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Open Access 2022 | OriginalPaper | Chapter

4. Kommunikationswissenschaftliche Grundlagen: Öffentlichkeitsarenen, Kommunikationsmanagement und seine Akteure

Author : Sandra Binder-Tietz

Published in: Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden

Publisher: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

In diesem Kapitel werden die Rahmenbedingungen der Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden aus der kommunikationswissenschaftlichen Forschung abgeleitet. Dafür werden relevante Öffentlichkeiten analytisch hergeleitet sowie relevante Akteure und Themen beschrieben. Weiterhin wird die Kommunikationsmanagement-Forschung vorgestellt, um später die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden darin verorten zu können. Schließlich werden Erkenntnisse zur Kommunikatorforschung diskutiert, um Aufsichtsratsvorsitzende als Kommunikatoren für Unternehmen zu verorten.
Mithilfe der juristischen und wirtschaftswissenschaftlichen Corporate-Governance-Forschung wurde zunächst ein Verständnis für die Aufgaben und Organisation des Aufsichtsrats, die Tätigkeiten von Aufsichtsratsvorsitzenden sowie erste Einblicke in die Anforderungen an die Aufsichtsratstätigkeit etabliert. In diesem Kapitel sollen nun die Rahmenbedingungen der Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden aus der kommunikationswissenschaftlichen Forschung abgeleitet werden.
An dieser Stelle ist es zunächst wichtig, auf das Verständnis von Kommunikation einzugehen. Viele Publikationen setzen den zugrunde gelegten Kommunikationsbegriff voraus und gehen nicht explizit darauf ein. Jedoch haben zahlreiche wissenschaftliche Disziplinen ein eigenes, angepasstes Kommunikationsverständnis:
„Das Verständnis von Kommunikation (und damit auch ihre Definition) ist stets verbunden mit dem Erkenntnisinteresse und der damit zusammenhängenden (analytischen) Perspektive“ (Burkart, 2003, S. 169).
Die Perspektive der vorliegenden Arbeit bezieht sich auf Unternehmen sowie der Kommunikationsmanagement-Forschung. Die Strukturationstheorie bietet den analytischen Rahmen, aus dem auch die zentralen Begriffe definiert werden. Kommunikation wird bei Giddens (1997, S. 82) verstanden als spezifische Form bzw. Bestandteil von Handlungen. Ein Akteur vollzieht kommunikative Handlungen, indem er sich auf Regeln und Ressourcen, z. B. Sprache, Symbole und Bedeutungen, bezieht. Die Strukturen werden im kommunikativen Handeln reproduziert, wobei jedoch die Möglichkeit besteht, diese zu beeinflussen und zu modifizieren (ausführlich in Kapitel 2). Handeln umfasst dabei das Handeln von Unternehmen als kollektive Akteure als auch ihren Unternehmensmitgliedern als individuelle Akteure und dient der Verwirklichung spezifischer Interessen (Röttger, 2010, S. 134; Zerfaß, 2010, S. 88, 94). Kommunikation wird im Rahmen dieser Arbeit also sowohl als die sozialen Handlungen von Aufsichtsratsvorsitzenden (individuelle Akteure) als auch dem Unternehmen (kollektive Akteure) verstanden.
Der Untersuchungsgegenstand ist ein empirisches Phänomen im Wandel und von zunehmender Bedeutung. Die ARV-Kommunikation wird aus zwei Perspektiven betrachtet: Aus der externen Perspektive werden die Anforderungen von Stakeholdern an die Kommunikation analysiert. Aus der internen Perspektive geht es sowohl um die Strukturen, die Kommunikationsmaßnahmen als auch um die Verortung innerhalb des Kommunikationsmanagements. Innerhalb der Unternehmen wird aufgrund der zunehmenden Professionalisierung der Aufsichtsratstätigkeit, eine steigende Informationsversorgung und eine zunehmend beratende Rolle im Austausch mit dem Vorstand diskutiert (Grundei & Zaumseil, 2012; Welge & Eulerich, 2014). Daher soll sowohl die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden innerhalb der Unternehmen als auch mit externen Anspruchsgruppen analysiert werden.
Aufgrund der Relevanz der vorliegenden Untersuchung aus der erweiterten öffentlichen Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden wird zunächst der Begriff der Öffentlichkeit eingeführt (Abschnitt 4.1). Dabei wird insbesondere das Arenenmodell von Gerhards & Neidhardt (1991) sowie Hilgartner & Bosk (1988) genutzt, um sich dem Begriff der Öffentlichkeit anzunähern. Weitergehend werden die für die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden relevante gesellschaftspolitische Öffentlichkeit (Abschnitt 4.1.1) sowie die Kapitalmarktöffentlichkeit (Abschnitt 4.1.2) analytisch hergeleitet sowie relevante Akteure und Themen darin beschrieben. Auf dieser Basis können im weiteren Verlauf relevante Akteure und deren Anforderungen an die ARV-Kommunikation abgeleitet werden. Des Weiteren wird die interne Perspektive eingenommen und die Unternehmensöffentlichkeit mit ihren Akteuren und Themen etabliert (Abschnitt 4.1.3). In Abschnitt 4.1.4 werden die zentralen Erkenntnisse zu den Öffentlichkeitsarenen rekapituliert, um sie für die ARV-Kommunikation nutzbar zu machen.
Die Arbeit beschäftigt sich mit der Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden als Teil der Kommunikation von Unternehmen. Die ARV-Kommunikation soll aus unternehmensinterner Perspektive im Rahmen des Kommunikationsmanagements verortet werden. Daher wird anschließend die Kommunikationsmanagement-Forschung vorgestellt und dabei vertiefend auf den Annahmen zum Wertbeitrag sowie die Phasen des Managementprozesses eingegangen, da diese für die konzeptionelle Verortung und empirische Untersuchung maßgeblich sind (Abschnitt 4.2). Weiterhin wird auf die für die ARV-Kommunikation relevanten Handlungsfelder der Unternehmenskommunikation basierend auf den jeweiligen Zielen, Anspruchsgruppen, Themen und Instrumenten eingegangen. Die interne Kommunikation (Abschnitt 4.2.1) wird dabei mit einbezogen, um für die empirische Analyse interne Kommunikationsmaßnahmen identifizieren zu können, die über die Betrachtung der internen Informationsversorgung und Beratung mit dem Vorstand aus Corporate-Governance-Perspektive hinaus gehen. In Bezug auf die externe Kommunikation werden spiegelbildlich zu den Öffentlichkeitsarenen die darauf bezogenen Handlungsfelder Public Relations (Abschnitt 4.2.2) und Investor Relations (Abschnitt 4.2.3) dargestellt. Dies bildet die Grundlage für spätere Überlegungen, inwiefern diese Kommunikationsfunktionen bei der Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden involviert sind. In Abschnitt 4.2.4 werden die Erkenntnisse zum Kommunikationsmanagement und den Handlungsfeldern rekapituliert, um im weiteren Verlauf der Arbeit die ARV-Kommunikation im Kommunikationsmanagement verorten zu können.
Um Aufsichtsratsvorsitzende als Kommunikatoren im Rahmen der Kommunikation von Unternehmen einführen zu können, wird darüber hinaus ein Blick auf die bisherige Kommunikatorforschung (Abschnitt 4.3.1) geworfen, die sich vor allem mit Journalisten und Kommunikationsverantwortlichen beschäftigt hatte. Anschließend wird gezeigt, dass sich die Forschung zu Unternehmenskommunikation auch mit weiteren Kommunikatoren für das Unternehmen beschäftigt. Dabei ist insbesondere die CEO-Kommunikation bereits zu einem etablierten Forschungsfeld geworden (Abschnitt 4.3.2). Basierend auf der institutionellen Trennung im dualistischen System der Unternehmensführung werden dann auch Aufsichtsratsvorsitzende als Kommunikatoren für Unternehmen verortet (Abschnitt 4.3.3).

4.1 Öffentlichkeit und Öffentlichkeitsarenen

Um die Rahmenbedingungen der ARV-Kommunikation aus der kommunikationswissenschaftlichen Forschung ableiten zu können, werden in diesem Kapitel die Merkmale von Öffentlichkeit näher eingeführt. Öffentlichkeiten bzw. Kommunikationsarenen werden dabei als soziale Handlungsräume verstanden, die einen sinnstiftenden Rahmen für konkrete Kommunikationsprozesse bilden und deren Sinn, Spielregeln und Funktion mitbestimmen (Zerfaß, 2010, S. 195 ff.; Gerhards & Neidhardt, 1991, S. 15 ff.). Die dynamische Veränderung des Untersuchungsgegenstandes ergibt sich insbesondere durch eine Veränderung in Bezug auf die öffentliche Kommunikation. Daher sollen in diesem Kapitel zwei Öffentlichkeitsarenen vorgestellt werden, in denen die ARV-Kommunikation relevant ist. Anhand dieser Kommunikationsarenen können einerseits die darin agierenden Akteure eingeführt werden, die als Stakeholder bestimmte Anforderungen an die ARV-Kommunikation stellen. Zudem wird die Unternehmensöffentlichkeit vorgestellt, um im weiteren Verlauf der Arbeit Aufsichtsratsvorsitzende als Akteure der öffentlichen Kommunikation von Unternehmen verorten zu können.
Öffentlichkeit wird als „eine der zentralsten Kategorien zum Verständnis von Gesellschaft“ (Donges & Imhof, 2010, S. 185) beschrieben. Der Begriff Öffentlichkeit wurde bereits im 18. Jahrhundert aus dem englischen public sphere übertragen (Hölscher, 1979, S. 37 ff.). Das vom Adjektiv öffentlich abgeleitete Substantiv bezeichnet zunächst „das Prinzip der Unbeschränktheit von Kommunikation in einem Personenkreis“ (Pöttker, 2013, S. 252). Allen Konzepten von Öffentlichkeit liegt der Gegensatz von privat und öffentlich zugrunde (Noelle-Neumann, 2001, S. 88 f.). Im Laufe der Geschichte gab es verschiedene Formen von Versammlungen, in denen öffentlich Themen und Meinungen diskutiert wurden. Öffentlichkeit veränderte sich im Kontext der Kultur, Zivilisation und Gesellschaft, war dabei aber stets ein Ort der Zustimmung und Kontrolle (Bentele & Nothhaft, 2010, S. 95). Öffentlichkeit ist mit verschiedenen Ansprüchen verbunden, wodurch sich Forderungen an die Bedingungen und Formen öffentlicher Kommunikation ableiten lassen (Imhof, 2003, S. 193). Auf dieser Basis können publizistische (Medien-)Produkte grundlegend von anderen Produkten und Dienstleistungen unterschieden werden.
Modelle von Öffentlichkeit
In der deutschsprachigen kommunikationswissenschaftlichen Forschung haben sich vor allem drei Modelle zur Beschreibung von Öffentlichkeit etabliert: das Diskursmodell von Habermas (1990), das Spiegelmodell von Luhmann (1992) und das Arenenmodell von Gerhards & Neidhardt (1991). In allen Modellen verweist Öffentlichkeit „auf einen Kommunikationsprozess, der auf verschiedenen gesellschaftlichen Komplexitätsebenen innerhalb bestimmter medialer Strukturen abläuft“ (Raupp & Wimmer, 2013, S. 307). Medien sind demnach wichtig für die Entstehung von Öffentlichkeit. Durch den durch die Digitalisierung und andere technische Innovationen voranschreitenden Medienwandel haben sich jedoch sowohl die Öffentlichkeit als auch die öffentliche Kommunikation verändert.
Mit der historisch-systematischen Arbeit von Jürgen Habermas (1990) über den Strukturwandel der Öffentlichkeit wurden Öffentlichkeitstheorien fester Bestandteil der Sozialwissenschaften. Das deliberative Modell oder Diskursmodell gilt heute als einer der Klassiker der Kommunikationswissenschaft (Raupp & Wimmer, 2013, S. 298). Habermas entwickelt am Beispiel der Entstehung bürgerlicher Öffentlichkeit ein normatives basisdemokratisch orientiertes Idealmodell von Öffentlichkeit. Durch einen deliberativen Charakter, eine prinzipielle Gleichheit der Teilnehmer und anti-autoritären Strukturen kann eine öffentliche Meinung gebildet werden. Dabei unterscheidet Habermas zwischen einem sozialen Strukturwandel und einem politischen Funktionswandel der Öffentlichkeit. Beim politischen Funktionswandel komme es durch die von Massenmedien vorstrukturierte und beherrschte Öffentlichkeit zu einer Vermachtung, die von gut organisierten kollektiven Akteuren, wie Parteien und organisierten Interessengruppen der Wirtschaft, dominiert werde (Habermas, 1990, S. 275–342). Dies sei bedingt durch den sozialen Strukturwandel, bei dem sich das „kulturräsonierende“ zu einem „kulturkonsumierenden“ Publikum entwickele (Habermas, 1990, S. 252). Habermas definiert Öffentlichkeit und öffentliche Meinung wie folgt:
„Die Öffentlichkeit lässt sich am ehesten als ein Netzwerk für die Kommunikation von Inhalten und Stellungnahmen, also von Meinungen beschreiben; dabei werden die Kommunikationseinflüsse so gefiltert und synthetisiert, dass sie sich zu thematisch gebündelten öffentlichen Meinungen verdichten“ (Habermas, 1992, S. 436).
Die Arbeit zum Strukturwandel der Öffentlichkeit hat außerordentlich viele Debatten ausgelöst und ist inzwischen – auch von Habermas selbst – revidiert worden (Donges & Imhof, 2010, S. 201). Beim Blick auf die öffentliche Kommunikation von Wirtschaftsunternehmen ist zudem zu beachten, dass diese der Durchsetzung der eigenen Interessen dient und vor allem die öffentliche Meinung in Bezug auf die eigene Reputation im Blick hat (Raupp & Wimmer, 2013, S. 299). Dies steht im Gegensatz zu der am Gemeinwohl orientierten Kommunikation nach Habermas.
Neben dem Diskursmodell von Habermas ist das Spiegelmodell von Luhmann ein wichtiges Paradigma für die Sozialwissenschaft (Bentele, 2008, S. 610), dass die deutschsprachige Kommunikationsforschung stark beeinflusst hat (Raupp & Wimmer, 2013, S. 300). Beim systemtheoretisch geprägten Spiegelmodell ermöglicht Öffentlichkeit die Selbstbeobachtung und die Herstellung einer Selbstbeschreibung der Gesellschaft durch die Veröffentlichung von Themen. Öffentlichkeit wird von Luhmann als eigenes Funktionssystem verstanden, das die anderen Systeme beobachtet:
„Öffentlichkeit ist im Zuge der funktionalen Differenzierung der Gesellschaft entstanden, um eine wechselseitige Beobachtung von Sinnsystemen zu ermöglichen und deren Fähigkeiten zur Selbstbeobachtung zu erhöhen“ (Löffelholz, 2000, S. 203).
Entscheidend ist, dass in dem Spiegel der Öffentlichkeit alle Akteure und öffentlichen Meinungen abgebildet werden, sodass die Selbstbeobachtung nicht beeinträchtigt wird (Luhmann, 1993, S. 181 f.; Marcinkowski, 1993, S. 118). Das sog. Spiegelmodell gilt als „normativ anspruchslos“ (Imhof, 2003, S. 202), weshalb es sich leichter auf andere Funktionssysteme, wie die Wirtschaft, anwenden lässt. Unternehmen beobachten bspw. die Öffentlichkeit, um zu erfahren, wie sie darin gesehen werden, das Kommunikationsmanagement stellt dafür verschiedene Analysetools zur Verfügung (Zerfaß & Volk, 2019, S. 27–88).
In der deutschsprachigen Kommunikationsforschung wurde zudem das Arenenmodell von Gerhards & Neidhardt (1991) intensiv rezipiert. Das Arenenmodell mit seinen verschiedenen Öffentlichkeitsebenen sowie Rollen wird im Folgenden detailliert dargestellt, da es als weitere theoretische Grundlage für diese Arbeit dient.
Arenenmodell der Öffentlichkeit
Die Soziologen Gerhards & Neidhardt (1991) entwickeln auf Basis einer funktional-systematischen Perspektive das sog. Arenenmodell der Öffentlichkeit. Öffentlichkeit wird dabei als ein Input-Output-System verstanden, das systemtheoretische und diskurstheoretische Öffentlichkeitskonzeptionen miteinander verknüpft (Raupp & Wimmer, 2013, S. 302). Moderne Öffentlichkeit wird dabei definiert als
„relativ frei zugängliches Kommunikationsfeld, in dem ‚Sprecher‘ mit bestimmten Thematisierungs- und Überzeugungstechniken versuchen, über die Vermittlung von ‚Kommunikateuren‘ bei einem ‚Publikum‘ Aufmerksamkeit und Zustimmung für bestimmte Themen und Meinungen zu finden“ (Neidhardt, 1994, S. 7).
Öffentlichkeit wird als ein Kommunikationsnetzwerk mit verschiedenen spezifischen Teilbereichen (Arenen) gesehen, die sich anhand innerer Relevanzkriterien unterscheiden (Habermas, 1992, S. 436). Der Begriff Arena wurde auch deswegen gewählt, da das passive Publikum von der Galerie aus, das kommunikative und strategische Handeln der Akteure – Sprecher und Vermittler – in der Arena beobachtet (Gerhards & Neidhardt, 1991, S. 57 f.). Dies lässt sich sowohl auf politische als auch nichtpolitische Arenen übertragen.
Nach Neidhardt (1994) erfüllt Öffentlichkeit beim Input Transparenzfunktionen, im Throughput (Auseinandersetzung) Validierungsfunktionen und beim Output Orientierungsfunktionen. Ähnlich bezeichnet Imhof (2008) dies als politisch-rechtliche, deliberative und integrative Funktion der Öffentlichkeit.
(1)
Die Transparenzfunktion bzw. politisch-rechtliche Funktion bezieht sich auf den Zugang zur Öffentlichkeit, der nicht beschränkt sein darf. Dies impliziert auch eine prinzipielle Offenheit für Themen und Meinungen von kollektiver Bedeutung. In der dominierenden gesellschaftspolitischen Arena können zudem die Kommunikationsereignisse aller anderen Arenen Resonanz finden.
 
(2)
Unter der Validierungsfunktion bzw. deliberativen Funktion wird die Diskursivität von Öffentlichkeit gefasst: Da Themen und Meinungen im Netzwerk von Arenen und Kommunikationsflüssen in ständiger Konkurrenz zueinanderstehen, entsteht ein argumentativer Druck, der möglicherweise zu inhaltlichen Anpassungen führt.
 
(3)
Schließlich nimmt das Publikum aufgrund der Orientierungsfunktion bzw. Integrationsfunktion der Öffentlichkeit die – in der diskursiv betriebenen öffentlichen Kommunikation entstandenen – öffentlichen Meinungen idealerweise als überzeugend war und kann diese akzeptieren (Imhof, 2008, S. 70 ff.; Neidhardt, 1994, S. 8 f.).
 
