Published in:
01-04-2011 | Abhandlungen
„Klassengesellschaftlichkeit“ nach dem Ende der Klassengesellschaft?
Author:
Karl-Siegbert Rehberg
Published in:
Berliner Journal für Soziologie
|
Issue 1/2011
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Zusammenfassung
Die erneute Aufmerksamkeit für (lange Zeit „unsichtbare“) soziale Klassen hängt mit der Verschärfung der Ungleichheit zwischen Arm und Reich zusammen. Besonders in Deutschland schien (verstärkt auch durch soziologische Thesen) die Klassenstruktur abgelöst worden zu sein durch die „nivellierte Mittelstandsgesellschaft“ (Helmut Schelsky), durch individualisierte Soziallagen (Ulrich Beck) oder durch variierende Milieus. Dabei werden die Klassenstrukturen, etwa die Verteilung des Besitzes an Produktionsmitteln, auch statistisch unsichtbar gemacht. Die strukturelle Bedeutung der unvermindert dominanten (wenn lebensweltlich auch nicht unmittelbar präsenten) Verteilung des Kapitalbesitzes liegen im wirtschaftlichen Wachstumszwang, in der Konzentrationstendenz der großen Kapitalien, im Transfer kapitalistischer Entscheidungskriterien in andere Lebenszusammenhänge und in der Limitierung von Handlungsspielräumen nicht-ökonomischer Handlungsbereiche, besonders der Politik. Die Existenz von Klassen setzt – entgegen weit verbreiteter Auffassungen – weder ein kollektives Klassenbewusstsein oder gar die Erwartbarkeit von Klassenkämpfen voraus, noch ist sie durch die bloße Tatsache sozialer Unterschiede zu begründen. Es fehlen eine theoretische Behandlung der soziologisch-ökonomischen Analyse der Produktion und die Aneignung von Werten als Basistheorie der sozialen Ungleichheit.