Unwetter und Überschwemmungen sorgen hierzulande oft für Sachschäden und Betriebsausfälle in Unternehmen. Im Vergleich zum sinkenden Unternehmenswert aufgrund von Investorenabwanderung und Reputationsschäden handelt es sich dabei um die geringeren finanziellen Einbußen.
Aufgrund der mit der Pandemie einhergehenden und die (Welt-)Wirtschaft betreffenden Entwicklungen richten Unternehmensvorstände sämtlicher Branchen verstärkt ihr Augenmerk nach innen: Der gesamte Betrieb mit allen relevanten Prozessen muss auch in der Krise aufrechterhalten werden, ohne die Sicherheit der eigenen Mitarbeiter zu gefährden. Doch hier drohen CEOs und CFOs von Produktionsstätten in eine Einbahnstraße abzubiegen: So wichtig es ist, die aktuellen durch Covid-19 bedingten Entwicklungen im Auge zu behalten und diese in die eigene Strategie einzubinden, so dürfen Entscheider das Potenzial anderer Bedrohungen nicht ignorieren. Die Rede ist von klima- beziehungsweise wetterbedingten Risiken. In Deutschland zählen dazu vor allem Hochwasserereignisse, Überschwemmungen und Sturmfluten.
Risiko Hochwasser in Deutschland
Das sich verändernde Klima wirkt sich auf das Hochwasser- und Überschwemmungsrisiko aus: Meeresspiegel und Flusspegel steigen aufgrund stärkerer und vermehrter Regenfälle. Gleichzeitig sorgen längere Trockenphasen dafür, dass der Boden nicht die Wassermengen aufnehmen kann, die durch plötzliche und starke Regenfälle verursacht werden. Zum ersten Mal in der Zehn-Jahres-Prognose des Weltwirtschaftsforums sind die fünf größten globalen Risiken umweltbedingter Natur. Die finanziellen Auswirkungen von Umweltkatastrophen können dabei erheblich ansteigen. Das sogenannte Klimarisiko fällt unter die Kategorie des Eigentumsrisikos. Im Falle des Eintritts einer wetterbedingten Katastrophe sind Immobilien-, Anlagen- und andere Eigentümer direkt davon betroffen. Zwar haben CEOs und CFOs keinen Einfluss auf das Klima selbst, doch können sie sehr wohl steuern, wie resilient ihr Unternehmen gegenüber potenziellen Katastrophen ist.
Überschwemmungen sind im weltweiten Vergleich nach Stürmen die Naturkatastrophe mit dem höchsten Schadenpotenzial. So entstanden etwa 40 Prozent aller schadenrelevanten Ereignisse seit 1980 durch Hochwasser und erzeugten bis 2019 Kosten in Höhe von mehr als einer Billion US-Dollar. Auch in Deutschland zählt Hochwasser zur häufigsten Schadenursache, deren Ausmaße in den letzten Jahren Milliardenbeträge erreichten. Nach dem schweren Elb-Hochwasser von 2002 betrug der finanzielle Schaden etwa zehn Milliarden Euro. Als Tief Frederik 2013 über Mitteleuropa zog, entstanden Schäden in Höhe von 6,5 Milliarden Euro. Anfang des Jahres sorgte Orkan Sabine neben Wind- ebenso für Sturmflut- und Überschwemmungsschäden von insgesamt rund 675 Millionen Euro. Der Großteil der Schadsumme entfiel unter anderem auf Gewerbe- und Industriebetriebe. Doch werden finanzielle Einbußen nicht unbedingt allein durch Sach- und Gebäudeschäden verursacht – vielmehr sind es die indirekten Auswirkungen in Form von Investorenabwanderung und Geschäftswertverlusten, die die Unternehmen teuer zu stehen kommen.
Resilienz schützt Unternehmenswerte
CEOs und CFOs müssen sich im Klaren sein, dass Hochwasser und Überschwemmungen den Unternehmenswert noch lange nach ihrem Auftreten beeinträchtigen können. Auch wenn unmittelbare Ausfälle und kurzfristige Umsatzeinbußen durch eine Sachversicherung abgedeckt werden können, werden Marktanteile, Wachstumschancen und das Vertrauen vonseiten der Investoren möglicherweise nie wieder das gleiche Maß erreichen wie vor einer Katastrophe. Die Kosten für diese entgangenen Chancen – also der indirekten Auswirkungen einer Hochwasserkatastrophe – sind vergleichbar mit Kosten direkter Sachschäden und liegen oftmals wesentlich höher als die Investitionen in die Resilienz eines Unternehmens.
