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03-02-2014 | Klimawandel | Interview | Article

Wie Städte im Klimawandel vorankommen können

Author: Matthias Schwincke

4:30 min reading time

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Rund 80 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen entstehen in Städten. Über die Rolle und Möglichkeiten von Städten im Kampf gegen den Klimawandel sprach Dr. Reinhard Jank, Begleitforschung der BMWi-Förderinitiative EnEff:Stadt.

Springer für Professionals: Welche Bedeutung haben Städte in den globalen Anstrengungen gegen den Klimawandel?

Dr. Reinhard Jank: In Industriestaaten ist der "Gebäudesektor" der größte Verbraucher mit einem Anteil von über 40 Prozent am Endenergieverbrauch. Davon findet gut die Hälfte in Städten statt. Dazu kommen große Teile des Verkehrssektors sowie die städtische Industrie. Für den Klimaschutz ist es daher von entscheidender Bedeutung, wie erfolgreich die Städte auf dieser Welt bei der Erreichung von Klimaschutz-Zielen sind. Die Hauptrolle spielen dabei Energieeffizienz und Energieeinsparung. Denn der Ausbau von erneuerbaren Energien in Städten ist recht begrenzt.

Inwiefern werden Städte ihrer großen Verantwortung derzeit gerecht?

Klimaschutz spielt zwar in der öffentlichen Debatte eine große Rolle. Städte mit einer wirklich aktiven Klimaschutz-Politik sind jedoch bisher die Ausnahme. Zumindest wenn man sich konkrete und nachgewiesene Erfolge ansieht, gemessen z.B. an der Reduktion der CO2-Emissionen pro Kopf im Vergleich zu einem Basisjahr. Das liegt einerseits daran, dass die Erstellung und erfolgreiche Umsetzung eines kommunalen Klimaschutz-Konzeptes schwierig, kostenintensiv und langwierig ist. Zum anderen ist das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer solchen Politik in der breiten Öffentlichkeit noch wenig ausgeprägt.

Welche Chancen sehen Sie hier für Netzwerke von innovativen Vorreitern?

Netzwerke von Städten mit eigenen Praxis-Erfahrungen, d.h. "Pionier-Städte", können dazu beitragen, dass städtische Akteure, die mit einem relevanten Thema zu tun haben, voneinander lernen. Vor allem was die Umsetzungsstrategie ihres Klimaschutzkonzeptes sowie Ansätze zur Kommunikation und Motivation angeht. Umgekehrt trägt die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch mit anderen Städten auch zur Eigenmotivation bei. Die größte Wirkung entfalten "Städte-Netzwerke" dann, wenn es zu einer pro-aktiven Kommunikation kommt, die mit einer Auswertung der einzelnen Strategien und Erfahrungen verknüpft ist. Nur dann entstehen auch echte Lern- und Multiplikatoreffekte. Dies erfordert aber eine eigenständige "Stelle", die speziell mit diesen Aufgaben beauftragt ist.

Welche Städte-Netzwerke zum Kampf gegen den Klimawandel gibt es zur Zeit?

Das älteste und hierzulande verbreitetste Netzwerk ist das Klimabündnis bzw. dessen internationaler Ableger "Climate Alliance", das seit 1990 aktiv ist und speziell mit der "Lokalen Agenda 21" nach der UN-Konferenz über Nachhaltige Entwicklung in 1992 groß wurde. Ebenfalls seit den 90er Jahren gibt es den "European Energy Award" (eea), der auf dem Konzept "Energiestadt Schweiz" basiert. Der eea ist ein Management-Instrument für Stadtverwaltungen mit externer Zertifizierung. Seine Anwendung wird auch in dem seit ca. 2007 wichtigsten europäischen Netzwerk, dem "Covenant of Mayors" (CoM), empfohlen. CoM bietet zudem weitere Planungsinstrumente und -methoden, die für Newcomer nützlich sind.

Und wie sieht es auf der weltweiten Bühne aus?

Die beiden global einflussreichsten Städte-Netzwerke dürften das "ICLEI – Local Governments for Sustainability" mit Hauptsitzen in Toronto und Bonn sowie die "C40 Cities Climate Leadership Group" sein. Bei C40 sind viele der größten Städte der Welt, darunter New York, Mexico City, Tokio und London, aktive Mitglieder. Die Oberbürgermeister dieser und vieler anderer Hauptstädte dürften national erheblichen politischen Einfluss haben. So können sie vielleicht dazu beitragen, dass der derzeitige Stillstand in der globalen Klimaschutz-Politik auf pragmatische Weise überwunden werden kann.

Was verbindet und unterscheidet die Netzwerke?

Ihre Gemeinsamkeit besteht darin, dass beispielhafte Projekte oder Städte ("Case Studies") vorgestellt werden, von denen andere Städte und Akteure lernen können. Ferner werden Workshops und Kongresse organisiert, wo die Mitgliedsstädte Erfahrungen austauschen können. Neben unterschiedlichen regionalen Ausrichtungen liegt der Hauptunterschied darin, ob neben dem Informationsangebot auch eine Evaluierung und/oder Zertifizierung angeboten wird. Dies erfordert zwar einen höheren Aufwand der jeweiligen Sekretariate, macht aber den entscheidenden Unterschied im positiven Sinne aus. Denn nur so entsteht – wie etwa im Rahmen des CoM - ein gewisser Erfolgszwang bzw. ein Zwang zum Nachweis des Erfolges. Dies ist für die Mitgliedsstädte vor allem deswegen wichtig ist, weil die Umsetzung von Klimaschutz-Strategien viele Jahre dauert und durch den Zwang zum "Reporting" eine gewisse Unabhängigkeit von sich ändernden politischen Verhältnissen erreicht wird.

Was empfehlen Sie Verantwortlichen in Städten bei der Suche nach guten und tragfähigen Modellbeispielen?

Es ist keineswegs so, dass deutsche Städte bei der Erreichung von kommunalen Klimaschutz-Zielen die Nase vorn haben. Es gibt zwar hier Pionierstädte mit großen Erfahrungen und beispielhaften Ansätzen, wie Heidelberg oder Freiburg, aber auch anderswo gibt es exzellente Beispiele. Diese finden sich speziell in Dänemark, wie etwa Aarhus oder Kopenhagen, oder auch in Schweden (Växjö, Stockholm) und Holland (Rotterdam) sowie in der Schweiz (Zürich, Basel). Darüber hinaus gab und gibt es EU-Initiativen, wie "CONCERTO", die mit der so wichtigen Evaluierung der umgesetzten Ergebnisse verknüpft wurden. Denn nur daraus kann wirklich etwas gelernt werden.
Als Einstieg ist für "Newcomer" auf jeden Fall eine Mitwirkung am CoM empfehlenswert. Wenn umfassende Ziele einer Nachhaltigen Stadtentwicklung verfolgt werden, sollte eine Mitgliedschaft bei ICLEI überlegt werden.

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