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28-10-2020 | Kommunikation | Schwerpunkt | Article

Reality Star und Twitter-Präsident: Wie Trump im Wahlkampf agiert

Authors: Eva-Susanne Krah, Johanna Leitherer

5:30 min reading time

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Der Countdown für Donald Trump läuft. Nicht erst seit dem Wahlkampfstart zieht der US-Präsident alle Register auf Twitter, um Wähler für sich zu gewinnen. Was die Twitterstrategie gebracht hat. Eine Analyse.

Er wird in die US-Geschichte eingehen – zumindest als Twitter-Präsident. Mit allein 1.093 Tweets im August 2020 gegenüber nur 358 von Joe Biden, Herausforderer um das US-Präsidentschaftsamt von den Demokraten, bricht Donald Trump alle Rekorde. Das zeigt eine aktuelle Twitter-Analyse von Pressrelations, Newsguard und Fraunhofer FKIE. Kaum jemand, der Social Media im Medienzirkus vor dem US-Wahlkampf einsetzt, polarisiert gleichzeitig so stark wie er und provoziert damit Reaktionen in der Medienwelt. 

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Donald Trump und die deformierte Präsidentschaft

Donald Trump ist einer der umstrittensten Politiker unserer Zeit. Das bezieht sich einerseits auf seine Politik, andererseits aber auch auf seinen Politikstil: Trump selbst versteht sich explizit als Twitter-Präsident.

Dokumentiert wird dies durch die hohe Anzahl an Retweets geposteter Inhalte. Der Stil von Trumps Twittersturm wird insgesamt wohl die Toleranzschwelle im Medienverhalten nach unten verschieben. 

Viel Lärm und wenig Follower?

Doch im Vergleich zum demokratischen Kontrahenten Joe Biden schneidet der medienagile Trump zum Beispiel bei den Interaktionsraten schlechter ab. Das zeigen Beispiels-Messungen. Und dies, obwohl er laut der Pressrelations-Medienanalyse rund dreimal so viele Inhalte twittert wie Kontrahent Biden. Dieser kann mit rund 90.000 Interaktionen pro Tweet in absoluten Zahlen gemessen mehr Follower für sich gewinnen als der aktuelle Inhaber des Präsidentenamts und verzeichnet immense Zuwachsraten, wie die nachfolgende Tabelle zeigt:

Veränderung der Followerzahlen im August 2020


1. 8.


31.8.



in %


 

Donald Trump

84,44 Mio.

85,65 Mio.

+1,5%

 

Joe Biden

  7,58 Mio.

  9,03 Mio.

+19%

 

Quelle: Pressrelations

...

...

...

Aktuelle Zahlen und Inhalte, die im September und Oktober jeweils Peaks in etwa auf gleicher Höhe erzeugten, wie das Live-Infoboard rund um die US-Wahl 2020 zeigt, verdeutlichen den unterschiedlichen Stil beider Politiker, etwa auch in den Verlinkungen. Die inhaltsstarke Beschränkung auf Wesentliches bei Biden steht der Methode Marktschreier bei Trump gegenüber.

Wie Twittern den Imagekurs bestimmt

Was macht das Medium mit den Kontrahenten und Nutzern? Die Verlockung liegt in schnellen Posts und Retweets per Mausklick. Die Auswirkungen auf das Image können folgenschwer sein, ob positiv oder negativ. Die sozialen Medien spielen besonders zu nationalen Wahlen seit jeher eine Schlüsselrolle, um zu beobachten und zu beeinflussen, wie die politische Landschaft sich bildet und dynamisch verändert, das zeigten Studien zu Facebook und Twitter, schreiben Ian Davidson, Antoine Gourru, Julien Velcin, Yue Wu in einem Beitrag der Zeitschrift "Social Network Analysis and Mining" (Ausgabe 1 | 2020). Sie stellen fest, dass beispielsweise Twitter bestreitbar unter den Social-Media-Plattformen den größten Einfluss auf die Politik hat. Dies habe mehrere Gründe, etwa die große Datenmenge, die produziert wird, und die Popularität einzelner Personen unter mehreren Kandidaten, beispielsweise Donald Trump. Überdies spielt das Timing eine große Rolle, wie viele Tweets im Verlauf der Präsidentschaft von Donald Trump gezeigt haben. Mittlerweile hat das Weiße Haus seine Tweets zu offiziellen Statements des Präsidenten erklärt. An die Stelle von Pressekonferenzen, persönlichen Interviews oder Reden ist der Kurznachrichtendienst als erstes Sprachrohr für wichtige politische Ankündigungen und Neuerungen gerückt. 

