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03-07-2019 | Kapitalmarkt | Schwerpunkt | Article

Chinas Status als größter Gläubiger birgt enorme Risiken

Author: Angelika Breinich-Schilly

4:30 min reading time

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Mit mehr als fünf Billionen US-Dollar steht die Welt beim chinesischen Staat in der Kreide. Das Land hat als Gläubiger damit mehr Bedeutung als der Internationale Währungsfonds. Das IfW Kiel hat sich nun mit Gründen und Problemen dieser Entwicklung befasst.

Wie das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) in seinem neuem Arbeitspapier "China’s Overseas Lending" offenbart, ist Chinas Rolle als Gläubiger anderer Länder deutlich größer als bislang bekannt. In ihrer Analyse zeigen Sebastian Horn (Universität München, IfW Kiel), Carmen Reinhart (Harvard University) und Christoph Trebesch (IfW Kiel) erstmals ein umfassendes Bild der vom chinesischen Staat ins Ausland vergebenen Kredite und anderer Finanzströme. Das Forscher-Team wertete hierfür Daten aus öffentlichen und nicht-öffentlichen Quellen der vergangenen 60 Jahre aus. Zentrales Ergebnis: 152 Länder schulden China Geld in Höhe von insgesamt mehr als sechs Prozent der globalen Wirtschaftsleistung.

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Deutsche Schulden belaufen sich auf 370 Milliarden Dollar

Was Deutschland betrifft, schätzen die Wissenschaftler, dass Bundesanleihen in Höhe von rund 370  Milliarden US-Dollar von China gehalten werden – das macht rund zehn Prozent des hiesigen BIP aus. Die gesamte Eurozone ist mit rund 850 Milliarden US-Dollar beim chinesischen Staat verschuldet, was rund sieben Prozent ihrer Wirtschaftsleistung entspricht.

Den Großteil der Schuldtitel habe die staatlich kontrollierte chinesische Zentralbank auf internationalen Märkten erworben. So sei das Portfolio des Landes an ausländischen Staatsanleihen seit Anfang der 2000er Jahre enorm angewachsen, erklären die Kieler Wissenschaftler. Aber auch die Zahl und Höhe direkter Kredite, besonders an Entwicklungs- und Schwellenländer, sei zuletzt stark gestiegen. So stamme ein Viertel aller Bankkredite im Emerging-Markets-Bereich von chinesischen Staatsbanken. Direktinvestitionen wie Firmenübernahmen hinzugerechnet, halte der chinesische Staat insgesamt Kapital in Höhe von acht Prozent der globalen Wirtschaftsleistung im Ausland.

Chinesische Transaktionen gefährden Finanzstabilität

"Daraus ergeben sich erhebliche Risiken für die Finanzstabilität", resümieren die Forscher des IfW. Das größte Problem liegt ihnen zufolge in der Intransparenz der chinesischen Finanzaktivitäten. "Rund 50 Prozent der internationalen Kredite Chinas an Entwicklungs- und Schwellenländer tauchen nicht in offiziellen Statistiken auf", heißt es in der Analyse. "China war auch schon früher ein aktiver internationaler Geldgeber. Aber der jüngste drastische Anstieg ist historisch nur mit der US-Kreditvergabe in den beiden Weltkriegen vergleichbar. Er geht vor allem auf die starke Expansion der chinesischen Volkswirtschaft und die neue globale Ausrichtung des chinesischen Staates zurück", erklärt Christoph Trebesch, Leiter des Forschungsbereichs Internationale Finanzmärkte und Global Governance am IfW Kiel. Außerdem verlange China für die staatlichen Kredite häufig neben Zinsen und Risikoaufschlägen auch Absicherungen durch zusätzliche Vertragsklauseln. Diese garantieren zum Beispiel die Rückzahlung durch Sachleistungen wie etwa Öl-Exporte.

Viele Empfängerländer profitieren von Chinas Finanzpraktiken besonders im Infrastrukturbereich, heißt es in der Analyse. Dass der chinesische Staat vor allem in solche Projekte investiert, dürfte auch am Auf- und Aufbau der beiden neuen Seidenstraßen, der sogenannten Belt-and-Road-Initiative, liegen. Sie diene der "Entwicklung einer Landbrücke nach Europa und dem Ausbau der maritimen Handelsrouten", erklären Thomas Heberer und Anja Senz im Beitrag "Der Aufstieg Chinas: Innerchinesische und internationale Herausforderungen" in der Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik (Ausgabe 4, 2018). Rund vier bis acht Billionen US-Dollar seien für das Programm veranschlagt, das den Handelsaustausch mit den Anrainerstaaten stimulieren soll, schreiben die Autoren. Das Geld fließe in den Infrastrukturausbau und die Wirtschaftsentwicklung der beteiligten Ländern in Südost-, Süd-, West- und Zentralasien sowie in Ostafrika und Osteuropa.  

Kreditströme sind kaum bewertbar

Doch die großen und vor allem intransparenten Kreditvolumen, die an die Staaten vergeben werden, sind für andere Geldgeber wie private Investoren, Fonds oder der IWF kaum einschätzbar, erläutern die Forscher aus Kiel. Als sehr hoch bewerten sie daher auch die damit verbundenen finanziellen Risiken, "wenn ein beachtlicher Teil der Auslandsverschuldung an China schlichtweg unbekannt ist". "Die Mischung aus Intransparenz und hoher Seniorität chinesischer Kredite macht es schwieriger, zukünftige Finanzkrisen zu lösen. Eine international koordinierte Reaktion oder eine faire Lastenverteilung unter den Kreditgebern ist damit viel schwieriger zu organisieren", betont Trebesch.

Auch Stefan Terliesner beschreibt im Beitrag "Gefahr ist im Anmarsch" in der Juni-Ausgabe von Bankmagazin ein mögliches Überschuldungszenario in manchen Regionen der Erde: "Ohnehin soll laut Analystenmeinungen inzwischen eine Grenze unwiderruflich überschritten worden sein. In wichtigen Weltregionen sei die Verschuldung von Staaten, Unternehmen oder Privathaushalten mittlerweile so hoch, dass eine Umkehr zu soliden Verhältnissen nicht mehr möglich sei. Nur noch das billige Geld der Notenbanken halte die Konjunktur am Leben." Selbst in China greife der Staat der Wirtschaft zusätzlich unter die Arme.

China will zur Großmacht werden

Docht trotz aller Gefahren halte China an seinem 2017 vorgelegten Fahrplan für den Modernisierungsprozess fest, erklärt das Autorenteam Heberer und Senz. Ziel sei, "die Schaffung eines umfassend modernisierten Gebildes sowie die Erreichung eines Weltmachtstatus bis 2050. Zugleich wurde eine Neuausrichtung der chinesischen Außen- und Sicherheitspolitik eingeleitet, die der wachsenden Rolle Chinas und seiner Entwicklung zur Großmacht entsprechen soll." 

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