Die Autoren unterscheiden zwischen drei Ebenen von Öffentlichkeit: (1) Encounter- oder Spontanöffentlichkeit, (2) Themen- oder Versammlungsöffentlichkeit und der (3) Medienöffentlichkeit (Donges & Imhof, 2010, S. 187–189; Gerhards & Neidhardt, 1991, S. 50–56) (Abbildung 4.1). Auf diesen Ebenen findet Kommunikation statt. Es handelt sich um Strukturen, in denen sich unterschiedliche Öffentlichkeiten zugleich verfestigen und reproduzieren können (Zerfaß, 2010, S. 204).
Das Fundament der, nach unten offenen und damit theoretisch unbegrenzten, Pyramide bilden einfache Interaktionssysteme, die spontan und an jedem Ort entstehen können (Gerhards & Neidhardt, 1991, S. 50). Luhmann charakterisiert dies als „Kommunikation au trottoir“ (Luhmann, 1986, S. 75), Goffman (1961) spricht von Encounter. Auf dieser Ebene sind weder vermittelnde Medien noch eine Differenzierung zwischen Akteursrollen notwendig. Sie sind daher „meist räumlich, zeitlich und sozial beschränkt“ (Donges & Imhof, 2010, S. 187). Ein Beispiel für diese Ebene ist das Gespräch im Zugabteil oder der Kaffeeküche. Demnach werden auf dieser Ebene vor allem die individuellen Handlungen der Akteure betrachtet. Eine Selektionsstufe verhindert, dass Themen ungefiltert die nächste Öffentlichkeitsstufe erreichen.
Auf der zweiten Ebene sind mit den Themen- und Versammlungsöffentlichkeiten sozial voraussetzungsvollere „thematisch zentrierte Interaktionssysteme“ (Gerhards & Neidhardt, 1991, S. 52) zu finden. Dabei differenzieren sich erste Leistungs- und Publikumsrollen aus. Als Beispiele für diese Ebene sind öffentliche Veranstaltungen oder Demonstrationen zu nennen. Die Öffentlichkeit kann dabei spontan entstehen oder bereits einen relativ hohen Organisationsgrad aufweisen. Themen- und Versammlungsöffentlichkeiten können durch mediale Berichterstattung in das Interesse eines physisch nicht anwesenden Publikums rücken und so zur Medienöffentlichkeit aufsteigen (Godulla, 2017, S. 30).
Die dritte Ebene der Medienöffentlichkeit unterscheidet sich aus mehreren Gründen deutlich von den anderen Ebenen: Sie ist geprägt von den Logiken der institutionalisierten Medien, wobei sog. Leitmedien eine prominente Führungsrolle einnehmen. Ob ein Medium dabei als Leit- bzw. Folgemedium angesehen wird, ist von der jeweiligen Arena abhängig und nicht übergreifend festgelegt (Donges & Imhof, 2010, S. 188). Weiterhin kommt es zu einer Ausdifferenzierung und Professionalisierung der Leistungsrollen. Das Publikum wird abstrakter und größer, ist nicht mehr zwingend physisch präsent sowie in seinen Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt (Gerhards & Neidhardt, 1991, S. 54). Im digitalen Zeitalter haben die journalistischen Medien jedoch kein Monopol mehr darauf inne, welche Themen die Selektionsstufe zur Medienöffentlichkeit überschreiten. Im Social Web setzt somit ein theoretisch unbegrenztes Spektrum von Akteuren Themen für die öffentliche Kommunikation (Godulla, 2017, S. 31).
Die Ebenen sind durch eine „dreifache Interdependenz“ (Zerfaß, 2010, S. 207) gekennzeichnet. Erstens muss davon ausgegangen werden, dass sich einzelne Teilöffentlichkeiten überlappen, sodass konkrete Kommunikationsanlässe nicht eindeutig eine der drei Ebenen zugeordnet werden können. Zweitens kann eine Kommunikationsarena durch das Zusammenspiel verschiedener Ebenen entstehen, etwa durch Fachzeitschriften, Tagungen und persönlichen Diskussionen, sodass sich die Vor- und Nachteile der einzelnen Ebenen ergänzen können. Drittens ist wichtig, dass sich in den einzelnen Ebenen verschiedene Öffentlichkeiten verfestigen und reproduzieren können. Ein Gespräch unter Kollegen kann also eine bestimmte Organisationsöffentlichkeit ebenso wie einen Ausschnitt der gesellschaftspolitischen Arena abbilden (Zerfaß, 2010, S. 207).
In Bezug auf die ARV-Kommunikation könnte auf der Encounter-Ebene etwa eine Interaktion zwischen dem Aufsichtsratsvorsitzenden und einem Kommunikationsverantwortlichen des Unternehmens stattfinden, wenn sich die Personen zufällig in der Kaffeeküche treffen und über die aktuelle Medienberichterstattung zum Unternehmen austauschen. Die Aufgaben des Aufsichtsratsgremiums können Themen in der Organisations- bzw. Unternehmensöffentlichkeit sein, wenn z. B. eine Vorstandsposition neu besetzt wird. Auf der Ebene der Medienöffentlichkeit kann der Aufsichtsratsvorsitzende im Rahmen der Publizitätspflichten oder auch einer freiwilligen Kommunikation als Sprecher des Gremiums agieren.
Akteure und Rollen in der Öffentlichkeit
In den Kommunikationsforen der Öffentlichkeit kann zwischen verschiedenen Akteuren und Rolleninhabern unterschieden werden: Sprechern, Vermittlern und dem Publikum. Der Vorteil davon, Akteure und Kommunikationsrollen analytisch voneinander zu unterscheiden, liegt darin, die Dynamik von Öffentlichkeit aufzeigen zu können. Nur Akteure können ihre Rollen wechseln; sie werden, wie bei Giddens, als sich ihrer selbst bewusste, reflexiv und kompetent Handelnde verstanden. Dagegen bleibt das Publikum immer Publikum, da es als Kollektiv nicht handlungsfähig ist. Akteure können in der Öffentlichkeit sowohl als Sprecher auftreten, als Vermittler zwischen Sprechern und Publikum agieren sowie als Mitglieder des Publikums zu den Zuhörern zählen (Donges & Imhof, 2010, S. 189 f.). Demnach können Kommunikationsrollen unabhängig von Öffentlichkeitsakteuren existieren und prinzipiell situativ übernommen werden (Raupp, 1999, S. 120).
Die erste und wichtigste Gruppe ist das Publikum, da sich erst durch dessen Anwesenheit eine Öffentlichkeit konstituiert. Allgemeine Merkmale des Publikums sind, dass es sich (1) überwiegend aus Laien zusammensetzt, (2) es sozial heterogen ist und (3) einen schwach ausgeprägten Organisationsgrad aufweist (Neidhardt, 1994, S. 13). Das Publikum kann nicht als kollektiver Akteur angesehen werden, da es nicht organisiert ist und so weder Ziele formulieren noch diese strategisch verfolgen kann (Donges & Imhof, 2010, S. 191). Zu den Handlungsoptionen gehört es demzufolge zu kommen oder zu gehen, hinzuhören oder abzuschalten, zu kaufen oder nicht zu kaufen (Gerhards & Neidhardt, 1991, S. 65). Dadurch unterscheidet sich die Publikumsrolle grundsätzlich von den beiden anderen Rollen, da sie stets allen offensteht, latent ist, nur zeitweise aktiviert wird und kaum Regeln kennt (Raupp, 1999, S. 119). Sie ist demnach keine Leistungsrolle (Stichweh, 1988, S. 268), sondern eine Abnehmerrolle.
Als Vermittler werden vor allem die Journalisten bezeichnet. Diese agieren als Personen, sind jedoch aufgrund der Spezialisierung ihrer Rollen meist innerhalb fester Organisationsstrukturen wie Redaktionen tätig. Abhängig vom publizistischen Programm der Medienorganisation beobachten sie Entwicklungen und Themen auf allen Öffentlichkeitsebenen, greifen Themen basierend auf journalistischen Selektionsregeln auf und kommentieren diese (Donges & Imhof, 2010, S. 190). Durch die Vermittler steigt die Reichweite der Sprecher und die Größe des Publikums kann erheblich steigen: „Öffentliche Kommunikation wird zur Massenkommunikation1“ (Neidhardt, 1994, S. 10). Vermittler haben somit eine „spezifische Leistungsrolle, die akzidentell eingenommen werden kann“ (Raupp, 1999, S. 120). In Abschnitt 4.1.2 wird aufgezeigt, dass in der Kapitalmarktöffentlichkeit neben Journalisten noch weitere Akteure eine Vermittlerrolle bei der ARV-Kommunikation einnehmen.
Sprecher sind Angehörige kollektiver oder korporativer Akteure, die sich in der Öffentlichkeit zu bestimmten Themen äußern. Unter bestimmten Bedingungen werden diese Äußerungen zu Themen der öffentlichen Kommunikation. Dabei können Sprecher verschiedene Rollen einnehmen (Neidhardt, 1994, S. 14; Peters, 1994, S. 57–59):
(1)
Repräsentanten, die als Vertreter von gesellschaftlichen Gruppierungen und Organisationen sprechen,
 
(2)
Advokaten, die keine politische Vertretungsmacht für Gruppierungen innehaben, aber deren Interessen vertreten,
 
(3)
Experten als Vertreter spezialisierter Professionen oder wissenschaftlicher Disziplinen, die ihre fachliche Reputation bzw. Expertise in die Öffentlichkeit einbringen,
 
(4)
Intellektuelle, verstanden als Experten, die sich sozialmoralischen Sinnfragen annehmen, oder
 
(5)
Kommentatoren, hier verstanden als Journalisten, die nicht nur zu öffentlichen Angelegenheiten berichten, sondern sich mit eigenen Meinungen zu Wort melden.
 
Sprecher und Vermittler möchten Aufmerksamkeit für ihre Äußerungen vom Publikum erhalten. Dabei stehen sie vor der Herausforderung, ihre Themen einfach und verständlich für das Publikum anzupassen, wobei unklar bleibt, wer ihr Publikum eigentlich ist. Wenn korporative Akteure, wie Redaktionen oder Kommunikationsabteilungen, Leistungsrollen in der Öffentlichkeit übernehmen, dann verfestigen sich Routinen und damit Strukturen, sodass diese Leistungsrollen dauerhaft eingenommen werden können (Raupp, 1999, S. 120). Vor allem den Leitmedien kommt eine hohe Relevanz zu, da sie die Ereignisse aus den Arenen aufnehmen, kanalisieren und dadurch dauerhaft und gesellschaftsweit beobachtbar machen (Imhof, 2008, S. 74).
Basierend auf ihrer Position als Repräsentanten des Aufsichtsrats und in Bezug auf die spezifischen Aufgaben sollen Aufsichtsratsvorsitzende im weiteren Verlauf der Arbeit als Sprecher von Unternehmen verortet werden. Dabei soll auch untersucht werden, ob sie darüber hinaus weitere Sprecherrollen wahrnehmen. Aus externer Perspektive werden zudem die Anforderungen an Aufsichtsratsvorsitzende als Sprecher analysiert.
Öffentlichkeitsarenen
Mit dem Konzept von öffentlichen Arenen versuchen Hilgartner & Bosk (1988) die Entstehung und den Verlauf von sozialen Problemen zu erklären. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, warum aus einer Vielzahl an potenziellen Problemen und Themen nur wenige tatsächlich öffentliche Aufmerksamkeit erlangen. Mit dem Begriff Arena meinen sie institutionell verfestigte Bereiche der Gesellschaft wie das Parlament, Gerichte, die Presse, die Kirche, der Wissenschaftsbetrieb und andere (Hilgartner & Bosk, 1988, S. 58–59). Die in einer Arena behandelten Themen werden anhand bestimmter Selektionskriterien ausgewählt, mit denen sich auch die Nachrichtenwertforschung beschäftigt:
„The intense competition for prime space; the need for drama and novelty; the danger of saturation; the rhythm of organizational life; cultural preoccupations; and political biases“ (Hilgartner & Bosk, 1988, S. 61).
Diese Selektionskriterien gelten für sämtliche Arenen, gleichzeitig seien die Arenen aber auch mehr oder weniger politisiert und durch Kultur miteinander verbunden (Hilgartner & Bosk, 1988, S. 71). Zudem sei die Anzahl der Themen limitiert, die Eingang in die jeweilige Arena finden. Die „carrying capacities“ (Hilgartner & Bosk, 1988, S. 59) einer Arena, wie z. B. Zeit, Budget oder auch Wissen, seien unterschiedlich stark ausgeprägt und schränken kollektive wie individuelle Akteure in ihrem Handeln ein.
Öffentlichkeit kann also als Kommunikationsnetzwerk verschiedener Öffentlichkeitsarenen verstanden werden. Diese Öffentlichkeitsarenen unterscheiden sich in sozialer, sachlicher, zeitlicher und sozialräumlicher Hinsicht (Tobler, 2010, S. 50). In sozialer Hinsicht finden sich in den Arenen spezifische Akteure in entsprechenden Leistungs- und Publikumsrollen (Neidhardt, 1994). In der sachlichen Dimension unterscheiden sich die Arenen durch ihre Sinnrationalität, wie Themen selektiert und Debatten geführt werden. In zeitlicher Hinsicht variieren die Zusammensetzung der Akteure und die Rationalität der Diskurse. In sozialräumlicher Hinsicht erreichen die Debatten über Versammlungsöffentlichkeiten oder systemeigene Medien das jeweilige Publikum der Arena (Tobler, 2010, S. 50).
Weiterhin können Öffentlichkeitsarenen in funktionaler, segmentärer und stratifikatorischer Hinsicht differenziert werden (Imhof, 2006, S. 192). Im Hinblick auf die funktionale Differenzierung lassen sich die Öffentlichkeitsarenen der verschiedenen gesellschaftlichen Teilsysteme unterscheiden. Beispiele hierfür sind die Wirtschaft, Politik oder auch die Wissenschaft mit ihren spezifischen Akteuren, Themen und Publika (Imhof, 2006, S. 196). Segmentär differenzierte Öffentlichkeitsarenen können z. B. religiöser oder ethnischer Art sein (Tobler, 2010, S. 51). Zudem ist jede Öffentlichkeitsarena auch stratifikatorisch differenziert, da nicht alle kollektiven oder individuellen Akteure die gleiche Chance haben, sich Gehör zu verschaffen – dies gilt insbesondere für die gesellschaftspolitische Arena (Imhof, 2006, S. 205).
Unternehmen bewegen sich in verschiedenen Öffentlichkeiten, daher sollen hier Kommunikationsarenen betrachtet werden, die nach funktionaler Hinsicht differenziert sind. Zunächst soll die gesellschaftspolitische Öffentlichkeit betrachtet werden (Abschnitt 4.1.1), die als Verbindungspunkt zwischen verschiedenen funktional differenzierten Arenen gilt. Ihr kommt ein besonderer Stellenwert zu, da die Themen und Impulse aus anderen Arenen aufgenommen und zu einer übergreifenden gesellschaftlichen Arena verdichtet werden (Zerfaß, 2010, S. 201).
Im Fokus dieser Arbeit stehen Aufsichtsratsvorsitzende von börsennotierten Unternehmen in Deutschland. Unternehmen werden als Bestandteile des Wirtschaftssystems gesehen. Mit der Kommunikation werden sowohl Mitarbeitende, Kapitaleigner sowie nach Kaufkraft-, Bildungs- und Lebensstilgruppen unterscheidbare Kunden angesprochen. Im Rahmen von Krisenkommunikation kommt zudem eine Ansprache weiterer Stakeholder dazu, vor allem um die Reputation zu schützen oder wiederherzustellen (Imhof, 2008, S. 75). Die Herausbildung von Öffentlichkeitsarenen mit spezifischen Sprechern und Themen ist aufgrund der Komplexität großer Öffentlichkeiten unvermeidbar (Peters, 1994, S. 72). Aus diesem Grund wird im Folgenden die Kapitalmarktöffentlichkeit, als Teil des Wirtschaftssystems, eingeführt und detailliert erläutert (Abschnitt 4.1.2).
Schließlich wird die Unternehmensöffentlichkeit dargestellt, die sich im Gegensatz zu den anderen beiden Arenen, auf die Öffentlichkeit innerhalb des Unternehmens bezieht (Abschnitt 4.1.3). Diese interne Perspektive wird im weiteren Verlauf durch Erkenntnisse zum Kommunikationsmanagement ergänzt, um ein vollständiges Bild der ARV-Kommunikation in den Unternehmen darstellen zu können. Für die drei Öffentlichkeitsarenen werden jeweils die relevanten Akteure sowie zentrale Themen dargestellt. Auf dieser Basis können relevante Anspruchsgruppen der ARV-Kommunikation etabliert werden
Da sich der Wandel des Untersuchungsgegenstands als empirisches Phänomen vor allem in Bezug auf die Kommunikation mit Investoren (Kapitalmarktöffentlichkeit) und Medien (gesellschaftspolitische Öffentlichkeit) beobachten lässt, sollen weitere Öffentlichkeitsarenen, die sich auf eine externe Kommunikation des Gremiums bzw. des Unternehmens beziehen, wie etwa die politisch-administrative oder kommunale Öffentlichkeit, im Rahmen dieser Arbeit bewusst nicht weiter betrachtet werden.

