und Werksbeton. Das Produktportfolio umfasst Einzelmaschinen, mobile und stationäre Aufbereitungs- und Betonmischanlagen und den dazugehörigen Service & Support. Zurzeit beschäftigt SBM an beiden Standorten ca. 165 Mitarbeiter und gehört zur MFL-Gruppe, welche die in Abb. 1 ersichtlichen Tochter- und Schwesterunternehmen unter ein Dach zusammenführt [1].

2 Motivation aus aufbereitungstechnischer Sicht

Mobile Aufbereitungsanlagen haben in den vergangenen Jahren einen Siegeszug durch viele Segmente der rohstoffgewinnenden und -verarbeitenden Industrie vollzogen. SBM hat sich durch seine qualitativ hochwertigen mobilen Aufbereitungsanlagen als kompetenter Mitbewerber in einem stetig wachsendenden Marktsegment bewährt. Diese positive Entwicklung soll konsequent fortgesetzt und mit einem mehrjährigen Forschungsprojekt begleitet werden. Zur Unterstützung wurde dazu der Lehrstuhl für Aufbereitung und Veredlung der Montanuniversität Leoben als Forschungspartner beigezogen.
SBM ist sich insbesondere der spezifischen Herausforderungen bewusst, welche ein Betrieb von Mobilanlagen mit sich bringt. Der häufig kampagnenartig geführte Betrieb bedeutet in der Regel, dass die Mobilanlagen mit unterschiedlichen Aufgabenstellungen konfrontiert sind. Beispielhaft seien unterschiedliche Gesteinsarten (hart, mittelhart und weiche Gesteine) und zu erzeugende Körnungsspezifikationen (Korngrößen- und Kornformverteilungen) genannt. Gelingt diese Anpassung nicht, entweder, weil die Mobilanlage dies nicht zulässt, oder weil das Bedienpersonal nicht über die entsprechende Kompetenz verfügt, arbeitet die Mobilanlage u. U. weit außerhalb des optimalen Betriebsfensters. Diese Bedienfehler führen zu erhöhten Betriebskosten, Verlusten an markttauglichen Körnungsprodukten bzw. nehmen Wartungen und Reparatur- bzw. Stillstandszeiten zu.

3 Kurze Funktionsbeschreibung

Abb. 2 zeigt einen raupenmobilen Brecher, welcher sich üblicherweise aus den folgenden Hauptkomponenten zusammensetzt:
  • Aufgabebunker (1) inklusive Aufgaberinne (7)
  • Vorsieb (2), inklusive Bypass (10) und Vorsiebband (9)
  • Prallbrecher (3)
  • Magnetscheider (5)
  • Brecherabzugsband (11)
  • Klassiersieb (15)
  • Übergabe- (12), Rückführ- (13) und Feinkornband (16)
Die Beschickung der mobilen Prallbrecher erfolgt über den Aufgabebunker (1). Sowohl bei SBM als auch den Mitbewerbern werden beim Aufgabebunker ähnliche Systeme mit hydraulisch klappbaren Wänden verwendet. Nach der Beschickung erfolgt die Förderung des Brechgutes in Richtung Brecher mit Hilfe einer Aufgaberinne (7), die über Motoren angetrieben wird. Im Bereich des Vorsiebes (2) erfolgt ein erster Klassierschritt, um den Brecher zu entlasten. Die Klassierung kann ein- oder zweistufig erfolgen oder in manchen Fällen (z. B. bei Asphalt) durch Abdecken nicht benutzt werden. Außerdem kann je nach Kundenwunsch die Feingutfraktion des Vorsiebes mittels des Vorsiebbandes (9) ausgeschleust oder via Bypass (10), am Brecher vorbei, dem Brecherabzugsband (11) aufgegeben werden [2].
Im Prallbrecher (3) wird die Grobgutfraktion des Vorsiebes durch den rotierenden Rotor auf Prallplatten geschleudert und durch Stoßimpulse solange zerkleinert, bis sich ein hinreichender Zerkleinerungseffekt einstellt. Die Einstellung hinsichtlich der zu erreichenden, oberen Korngröße erfolgt durch den variablen Brechspalt. Einige Hersteller am Markt können den Brechspalt automatisch verstellen, während bei anderen die Verstellung manuell erfolgt. Die automatische Verstellung bringt den großen Vorteil mit sich, dass die Maschine weiter produzieren kann und keine Stillstandzeit anfällt [3, 4].
Nach dem Brechvorgang wird das Zerkleinerungsprodukt mittels des Brecherabzugsbandes (11) auf das ein- oder mehrstufige Klassiersieb gefördert und dann klassiert, anschließend über das Feinkornband (16) ausgeschleust bzw. abermalig dem Brecher über das Übergabeband (12) und das Rückführband (13) zugeführt. Direkt nach dem Brecher ist zudem ein Magnetscheider (5) angebracht, um eisenhaltige Begleitmaterialien vom gebrochenen Korn auf einen eigenen Schüttkegel auszuscheiden [2].
Die Energieversorgung erfolgt bei SBM durch eine Motor-Generator-Einheit (diesel-vollelektrisch oder diesel-elektrisch), während die meisten Mitbewerber ein diesel-hydraulisches Antriebskonzept anwenden. Zur Reduktion von CO2-Emissionen verfügen die meisten der diesel-elektrischen Konzepte über die Möglichkeit, die Mobilanlage direkt mit elektrischer Energie aus dem öffentlichen Stromnetz zu versorgen.