Im Rahmen einer von FM Global in Auftrag gegebenen Studie wurden 71 Unternehmen untersucht, die innerhalb der letzten Jahre finanzielle Einbußen durch ein Hochwasserereignis verzeichneten. Zwölf Monate nach dem eigentlichen Ereignis war ihr Unternehmenswert um durchschnittlich fünf Prozent zurückgegangen, was einem Gesamtwert von etwa 82 Milliarden US-Dollar entspricht. Dieser Wertverlust ist vor allem auf die Reaktion von Investoren und ihre verringerte Erwartungshaltung hinsichtlich des zukünftigen Cashflows zurückzuführen. Investoren beurteilen sowohl die eigentliche Betriebsunterbrechungszeit als auch die daraus folgenden, langfristigen Auswirkungen wie zum Beispiel Reputationsschäden, verlorene Marktanteile oder verpasste Expansionschancen. Sie wenden sich ab und der Unternehmenswert sinkt.
Von der Standortwahl bis hin zum Notfallplan
Bei einer solchen Risikolage und den damit einhergehenden Langzeitauswirkungen sollte man meinen, dass der Großteil der Unternehmen für die Bedrohungen wie Extremniederschläge, Überschwemmungen und Hochwasser gewappnet ist. Die Realität sieht anders aus: 77 Prozent der CEOs und CFOs erkennen mittlerweile, dass sie nicht auf wetter- oder klimabedingte Katastrophen vorbereitet sind. 82 Prozent von ihnen glauben, dass sie die Auswirkungen auf ihr Geschäft nicht oder kaum kontrollieren können, da das Klima unbeherrschbar erscheint. CEOs und CFOs haben jedoch das Steuer in der Hand, wenn es um Präventivmaßnahmen und Resilienz gegenüber wetterbedingten Schäden geht.
CEOs sollten sicherstellen, dass ihr Unternehmen eine Climate-Loss-Prevention-Strategie verfolgt. So simpel es auch klingt: Bevor sich ein Unternehmen für einen Standort entscheidet, sollte es das Hochwasserrisiko in diesem Areal betrachten. Hierfür sollte es unter anderem historische Daten (Hat es dort bereits Hochwasser gegeben?), Hochwasserkarten (Wie wahrscheinlich sind weitere Überschwemmungen?) und Expertenmeinungen zu Rate ziehen. Doch Vorsicht: Wird der Standort in einer Gegend festgelegt, in der der Hochwasserpegel nur einmal alle hundert Jahre erreicht wird, darf dies nicht zu dem Trugschluss führen, das Unternehmen könne von einer zukünftigen Flut nicht betroffen sein. Es ist also nicht die Frage, ob Hochwasser eintreten wird, sondern wann und in welchem Ausmaß.
Der Notfallplan
Wenn sich die Einrichtung eines Standortes innerhalb eines Risikogebiets nicht umgehen lässt, müssen sich betroffene Unternehmen ein Bild des potenziellen Flutszenarios machen. Dabei sollten sie die potenzielle Dauer, Höhe sowie den möglichen Kontaminierungsgrad der Flut berücksichtigen. Darüber hinaus ist der aktuelle Ist-Zustand der baulichen Gegebenheiten, der Geräte und des weiteren Equipments genau zu prüfen. Auf Grundlage der Ergebnisse gilt es dann, Sicherheitsmaßnahmen umzusetzen. Diese reichen von der Installation oder dem Ausbau von Umleitungen, Dämmen und dickeren Wänden bis hin zur Umpositionierung von Anlagen, elektrischen Leitungen oder wichtigen Dokumenten an erhöhte Stellen.
Jedes Unternehmen, das sich in einem Risikogebiet niederlässt, muss über einen umfassenden Flood Emergency Response Plan (FERP) beziehungsweise Hochwasser-Notfallplan verfügen. Dieser Plan sollte in jedem Fall folgende Faktoren abdecken:
- Ein geschultes Notfall-Team mit klar definierten Rollen (einschließlich der Festlegung einer Leitung, die Befugnis hat, bestimmte Prozesse und/oder Systeme abzuschalten)
- Vorgehensweisen wie Prozessunterbrechungen oder die Bewegung von Eigentum, um den Schaden gering zu halten
- Clean-up-Plan
- ein Konzept für den temporären Betrieb
- einen Recovery-Plan
Resilient gegen Umweltkatastrophen
Viele Unternehmen sind derzeit überwiegend mit der akut herrschenden Krisensituation beschäftigt. Sie müssen auf Veränderungen reagieren, die täglich von der Regierung verordnet werden können, und konzentrieren sich hauptsächlich darauf, den Betrieb trotz der vielen Hindernisse aufrecht zu erhalten. Aber dennoch: Klimaveränderungen und wetterbedingte Katastrophen machen vor der Pandemie nicht Halt. Sollte es nun zu einem solchen Vorfall kommen und ein Unternehmen ist nicht ausreichend vorbereitet, gesellen sich Sach- und Reputationsschäden sowie Wachstums- und Investorenverluste zu den akuten Pandemie-bedingten Problemen hinzu. Nun ist der beste Zeitpunkt, sich mit dem Klimarisiko auseinanderzusetzen, damit der eigene Betrieb bestens gerüstet ist für den Fall eines klimabedingten Hochwasser-Ereignisses.
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