4.1.1 Gesellschaftspolitische Öffentlichkeit

Der Wandel des empirischen Phänomens der Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden zeigt sich aus externer Perspektive u. a. anhand einer sich intensivierenden medialen Thematisierung von Aufsichtsratsthemen sowie von vermehrten Äußerungen von Aufsichtsratsvorsitzenden in den Medien. Mithilfe der Darstellung der gesellschaftspolitischen Öffentlichkeitsarena sollen die wichtigen Akteure darin eingeführt werden sowie Themen aufgezeigt werden, die Anforderungen an die ARV-Kommunikation begründen können.
Die gesellschaftspolitische Arena ist ein „Knotenpunkt“ (Zerfaß, 2010, S. 201) zwischen verschiedenen funktional differenzierten Öffentlichkeitsarenen. Sie ist grundsätzlich für jedes Mitglied der Gesellschaft offen. Diese Arena kann durch territoriale Grenzen und rechtlich-politische Rahmenbedingungen abgegrenzt werden, daher beziehen sich die Ausführungen in dieser Arbeit auf die gesellschaftspolitische Öffentlichkeit in Deutschland, da sich die Arbeit auf die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden von börsennotierten Unternehmen in Deutschland fokussiert.
Akteure in der gesellschaftspolitischen Öffentlichkeit
Das Publikum in der gesellschaftspolitischen Öffentlichkeitsarena ist prinzipiell offen, divers und besteht aus allen Mitgliedern der Gesellschaft. Sie müssen nicht zwingend anwesend sein, sondern können auch über die Massenmedien erreicht werden (Gerhards & Neidhardt, 1991, S. 45 f.). Das Publikum wird demnach nicht als kollektiver Akteur gesehen, da keine reflexive Steuerung der Bedingungen für die soziale Reproduktion ihrer Strukturen vorliegt (Giddens, 1997, S. 256). Die individuellen Akteure innerhalb des Publikums sind dagegen bewusst Handelnde, als Teil des Publikums beschränken sich ihre Handlungsoptionen jedoch z. B. darauf hinzuhören oder abzuschalten (Gerhards & Neidhardt, 1991, S. 65). Sie können also bewusst entscheiden, ob sie Teil des Publikums sind oder nicht. Auf dieser Basis ist es schwer, konkrete Anforderungen an die ARV-Kommunikation zu identifizieren.
Aus diesem Grund kommt den Massenmedien als Vermittlern in der gesellschaftspolitischen Arena eine besondere Bedeutung zu. Innerhalb der Arenen lassen sich sog. Leitmedien identifizieren. Unter Leitmedien können jene Massenmedien verstanden werden, denen gesellschaftlich eine anleitende Funktion zukommt und ein Einfluss auf die Gesellschaft und anderen Medien zugeschrieben wird (Wilke, 2009, S. 29). Charakteristische Merkmale für Leitmedien sind z. B. die Verbreitung und Reichweite (bei der Elite), sowie die Mediennutzung durch andere Journalisten und die Zitierhäufigkeit (Wilke, 2009, S. 32–43). Leitmedien sind abhängig von der Öffentlichkeitsarena und nehmen in ihr eine führende Stellung ein. Sie ermöglichen zudem Anschlusskommunikation, d. h. andere (Folge-)Medien orientieren sich in ihrer Berichterstattung an ihnen (Donges & Imhof, 2010, S. 188).
In der gesellschaftspolitischen Öffentlichkeit sind vor allem die überregionalen Medien von Bedeutung und damit als Leitmedien anzusehen, da sie sowohl die politischen und wirtschaftlichen Eliten, die Journalisten im In- und Ausland als auch die Masse ihrer Leser adressieren. Sie können als Verstärker angesehen werden, da sie durch ihre Themensetzung eine Leserschaft erreichen, die größer ist als ihre eigentliche Auflage oder Reichweite (Kepplinger, 2009, S. 18). In Deutschland wird in diesem Zusammenhang häufig auf die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die Süddeutsche Zeitung und das Handelsblatt verwiesen (Kepplinger, 2009, S. 19; Wilke, 2009). Auch wenn Social Media in den Kommunikationsarenen eine zunehmende Bedeutung haben, repräsentieren die traditionellen Medien in besonderem Maße eine legitimierte Form der veröffentlichten Meinung (Coombs & Holladay, 2012, S. 408).
Leitmedien wählen als Vermittler nicht nur unterschiedliche Themen und Informationen aus, sondern machen auch gesellschaftliche Positionen sichtbar. Dazu gehört die Kommentierung von und das Einwirken auf gesellschaftliche Diskurse durch eigene Positionsbezüge von Journalisten oder auch Gastbeiträge relevanter Persönlichkeiten.
Es entsteht eine Austauschbeziehung zwischen Medien als Vermittlern, Sprechern und Publikum. Kollektive wie individuelle Sprecher haben ein Interesse daran, Aufmerksamkeit und Zustimmung für ihre ökonomischen oder politischen Interessen beim Publikum zu erlangen. Franck (1998) unterscheidet die öffentliche Aufmerksamkeit aus einer makroökonomischen und mikroökonomischen Perspektive. Auf der makroökonomischen Ebene gebe es einen Überfluss an Informationen, der nicht mehr zu bewältigen sei. Aufmerksamkeit werde zum knappen Gut, welches ausgegeben und akkumuliert werden könne und damit sogar dem Geld als ökonomisches Tauschmittel den Rang ablaufe (Franck, 1998, S. 49 ff.). Der Einzelne beurteile den Wert einer Information daran, wie viel Aufmerksamkeit ihr zuteilwird. Auf mikroökonomischer Ebene gehe es um den Austausch von Aufmerksamkeit mit anderen Menschen: „die unwiderstehlichste aller Drogen“ (Franck, 1998, S. 10). Akteure streben nach einer Identität, die für die medial vermittelte Kommunikation möglichst attraktiv sei (Franck, 1998, S. 218). Dafür müssen Sprecher das soziale Kapital von Prestige, Reputation, Prominenz oder gar Ruhm erlangen (Franck, 1998, S. 118–119; Neidhardt, 1994, S. 16) – das Resultat von vorangegangener Kommunikation. Reputation wird dabei verstanden als Beachtung, die sich auf spezifischen Leistungen begründet, während Prominenz eine Klasse an Personen darstellt, deren Namen und Funktion allgemein bekannt ist, der ursprüngliche Grund dafür aber zweitrangig (Franck, 1998, S. 118).
Im Fokus dieser Arbeit stehen Aufsichtsratsvorsitzende von börsennotierten Unternehmen in Deutschland. Börsennotierte Unternehmen werden dabei als kollektive Akteure verstanden, da sie Systeme organisierten Handels darstellen (Ortmann et al., 2000, S. 317). Innerhalb der Unternehmen können sowohl Mitglieder der Unternehmensführung, z. B. der CEO, als auch Verantwortliche der Kommunikationsabteilungen eine Sprecherrolle einnehmen. Im weiteren Verlauf der Arbeit werden auch Aufsichtsratsvorsitzende als korporative Sprecher für Unternehmen verortet (ausführlich dazu Abschnitt 4.3.2).
Darüber hinaus agieren in der gesellschaftspolitischen Öffentlichkeit auch einzelne „ökonomisch potente und prominente Akteure“ (Zerfaß, 2010, S. 202) als individuelle Sprecher, die versuchen ihre Meinungen zu Themen darzustellen und durchzusetzen. Inwiefern auch Aufsichtsratsvorsitzende zu diesen Akteuren zählen, soll im weiteren Verlauf aus externer Perspektive empirisch erhoben werden – auf dieser Basis kann dann überprüft werden, wie sich diese Kommunikation rationalisieren lässt.
Themen in der gesellschaftspolitischen Öffentlichkeit
Die Themen in der gesellschaftspolitischen Öffentlichkeit können sehr unterschiedlich sein, dadurch haben nicht alle die gleiche Chance, selektiert zu werden. Daher ist diese Öffentlichkeitsarena im besonderen Maße auf die Vermittlungsleistung der Massenmedien angewiesen (Gerhards & Neidhardt, 1991, S. 45 f.; Peters, 1994, S. 58 f.). Indem Impulse aus anderen Kommunikationsarenen aufgenommen werden, entsteht eine übergreifende Agenda mit aktuellen Themen der Gesellschaft (Zerfaß, 2010, S. 202).
Rücken bestimmte Themen in den Fokus des gesellschaftlichen Diskurses, können sich öffentliche Meinungen herausbilden. Dieser komplexe Begriff bezeichnet vereinfacht „Phänomene und Prozesse kollektiver Meinungsbildung im öffentlichen Austausch über Themen von öffentlichem Interesse“ (Pfetsch & Bossert, 2013, S. 249). Die Bildung von öffentlichen Meinungen ist unmittelbar an die verschiedenen Ebenen der Öffentlichkeit gekoppelt, so muss ein Thema z. B. erst die (mediale) Selektionsstufe zwischen der Themenöffentlichkeit und der Medienöffentlichkeit überwinden.
In der gesellschaftspolitischen Öffentlichkeit kann sich dann eine öffentliche Meinung zu einem bestimmten Thema durchsetzen. Diese stellt aber stets nur einen Ausschnitt aus dem breiten Spektrum von Meinungsäußerungen dar, die tatsächlichen Ansichten der Individuen können davon abweichen (Gerhards & Neidhardt, 1991, S. 42). In Bezug auf die Aufgaben des Aufsichtsrats könnte sich z. B. eine öffentliche Meinung zum Thema Vorstandsvergütung ausbilden.
Die Themen und öffentlichen Meinungen der gesellschaftspolitischen Öffentlichkeit sind von besonderer Bedeutung, da sie in allen anderen Kommunikationsarenen wahrgenommen werden (Peters, 1994, S. 58 f.) und damit einen Einfluss auf die Debatten in diesen Arenen haben (Zerfaß, 2010, S. 202). Dies führt dazu, dass sich im Zuge der sog. Medialisierung die „Akteure in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und zahlreichen anderen gesellschaftlichen Subsystemen an die Erfolgsbedingungen der Medien“ (Kepplinger, 2008, S. 327) anpassen können. Das heißt, Akteure richten ihr Handeln immer stärker nach den Regeln der medialen Logik aus. Daraus können Handlungsfolgen für die ARV-Kommunikation resultieren, auf die sich Aufsichtsratsvorsitzende und Kommunikationsverantwortlichen bewusst oder unbewusst beziehen.
Die Medienlogik setzt sich aus verschiedenen technologischen, organisatorischen und kulturellen Elementen zusammen (Mazzoleni, 2014, S. 3052 f.): Auf der technischen Ebene handelt es sich um Innovationen und Weiterentwicklungen bestehender Medientechnologien. Auf organisatorischer Ebene sind es vor allem ökonomische Bedingungen, wie die Deregulierung der Medien (Imhof, 2006, S. 200) und die Kommerzialisierung, die zu einer Standardisierung von Medieninhalten führt (Mazzoleni, 2014, S. 3053). Die kulturelle Ebene stellt den Kern der Medienlogik dar, indem Selektions-, Organisations- und Wahrnehmungsregeln von Informationen thematisiert werden. Die Nachrichtenwerttheorie setzt sich ausführlich damit auseinander (Schulz, 1976). Veränderungsprozesse in diesen drei Bereichen können die Medialisierung von unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen prägen.
Die gesellschaftspolitische Öffentlichkeit kann also auch als Mediengesellschaft bezeichnet werden, da die Medienkommunikation „eine allgegenwärtige und alle Sphären des gesellschaftlichen Seins durchwirkende Prägekraft entfaltet“ (Saxer, 1998, S. 53). Medien durchdringen dabei alle Bereiche der Gesellschaft mit der Folge, dass gesellschaftliche Akteure, Organisationen wie Individuen ständig mit einer Berichterstattung rechnen und sich darauf einstellen (Donges, 2005, S. 322). Auf Unternehmensseite hat dies weitreichende Folgen und führt u. a. zu einer Professionalisierung und zum Ausbau der Kommunikationsabteilung(en) (Abschnitt 4.2). Inwiefern dies jedoch auch auf die ARV-Kommunikation zutrifft, soll anhand der Strukturen untersucht werden.