4 Ziele und Entwicklungsinhalte des Forschungsprojektes

Als forschungsrelevante Ansatzpunkte bei der geplanten Neuentwicklung dienen innovative Werkstoffe, hohe Prozessautomatisierung („lernendes System“) sowie energie-optimierte und CO2-freie Betriebsarten. Bei diesen Ansatzpunkten will SBM die Innovationshebel ansetzen und zum einen die Bedienerfreundlichkeit maßgeblich erhöhen und zum anderen die Mobilanlagen mit der notwendigen Sensortechnik und Software ausstatten, dass diese in die Lage versetzt, unterschiedliche bzw. abweichende Betriebszustände zu erkennen und – angepasst an die vorgegebenen Rahmenbedingungen – selbstständig die richtigen Entscheidungen zur Aufrechterhaltung eines energie- und/oder produkt-optimierten Betriebes oder zur möglichst raschen Rückkehr in ebendiesen zu treffen. Dabei soll nicht unerwähnt bleiben, dass bereits jetzt ein gewisser Automationsgrad in Mobilanlagen verbaut ist, im Zuge des gegenständlichen Forschungsprojektes soll dieser jedoch drastisch erhöht werden. Dazu ist es notwendig, die vielfältigen Werkzeuge der Digitalisierung auf Einsatztauglichkeit für die Anwendung auf mobile, in einem rauen Betriebsalltag im Einsatz stehenden Aggregate zu prüfen, wozu ein Prototypenbau unerlässlich ist [5].
Im Rahmen eines mehrjährigen, von der österreichischen Forschungsföderungsgesellschaft, kurz FFG, geförderten Forschungsprojekts wurde als übergeordnetes Ziel die Entwicklung eines innovativen, flexibel einsetzbaren, bedienerfreundlichen, sicheren, selbstlernenden, CO2-emissionsfreien und mobilen Prallbrechers definiert.
Darüber hinaus wurden folgende Unterziele definiert:
  • Neue Maßstäbe in Richtung autonomes Aufbereiten mit Mobilanlagen durch den Einsatz cyberphysikalischer Systeme und adaptiver Steuerungen zu setzen und damit einen Beitrag zur AI Mission Austria 2030 zu leisten.
  • Die Grenzen des Machbaren aus technologischer wie auch wirtschaftlicher Sicht auszuloten bzw. neu zu definieren, die Einsatztauglichkeit mit den Methoden der statistischen Versuchsplanung wissenschaftlich zu untermauern und das Wissen durch eine Schutzstrategie abzusichern.
  • Der Rohstoffbranche eine innovative, flexibel einsetzbare und bedienerfreundliche Mobilanlage zur Verfügung zu stellen, die in einer rauen Betriebsumgebung energie- und produkt-optimiert sowie selbstlernend und damit weitestgehend autonom zu arbeiten vermag.
  • Das erste CO2-freie Antriebskonzept und umweltschonende/unbedenkliche Bauteilgruppen in der Sparte der Mobilanlagen zu entwickeln und damit ein emissionsfreies Aggregat zu produzieren.

5 Umweltauswirkungen und Nachhaltigkeit

Die projektierten Optimierungsmaßnahmen an der Mobilanlage werden zu einer Reduktion des spezifischen Energiebedarfes und damit zu einem geringeren Stromverbrauch bzw. zur Reduktion des CO2-Ausstoßes der Mobilanlage führen. Des Weiteren kann durch den Betrieb am öffentlichen Stromnetz die Mobilanlage auch CO2-neutral betrieben werden (Grünstromvertrag vorausgesetzt). Zusätzlich soll durch die parallel vorangetriebene Entwicklungsarbeit an neuen Antriebkonzepten ein CO2-emissionsfreier Betrieb ermöglicht werden.
Mit den prozesstechnischen Verbesserungen können zukünftig die Lebensdauer der Mobilanlagen erhöht und Maschinenbrüche verhindert werden. Durch weitere Maßnahmen zur Staub- und Schallreduktion sollen die Rahmenbedingungen der Mobilanlage verbessert und der Einsatz der Aggregate im innerstädtischen Bereich gefördert bzw. erst möglich gemacht werden.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Literature
2.
go back to reference Schwister, K.; Leven, V.: Verfahrenstechnik für Ingenieure – Lehr- und Übungsbuch, München: Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, 2014.CrossRef Schwister, K.; Leven, V.: Verfahrenstechnik für Ingenieure – Lehr- und Übungsbuch, München: Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, 2014.CrossRef
3.
go back to reference Höffl, K.: Zerkleinerungs- und Klassiermaschinen. Berlin, Heidelberg: Springer, 1986CrossRef Höffl, K.: Zerkleinerungs- und Klassiermaschinen. Berlin, Heidelberg: Springer, 1986CrossRef
4.
go back to reference Olshausen, H.-G.: VDI-Lexikon Bauingenieurwesen, Berlin, Heiderlberg: Springer, 1991CrossRef Olshausen, H.-G.: VDI-Lexikon Bauingenieurwesen, Berlin, Heiderlberg: Springer, 1991CrossRef
Metadata
Title
Innovative Energie- und Qualitäts-Adaptierte Lenkungsstrategien für Mobile Autonome Brecher
Vorstellung des Dissertationsprojektes
Authors
Dipl.-Ing. Dietmar Kemper
Siegfried Scheibner
Matthias Egger
Hermann Almer
Helmut Flachberger
Publication date
10-08-2021
Publisher
Springer Vienna
Published in
BHM Berg- und Hüttenmännische Monatshefte / Issue 8/2021
Print ISSN: 0005-8912
Electronic ISSN: 1613-7531
DOI
https://doi.org/10.1007/s00501-021-01136-9

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