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29-04-2020 | Kapitalmarkt | Schwerpunkt | Article

Die Krise ändert nicht alles, aber manches schneller

Author: Michael Fuchs

3:30 min reading time

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Das Wort historisch hat Hochkonjunktur: Eine historische Krise, ein historischer Aktienabsturz, eine historische Rezession. Für den Aktienmarkt gilt eher: Eine historische Zäsur wird es nicht geben. Aber Entwicklungen werden sich beschleunigen.

Die Zeit nach  der Corona-Pandemie lädt zum Philosophieren ein. "Manche Zukunftsforscher, Prognostiker und Aktivisten erwarten, dass die Krise das Verhalten der Menschen einschneidend verändern wird", fasst Volkswirt Jörn Quitzau von der Berenberg Bank in einer Analyse entsprechende Ansichten zusammen. "Das Zeitalter des Individualismus gehe ebenso zu Ende wie das Zeitalter 'entfesselter' Märkte." Der Volkswirt schätzt derartige Prognosen eher skeptisch ein. Bei allen Unwägbarkeiten sei es "recht unwahrscheinlich, dass die Menschen nach dem Ende der Corona-Krise nennenswert andere Präferenzen haben werden als vor der Krise und ihr bisheriges Leben dauerhaft auf den Kopf stellen wollen."

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Das bedeutet freilich nicht, dass die Corona-Epidemie keine Spuren hinterlassen wird. Im Gegenteil: Die Krise dürfte bestehende Trends erheblich beschleunigen. Quitzau nennt Beispiele wie Homeoffice, Videokonferenzen und Online-Handel, die einen Boom erleben. Doch Digitalisierung, aber auch Robotik und Automatisierung eröffnen noch ganz andere Möglichkeiten: Eine automatisierte Fertigung ermöglicht, die Produktion auch während einer Epidemie aufrecht zu erhalten. Zugleich verringern moderne Anlagen die Abhängigkeit von Zulieferern, zum Beispiel "durch die Möglichkeit einzelne Bauteile über einen 3D-Drucker herzustellen", wie die Experten der Privatbank Donner & Reuschel in einem Ausblick schreiben.

Pharma- und Gesundheitsbranche im Aufwind

Dass Pharmaunternehmen und Diagnostikanbieter derzeit gefragt sind, liegt nahe. Sie dürften aber nicht nur kurzfristig, sondern auch längerfristig zu den Gewinnern gehören: "Vor allem die besonders stark von der Corona-Pandemie betroffenen Staaten wie China, Italien oder auch die USA werden nach der Krise einigen Aufwand und deutlich höhere Kosten in Kauf nehmen, um die Wiederholung eines solchen Krisenszenarios auszuschließen", heißt es bei Donner & Reuschel.

Aber es wird auch Verlierer geben. So könnte der boomende Immobilienmarkt einen Dämpfer erhalten - zumindest, was gewerbliche Objekte angeht. Der Trend zur Arbeit in den heimischen vier Wänden hat für Donner & Reuschel durch die Corona-Krise nicht nur mächtig Auftrieb erhalten, sondern sich als praktikabel erwiesen. Das Bankhaus geht davon aus, dass "der schon jahrelang steigende Trend, nach dem Unternehmen nicht mehr für alle Angestellten einen eigenen Büroarbeitsplatz bereit halten, einen Anschub erhalten" wird.

Nicht in jeder Hinsicht werden sich jedoch Entwicklungen beschleunigen. Angesicht des massiven Konjunktureinbruchs könnten die Uhren sogar zurückgedreht werden. Erwägungen, wie sie in der boomenden Wirtschaft der vergangenen Jahre angesagt waren, dürften zunächst passé sein: "Gedankenspiele einer Postwachstumsökonomie, wie sie in den letzten Jahren in Mode gekommen waren, passen auf jeden Fall nicht mehr in die Zeit", betont Experte Quitzau.

Forschung zur Postwachstumsökonomie erforderlich

"Die Annahme, dass wirtschaftliches Wachstum per se wünschenswert sei, ist tief im wirtschaftswissenschaftlichen Mainstream verankert", postulieren Steffen Lange, Jonathan Barth und Johannes Euler zum Konzept der Postwachstumsökonomie im Buch "Perspektiven einer pluralen Ökonomik" auf Seite 107. Ihrer Auffassung nach, lässt sich ein stabiles Nullwachstum innerhalb einflussreicher neoklassischer Theorien jedoch grundsätzlich abbilden. Hierfür nötig sei zum Beispiel "eine Veränderung des technologischen Wandels hin zu einem Fokus auf die Steigerung der Ressourcen- statt der Arbeitsproduktivität, eine Reduktion der Investitionshöhe und/oder des Arbeitsangebots".

Doch gerade in Krisenzeiten setze die Politik und die Wirtschaftswissenschaften auf Wachstum. Die Springer-Autoren zitieren Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich 2009 zum Umgang mit der Finanzkrise äußerte: "Ohne Wachstum keine Investitionen, ohne Wachstum keine Arbeitsplätze, ohne Wachstum keine Gelder für die Bildung, ohne Wachstum keine Hilfe für die Schwachen. Und umgekehrt: Mit Wachstum Investitionen, Arbeitsplätze, Gelder für die Bildung, Hilfe für die Schwachen und – am wichtigsten – Vertrauen bei den Menschen."

Allerdings, so kritisiert das Autoren-Trio, werde die Regel, dass wirtschaftliches Wachstum per se erstrebenswert sei, "weder explizit postuliert noch diskutiert und begründet". Ihnen zufolge ist die Untersuchung der ökonomischen Aspekte einer Postwachstumsökonomie ein noch relativ unbearbeitetes Forschungsfeld, das weitere Aufmerksamkeit verdiene. "Zukünftige Forschung könnte dazu beitragen, die hier aufgestellten Thesen zu reflektieren und weitere Einblicke in die mögliche Funktionsweise von und die Transformation zu einer Postwachstumsökonomie zu erlangen".

Alle tagesaktuellen Beiträge rund um die Corona-Krise finden Sie hier

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