4.1.2 Kapitalmarktöffentlichkeit

Aus der externen Perspektive markiert die Aufnahme des Investorendialogs in den DCGK eine wichtige Entwicklung für den Wandel der Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden. Basierend auf der Darstellung der Kapitalmarktöffentlichkeit sollen sowohl Investoren, aber auch andere zentrale Akteure eingeführt und dargestellt werden. Zudem werden die Themen in der Kapitalmarktöffentlichkeit aufgezeigt. Auf dieser Basis sollen im weiteren Verlauf der Arbeit Anforderungen an die ARV-Kommunikation empirisch untersucht werden.
Unternehmen sind Teil des Wirtschaftssystems und kommunizieren mit einer Vielzahl von Stakeholdern, u. a. Kunden, Mitarbeitenden und Kapitalgebern. Für börsennotierte Unternehmen, die im Rahmen dieser Arbeit untersucht werden, spielt die Kommunikation mit den Kapitalmarktakteuren eine wichtige Rolle. Tobler (2004) modelliert die Börse nicht nur als Handelsplattform, sondern als funktional differenzierte Öffentlichkeitsarena. Im Folgenden soll von der Kapitalmarktöffentlichkeit gesprochen werden, da sich die Themen in dieser Arena nicht ausschließlich auf die Entwicklungen an der Börse fokussieren, sondern im weiteren Sinne auch das wirtschaftliche Handeln und Corporate Governance (Abschnitt 3.​1) von Unternehmen sowie die Entwicklungen an den globalen Finanzmärkten betreffen.
Akteure in der Kapitalmarktöffentlichkeit
In den Leistungsrollen agieren in der Kapitalmarktöffentlichkeit in erster Linie börsennotierte Unternehmen als Sprecher. Als Vermittler sind Banken, Ratingagenturen und in der medialisierten Kapitalmarktarena auch Finanzanalysten, Stimmrechtsberater und Wirtschaftsjournalisten anzusehen. Die Publikumsrolle übernehmen Käufer und Verkäufer von Wertpapieren und Anleihen (Tobler, 2004, S. 234). Die Akteure sollen im Folgenden dargestellt werden.
Die deutsche Wirtschaft galt lange Jahre als „Prototyp eines stakeholderorientierten, insiderkontrollierten und bankzentrierten Systems“ (Gerke, Mager & Förstemann, 2009, S. 506). Die sog. Deutschland AG war charakterisiert durch ein Netzwerk aus sich gegenseitig kontrollierenden Großunternehmen mit Banken und Versicherungen im Zentrum. Dies war begründet durch eine aktive staatliche Wirtschafts- und Industriepolitik nach dem Zweiten Weltkrieg; traditionelle Finanzintermediäre wurden dabei gezwungen, Kredite an strategisch wichtige Industrieunternehmen zu vergeben. Die Kredite wurden später in Eigenkapital umgewandelt. Die starke Rolle der Banken führte u. a. zu mangelnden Publizitätspflichten der Unternehmen und einer geringen Attraktivität des deutschen Kapitalmarkts (Gerke et al., 2009, S. 506 f.; Sautner & Villalonga, 2010, S. 12 f.).
Das beschriebene traditionelle deutsche System hat im Rahmen der europäischen Integration und Internationalisierung eine tiefgreifende Transformation erfahren. Die Ursachen liegen in einer fortwährenden Liberalisierung und Deregulierung der Kapitalmärkte, der Harmonisierung der Finanzmarktregulierung, der Konsolidierung im Finanzsektor und wachsenden Risiko- und Rentabilitätserwartungen (Metten, 2010, S. 201). Dieser Prozess hat zu einer zunehmenden Integration der weltweiten Finanzmärkte geführt. Seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre setzen deutsche Unternehmen verstärkt auf eine Finanzierung durch Aktien, Unternehmensanleihen oder die Privatplatzierung von Schuldscheindarlehen (Metten, 2010, S. 206). Dies hat zu einer deutlichen Veränderung der Aktionärsstruktur bei den börsennotierten Unternehmen in Deutschland geführt. So haben in den Jahren 2000 bis 2006 die Beteiligungen von Banken (−54 %), Versicherungen (−61 %) und des Staates (−40 %) deutlich abgenommen, während institutionelle Anleger (+61 %) am stärksten dazugekommen sind (Sautner & Villalonga, 2010, S. 40). Die Bedeutung von Banken und Versicherungen als Vermittler in der Kapitalmarktöffentlichkeit ist daher gesunken; ihre Rolle kann im weiteren Verlauf der Arbeit zurückgestellt werden.
Auch Ratingagenturen können als wichtige Vermittler zwischen Kapitalgebern und Kapitalnehmern angesehen werden. Der weltweite Ratingmarkt wird von wenigen Agenturen – Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch Ratings – dominiert, wobei sich ein Oligopol aus Moody’s und Standard & Poor’s mit einem Marktanteil von 80 Prozent herausgebildet hat (Buschmeier, 2011, S. 176 f.). Ratingagenturen sind privatwirtschaftliche, gewinnorientierte Unternehmen, die im Rahmen von schriftlichen Studien die Kreditwürdigkeit von Unternehmen oder deren Anleihen, aber auch von Staaten, beurteilen. Dadurch soll die asymmetrische Informationsverteilung zwischen Kreditnehmern und Kreditgebern abgebaut werden. Auf der Basis der Ratings können Kapitalgeber eigenständig Anlageentscheidungen treffen. Die Ratingnote (in der Regel zwischen AAA für beste Qualität und D für zahlungsunfähig) hat eine Signalwirkung an die Kapitalmarktakteure und die Öffentlichkeit (Buschmeier, 2011, S. 8). Der Auftrag für ein Rating geht überwiegend von den Emittenten aus, sodass die Bonitätseinstufung als Dienstleistung kostenlos zur Verfügung gestellt wird (Buschmeier, 2011, S. 171). Der Anreiz, korrekte Informationen zu produzieren und zu veröffentlichen, liegt vor allem in einer guten Reputation der Ratingagenturen (Buschmeier, 2011, S. 8). Die methodischen Grundlagen für das Rating werden jedoch nicht offengelegt, was bei Fehleinschätzungen in der Vergangenheit zu Kritik an Ratingagenturen geführt hat. Die Vermittlerrolle von Ratingagenturen im Kapitalmarkt soll im Rahmen der Arbeit nicht weiter betrachtet werden, da diese vor allem auf die Bonität von Unternehmen zielt, was als operatives finanzielles Thema beim Finanzvorstand und nicht beim Aufsichtsrat zu verorten ist.
Für das Phänomen der ARV-Kommunikation können vor allem Finanzanalysten, Wirtschaftsjournalisten (Achleitner, Bassen & Fieseler, 2008, S. 271 ff.) und seit einiger Zeit auch Stimmrechtsberater als relevante Vermittler in der Kapitalmarktöffentlichkeit angesehen werden. Sie sollen daher im Folgenden dargestellt werden, um daraus im weiteren Verlauf spezifische Anforderungen an die ARV-Kommunikation ableiten zu können.
Die Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) beschreibt Finanzanalysten als Personen, die auf Basis von öffentlich zugänglichen Informationen und speziellen Vorkenntnissen eine Analyse und Bewertung von Finanzinstrumenten, wie Wertpapieren oder deren Derivate, durchführen (DVFA, 2018, S. 4). In ihren schriftlichen Studien (Research Reports) veröffentlichen sie Empfehlungen (Kaufen, Verkaufen, Halten etc.) zu Einzelunternehmen, aber auch Märkten oder Branchen. Ziel dabei ist es, mögliche aktuelle Fehlbewertungen aufzudecken, die Investoren als Grundlage für ihre Anlageentscheidungen nutzen können (Friedrich, 2007, S. 39). Finanzanalysten können institutionell in Buy-Side- und Sell-Side-Analysten unterschieden werden. Zu den Buy-Side-Analysten zählen Angestellte von institutionellen Investoren (Investmentfonds, Pensionsfonds etc.), deren Studien die Basis für die Anlageentscheidungen ihrer Arbeitgeber für deren Wertpapierfonds oder Eigenhandel darstellen; ihre Studien werden demnach nur innerhalb der Organisation verwendet. Sell-Side-Analysten sind dagegen für Banken (Universalbanken, Investmentbanken, Brokerhäuser) tätig; ihre Research Reports richten sich an externe Adressaten (Binder-Tietz & Frank, 2021, S. 5; Friedrich, 2007, S. 40). Da die Empfehlungen von Buy-Side-Analysten meist nicht in den Datenbanken verfügbar sind und auch nicht öffentlich bzw. von den Medien wahrgenommen werden, beziehen sich die folgenden Ausführungen in dieser Arbeit ausschließlich auf die Arbeit von Sell-Side-Analysten. Analysten kommt eine relevante Vermittlerrolle zu, da sie unabhängig und regelmäßig Aufmerksamkeit auf unterschiedliche Unternehmen und Entwicklungen lenken. Die Berichterstattung über Analystenreports in den Wirtschaftsmedien und mögliche Marktreaktionen sind bislang nur vereinzelt untersucht worden (Groth, 2005). Aus der externen Perspektive wird im Rahmen der Arbeit empirisch analysiert, inwiefern sich Anforderungen an die ARV-Kommunikation in den Analysten-Reports aufzeigen lassen.
Neben den Finanzanalysten spielen heute die Stimmrechtsberater (englisch = Proxy Advisors) eine wichtige Rolle als Informationsintermediäre in der Kapitalmarktöffentlichkeit. Stimmrechtsberater sammeln im Auftrag von institutionellen Anlegern eine Vielzahl von öffentlich verfügbaren Informationen, werten diese aus und geben auf deren Grundlage eine Empfehlung zur Stimmrechtsausübung auf der Hauptversammlung ab (Schwarz, 2013, S. 29). Der Markt für Stimmrechtsberatung wird dabei maßgeblich von zwei US-amerikanischen Unternehmen – ISS und IVOX Glass Lewis – dominiert. Die Gründe, warum Stimmrechtsberater als Experten herangezogen werden, sind u. a. die wachsenden Portfoliogrößen von institutionellen Anlegern, der zunehmende Druck zur Wahrnehmung von Aktionärsrechten, eine Professionalisierung der Stimmrechtsausübung sowie als vorbeugender Schutz vor Haftungen und Kritik von Regulatoren (Fleischer, 2012, S. 2 f.; Schockenhoff & Nußbaum, 2019, S. 167 f.; Schwarz, 2013, S. 132–183).
Stimmrechtsberater spielen durch ihre Abstimmungsempfehlungen und damit Einflussnahme auf die Hauptversammlungsbeschlüsse eine wichtige Rolle für die Corporate Governance. Es mehren sich anekdotische Belege dafür, dass Stimmrechtsberater im Stande sind, die Abstimmungsergebnisse gerade bei umstrittenen Sach- und Personalfragen bei Unternehmen mit einem hohen Streubesitz zu beeinflussen (Fleischer, 2012, S. 4). Hinzu kommt ein möglicher Einfluss, den sie durch persönliche Gespräche mit Managern von Unternehmen ausüben – dies ist empirisch jedoch noch nicht untersucht (Schwarz, 2013, S. 88 f.). Dementsprechend kritisch werden Stimmrechtsberater von Emittenten und der Wirtschaftspresse betrachtet. Dabei werden vor allem Interessenkonflikte angeführt, da neben der Stimmrechtsberatung meist auch eine Beratung für Emittenten angeboten werde. Weitere Kritikpunkte sind Ungenauigkeiten bei Stimmrechtsempfehlungen und fehlende Transparenz, wenn Stimmrechtsberater im Vorfeld von Hauptversammlungen mit Emittenten kommunizieren (Fleischer, 2012, S. 4; Schockenhoff & Nußbaum, 2019, S. 168 ff.; Schwarz, 2013, S. 31).
Stimmrechtsberater nehmen heute eine wichtige Vermittlerfunktion in der Kapitalmarktöffentlichkeit ein. Sie veröffentlichen im Vorfeld von Hauptversammlungen ihre Stimmrechtsempfehlungen, die insbesondere bei konfliktträchtigen Entscheidungen von den Wirtschaftsmedien aufgegriffen werden. Dies kann sowohl das Handeln der anderen Aktionäre, aber auch der Unternehmen selbst beeinflussen (Schockenhoff & Nußbaum, 2019, S. 165).
Schließlich spielen die Medien eine wichtige Vermittlerfunktion. Die Ausbildung einer medialisierten Kapitalmarktöffentlichkeit ist nach Tobler (2004) auf zwei Prozesse zurückzuführen: Einerseits stellt sie eine weitere Etappe des Strukturwandels der Öffentlichkeit durch eine steigende massenmediale Fokussierung auf Themen zur Wirtschaft und Börse dar. Andererseits ist dies durch die strukturelle Expansion und Liberalisierung der Finanzmärkte seit den 1980er Jahren bedingt. Beide Entwicklungen haben zu einem deutlichen Anstieg von Komplexität geführt, sodass insbesondere das Publikum auf die Übersetzungsleistung der Medien angewiesen sei (Tobler, 2004, S. 234). Die medial konstituierte Kapitalmarktarena gebe den Unternehmen die Aufmerksamkeit und Bühne, die zum Erwartungsmanagement und der Kurspflege notwendig seien (Tobler, 2004, S. 236). Aufgrund der Medienlogik (Abschnitt 4.1.1) konzentrieren sich Wirtschaft- und Finanzjournalisten regelmäßig auch auf das Führungspersonal des Unternehmens, die internen Unternehmensbeziehungen sowie die Beziehungen zu relevanten externen Stakeholdern. Zudem gewinnen Nachhaltigkeitsthemen an Bedeutung in der Berichterstattung (Fieseler, Hoffmann & Meckel, 2008, S. 334).
Wirtschafts- und Finanzjournalisten als relevante Akteure richten sich sowohl an ein breites Publikum als auch an Entscheider. Für Entscheider sind spezialisierte Wirtschaftsangebote neben Universalmedien wichtig, dabei werden Printmedien in Kombination mit Online-Angeboten bevorzugt. Dagegen variieren die Leitmedien des Wirtschaftsjournalismus für die Bevölkerung stärker zwischen regionalen Tageszeitungen, Publikumszeitschriften und überregionalen Tageszeitungen (Mast, 2012, S. 142). In der Kapitalmarktarena spielen als Leitmedien vor allem die Wirtschaftszeitungen eine Rolle, in diesem Zusammenhang werden insbesondere die Tageszeitung Handelsblatt und die Börsen-Zeitung als Fachmedien genannt (Mast, 2012, S. 105). Als Folgemedien sind Anlegermagazine, aber auch Fachmessen oder Internetplattformen anzusehen. Wie auch in der gesellschaftspolitischen Öffentlichkeit kommt Medien also eine zentrale Rolle als Vermittler zu, die im Rahmen der Analyse der Anforderungen an die ARV-Kommunikation aus externer Perspektive untersucht wird.
Besondere Rolle von institutionellen Investoren
Das Publikum der Kapitalmarktöffentlichkeit sind die Käufer und Verkäufer von Wertpapieren und Anleihen. Dabei muss zwischen Privatinvestoren und institutionellen Investoren unterschieden werden.
Privatinvestoren sind eine heterogene und zahlenmäßig große Gruppe, die jedoch über das geringste Anlagekapital pro Kopf verfügen (Kirchhoff & Piwinger, 2014, S. 1086). In Deutschland besaßen 2019 nur 15,2 Prozent der Bevölkerung – insgesamt 9,7 Millionen Menschen – Aktien von Unternehmen oder Aktienfonds (DAI, 2020, S. 2). Private Investoren hielten im Jahr 2018 rund 10 Prozent am Aktienbestand von DAX-Unternehmen (EY, 2019, S. 9). Mit der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) existieren jedoch Interessensvertretungen der Privatanleger. Auf sie wird im Laufe der Arbeit eingegangen, wenn es um die Privataktionäre als Publikum der Kapitalmarktöffentlichkeit geht.
Institutionelle Investoren sind dagegen eigenständige juristische Personen, die eigene oder Gelder Dritter professionell in Aktien investieren, wobei ihre Portfolios überdurchschnittlich hohe Volumina aufweisen (Schwarz, 2013, S. 34 f.). Grundsätzlich kann zwischen strategischen Investoren, die im Zusammenhang mit der Stärkung oder dem Ausbau von Geschäftsfeldern des Unternehmens stehen, und Finanzinvestoren unterschieden werden. Für Finanzinvestoren stellt die Anlage von Geldern den Kern der Geschäftstätigkeit dar. Sie lassen sich weiter in Investmentgesellschaften (z. B. Publikumsfonds, Pensionsfonds, Staatsfonds), Versicherungen, Stiftungen, Private-Equity-Gesellschaften und Hedgefonds unterscheiden (Faber, 2009, S. 220 f.). Die Gesellschaften verfolgen dabei unterschiedliche Interessen, Anlagehorizonte sowie Renditeerwartungen (Binder-Tietz & Frank, 2021, S. 3). Institutionelle Investoren bilden bei den meisten Aktiengesellschaften die größte Aktionärsgruppe; im Jahr 2018 hielten institutionelle Investoren durchschnittlich 63 Prozent der Aktien der DAX-Unternehmen, während strategische Investoren rund 12 Prozent der Wertpapiere hielten (EY, 2019, S. 9). Beachtlich ist zudem der erhebliche Anteil ausländischer Aktionäre: Dieser entsprach im Jahr 2018 55 Prozent der Aktien der DAX-Unternehmen, wobei es sich vor allem um institutionelle Anleger handelte (EY, 2019, S. 4).
In diesem Zusammenhang sind die Entwicklungen rund um aktivistische Investoren bemerkenswert: Aktivistische Investoren versuchen mit öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen, wie Briefen oder Interviews in den Medien, vor und während der Hauptversammlung, Aufmerksamkeit für ihre Ideen oder Kritik an der Corporate Governance zu erlangen (Faber, 2009, S. 227). Shareholder Activism kann als globale Entwicklung angesehen werden, die in den vergangenen Jahren auch in Deutschland zu einigen kontroversen öffentlichen Fällen geführt hat, wie etwa bei der Deutschen Börse AG/The Children’s Investment Fund oder Stada Arzneimittel AG/Active Ownership Capital (Engert, 2019).
Institutionelle Investoren stellen damit nicht das disperse Publikum dar, dessen Handlungsoptionen darin beschränkt sind zu kaufen oder verkaufen (Gerhards & Neidhardt, 1991, S. 65). Mit ihren Stimmrechten nehmen sie Einfluss auf Unternehmensentscheidungen. Zudem werden sie zu Sprechern, wenn sie ihre Interessen vertreten, z. B. im Rahmen von aktivistischen Kampagnen. Daraus folgend stellen verschiedene Investorengruppen auch unterschiedliche Anforderungen an die ARV-Kommunikation, die im weiteren Verlauf der Arbeit analysiert werden sollen.
Themen in der Kapitalmarktöffentlichkeit
Nach Tobler (2004) ist die Sinnrationalisierung der Kapitalmarktöffentlichkeit vor allem vom Diskurs über Renditeerwartungen (Gewinn/Verlust) bestimmt (Tobler, 2004, S. 234). Die vergangenen Jahrzehnte waren jedoch von zahlreichen Ereignissen geprägt, die die Themen in dieser Öffentlichkeitsarena erweitert haben. Bedingt durch die Liberalisierung des Banken- und Kreditwesens, hat die Internationalisierung der Finanzmärkte den Aktiengesellschaften finanzielle Optionen eröffnet. Aufgrund dieser Entwicklungen sowie internationaler Zahlungsflüsse und grenzüberschreitender Transaktionen kann heute von einem globalen Finanzmarkt gesprochen werden. Aktien sind frei handelbar, sodass es zu einer Verschiebung von konservativen Anlageoptionen zu risikoreicheren Aktieninvestments gekommen ist (Welge & Eulerich, 2014, S. 1). Meilensteine dieser Entwicklung waren u. a. der Börsengang der Deutschen Telekom im Jahr 1996 mit seiner Vermarktung als Volksaktie sowie der Aufstieg des sog. Neuen Markts (englisch = New Economy). Das Platzen der New-Economy-Blase und die Verluste vieler Kleinanleger markieren das Ende des Aktienbooms in Deutschland (Mast, 2012, S. 34; Tobler, 2004). Seitdem gab es immer wieder Ereignisse, die die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen veränderten und zu Einbrüchen an den globalen Aktienmärkten führten: Zuletzt die weltweite Finanzkrise, die im Oktober 2008 fast zum Zusammenbruch des weltweiten Finanzsystems geführt hat. Der Fokus der medialisierten Kapitalmarktöffentlichkeit liegt daher zugleich auf den globalen Entwicklungen wie auch deren Auswirkungen auf dem heimischen Aktienmarkt.
Die Entwicklungen an den Kapitalmärkten erzeugen einen gewissen Druck auf das deutsche Corporate-Governance-System (ausführlich zu Corporate-Governance-Systemen in Abschnitt 3.​1). Theisen (2005) warnt daher, Vorgaben und Regelungen der angelsächsischen Kapitalmärkte auf Deutschland zu übertragen. Ein globaler Kapitalmarkt sei
„sicherlich Realität, aber die nationalen Unterschiede des Kapitalmarktzugangs sowie der Kapitalmarktvertrautheit und -inanspruchnahme sind weitere wichtige Voraussetzungen für eine entsprechend orientierte Überwachungsstruktur und deren Akzeptanz bei den Betroffenen wie Beteiligten gleichermaßen“ (Theisen, 2005, S. 534).
Corporate Governance ist damit zu einem wichtigen Thema innerhalb der Kapitalmarktöffentlichkeit geworden, denn ein glaubwürdiges und funktionsfähiges Kontrollsystem ist die Grundlage dafür, dass Investoren Kapital zur Verfügung stellen (Metten, 2010, S. 202). Diese beiden Entwicklungen werden damit zu Handlungsfolgen, auf die sich Aufsichtsratsvorsitzende und Investor-Relations-Verantwortliche bewusst oder unbewusst in ihren Handlungen beziehen. In diesem Zusammenhang wird auch relevant, ob die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden im Rahmen des Kommunikationsmanagements verortet ist. Denn so könnten die Entwicklungen in der Kapitalmarktöffentlichkeit systematisch beobachtet werden, um sich verändernde Anforderungen an die ARV-Kommunikation aufzunehmen und entsprechend Handlungen zu modifizieren.