Hebel für den Medienerfolg

Der Springer-Autor Markus Heidingsfelder beschreibt im Kapitel "Macht vs. Information" des Buchs "Trump - beobachtet" die Wirkung der Medienmaschine Trump und die Tatsache, dass Machtausübung "heute keineswegs mehr allein aus kollektiv bindenden Entscheidungen besteht (vgl. Nassehi 2016)", Seite 258). Sie kann über Instrumentarien wie Twitter mit großem Effekt wirken. Zur Macht des Fernsehens ist aus Heidingsfelders Sicht die Macht der Tweets getreten. "Die wohl wichtigste Innovation des Politikers Trump betrifft die Nutzung eines sozialen Mediums als Massenmedium. Als sein eigener Twitter-Verleger tritt er mit einer Auflage von etwa 36 Millionen mit seiner eigenen ›Zeitung‹ gegen die Massenmedien an", erklärt er.

Zum Phänomen Trump und der Wirkung auf die Bürger im eigenen Land zitiert er von Leve (2017): 

Right now, many Americans listening to their president are experiencing what I experienced frequently a child. Nothing means anything, and reality is being canceled. There is confusion, there is chaos, everything is upside down and inside out." (Leve 2017)



("Im Moment erleben viele Amerikaner, die ihrem Präsidenten zuhören, das, was ich häufig als Kind erlebt habe. Nichts bedeutet irgendetwas, und die Realität wird ausgelöscht. Es herrscht Verwirrung, es herrscht Chaos, alles steht auf dem Kopf (...)." Leve 2017)

In die Hände spielt dem US-Präsidenten auch sein generelles Profil in der Politikwelt, dem er mit jedem Auftritt und jedem Tweet seit seinem Amtsantritt gerechter zu werden scheint: "Trump wird zunächst nicht so sehr als Republikaner identifiziert, sondern als Reality Star und authentischer Gegenentwurf zu den Parteiprofis", so Heidingsfelder. Trumps TV-Persönlichkeit dringt in seiner Präsenz auf den Social Media also immer wieder durch.

Tonalität und Multiplikatoren wirken

Genauso, wie ein Reality Star seine Zuschauer mit brisanten Einblicken bei der Stange hält, verfährt auch Trump, indem er politische Konflikte mit Staatschefs oder Wahlkontrahenten unmittelbar vor den Augen seiner Wählergruppen im Social Web austrägt – und das mit meist scharfer Zunge. "Drei Jahre im Amt kam Trump danach auf 5.889 Posts, die darauf abzielen, politische Gegner oder Institutionen zu beleidigen oder bloßzustellen", resümiert Springer-Autor Professor Klaus Kamps im Kapitel "POTUS – President of the United States" des Buchs "Commander-in-Tweet" mit Blick auf eine Analyse der New York Times (Seite 48). 

Auch dem demokratischen US-Präsidentschaftsanwärter Joe Biden widmet Trump seine Tweets in gewohnt direkt Manier. Ein beliebtes Mittel ist überdies, seine Meinung über Retweets seiner politischen Befürworter zum Ausdruck zu bringen. Zu den Urhebern dieser Posts zählen bekannte Multiplikatoren, aber auch weniger bekannte Personen. Ein geschickter Schachzug, denn auf diese Weise vermittelt Trump seinen Anhängern, dass ihre Stimmen unmittelbar beim US-Präsidenten Gehör finden. Biden hält sich mit Retweets im Vergleich dazu eher zurück. 

Microtargeting als Wahlkampfwaffe

Spätestens seit 2016 hat sich ein Instrument im Online-Wahlkampf als besonders wirkungsvoll herauskristallisiert: das Microtargeting. Hierbei werden Social-Media-Nutzer in Zielgruppen eingeteilt und mit gesponserten Beiträgen angesprochen, die passgenau auf ihre Persönlichkeitsmerkmale zugeschnitten sind. Ein Beispiel: Allein beim Thema Abschiebung von "Illegalen" soll Trumps Team laut der Robert-Bosch-Stiftung in den vergangenen Monaten 1.000 verschiedene Versionen von Anzeigen über soziale Netzwerke wie Facebook gestreut haben. 

Doch auch Bidens Wahlkampfmannschaft bedient sich der Datenanalyse im Ringen um Wählerstimmen. Medienberichten zufolge setzen die Microtargeting-Maßnahmen unter anderem gezielt bei Menschen mit Migrationshintergrund an. Neben dem Fang um Wählerstimmen geht es sowohl bei Trump als auch bei Biden häufig um die Diskreditierung der Politik des Kontrahenten. Ob Typ Marktschreier oder vordergründig zurückhaltender Kommunikationsstil: In den sozialen Netzwerken wie Twitter ist der Übergang zwischen sachlichem Wahlkampf und Wählermanipulation fließend.

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