Kalte Oberflächentemperaturen im Nordatlantik könnten ein Schlüssel zur Vorhersage von Hitzeereignissen in Zentraleuropa sein. In diese Richtung zeigen aktuelle Studienergebnisse.
In Hitzewellen fallen Flüsse und Bäche schnell trocken. Doch wie lassen sich einzelne Hitzeereignisse für Europa besser vorhersagen?
Scheidle-Design / Generated with AI / Stock.adobe.com
Langanhaltende Hitzeperioden über Europa, wie sie im letzten Jahr u. a. in Spanien auftraten, und Dürrephasen, wie sie im Sommer vermehrt auch in Deutschland zu verzeichnen sind: Wenn man auf das Klima in Europa schaut, scheint etwas aus den Fugen geraten zu sein. Zuletzt deuteten aktuelle Zahlen z. B. darauf hin, dass sich die Temperatur in Europa deutlich schneller erhitzt als auf anderen Kontinenten.
Der sechste Bericht des Copernicus Climate Change Service (C3S), der die Daten der europäischen Copernicus-Umweltsatelliten auswertet und im Frühjahr 2023 veröffentlicht wurde, lieferte Anzeichen in diese Richtung: Nach dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre ist das Klima in Europa laut Studie inzwischen etwa 2,2 Grad wärmer als in der vorindustriellen Zeit, insgesamt steigen die Temperaturen in Europa doppelt so schnell wie im globalen Mittel und schneller als auf jedem anderen Kontinent.
Auch 2023 stellte wieder traurige Rekorde auf. Es ist weltweit das wärmste Kalenderjahr seit Beginn der Aufzeichnungen (Quelle: EU-Klimawandeldienst Copernicus). Demnach lag die globale Durchschnittstemperatur bei 14,98 Grad Celsius, was 0,17 Grad mehr als der bisherige Jahreshöchstwert von 2016 sind. Auch in Europa war es wieder überdurchschnittlich heiß. Hier geht das Jahr 2023 als das zweitwärmste Jahr seit Aufzeichnungsbeginn in die Geschichte ein.
Oberflächentemperatur des Nordatlantiks spielt wichtige Rolle
Der Langzeit-Trend ist klar. Doch dadurch gerät auch die Frage in den Mittelpunkt, wie sich einzelne Hitzeereignisse besser vorhersagen lassen; auch um mittel- und kurzfristige Schutz- und Vorbereitungsmaßnahmen bei akut auftretenden Hitze-Ereignissen treffen zu können. Wie lassen sich also konkrete Hitzeereignisse für Europa erklären und zukünftig vielleicht deutlich präziser vorhersagen? Interessante Erkenntnis hierzu liefert eine Studie, die Forschende des Geomar Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung, Kiel, veröffentlicht haben ("Dynamic Meteorology and Oceanography", erschienen in der Fachzeitschrift Tellus A).
Demnach spielt die Oberflächentemperatur des Nordatlantiks eine wichtige Rolle für das Auftreten von Hitzeereignissen in Europa. Allerdings sind es nicht, wie man vielleicht annehmen könnte, hohe Wassertemperaturen, sondern niedrige, für die die Forschenden diesen Zusammenhang feststellen konnten. Für ihre Studie nutzten sie eine Kombination aus Beobachtungen und Wettermodellen, um die Beziehung zwischen den Meeresoberflächentemperaturen (Sea Surface Temperature, SST) des Nordatlantiks und den Hitzeereignissen in Europa über einen Zeitraum von 40 Jahren (1979 bis 2019) zu untersuchen.
Die Wissenschaftler fanden zwölf Ereignisse, bei denen auf eine ungewöhnlich kalte nordatlantische Oberflächentemperatur ein Maximum der Landtemperaturen in Europa folgte. Andersherum fanden sich 17 europäische Hitzeereignisse, denen ein Rückgang der SST-Werte vorausgegangen war. Neben dem Kontrast von kühlen Wasser- und heißen Landtemperaturen erwies sich das Zusammenspiel eines nordatlantischen Tiefdruckgebiets und eines europäischen Hochdruckgebiets als ein weiteres hervorstechendes Merkmal.
„Besonders gut sehen wir diesen Zusammenhang an den Sommern der Jahre 2015 und 2018, in denen der Nordatlantik ungewöhnlich kalt war und gleichzeitig Hitzewellen über Europa auftraten“, erklärt der Klimaphysiker Julian Krüger, Doktorand in der Forschungsgruppe Klimaextreme der Forschungseinheit Maritime Meteorologie am Geomar-Forschungszentrum und Erstautor der Studie.
Bessere Vorhersagbarkeit in einem sich verändernden Klima
Die Forschenden haben verschiedene meteorologische Faktoren analysiert, um den Zusammenhang zwischen Nordatlantiktemperatur und europäischen Hitzeereignissen zu verstehen. Dabei stellten sie fest, dass der subpolare Nordatlantik während dieser Ereignisse einen verstärkten Wärmestrom vom Ozean in die Atmosphäre sowie aufsteigende Luftmassen und Niederschläge erlebt. Die freigesetzte Wärme wird in Richtung Europa transportiert, was zur Bildung eines Hochdruckgebiets beiträgt. Dieses wiederum begünstigt einen klaren Himmel mit starker Sonneneinstrahlung, die für das Maximum der europäischen Oberflächentemperatur maßgeblich ist.
Die Ergebnisse der Studie trügen dazu bei, den statistischen und physikalischen Zusammenhang zwischen der nordatlantischen Oberflächentemperatur und europäischen Hitzeereignissen zu verstehen, was auch für eine bessere Vorhersagbarkeit von Hitzeereignissen in einem sich ändernden zukünftigen Klima entscheidend sei, so Krüger. Eine Perspektive, die es zukünftig auch akute schützende Maßnahmen ermöglichen könnte, um die Auswirkungen dieser Hitzeereignisse abzumildern.