4.1.3 Unternehmensöffentlichkeit

Die ARV-Kommunikation von börsennotierten Unternehmen in Deutschland soll im Rahmen der Arbeit sowohl aus externer Perspektive, in Bezug auf die Anforderungen, als auch aus interner Perspektive untersucht werden. Die interne Perspektive soll es einerseits ermöglichen, die Strukturen und Bandbreite der Maßnahmen der ARV-Kommunikation abzubilden und diese andererseits im Kommunikationsmanagement zu verorten. Die Erkenntnisse aus der Corporate-Governance-Forschung (Kapitel 3) werden dafür auf die Unternehmensöffentlichkeit übertragen, um die Akteure innerhalb der Unternehmen darzustellen, die für die ARV-Kommunikation relevant sind. Indem relevante Sprecher und Vermittler im Unternehmen identifizieren werden, können im weiteren Verlauf der Arbeit die Erkenntnisse der kommunikationswissenschaftlichen Forschung genutzt werden, um auch Aufsichtsratsvorsitzende als Sprecher für Unternehmen einführen zu können.
Im ursprünglichen Arenenmodell von Gerhardt & Neidhart (1991, S. 52–54) werden öffentliche Veranstaltungen bzw. Themenöffentlichkeiten als zweite Ebene zwischen den Encountern und der Medienöffentlichkeit eingeführt (Abschnitt 4.1). Donges & Imhof (2010, S. 188) fassen unter diesen thematisch zentrierten Interaktionssystemen sowohl Spontanöffentlichkeiten als auch die Organisationsöffentlichkeit zusammen. Diese Arbeit befasst sich mit börsennotierten Unternehmen in Deutschland als besondere Form von Organisationen. Unternehmen grenzen sich durch bestimmte Strukturmomente von der Umwelt ab, das Handeln der Unternehmensmitglieder lässt sich durch die spezifischen Interpretationsregeln erklären (Kapitel 2). Unternehmen bilden demnach „eigene Kommunikationsräume aus, in denen sich ein spezifischer Querschnitt von Themen und Strukturen“ (Zerfaß, 2010, S. 201) anderer Öffentlichkeiten widerspiegelt. Diese Kommunikationsarena ist geprägt durch Mikro-Meso-Beziehungen, da sowohl das individuelle Handeln bei Unternehmensmitgliedern bei zufälliger informeller Kommunikation wie z. B. das Gespräch von Aufsichtsratsvorsitzenden mit einer Führungskraft in der Kaffeeküche, als auch thematisch strukturierte interne Veranstaltungen, wie Aufsichtsratssitzungen, betrachtet werden können.
Akteure in der Unternehmensöffentlichkeit
Bei der Unternehmensöffentlichkeit sind die Rollen ausgeprägter und werden seltener gewechselt. In der Leistungsrolle als Sprecher agiert die Unternehmensführung. Wie in Abschnitt 3.​1 dargestellt ist bei deutschen Aktiengesellschaften der Vorstand das Organ der primären Unternehmensführung. Dem Vorstand als gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft (§ 78 Abs. 1 AktG) und insbesondere dem Vorstandsvorsitzenden kommt demnach sowohl nach außen als auch nach innen in die Unternehmensöffentlichkeit eine herausgehobene Sprecherrolle zu. Die CEO-Kommunikation ist ein etabliertes Forschungsfeld der Unternehmenskommunikation, auf das in Abschnitt 4.3.2 noch einmal ausführlicher eingegangen wird. Aber auch andere Mitglieder des Vorstands können als Sprecher außerhalb und innerhalb der Unternehmensöffentlichkeit agieren.
Darüber hinaus ist der Aufsichtsrat als zweites Organ ein zentraler Bestandteil des dualistischen Systems der Unternehmensführung (Abschnitt 3.​2). Aufsichtsratsvorsitzende als gewählte Sprecher repräsentieren das Gremium gegenüber dem Vorstand und der Hauptversammlung (Abschnitt 3.​3), wodurch sich sowohl eine interne als auch externe Sprecherrolle ableiten lässt. Inwiefern Aufsichtsratsvorsitzenden darüber hinaus eine Sprecherrolle innerhalb der Unternehmensöffentlichkeit zukommt, soll im weiteren Verlauf der Arbeit analytisch hergeleitet und empirisch erhoben werden.
Die Hauptversammlung ist das dritte Organ der Aktiengesellschaft. Die Aktionäre des Unternehmens können jedoch nicht innerhalb der Unternehmensöffentlichkeit konzeptualisiert werden, da eine Kommunikation mit ihnen aufgrund des aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes (§ 53a AktG) stets gleichzeitig und öffentlich stattfindet. Die Aktionäre finden sich jedoch als Publikum innerhalb der Kapitalmarktöffentlichkeit wieder (Abschnitt 4.1.2).
In der Publikumsrolle sind daher die Mitarbeitenden des Unternehmens. Im Unterschied zum Publikum in der gesellschaftspolitischen Arena können sich die Mitarbeitenden von Unternehmen jedoch organisieren: Die Koalitionsfreiheit im Grundgesetz (Art. 9, Abs. 3) gibt allen Beschäftigten das Recht, sich in Gewerkschaften zusammenzuschließen, die wiederum mit Arbeitgebern Tarifverträge verhandeln und abschließen können. Darüber hinaus können nach dem Betriebsverfassungsgesetz in Privatunternehmen mit „mindestens fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind, […] Betriebsräte gewählt“ (§ 1 BetrVG) werden, die die Interessen der Belegschaft gegenüber dem Arbeitgeber vertreten. Damit können auch die Mitarbeitenden als kollektive Akteure angesehen werden, die Ziele, z. B. in Bezug auf deren Vergütung, formulieren und strategisch verfolgen können. Zu den Handlungsoptionen des einzelnen Mitarbeitenden gehört es etwa sich einer Gewerkschaft anzuschließen oder an den Betriebswahlen teilzunehmen (oder jeweils nicht).
Wie in Abschnitt 3.​2 beschrieben, ist die Mitbestimmung ein zentrales Unterscheidungsmerkmal des dualistischen Systems der Unternehmensführung in Deutschland. Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat sind meist Betriebsräte des Unternehmens oder Gewerkschaftsvertreter, der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende ist in der Regel ein Arbeitnehmervertreter (Abschnitt 3.​3). Die Mitbestimmung entspricht darüber hinaus den „kulturell verfestigten Erwartungen deutscher Arbeitnehmer, von ihrem Arbeitgeber umfassend informiert und gehört zu werden“ (Streeck, 2004, S. 886). Daraus kann abgeleitet werden, dass bestimmte Erwartungen an die Kommunikation innerhalb der Unternehmensöffentlichkeit bestehen.
Auch in dieser internen Kommunikationsarena agieren verschiedene Akteure als Vermittler: Der Betriebsrat nimmt eine Vermittlerrolle ein, da er die Interessen der Belegschaft gegenüber dem Arbeitgeber vertritt (§ 80 BetrVG), so dürfen verschiedene Maßnahmen in sozialen und personellen Angelegenheiten (§ 87 BetrVG) nur getroffen werden, wenn der Betriebsrat ihnen zustimmt. Dies ist interessant, da die Mitbestimmung ein wichtiger Bestandteil für die Interessensausgleichsfunktion des Aufsichtsrats ist. Die Tatsache, dass der Aufsichtsrat verschiedene Interessen im Sinne des nachhaltigen Unternehmenserfolgs zusammenführt, ist für die interne Kommunikation relevant.
Als weitere Vermittler in der Unternehmensöffentlichkeit agieren die Kommunikationsfunktion und die Führungskräfte. Durch die Börsennotierung eines Unternehmens ergeben sich verschiedene Publizitätspflichten an die Kapitalmarktöffentlichkeit (Abschnitt 4.2.3), die einen Einfluss auf das kommunikative Handeln haben. Daher tendieren die Kommunikationsfunktionen bei börsennotierten Unternehmen zu einem zentralisierten Organisationsmodell mit Schwerpunkten hinsichtlich der Kommunikationsdisziplinen oder Divisionen (Zerfaß, Ehrhart & Lautenbach, 2014, S. 991). Im Rahmen des Kommunikationsmanagements werden die verschiedenen Kommunikationsprozesse in den Handlungsfeldern, wie interne Kommunikation, Public Affairs, Investor Relations etc., abgestimmt und gesteuert (ausführlich dazu in Abschnitt 4.2). Dem Kommunikationsmanagement kommt damit eine interne als auch externe Vermittlerrolle zu. Nach außen agieren etwa Verantwortliche für Investor Relations oder Media Relations als korporative Sprecher mit den Stakeholdern des Unternehmens. Innerhalb der Unternehmensöffentlichkeit spielt vor allem die Funktion der internen Kommunikation eine zentrale Vermittlerrolle. So können neben einer hierarchischen Top-down-Kommunikation von Unternehmensführung an die Mitarbeitenden auch dialogische oder persönliche Kommunikationsinstrumente eingesetzt werden (detailliert dazu in Abschnitt 4.2.1). Die Führungskräfte des Unternehmens agieren ebenfalls als Vermittler in der Unternehmensöffentlichkeit, da sie Informationen in den individuellen Kontext ihrer Mitarbeitenden übersetzen (Mast, 2014, S. 1138).
Aus den Aufgaben des Aufsichtsrats ergibt sich eine Kommunikation innerhalb der Unternehmensöffentlichkeit mit dem Vorstand. Für die Kontrollfunktion benötigt er umfangreiche Informationen vom Vorstand und im Rahmen der Beratungsfunktion geht es um einen Dialog zur grundsätzlichen Ausrichtung des Unternehmens (Abschnitt 3.​2). Insbesondere dem Dialog zwischen Aufsichtsratsvorsitzenden und Vorstandsvorsitzenden kommt dabei eine wichtige Rolle zu (Abschnitt 3.​3). Eine Kommunikation mit den Mitarbeitenden ergibt sich nicht direkt aus den Aufgaben des Aufsichtsrats. Inwiefern es einen Austausch zwischen Aufsichtsratsvorsitzenden und den Führungskräften als Vermittlern gibt und welche Ziele ggf. damit verfolgt werden, soll im weiteren Verlauf der Arbeit untersucht werden.
Themen in der Unternehmensöffentlichkeit
Die Themen der Unternehmensöffentlichkeit sind spezifisch für das Unternehmen, die Branche und der Situation, in der es sich befindet, z. B. in einem Veränderungsprozess oder einer Krise. Mast & Huck-Sandhu (2019, S. 292) unterteilen das Themenspektrum der internen Kommunikation in fachliche Themen, z. B. Informationen in Bezug auf interne Prozesse, und soziale Themen, die geprägt sind durch die Mitarbeitenden selbst. Die spezifischen Themen sind dabei zunächst nur für die Akteure des Unternehmens relevant und interessant. Themen der Unternehmensöffentlichkeit können durch journalistische Berichterstattung die Selektionsstufe überspringen und zum Teil der Medienöffentlichkeit werden. So kann es vorkommen, dass interne Informationen an Journalisten weitergegeben werden. Dies verdeutlichen die folgenden zwei Beispiele in Bezug auf die ARV-Kommunikation: So berichtete die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, dass der Aufsichtsratsvorsitzende der Commerzbank Klaus-Peter Müller im Intranet der Belegschaft verkündet habe, dass es eine engere Auswahl von externen und internen Kandidaten für die Nachfolge des scheidenden Vorstandsvorsitzenden Martin Blessing gebe und die Nachfolge bis zur Hauptversammlung zwei Monate später geregelt sein solle (Meck, 2016, S. 25). Das Handelsblatt berichtete über den Neujahrsempfang der Führungskräfte der BMW AG, bei dem der Aufsichtsratsvorsitzende Norbert Reithofer gesagt habe, nach dem Verlust der Marktführerschaft an Mercedes dürfe er „von seinem Vorstand […] schon ‚mehr Siegeswillen‘ erwarten“ (Fasse, 2017, S. 4). Beide Beispiele verdeutlichen, dass Äußerungen von Aufsichtsratsvorsitzenden innerhalb der Unternehmensöffentlichkeit zu einem Thema in der Medienöffentlichkeit werden können. Wie häufig dies vorkommt, kann im Rahmen der Analyse der Medienberichterstattung aufgezeigt werden.
Weiterhin kann aber auch ein Querschnitt von Themen aus den anderen Öffentlichkeitsarenen relevant in der Unternehmensöffentlichkeit werden. In Bezug auf die ARV-Kommunikation könnte dies z. B. die gesellschaftliche Diskussion um eine Frauenquote in Aufsichtsräten und Vorständen sein. Da es zu den Aufgaben des Aufsichtsrats gehört diese Posten zu besetzen (Abschnitt 3.​2), ist es wichtig die Anforderungen, die von außen und innen herangetragen werden, zu verstehen und bei einer Neubesetzung entsprechend zu handeln. Inwiefern die Themen aus anderen Öffentlichkeitsarenen zu Anforderungen an die ARV-Kommunikation werden, soll im Rahmen der empirischen Analyse untersucht werden. Darüber hinaus stellt sich u. a. die Frage, ob es eine systematische Ausgangsanalyse im Rahmen eines Kommunikationsmanagements für Aufsichtsratsvorsitzende gibt, damit solche Themen identifiziert werden können.

4.1.4 Schlussfolgerung

Das empirische Phänomen der Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden von börsennotierten Unternehmen in Deutschland wird im Rahmen der Arbeit aus zwei Perspektiven betrachtet. In Bezug auf die externe Perspektive werden die Anforderungen an die öffentliche ARV-Kommunikation betrachtet. Um diese konzeptionell erfassen zu können, wurden in diesem Kapitel das Arenenmodell von Gerhards & Neidhardt (1991) sowie Hilgartner & Bosk (1988) genutzt, um sich dem Begriff der Öffentlichkeit anzunähern. Zudem wird aus interner Perspektive die ARV-Kommunikation in Unternehmen analysiert, vor allem in Bezug auf die Strukturen und Verortung im Rahmen des Kommunikationsmanagements.
In diesem Kapitel werden die Erkenntnisse zu den Öffentlichkeitsarenen rekapituliert, um die für die weitere Arbeit nutzbar zu machen. Es wurden die relevanten Kommunikationsarenen für Aufsichtsratsvorsitzende vorgestellt. Dabei handelt es sich um die gesellschaftspolitische Öffentlichkeit, die Kapitalmarktöffentlichkeit sowie die Unternehmensöffentlichkeit mit ihren zentralen Akteuren und Themen. Die Verflechtung der Öffentlichkeitsarenen wird in Abbildung 4.2 vereinfacht schematisch dargestellt.
Die gesellschaftspolitische Öffentlichkeit ist ein „Knotenpunkt“ (Zerfaß, 2010, S. 201) zwischen verschiedenen funktional differenzierten Öffentlichkeitsarenen. Sie kann durch territoriale Grenzen und rechtlich-politische Rahmenbedingungen abgegrenzt werden, daher beziehen sich die Ausführungen in dieser Arbeit auf die gesellschaftspolitische Öffentlichkeit in Deutschland. Dem gegenüber ist die Kapitalmarktöffentlichkeit eine funktional differenzierte Öffentlichkeitsarena. Als weitere Beispiele sind für Unternehmen z. B. die Markt-, politisch-administrative oder kommunale Öffentlichkeit relevant, sie werden im Rahmen der Arbeit jedoch nicht weiter betrachtet, da diese nicht für die Aufgaben des Aufsichtsrats relevant erscheinen.
Die gesellschaftspolitische Öffentlichkeit ist ein „Resonanzboden für gesellschaftsweite Probleme und Lösungsvorschläge“ (Zerfaß, 2010, S. 201). Daraus folgt, dass in dieser Arena die Impulse aus anderen Öffentlichkeitsarenen aufgenommen werden und zu einer übergreifenden Agenda verdichtet werden. Dabei ist sie insbesondere auf die Vermittlungsleistung der Medien angewiesen.
Die Kapitalmarktöffentlichkeit weist dagegen davon abgegrenzte spezifische Akteure und Themen auf. Die Themen aus der Kapitalmarktarena müssen nicht zwingend Einklang in der gesellschaftspolitischen Öffentlichkeit finden, da die gesellschaftspolitische Agenda viele andere, z. B. ökonomische, außenpolitische oder kommunale, Aspekte umfassen kann. Unternehmen wiederum bilden eigene Kommunikationsräume, „in denen sich ein spezifischer Querschnitt von Themen und Strukturen anderer Sphären widerspiegelt“ (Zerfaß, 2010, S. 201).
Die Kommunikationsarenen unterscheiden sich also durch die spezifischen Akteure in ihren Leistungs- und Publikumsrollen sowie der Sinnrationalität, wie Themen selektiert und diskutiert werden. Mithilfe der Strukturationstheorie kann das Handeln von individuellen und kollektiven Akteuren darin analysiert werden.
Die theoretischen Erkenntnisse bilden die Grundlage, um aus externer Perspektive die zentralen Anspruchsgruppen dazustellen und im Rahmen dieser Arbeit ihre Anforderungen an die öffentliche ARV-Kommunikation empirisch untersuchen zu können. In Abbildung 4.3 werden die Akteure in der gesellschaftspolitischen Öffentlichkeit und Kapitalmarktöffentlichkeit in vereinfachter Form visualisiert und im Folgenden noch einmal rekapituliert.
Während in der gesellschaftspolitischen Öffentlichkeit das Publikum prinzipiell aus allen Bürgern der Gesellschaft besteht, in dieser Untersuchung also die deutsche Bevölkerung, sind dies bei der Kapitalmarktöffentlichkeit die privaten und institutionellen Investoren, die Anteile an im Prime Standard notierten Unternehmen halten.
Die Handlungsoptionen des Publikums bestehen z. B. darin, Medien zu lesen oder nicht zu lesen (gesellschaftspolitische Öffentlichkeit) oder Aktien zu kaufen oder verkaufen (Kapitalmarktöffentlichkeit) (Gerhards & Neidhardt, 1991, S. 65). Die Handlungsoptionen von institutionellen Investoren, als Teil des Publikums, erscheinen jedoch weniger beschränkt, da sie im Falle von größeren Aktienpaketen mit ihren Stimmrechten einen Einfluss auf die Entscheidungen des jeweiligen Unternehmens nehmen können.
Medien stellen in beiden Arenen wichtige Vermittler dar. Die Rolle kann in der gesellschaftspolitischen Öffentlichkeit sogar noch herausgehobener betrachtet werden, da sie die einzige Vermittlerrolle einnehmen. In der Kapitalmarktöffentlichkeit agieren darüber hinaus weitere Vermittler, wobei vor allem Analysten und Stimmrechtsberater als relevant für die ARV-Kommunikation eingestuft werden, da sie als Informationsintermediäre spezifische Leistungen für die Anleger als Publikum erbringen.
Börsennotierte Unternehmen als kollektive Akteure agieren als Sprecher in beiden Arenen. Durch die Darstellung der Unternehmensöffentlichkeit wird deutlich, dass diese korporative Sprecherrolle von ranghohen Unternehmensvertretern, allen voran dem Vorstand, ausgeführt wird. Im weiteren Verlauf der Arbeit werden auch Aufsichtsratsvorsitzende als Repräsentanten des Aufsichtsratsgremiums und damit als Akteur der öffentlichen Kommunikation von Unternehmen verortet.
Darüber hinaus können Aufsichtsratsvorsitzende aber auch als Experten oder Intellektuelle (Neidhardt, 1994, S. 14; Peters, 1994, S. 57–59) ihre fachliche Reputation bzw. Expertise zu Themen äußern, die nichts mit dem Unternehmen zu tun hat. Diese Rolle als individuelle Sprecher kann vor allem für die gesellschaftspolitische Öffentlichkeit angenommen werden. Im empirischen Teil der Arbeit soll diesbezüglich untersucht werden, ob dies der Fall ist und wenn ja, inwiefern die Aufsichtsratsvorsitzenden für diese Kommunikation auch auf die Ressourcen innerhalb der Unternehmen zurückgreifen.
In der Kapitalmarktarena sind als Sprecher zudem noch einzelne institutionelle Investoren relevant, wenn diese versuchen Aufmerksamkeit für ihre Interessen zu erlangen. Gleiches gilt für Aktionärsschutzvereinigungen, die das Interesse von Privatinvestoren vertreten.
Die Themen innerhalb der beiden Öffentlichkeitsarenen werden durch eine spezifische Sinnrationalität ausgewählt. In Bezug auf diese Arbeit erscheinen vor allem die Themen von Relevanz, die sich auf die Aufgaben und Funktionen des Aufsichtsratsgremiums beziehen (ausführlich dazu Abschnitt 3.​2). So ist etwa Corporate Governance innerhalb der Kapitalmarktöffentlichkeit zu einem wichtigen Thema geworden, das heißt aber nicht, dass dies auch auf der gesellschaftspolitischen Agenda stehen muss. Es zeigt sich jedoch, dass einige aufsichtsratsratsbezogene Themen, wie z. B. die Vergütung von Vorständen oder die Diversität von Vorstands- und Aufsichtsratsgremien, in regelmäßigen Abständen auf die Agenda in beiden Öffentlichkeitsarenen gelangen.
Zusammenfassend verdeutlichen die theoretisch-konzeptionellen Erkenntnisse zu diesen beiden Öffentlichkeitsarenen, dass sich öffentliche Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden an verschiedene externe Anspruchsgruppen, das Publikum sowie die Vermittler, richten kann.
Bislang ist nicht untersucht worden, wie die öffentliche Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden von den Medien und Analysten als zentrale Vermittler rezipiert wird. Indem diese Akteure aufsichtsratsrelevanten Themen in ihren Handlungen, also in Medienberichten bzw. Analystenreports, aufnehmen, werden diese Themen Teil des Diskurses der jeweiligen Öffentlichkeitsarena. Aus den Handlungsfolgen von Medien und Analysten können dann (unbewusste) Handlungsbedingungen für die ARV-Kommunikation resultieren.
Aus der externen Perspektive wird daher im Rahmen der ersten Forschungsfrage adressiert, wie in deutschen Tages- und Wirtschaftsmedien und Analystenreports über Aufsichtsratsvorsitzenden von börsennotierten Unternehmen in Deutschland berichtet wurde. Da die Empfehlungen von Stimmrechtsberatern meist nicht öffentlich zugänglich sind, können sie in der empirischen Analyse nicht strukturiert erhoben und ausgewertet werden.
Für die externe Perspektive dieser Arbeit ermöglichen die Erkenntnisse zudem relevante Stakeholder in den beiden Öffentlichkeitsarenen zu identifizieren. Basierend auf Experteninterviews soll mit der zweiten Forschungsfrage die Erwartungen der relevanten Akteure an die ARV-Kommunikation untersucht werden. Dabei wird interessant sein, aus welchen Gründen sich die Erwartungen an die Kommunikation des Gremiums verändert haben, da Corporate-Governance-Themen auf die Agenda der beiden Öffentlichkeitsarenen gekommen sind.
Die Erkenntnisse in diesem Kapitel sollen im weiteren Verlauf auch genutzt werden, um aus interner Perspektive die Strukturen der ARV-Kommunikation zu analysieren. Als erste Basis dafür wurde in diesem Kapitel die theoretischen Grundlagen für die Unternehmensöffentlichkeit gelegt und die Akteure darin eingeführt. In Abbildung 4.4 werden die Akteure in der Unternehmensöffentlichkeit in vereinfachter Form visualisiert und kurz rekapituliert.
Beim Publikum der Unternehmensöffentlichkeit handelt es sich um die Mitarbeitenden der jeweiligen börsennotierten Unternehmen im Prime Standard. Die Handlungsoptionen des einzelnen Mitarbeitenden sind begrenzt. Durch die Möglichkeit, einen Betriebsrat zu bilden oder sich einer Gewerkschaft anzuschließen, können Mitarbeitende jedoch als kollektive Akteure innerhalb der Unternehmensöffentlichkeit angesehen werden, die Ziele formulieren und strategisch verfolgen können.
Betriebsräte nehmen eine wichtige Vermittlerrolle ein, da bestimmte Entscheidungen nicht ohne ihre Zustimmung getroffen werden können. Die Besetzung von mitbestimmten Aufsichtsratsgremien mit Arbeitnehmervertretern, meist Betriebsräten, verdeutlicht zudem die Interessensausgleichsfunktion des Aufsichtsrats. Auch den Führungskräften des Unternehmens kommt eine wichtige Vermittlerrolle zu, da sie Informationen in den individuellen Kontext ihrer Mitarbeitenden übersetzen.
Dem Kommunikationsmanagement, das idealtypisch die verschiedenen kommunikativen Handlungsfelder steuert, kommt sowohl innerhalb der Unternehmensöffentlichkeit als auch nach außen eine zentrale Vermittlerrolle zu. Die interne Kommunikationsfunktion stellt dabei u. a. die internen Medien bereit. Die externen Kommunikationsfunktionen, wie Investor Relations oder Public Relations nehmen eine korporative Sprecherrolle gegenüber Stakeholdern ein. Die Erkenntnisse zum Kommunikationsmanagement werden im weiteren Verlauf der Arbeit detailliert eingeführt, um auch die ARV-Kommunikation dabei verorten zu können.
In der korporativen Sprecherrolle agiert der Vorstand als primäre Unternehmensführung und dabei insbesondere der Vorstandsvorsitzende – nach außen, aber auch in die Unternehmensöffentlichkeit. Im weiteren Verlauf sollen mithilfe der kommunikationswissenschaftlichen Kommunikatorforschung auch Aufsichtsratsvorsitzende als korporativer Sprecher verortet werden.
Die Themen innerhalb der Unternehmensöffentlichkeit sind spezifisch für das Unternehmen. Jedoch können auch Themen aus den beiden Öffentlichkeitsarenen in das Unternehmen hineingetragen werden. Ein Beispiel könnte die anhaltende gesellschaftspolitische sowie von Investoren aufgenommene Nachhaltigkeitsdiskussion sein, aufgrund derer sich Unternehmen in einem zunehmenden Spannungsverhältnis von Legitimität und Effizienz befinden. Die strategischen Entscheidungen müssen dabei sowohl an ökonomischen als auch gesellschaftlichen Anforderungen ausgerichtet werden. Der Aufsichtsrat muss dabei die Entscheidungen des Vorstands überwachen, um die langfristige Existenz des Unternehmens zu sichern (Brugger, 2010, S. 25). Inwiefern diese Themen zu einer Norm der ARV-Kommunikation geworden sind, soll anhand der Strukturen der ARV-Kommunikation in der dritten Forschungsfrage untersucht werden.

4.2 Kommunikationsmanagement und Handlungsfelder der Kommunikation

Im vorangegangenen Kapitel wurden die gesellschaftspolitische Öffentlichkeit und die Kapitalmarktöffentlichkeit als relevante Öffentlichkeitsarenen für die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden hergeleitet sowie die daran agierenden Akteure und Themen beschrieben. Auf dieser Basis können die Anforderungen der Akteure an die Kommunikation im weiteren Verlauf der Arbeit aus der externen Perspektive beschrieben werden.
Zudem wurde die Unternehmensöffentlichkeit von börsennotierten Unternehmen in Deutschland sowie deren Akteure dargestellt. Mithilfe dieser internen Perspektive sollen nun in diesem Kapitel weitere Grundlagen und Rahmenbedingungen für die ARV-Kommunikation gelegt werden. Die Arbeit beschäftigt sich mit der Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden als Teil der Kommunikation von Unternehmen. Daher soll im Folgenden die Erkenntnisse zur Forschung zu Kommunikationsmanagement eingeführt werden, um anschließend die ARV-Kommunikation darin verorten zu können. Dabei wird auch die bisherige Forschung zum Wertbeitrag von Kommunikation dargestellt, um im weiteren Verlauf kritisch diskutieren zu können, inwiefern dieser auf die ARV-Kommunikation angewendet werden kann. Basierend auf der Darstellung der Phasen des Kommunikationsmanagements kann im empirischen Teil der Arbeit untersucht werden, inwiefern bisher ein Kommunikationsmanagement für die ARV-Kommunikation stattfindet.
Weiterhin wird auf die Handlungsfelder der Unternehmenskommunikation mit ihren jeweiligen Zielen, Zielgruppen, Themen und Instrumente eingegangen, die für die ARV-Kommunikation als relevant erscheinen und im Rahmen des Kommunikationsmanagements gemeinsam gesteuert werden können. Die interne Kommunikation (Abschnitt 4.2.1) wird dabei mit einbezogen, um für die empirische Analyse interne Kommunikationsmaßnahmen identifizieren zu können, die über die Betrachtung der internen Informationsversorgung und Beratung mit dem Vorstand aus der bisherigen Corporate-Governance-Forschung hinaus gehen. In Bezug auf die externe Kommunikation werden spiegelbildlich zu den Öffentlichkeitsarenen die darauf bezogenen Handlungsfelder Public Relations (Abschnitt 4.2.2) und Investor Relations (Abschnitt 4.2.3) dargestellt. Dies bildet die Grundlage für spätere Überlegungen, inwiefern diese Kommunikationsfunktionen bei der Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden involviert sind.
Begriffliche Abgrenzung
Aus strukturationstheoretischer Perspektive nutzen Unternehmen als kollektive Akteure Kommunikation, neben anderen Ressourcen. Kommunikationsaktivitäten von Unternehmen sind symbolische Handlungen, die eine Verständigung sowie darauf aufbauend eine Beeinflussung zum Ziel haben. Verständigung und Beeinflussung stellen somit Regeln der Kommunikation dar. Durch die Handlungen werden bewusst bestimmte Ziele verfolgt. Sie stellen somit eine eigenständige Quelle der sozialen Integration dar (Zerfaß, 2010, S. 150 ff.). Kommunikation ist dabei stets eine soziale Handlung zwischen einem Kommunikator und einem Rezipienten. In der Arbeit werden die Kommunikationsaktivitäten von Aufsichtsratsvorsitzenden im Unternehmenskontext sowie dessen Einbindung in das Kommunikationsmanagement betrachtet werden.
Jarren & Röttger (2009, S. 35–45) beschreiben, dass eine organisationale Kommunikationsfunktion notwendig sei, um sog. Interpenetrationszonen zu etablieren: innerhalb der eigenen Organisation sowie mit anderen Akteuren in ihrer Umwelt. Mithilfe dieser Zonen der wechselseitigen Durchdringung können Unternehmen einerseits relevante Informationen in organisationale Entscheidungsprozesse einspeisen (Reflexierung). Andererseits würden Unternehmen mithilfe von Kommunikation so interne und externe Stakeholder beeinflussen, Handlungen koordinieren und Interessen klären (Steuerung). Diese Überlegungen bilden die Grundlage für die Kommunikationsfunktionen des Unternehmens, deren Handlungen im Rahmen eines Kommunikationsmanagements gesteuert werden können.
Da der Begriff Kommunikationsmanagement in der Literatur uneinheitlich verwendet wird, soll er im Folgenden eingeführt und von anderen Konzepten abgrenzt werden. Kommunikationsmanagement wird einerseits häufig als Oberbegriff für alle Arten von zielorientierter Kommunikation von Unternehmen, wie Public Relations, Unternehmenskommunikation oder strategische Kommunikation genutzt. Zweitens wird der Begriff vor allem in der europäischen Forschung als Äquivalent oder Ersatz für den Begriff Public Relations verwendet (Zerfaß & Volk, 2020).
Brønn (2014) und Gregory (2018) verstehen Kommunikationsmanagement als Steuerung und Umsetzung von Kommunikation, die zur Wertschöpfung von Organisationen beiträgt. Gregory (2018, S. 4–11) unterscheidet dabei vier Ebenen, auf denen Kommunikation gesteuert wird:
(1)
Auf gesellschaftlicher Ebene würden Unternehmen durch Kommunikation anstreben, Legitimität für ihre Aktivitäten bzw. eine license to operate zu erhalten.
 
(2)
Auf der Organisationsebene versuche die Unternehmensführung durch strategische und operative Entscheidungen ihre Mission für das Unternehmen umzusetzen.
 
(3)
Auf der Programmebene liege die Verantwortung bei der Kommunikationsfunktion. Durch die Abstimmung mit der Unternehmensführung und anderen Unternehmensfunktionen könnten so die Ziele des Unternehmens verfolgt werden.
 
(4)
Auf individueller Ebene bestimme die Kompetenz des einzelnen Kommunikators seine Fähigkeit die, aus den anderen Ebenen resultierenden, Aufgaben zu erfüllen.
 
Auch die Definition von Hallahan (2013) betont die Planung und Organisation von Kommunikation, sieht das Konzept jedoch als einen Oberbegriff für strategische Kommunikation. Zerfaß & Volk (2020)2 definieren Kommunikationsmanagement als
„steering communication processes in organizational contexts along the phases of analyzing, planning, organizing, executing, and evaluating with the aim of contributing to organizational goals and value creation“ (Zerfaß & Volk, 2020).
Diese Definition von Kommunikationsmanagement ist im Folgenden grundlegend für diese Arbeit, denn das dadurch etablierte Verständnis grenzt sich von den Konzepten Public Relations, strategischer Kommunikation oder Unternehmenskommunikation ab. Charakteristisch für die Forschung zu Kommunikationsmanagement ist insbesondere die theoretische Orientierung an der Managementforschung und die empirische Reflexion darüber, wie professionelle Kommunikatoren die Kommunikation der Organisation mit Stakeholdern und der Öffentlichkeit steuern (Zerfaß & Volk, 2020).
Im Folgenden wird nun die Abgrenzung der Begriffe erläutert: Der Begriff Public Relations hat eine lange Tradition in den Vereinigten Staaten und wird verstanden als „management of communication between an organization and its publics“ (Grunig & Hunt, 1984, S. 6). Len-Ríos (2011) zeigt, dass Public Relations in der Forschung aufgrund der breiten Definition auf verschiedene Arten interpretiert wurde, dabei jedoch am häufigsten als Ziel die Generierung von Medienaufmerksamkeit verstanden wird. Zerfaß & Volk (2020) argumentieren, dass der Begriff aufgrund von negativen Konnotationen in Wissenschaft und Praxis an Popularität verloren habe.
Der Begriff strategische Kommunikation wird von Wissenschaftlern mit unterschiedlichen disziplinären Hintergründen genutzt. Hallahan, Holtzhausen, Van Ruler, Verčič & Sriramesh (2007) verstehen strategische Kommunikation als zielgerichtete Nutzung von Kommunikation durch eine Organisation zur Erfüllung ihrer Mission. Zerfaß, Verčič, Nothhaft & Werder (2018) führen nach einer Analyse von Forschungsarbeiten der letzten zehn Jahre eine neue Definition ein, nach der strategische Kommunikation
„encompasses all communication that is substantial for the survival and sustained success of an entity. Specifically, strategic communication is the purposeful use of communication by an entity to engage in conversations of strategic significance to its goals“ (Zerfaß et al., 2018, S. 487).
Den Autoren folgend kann strategische Kommunikation eine klar definierte, institutionalisierte Unternehmensfunktion oder aber auch nur eine spezifische systematische Denkweise sein (Zerfaß et al., 2018, S. 499). In diesem Zusammenhang wird strategisches Kommunikationsmanagement als Prozess verstanden, „to manage the communication of strategic significance with regard to a focal entity“ (Zerfaß et al., 2018, S. 487). Die Forschung zu strategischer Kommunikation kann demnach ebenfalls einen Kommunikationsmanagementprozess nutzen, um Kommunikationsprozesse zu betrachten, zielt dabei jedoch stärker auf die strategischen Themen der entsprechenden Organisation ab. Zerfaß & Düring (2016, S. 51) argumentieren, dass das Paradigma der strategischen Kommunikation dazu beigetragen habe, dass Kommunikation zunehmend als Wertschöpfungsfaktor angesehen werde und Unternehmen ihre Kommunikationsfunktion systematisch ausbauen würden.
Trotz der vielfältigen möglichen Anwendungsfelder des Kommunikationsmanagements hat es sich vor allem im Bereich der Unternehmenskommunikation durchgesetzt und seine Anwendung gefunden. Die Unternehmenskommunikation umfasst
„alle gesteuerten Kommunikationsprozesse, mit denen ein Beitrag zur Aufgabendefinition und -erfüllung in gewinnorientierten Wirtschaftseinheiten geleitet wird und die insbesondere zur internen und externen Handlungskoordination sowie Interessenklärung zwischen Unternehmen und ihren Bezugsgruppen (Stakeholdern) beitragen“ (Zerfaß, 2014, S. 23).
Dieser Definition liegt das sozialtheoretische Verständnis von Giddens (1997) zugrunde. Die Verschränkung von Handlungen und Strukturen lässt sich dabei auf verschiedenen Ebenen analysieren. Dazu zählen die wechselseitig bedingten Ebenen des gesamten Unternehmens, der Kommunikationsabteilung(en) sowie der Kommunikationsmanager als individuelle Akteure. Das Kommunikationsmanagement steuert und kontrolliert dabei die kommunikativen Prozesse der Unternehmenskommunikation, die sich systematisch in verschiedene Teilbereiche differenzieren lässt.
Um die idealtypische Rolle des Kommunikationsmanagements innerhalb eines Unternehmens besser verstehen zu können, soll nun auf das Zusammenspiel zwischen strategischer Unternehmensführung, Kommunikationsmanagement und Unternehmenskommunikation eingegangen werden. Darauf basierend kann die bisherige Perspektive der Forschung zu Kommunikationsmanagement auf die Ziele und damit den Wertbeitrag von Kommunikation dargestellt werden, der für die ARV-Kommunikation kritisch hinterfragt werden muss.
Rolle des Kommunikationsmanagements
Nach dem zuvor etablierten Verständnis trägt das Kommunikationsmanagement zu den Unternehmenszielen und der Wertschöpfung bei. Die Voraussetzungen für einen Wertbeitrag von Kommunikation werden dabei auf mehreren Ebenen geschaffen. Die Zusammenhänge und die Rolle des Kommunikationsmanagements sollen anhand Abbildung 4.5 verdeutlicht und erläutert werden. Der Aufsichtsrat als Organ für die Unternehmenskontrolle wird dabei neu integriert.
Wie in Abschnitt 3.​1 beschrieben, ist das dualistische System der Unternehmensführung durch die institutionelle Trennung von Unternehmensleitung (Vorstand) und -kontrolle (Aufsichtsrat) gekennzeichnet. Der Aufsichtsrat als Organ der Unternehmenskontrolle überwacht und berät den Vorstand. Das Gremium hat damit u. a. die Verantwortung für die Einhaltung der Corporate-Governance-Prinzipien. Der Vorstand wiederum stellt dem Aufsichtsrat alle relevanten Informationen aus dem Unternehmen für deren Kontrollfunktion zur Verfügung (ausführlich in Abschnitt 5.​1.​1).
Dem Vorstand als strategische Unternehmensführung obliegt die Gesamtverantwortung für Unternehmensstrategie und Wertschöpfung des Unternehmens. Dabei gilt es die verschiedenen Interessen der Stakeholder des Unternehmens zu integrieren. Lange richtete sich die Unternehmensführung vor allem an den Interessen der Anteilseigner aus. Das Konzept der wertorientierten Unternehmensführung wurde in den 1980er Jahren durch das Buch „Creating Shareholder Value“ (Rappaport, 1998) definiert. Heute ist das Konzept eher unter dem Stichwort Shareholder-Value-Ansatz bekannt. Anhand verschiedener Bewertungsfaktoren wird dabei eine Strategie formuliert, wobei als übergeordnetes Ziel die Wertsteigerung für die Anteilseigner gilt.
Die Konzentration auf Anteilseigner ist aus heutiger Sicht jedoch zu kurz gegriffen, da der Fortbestand des Unternehmens durch eine Vielzahl von Stakeholdern beeinflusst wird (Freeman, 1984). Demnach sollte die Steigerung des Stakeholder-Value im Vordergrund stehen, also die Verfolgung des nachhaltig wirtschaftlichen Erfolges mit gleichzeitig sozialer und politischer Verantwortung. Die Unternehmensführung muss sich demnach heute an ökonomischen, rechtlichen und moralischen Imperativen orientieren (Zerfaß, 2014, S. 27).
Die Aufgaben der Unternehmensführung lassen sich nach dem St. Galler Management-Modell in normative, strategische und operative Aspekte differenzieren (Rüegg-Stürm & Grand, 2020, S. 75–77): Die normativen Orientierungsprozesse beziehen sich auf die ethische Legitimation der unternehmerischen Tätigkeit und Wahrnehmung von gesellschaftlicher Verantwortung. Dabei gilt es handlungsleitende Werte, Normen und Verhaltensmaximen zu definieren, die häufig in einer Mission bzw. Vision zu finden sind. Im Rahmen des strategischen Managements werden auf dieser Basis Ziele und Strategien entwickelt. Die Umsetzung dieser Strategien obliegt dem operativen Management, indem u. a. Ressourcen bereitgestellt und die Geschäftsprozesse koordiniert werden.
Strategien stellen dabei den Weg zur Zielerreichung dar, wobei Ziele als „Beschreibung wünschenswerter und angestrebter zukünftiger Zustände“ (Bamberger & Wrona, 2012, S. 97) definiert werden können. In der Literatur zu strategischem Management werden folgende allgemeine Ziele für den Unternehmenserfolg beschrieben:
(1)
strategische Dimension (Schaffung neuer und Sicherung bestehender Erfolgspotenziale),
 
(2)
operative Dimension (Erfolg, profitable Geschäftsmodelle) und
 
(3)
finanzielle Dimension (Liquidität) (Gälweiler, 2005, S. 28).
 
Die Definition von Zielgrößen ist von zentraler Bedeutung für die strategische Unternehmensführung, da sie als Steuerungsgröße die Basis für die Beurteilung des Unternehmenserfolgs darstellt (Bamberger & Wrona, 2012, S. 99).
Da im Verständnis der Kommunikationsforschung die Kommunikationsstrategie aus der Unternehmensstrategie abgeleitet werden sollte, soll ein kurzer Blick auf das Thema Strategien erfolgen. In der Management-Literatur wie in der Praxis gibt es unterschiedliche Vorstellungen von Strategien. Mintzberg versteht Strategie als „a pattern in a stream of decisions or actions“ (Mintzberg & Waters, 1985, S. 268), also dem konkreten beobachtbaren Handeln des Unternehmens. Dagegen werden Strategien häufig mit Plänen gleichgesetzt, die, öffentlich formuliert, eine Handlungsorientierung, für die Unternehmensakteure darstellen (Bamberger & Wrona, 2012, S. 102–103). Rumelt betont in seiner Strategie-Definition die Dynamik mit Blick auf die Zukunft als „how an organization will move forward“ (Rumelt, 2011, S. 6).
Ein Teil der Betriebswirtschaftslehre beschäftigt sich damit, wie eine Strategie entwickelt werden sollte: Mintzberg, Ahlstrand & Lampel (1998) unterscheiden zehn verschiedene Schulen und Zugänge zu diesem Thema. Ein anderer Teil der Forschung betrachtet Strategie als Prozess und Ergebnis verteilter und dynamischer Handlungen (Whittington, 2006). Aus dieser Perspektive sollte im Rahmen des Strategiediskurses geklärt werden:
(1)
was für das Unternehmen existenzrelevant ist und welche Ziele sich daraus ableiten lassen,
 
(2)
nach welchen Erfolgskriterien die Qualität der aktuellen und zukünftigen Wertschöpfung eingeschätzt werden soll sowie
 
(3)
welche Erfolgsvoraussetzungen mit Blick auf einen bestimmten Zeithorizont aufzubauen sind (Johnson, Langley, Melin & Whittington, 2007; Rüegg-Stürm & Grand, 2020, S. 90–92).
 
Unternehmen verfolgen mehrere Arten von Strategien, die eine Hierarchie bilden: Unternehmensstrategien, Geschäftsfeldstrategien und funktionale Strategien (Bamberger & Wrona, 2012, S. 106–135). Die grundsätzliche Ausrichtung des Unternehmens ist auch Teil der Beratungen zwischen dem Vorstand und Aufsichtsrat. Die Unternehmensstrategie und ggf. Geschäftsfeldstrategie werden in den Aufsichtsratssitzungen vorgestellt und beraten.
Die Kommunikationsstrategie stellt dabei eine funktionale Strategie dar, mit der die Unternehmens- bzw. Geschäftsfeldstrategie unterstützt wird. Die Kommunikationsaufgabe liegt sowohl beim Vorstand (vertiefend dazu in Abschnitt 4.3.2), wird jedoch zum großen Teil an die Kommunikationsfunktionen delegiert. Dem Kommunikationsmanagement als zentrale Steuerungsfunktion kommt die Ergebnisverantwortung für die Kommunikationsaktivitäten zu. Die zentrale Aufgabe ist dabei die Integration und Koordination von Interessen der internen und externen Stakeholder durch kommunikative Handlungen. Konkret vollzieht sich dies in den verschiedenen Handlungsfeldern der Unternehmenskommunikation, deren Kommunikationsprozesse vom Kommunikationsmanagement gesteuert und kontrolliert werden. Auf die Ziele, Anspruchsgruppen, Themen sowie Instrumente der drei Handlungsfelder Interne Kommunikation, Public Relations und Investor Relations, die für die ARV-Kommunikation relevant sind, wird in den Abschnitten 4.2.1 bis 4.2.3 ausführlich eingegangen. Auch die einzelnen Phasen des Kommunikationsmanagements werden im Folgenden detailliert beschrieben.
Weiterhin wird der arbeitsteilige Prozess des Kommunikationsmanagements von einem systematischen Kommunikationscontrolling unterstützt,
„indem Strategie-, Prozess-, Ergebnis- und Finanz-Transparenz geschaffen sowie geeignete Methoden, Strukturen und Kennzahlen für die Planung, Umsetzung und Kontrolle der Unternehmenskommunikation bereitgestellt werden“ (Zerfaß, 2014, S. 59).
Beim Kommunikationscontrolling liegt somit die Transparenzverantwortung, die mithilfe verschiedener Methoden zur Zieldefinition und Evaluation, wie Prozessanalysen, Reporting etc., umgesetzt wird. Zerfaß (2014, S. 64–65) unterscheidet vier Handlungsfelder des Kommunikationscontrollings:
(1)
Schaffung von Transparenz und Bereitstellung von Methoden für das Kommunikationsmanagement, um die Unternehmenskommunikation zu steuern;
 
(2)
Steuerung und Kontrolle der Kommunikationsstrategie, indem durch Kommunikation geschaffene Werte, z. B. das Reputationskapital, verdeutlicht werden;
 
(3)
Transparenz von Effizienz und Effektivität von Kommunikationsprogramme und -kampagnen sowie
 
(4)
Methoden zur Steuerung und Kontrolle einzelner Kommunikationsmaßnahmen.
 
Die generierten Erkenntnisse und Kennzahlen können dann an die strategische Unternehmensführung zurückgespielt werden, um die Wertschöpfung durch Kommunikation zu verdeutlichen. Damit ist der Beitrag gemeint, den Kommunikation zur Erreichung der Unternehmensziele leistet. Das Kommunikationsmanagement und -controlling können organisatorisch in zentralen oder dezentralen Kommunikationsabteilungen gebündelt sein.
Phasen des Kommunikationsmanagements
Nachdem die Rolle und Funktion des Kommunikationsmanagements im Unternehmenskontext verdeutlicht wurde, soll nun detailliert auf die Phasen des Kommunikationsmanagements eingegangen werden. Auf dieser Basis soll im weiteren Verlauf der Arbeit empirisch überprüft werden, inwiefern die ARV-Kommunikation im Kommunikationsmanagement verortet ist.
Planungs- bzw. Konzeptionsmodelle für Kommunikation wurden historisch im angloamerikanischen Raum sowie in Deutschland vor allem von PR-Praktikern entwickelt (Bentele & Nothhaft, 2014, S. 609–610). Merten (2000) zeigt in einer Metaanalyse der deutschsprachigen Konzeptionslehre, dass sich die verschiedenen ausdifferenzierten Schritte von Konzeptionsmodellen auf fünf Grundbausteine zusammenfassen lassen: Analyse, Strategie, Taktik, Realisierung und Controlling/Evaluation. Das zugrunde liegende Verständnis von Kommunikationsmanagement orientiert sich bei der Steuerung der Kommunikationsprozesse entlang der Phasen Analyse, Planung, Organisation, Umsetzung und Evaluation (Zerfaß & Volk, 2020). Die Schritte Strategie und Taktik bei Merten werden demnach zu einem Komplex der Planung zusammengeführt. Der Schritt der Organisation wird aus einem ganzheitlichen Management-Verständnis ergänzt.
Gregory (2018, S. 9) argumentiert, dass die Vorlagen für die Planung und Steuerung von Kommunikationsprozessen nicht statisch, sondern aufgrund des dynamischen Kontextes von Kommunikation iterativ und flexibel verwendet werden sollten. Van Ruler (2015) spricht sich für eine agile Planung von Kommunikation aus, um der Geschwindigkeit und Unvorhersehbarkeit des Wandels gerecht werden zu können. Die fünf Phasen des Kommunikationsmanagements sind demnach als idealtypischer Ablauf zu verstehen, die eng miteinander in Verbindung stehen, und im Folgenden detailliert beschrieben werden (Abbildung 4.6).
Analyse:
Bei der Analyse als erste Phase des Kommunikationsmanagements wird die Ausgangssituation erfasst, um ein vertieftes Verständnis für das Unternehmen und das Umfeld, in dem es agiert, zu erlangen. Die Analyse erfolgt dabei stets aus der strategischen und normativen Orientierung des Unternehmens heraus, d. h., sie ist selektiv bezogen auf die Ziele und Strategie des Unternehmens (Jarren & Röttger, 2009, S. 44). Grundsätzlich kann in dieser Phase zwischen der externen Analyse der Umwelt und der Analyse innerhalb des Unternehmens unterschieden werden.
Bei der externen Analyse wird das (kommunikative) Beziehungsgeflecht zwischen dem Unternehmen, den internen und externen Stakeholdern und der öffentlichen Meinungsbildung systematisch erfasst (Gregory, 2018, S. 10; Zerfaß, 2014, S. 68). So bietet etwa eine Stakeholder-Analyse oder Fokusgruppen einen tieferen Einblick in die Einstellungen, Meinungen und das Wissen der relevanten Stakeholder zum Unternehmen (Zerfaß & Volk, 2019, S. 32). Durch die steigende Bedeutung von Social Media gewinnen zudem Netzwerkanalysen an Bedeutung, mit deren Hilfe zentrale Akteure und Themen in relevanten Netzwerken identifiziert werden (Thiel, 2020). Mithilfe dieser Daten können dann die Einstellungen und Erwartungen der Stakeholder in Bezug auf das Unternehmen oder eines bestimmten Themas analysiert und visualisiert werden. Dies bildet die Grundlage dafür, in den weiteren Phasen die Kommunikationsmaßnahmen auf verschiedene Stakeholdergruppen aber auch einzelne Stakeholder zuschneiden zu können (Arthur W. Page Society, 2016, S. 7). Im Rahmen der externen Umfeldanalyse sollen auch Trends und Entwicklungen identifiziert werden, die zukünftig für das Unternehmen und seine Kommunikation relevant sein können. In diesem Zusammenhang stellt Kommunikation eine wichtige Ressource zur Umweltbeobachtung dar, die dabei helfen kann, Strategien anzupassen und das Unternehmen neu zu positionieren (Zerfaß & Viertmann, 2017, S. 72).
Die externe Analyse wird durch eine interne Analyse des Unternehmens ergänzt. Hierbei geht es vor allem um die Aufstellung und das Leistungspotenzial der Kommunikationsabteilung(en). Dadurch können u. a. das Personal und Budget als allokative Ressourcen der Kommunikation transparent gemacht werden. Zerfaß & Volk (2019, S. 55, 84) argumentieren jedoch, dass eine Kompetenzanalyse, als Tool aus dem Personalwesen, sowie die Budgetanalyse, als Tool aus dem Controlling, bisher selten im Kommunikationsmanagement genutzt würden. Auch eine Prozessanalyse, um Schwachstellen und Verbesserungspotenziale in den Kommunikationsabteilungen zu erkennen, würde bisher vor allem im Rahmen von Restrukturierungen und damit mit dem Ziel Kosten einzusparen eingesetzt (Zerfaß & Volk, 2019, S. 41). Darüber hinaus kann aber auch das unternehmensinterne Kommunikationsnetzwerk analysiert werden. So können Netzwerkanalysen etwa auch innerhalb des Unternehmens interessant sein, um z. B. bei Veränderungsprozessen diejenigen Mitarbeitenden zu identifizieren, die als potenzielle Meinungsführer den Wandel unterstützen können (Zerfaß & Volk, 2019, S. 74).
Auf der Basis der gesammelten externen und internen Informationen und Daten zum externen Umfeld und den internen Strukturen können dann die Chancen und Risiken der Kommunikation bewertet werden. Dies kann bspw. durch eine kommunikative SWOT-Analyse, einem Standardinstrument der strategischen Planung, geschehen. Dabei werden die spezifischen Herausforderungen der Kommunikation und deren Ergebnis berücksichtigt (Gregory, 2018, S. 10; Lurati & Zamparini, 2018). In Bezug auf Nachhaltigkeitsthemen hat sich zudem die Materialitäts- bzw. Wesentlichkeitsanalyse etabliert, die u. a. im Leitfaden der Global Reporting Initiative (GRI, 2016) gefordert wird.
Eine zentrale Aufgabe des Kommunikationsmanagements ist es dabei, insbesondere die Erkenntnisse zum Unternehmensumfeld so aufzubereiten, dass sie als entscheidungsrelevante Informationen im Unternehmen verstanden und genutzt werden können (Jarren & Röttger, 2009, S. 44). Die Sammlung und Einordnung der Wahrnehmungen und Erwartungen der verschiedenen Stakeholder ermöglicht es dem Unternehmen, seine Strukturen entsprechend zu modifizieren.
Zusammenfassend bilden die Ergebnisse der Analysephase die Grundlage für die weiteren Phasen des Kommunikationsmanagements. In Bezug auf die ARV-Kommunikation wird daher interessant sein, inwiefern eine Analyse der Ausgangssituation der Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden stattfindet, sodass die weiteren Schritte und Elemente des Kommunikationsmanagements darauf basieren können. Weiterhin wird relevant sein, inwiefern die Informationen aus der Analyse auch dem Aufsichtsrat als Informationsbasis für dessen Arbeit zur Verfügung gestellt werden.
Planung:
In der Planungsphase werden die Erkenntnisse aus der Analyse genutzt, um idealtypisch „goals, objectives, proposed tasks and actions, resource procurement, and resource allocations“ (Bütschi, 2018, S. 1) zu definieren.
Der Startpunkt der Planung besteht in der Formulierung von konkreten Kommunikationsstrategien, wobei aus der übergreifenden Unternehmensstrategie oder der Geschäftsfeldstrategie systematisch Ziele für die Kommunikation abgeleitet werden sollen (Zerfaß & Volk, 2019, S. 89). Basierend auf einer Literaturanalyse differenzieren Volk & Zerfaß (2018, S. 443, 447) analytisch zwischen der Ausrichtung von Unternehmensstrategie und Kommunikationsstrategie (primary alignment) und der Kohärenz zwischen der Kommunikationsstrategie und den Kommunikationsaktivitäten (secondary alignment). Die Autoren zeigen dabei auch die Forschungslücke auf, die hinsichtlich der Verzahnung von Kommunikation und der Gesamtstrategie besteht, obwohl das Postulat der Verschränkung der Strategien keineswegs neu ist (grundlegend dazu: Zerfaß, 2010).
Die Kommunikationsstrategie stellt das zugrunde liegende Rationale dar, wie ein Thema kommunikativ angegangen wird, sodass konkrete Maßnahmen darauf aufgebaut werden können (Gregory, 2018, S. 10). Bentele & Nothhaft (2014, S. 625) unterscheiden zwischen fünf Parametern, die bei der Entwicklung von Kommunikationsstrategien zu berücksichtigen sind und in einem wechselseitigen Verhältnis zueinander stehen und im Folgenden erläutert werden:
  • Kommunikationsziele
  • Bezugsgruppen bzw. Stakeholder
  • Positionierung
  • Botschaften
  • Medien/Themen
Kommunikationsziele zeichnen sich dadurch aus, dass sie „durch einen feststellbaren Soll-Zustand spezifiziert [werden], der sich direkt, zumindest aber indirekt durch Kommunikationsmaßnahmen herbeiführen lässt“ (Bentele & Nothhaft, 2014, S. 626). Gregory (2018, S. 10) unterscheidet zwischen Ergebniszielen, d. h. messbaren kognitiven, affektiven oder konativen Veränderungen bei den Stakeholdern, und prozessbezogenen Zielen, die sich mit der Effizienz und Effektivität der Kommunikationsmaßnahmen befassen. Zerfaß & Viertmann (2017, S. 73) schlagen basierend auf einer interdisziplinären Literaturanalyse zwölf Kommunikationsziele vor, die auf vier Unternehmensziele einzahlen, und mit bekannten Key-Performance-Indikatoren gemessen werden können (Tabelle 4.1). In Abschnitt 5.​2 soll diskutiert werden, inwiefern diese Kommunikationsziele auch auf die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden übertragen werden können.
Tabelle 4.1
Übersicht von Kommunikationszielen (Eigene Übersetzung und Darstellung nach Zerfaß & Viertmann, 2017, S: 73)
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Weiterhin sollten die relevanten Stakeholder definiert werden, da diese durch unterschiedliche Maßnahmen und Kanäle angesprochen werden. Bei der Planung können, z. B. mithilfe des Tools „Zielhaus der Kommunikation“ (Zerfaß & Volk, 2019, S. 99), die Kommunikationsziele in Relation zu den Stakeholdern visualisiert werden. Durch die Identifikation der Stakeholder resultiert auch, welche Öffentlichkeitsarenen für das Unternehmen relevant sind und welche Handlungsfelder der Unternehmenskommunikation aktiv werden.
Dann gilt es die Positionierung des Unternehmens zu definieren. Unter einer Positionierung wird ein „widerspruchsfreies System von Aussagen“ (Bentele & Nothhaft, 2014, S. 628) zum Selbstverständnis des Unternehmens im Verhältnis zu anderen verstanden. Nach Zerfaß & Viertmann (2017) besteht die primäre Aufgabe der Kommunikationsfunktion darin, die Positionierung des Unternehmens in Markt und Gesellschaft mit kommunikativen Mitteln strategisch zu steuern und zu messen. Mithilfe einer Positionierungsmatrix, als bekanntes und häufig angewendetes Tool im Kommunikationsmanagements, können z. B. Ist- und angestrebte Soll-Positionierungen visualisiert werden (Zerfaß & Volk, 2019, S. 105). Auch die Positionierung von Vorständen (Zerfaß et al., 2016) gehört zu diesem Planungsschritt dazu.
Mit der Erarbeitung von Botschaften beginnt die inhaltliche Ebene der Planung, da sie ein „Scharnier zwischen Positionierung und Implementierung“ (Huck-Sandhu, 2014, S. 652) darstellen. Sie können als Kernbotschaften, mit Bezug zur Grundpositionierung des Unternehmens, als Dachbotschaften, im Rahmen eines Kommunikationskonzepts, oder als Teilbotschaften formuliert werden.
Schließlich gehört die Planung von Themen und dazugehörige Auswahl von Medien ebenfalls zur Kommunikationsstrategie, wobei sie sowohl als Teil der strategischen als auch operativen Planung gesehen werden können. So wird mit der Entscheidung für bestimmte Medien auch eine Entscheidung über relevante Öffentlichkeitsarenen getroffen (Neidhardt, 1994). Bei der Themenplanung geht es sowohl um die eigene Themenagenda des Unternehmens, die u. a. an die Unternehmensentwicklung oder auch Börsennotierung gekoppelt ist, ebenso wie um die Identifikation aktueller oder neuer Themen, die für das Unternehmen relevant sein können. Bei abstrakten sowie emotional behafteten Themen bietet sich etwa die Entwicklung eines Storytelling-Ansatzes an (Huck-Sandhu, 2014, S. 664).
Ein weiterer Teil der Planungsphase ist auch die Festlegung eines Gesamtbudgets sowie Teilbudgets für einzelne Kommunikationsmaßnahmen (Zerfaß & Volk, 2019, S. 120) sowie Kapazitäten innerhalb der Kommunikationsabteilung. Beide stellen aus strukturationstheoretischer Perspektive allokative Ressourcen der Kommunikation dar. Auf Basis der Planung werden demnach Entscheidungen für die nächste Phase der Organisation getroffen.
Da im vorliegenden Verständnis das Kommunikationsmanagements zu den Unternehmenszielen und Wertschöpfung beitragen soll, ist es in der Phase der Planung von zentraler Bedeutung, die Kommunikationsprozesse zur Zielerreichung von der Initiierung bis zur potenziellen betriebswirtschaftlichen Wirkung zu analysieren, um so den Wertschöpfungsbeitrag bewerten zu können. Zur Systematisierung von Werttreibern kann z. B. der DPRG/ICV-Bezugsrahmen für Kommunikationscontrolling mit den vier Wirkdimensionen Input, Output, Outcome und Outflow herangezogen werden (DPRG & ICV 2011, S. 13–14): Die Input-Ebene beinhaltet den Einsatz von finanziellen und personellen Ressourcen für die Kommunikationsmaßnahme. Die Output-Ebene umfasst sowohl den internen Output wie Prozesseffizienz (z. B. Budgettreue) und die Qualität der Kommunikation (z. B. Readability), als auch externen Output, wie Reichweite (z. B. Visits, Share of Voice). Auf der Outcome-Ebene kann zwischen direktem Outcome, also der Beeinflussung von Wahrnehmungen und Wissen (z. B. Aufmerksamkeit) und indirektem Outcome, verstanden als der Beeinflussung von Meinungen und Einstellungen der Stakeholder (z. B. Kaufintention) unterschieden werden. Auf der Outflow-Ebene wird schließlich der Einfluss der Kommunikation auf die strategischen oder finanziellen Ziele des Unternehmens bzw. der materiellen und immateriellen Ressourcen gemessen (z. B. Reputations- oder Markenwert).
Zusammenfassend ist es durch eine detaillierte Planung (und entsprechende Evaluationstools) möglich, die Kommunikation an der Unternehmensstrategie auszurichten und den Wertbeitrag von Kommunikation zu analysieren und sichtbar zu machen. In Bezug auf die ARV-Kommunikation soll dabei zunächst konzeptionell geklärt werden, inwiefern dieses bisherige Verständnis auf die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden, insbesondere in Bezug auf die Ausrichtung an der Unternehmensstrategie, übertragen werden kann (Abschnitt 5.​2). Für die Phase der Planung ist in dem Zusammenhang besonders interessant, welche Ziele es für die ARV-Kommunikation gibt. Weiterhin soll empirisch überprüft werden, ob die bisherige ARV-Kommunikation ein Teil der Planungsphase des Kommunikationsmanagements ist.
Organisation:
Nach der Planung müssen verschiedene Entscheidungen in der darauffolgenden Phase der Organisation getroffen werden. Hierbei steht die Einbindung der Kommunikationsabteilung im Fokus. Die organisationalen Strukturen bilden den Korridor, in dem die Kommunikationsverantwortlichen agieren, da durch die Anwendung von Regeln und Ressourcen das Handeln ermöglicht oder begrenzt wird (Giddens, 1997, S. 81; Neuberger, 1995, S. 291). Das Thema der Organisation und Einbindung der Kommunikationsabteilung im Unternehmenskontext ist in der bisherigen Forschung jedoch häufig vernachlässigt worden. Die vorhandenen kommunikationswissenschaftlichen Studien haben sich mit der Organisation der Kommunikationsabteilung vor allem im Kontext mit der organisatorischen Anbindung an das Top-Management beschäftigt: Eine Reporting-Linie zum Top-Management wird dabei als wichtige Voraussetzung für die Einbindung der Kommunikationsabteilung in unternehmerische Entscheidungsprozesse angesehen (Gregory, 2018; Grunig et al., 2002; Zerfaß & Franke, 2013).
Zerfaß et al. (2014, S. 989) unterscheiden grundsätzlich zwischen der Aufbauorganisation und Ablauforganisation. Bei der Aufbauorganisation werden die organisationalen Strukturen betrachtet, z. B. anhand eines Organigramms, die den Handlungsrahmen für die strategische Verankerung des Kommunikationsmanagements bilden. Demgegenüber definiert die Ablauforganisation die Prozesse zwischen und innerhalb der verschiedenen Kommunikationsfunktionen.
In Bezug auf die Aufbauorganisation gibt es nach Gregory (2018, S. 12) grundsätzlich drei Optionen, wie Kommunikationsabteilungen strukturiert sein können: (1) anhand von Funktionen, d. h. spezialisierte Fachbereiche für Media Relations, Finanzkommunikation, politische Kommunikation etc., (2) anhand von Aufgaben, d. h. Events, Publikationen, Design, etc., oder (3) im Rahmen von Projektteams, die analog zu einer internen Beratung, in lang- und kurzfristigen Projekten zusammen sowohl verschiedene Funktionen als auch Aufgaben bearbeiten.
Moss, Likely, Sriramesh & Ferrari (2017) veröffentlichen die bisher einzige groß angelegte internationale Studie zur Aufbauorganisation von Kommunikationsabteilungen und zeigen, dass es beachtliche Unterschiede beim Aufbau der Abteilungsstrukturen gibt. Dabei kristallisiert sich jedoch keine dominante Struktur heraus, vielmehr werde die Organisationsstruktur der Kommunikationsabteilung an die individuellen Gegebenheiten des Unternehmens angepasst.
Zerfaß et al. (2014, S. 990–991) argumentieren, dass das Geschäftsmodell und die Eigentümerstruktur wichtige Einflussfaktoren auf die Aufbauorganisation der Kommunikationsabteilung seien. Demnach würden Kommunikationsfunktionen bei börsennotierten Unternehmen, aufgrund der strengen kapitalmarktbezogenen Regularien, zu einem zentralisierten Organisationsmodell mit Schwerpunkten hinsichtlich der Kommunikationsfunktionen tendieren.
Die Kommunikation mit der Kapitalmarktöffentlichkeit (Abschnitt 4.1.2) stellt aufgrund der unterschiedlichen Stakeholder und Informationsbedürfnisse – und daraus folgenden Spezialisierung der Kommunikationsverantwortlichen – eine Besonderheit dar. Obwohl die kommunikationswissenschaftliche Forschung die Funktion der Finanzkommunikation mitdenkt, wird die Kommunikation mit der Kapitalmarktöffentlichkeit in vielen Unternehmen von zwei Kommunikationsabteilungen vollzogen: der Finanzkommunikation auf Seiten der Unternehmenskommunikation sowie der Investor Relations, die sich meist als eine eigenständige Abteilung in börsennotierten Unternehmen etabliert hat und dabei überwiegend an den Finanzvorstand berichtet (Hoffmann & Tietz, 2018, S. 8). Zwischen diesen beiden Funktionen findet beim Thema Finanzkommunikation jedoch eine intensive, aber meist informelle und häufig anlassbezogene Abstimmung statt (Hoffmann & Tietz, 2019).
Die Aufbauorganisation der Kommunikationsabteilungen ist längerfristig im Organigramm des Unternehmens festgelegt und wird ggf. bei einer Restrukturierung oder dem Wechsel des Chief Communication Officers angepasst. Dagegen befindet sich die Ablauforganisation eher im Wandel. In Bezug auf die Ablauforganisation kann zwischen einer funktionsorientierten und prozessorientierten Organisation unterschieden werden (Zerfaß et al., 2014, S. 999): Bei der funktionsorientierten Ablauforganisation werden die Arbeitsabläufe in einzelne Arbeitsschritte zerlegt, sodass festgelegt werden kann, wer welche Tätigkeiten ausführt. Dies ist vor allem bei häufig wiederkehrenden und leicht standardisierbaren Aufgaben, wie Pressemitteilungen, der Fall. Die prozessorientierte Ablauforganisation betrachtet dagegen die Prozesse der Kommunikationsabteilungen, z. B. hinsichtlich der Einhaltung der Kommunikationsstrategie oder des Social-Media-Managements.
In der Phase der Organisation soll auch der konkrete Einsatz der Kommunikationsverantwortlichen betrachtet werden. Nach McKinney (2018, S. 3) muss dabei entschieden werden, ob Kommunikationsaufgaben durch Kommunikationsverantwortliche in den Unternehmen übernommen werden oder eine Kommunikationsberatung beauftragt wird bzw. einzelne Aufgaben ausgelagert werden. Bei den Personalentscheidungen würden sowohl Generalisten benötigt, die sich bei Bedarf spezialisieren können, als auch Fachspezialisten, die den verschiedenen Kommunikationsfunktionen zugeordnet seien. Die Forschung zum Kompetenzmanagement im Kommunikationsmanagement steht dabei jedoch noch am Anfang (Kiesenbauer, 2018). Auf die Kommunikatorforschung zu Kommunikationsverantwortlichen, aber auch in Bezug auf die Unternehmensführung, wird in Abschnitt 4.3 ausführlich eingegangen.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Personal, also das professionelle Handeln der Kommunikationsverantwortlichen, eine allokative Ressource der Kommunikation darstellt. Daher wird relevant sein, inwiefern die Investor-Relations- und Public-Relations-Abteilungen die Verantwortung für die ARV-Kommunikation inne haben.
Umsetzung:
In der Phase der Umsetzung geht es schließlich um die konkrete Durchführung der geplanten Kommunikationsmaßnahmen. Dazu gehört die Auswahl der relevanten Instrumente, wobei das gesamte Spektrum an persönlicher, (massen-)medialer und interaktiver Kommunikation denkbar ist (Zerfaß, 2014, S. 69). Die Auswahl der Instrumente ist auch abhängig von den Informationsbedürfnissen der Stakeholder in den jeweiligen Öffentlichkeitsarenen. In den folgenden Kapiteln wird daher auf die wichtigsten Instrumente der Handlungsfelder Interne Kommunikation (Abschnitt 4.2.1), Public Relations (Abschnitt 4.2.2) und Investor Relations (Abschnitt 4.2.3) eingegangen. Mithilfe eines Maßnahmenportfolios können alle Kommunikationsaktivitäten visualisiert, aber auch priorisiert werden (Zerfaß & Volk, 2019, S. 148). Auch die Koordination der operativen Prozesse und Arbeitsabläufe fällt in diese Phase. Dazu können z. B. Checklisten oder als agile Methode das Communication Scrum genutzt werden (Zerfaß & Volk, 2019, S. 175, 179).
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich zahlreiche kommunikationswissenschaftliche Studien mit der Umsetzung von konkreten Kommunikationsmaßnahmen beschäftigen. Im Rahmen dieser Studie soll die Bandbreite der internen und externen Maßnahmen der ARV-Kommunikation empirisch überprüft werden. So kann gezeigt werden, mit wem und in welcher Frequenz eine Kommunikation stattfindet.
Evaluation:
Die Evaluation und Messung (E&M) von Kommunikation ist ein Dauerthema in der kommunikationswissenschaftlichen Forschung. Messung umfasst (quantitative und qualitative) sozialwissenschaftliche Methoden zur Erhebung und Analyse von Daten, während Evaluation als breitere Aktivität die systematische Beurteilung eines Wertes bzw. Aktivität umfasst. Beides zusammen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob und wie Kommunikationsaktivitäten zur Zielerreichung bzw. Strategie des Unternehmens beitragen (Buhmann & Likely, 2018, S. 653). Die Evaluation ist damit eng mit der Planung der Kommunikation verbunden, da bereits dort eine Entscheidung zu relevante Metriken und Methoden getroffen werden sollte.
Die Evaluation von Kommunikation geht bis auf die Anfänge der PR-Praxis in den USA in den frühen 1900er Jahren zurück, eine fokussierte Thematisierung in der Forschung begann jedoch erst Mitte der 1970er Jahre (Watson & Noble, 2014). Entsprechend umfangreich ist die wissenschaftliche Literatur zur Bedeutung sowie verschiedener Methoden und Implementierung von E&M, wie u. a. in den Analysen von Watson (2012), Likely und Watson (2013) sowie Volk (2016) ausführlich dargestellt wird. So zeigt Volk (2016) anhand einer Literaturanalyse von 40 Jahren PR-Evaluationsforschung, dass sich die dabei behandelten Fragen grob in die folgenden Bereiche gruppieren lassen: Analyse der Wirksamkeit von Kommunikation und Botschaften auf der Output-Ebene; Messungen auf der Outcome-Ebene, z. B. in Bezug auf Beziehungen und Reputation; Konzeptualisierung von immateriellen Werten und Wertschöpfung durch Kommunikation; Weiterentwicklung von Methoden zur Evaluation und Messung.
In den vergangenen Jahrzehnten wurden zahlreiche Evaluationsmodelle entwickelt, mit deren Hilfe verschiedene Evaluationsstufen, Metriken und Maßnahmen dargestellt werden. In ihrer Grundform unterscheiden die Modelle zwischen
(1)
Inputs, also den einfließenden Ressourcen;
 
(2)
Aktivitäten, die durchgeführt werden;
 
(3)
Outputs, als Ergebnisse der Kommunikationsaktivitäten, und
 
(4)
Outcomes, den kurz-, mittel- oder langfristigen Veränderungen, die durch die Kommunikation resultieren.
 
Der größte Unterschied zwischen verschiedenen Modellen ist die Anzahl der Stufen, auf denen gemessen wird (Buhmann & Likely, 2018, S. 657–658). Darauf aufbauend gab es in den vergangenen 10 Jahren verschiedene Projekte, um standardisierte Modelle, Metriken und Methoden für Evaluation und Messung voranzutreiben: dazu gehören u. a. die Barcelona Principles und das AMEC Integrated Evaluation Framework auf internationaler Ebene, das DPRG/ICV-Bezugsrahmen in deutschsprachigen Ländern sowie das GCS Framework in Großbritannien, wobei die Akzeptanz und Anwendung in der Kommunikationspraxis erheblich variieren (Buhmann, Macnamara & Zerfaß, 2019). Verschiedene weltweit durchgeführte Studien zum Stand von E&M in der Praxis zeigen jedoch, dass sich die Implementierung von Standards überwiegend auf den Outcome von Kommunikation fokussiert, während andere Ebenen der Kommunikationsmessung außen vor bleiben (Baskin et al., 2020; Macnamara & Zerfaß, 2017; Michaelson & Stacks, 2011; Zerfaß, Verčič & Volk, 2017).
Hinzu kommt, dass der bereits Anfang der 1980er Jahre von Jim Grunig geäußerte „cri de coeur“ über die mangelnde Evaluation in der Praxis der PR und Unternehmenskommunikation bis heute nachhallt (Grunig, 1983). Auch neuere Studien beschreiben einen Stillstand in der Evaluationspraxis (Gregory & Watson, 2008) bzw. konstatieren, dass die Praxis in einer Sackgasse in Bezug auf Evaluation gefangen sei (Macnamara, 2015). Die Suche nach den Ursachen für die mangelnde Einführung und konsequente Durchführung von E&M der Kommunikation offenbart verschiedene Gründe: ein Mangel an Zeit, Budget und Ressourcen; fehlende Kompetenzen und Wissen der Kommunikationsverantwortlichen; Mangel an Methoden und Instrumenten für die Evaluation; fehlender Konsens über Industriestandards; sowie eine fehlende Einbindung in das strategische Management und damit Kennzahlen des Unternehmens (Buhmann et al., 2018, S. 3–4; Macnamara, 2015, S. 374–376).
In der Investor-Relations-Forschung ist das Thema E&M bisher kaum behandelt worden (Hoffmann et al., 2018, S. 300). Die existierenden Studien zeigen, dass IR-Verantwortliche eine Kombination aus quantitativen und qualitativen Methoden bevorzugen und dabei den größten Wert auf qualitative, nichtfinanzielle und beziehungsorientierte Metriken legen, um den Erfolg ihrer IR-Aktivitäten zu messen (Hoffmann & Tietz, 2018, S. 11, Ragas & Laskin, 2014; Ragas et al., 2014, S. 183–185). Als zentrale Herausforderungen für die Evaluation der IR werden die Zurechenbarkeit der Leistung der IR, die Effizienzmessung, die Verknüpfung von Kontrolle und Planung im Managementprozess sowie die Abdeckung aller Ebenen der Erfolgsmessung gesehen (Spitzer, Binder-Tietz, Biberacher & Hoffmann, 2019, S. 5–8).
Für diese Arbeit lassen sich in der fünften Phase des Kommunikationsmanagements zwei Grundtypen von Evaluation unterscheiden (Bentele & Nothhaft, 2014, S. 618–620; Buhmann & Likely, 2018, S. 655, Zerfaß, 2014, S. 69; Zerfaß & Volk, 2018, S. 182, 195, 199):
(1)
Formative Evaluation: Die formative Evaluation ist die prozessbegleitende Überwachung und Steuerung der Kommunikation. Dazu gehört, dass bereits in der Phase der Analyse und Planung relevante Entscheidungen getroffen und alternative Handlungsoptionen ausgeblendet werden müssen. Im Rahmen der Prozessevaluation werden dann die laufenden kommunikativen Aktivitäten überwacht. Dazu gehört u. a. der externe Output (z. B. mediale Reichweite) oder direkte Outcome (z. B. die Aufmerksamkeit oder das Engagement zu einem Thema). Verschiedene Evaluationstools, wie etwa eine Medienresonanz- oder Sentiment-Analyse können geeignete Daten zur Verfügung stellen. Der Schwerpunkt der Prozessevaluation liegt auf der Bewertung, ob die Prozesse wie geplant laufen oder ob eine Anpassung der kommunikativen Handlungen erforderlich ist.
 
(2)
Summative Evaluation: In der summativen Evaluation geht es um die abschließende Bewertung der Ergebnisse der Kommunikationsaktivitäten. Dazu gehört u. a., inwieweit die gesteckten Ziele im Rahmen der Kommunikationsstrategie durch die realisierten Kommunikationsaktivitäten erreicht werden. Dazu gehört auf der Ebene des Outflows auch, inwiefern mithilfe von Kommunikation die Ziele des Unternehmens unterstützt werden konnten. Auf dieser Basis können Optimierungspotenziale identifiziert und Pläne und Budgets angepasst werden. Eine Communication Scorecard, eine Adaption der Balance Scorecard, kann z. B. ein geeignetes Tool für die Erfolgskontrolle und Darstellung des Wertbeitrags von Kommunikation darstellen. Die Ergebniskontrolle bildet die Grundlage für zukünftige Situationsanalysen und schließt damit den Kreislauf des Kommunikationsmanagements ab.
 
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Evaluation sowohl eine Phase des Kommunikationsmanagement-Prozesses ist, aber auch ein fester Bestandteil der anderen Phasen des Kommunikationsmanagements darstellt. Daher wird für die ARV-Kommunikation interessant sein, wie die Kommunikationsaktivitäten von Aufsichtsratsvorsitzenden evaluiert werden.
Nachdem die Phasen des Kommunikationsmanagements ausführlich dargestellt wurden, kann die ARV-Kommunikation im weiteren Verlauf der Arbeit empirisch überprüft werden. Im Folgenden wird nun auf die Handlungsfelder der Unternehmenskommunikation eingegangen werden, deren Kommunikationsprozesse vom Kommunikationsmanagement gesteuert und kontrolliert werden.
Handlungsfelder der Unternehmenskommunikation
Wie bereits beschrieben, orientiert sich die Unternehmensführung nicht nur an den Interessen und Ansprüchen der Anteilseigner, sondern muss bei der Integration in Markt und Gesellschaft unterschiedlichen Stakeholdern gerecht werden. Daher hat sich die Kommunikationsfunktion in Unternehmen in verschiedene Aufgabenfelder ausdifferenziert. Dabei lassen sich grob drei Kerndimensionen unterscheiden, die jeweils voneinander abhängig sind: (1) Stakeholder, (2) Themen und Situationen und (3) Instrumente und Kanäle (Röttger, Preuße & Kobusch, 2018, S. 154 f.). In der Praxis haben viele Unternehmen innerhalb oder außerhalb einer zentralen Kommunikationsfunktion anhand ihrer Stakeholder spezialisierte Abteilungen mit eigenen Budgets und Schwerpunkten organisiert (Zerfaß & Dühring, 2014, S. 171).
Anhand der zugrunde liegenden Koordinationsmuster und Zielsetzungen unterscheidet Zerfaß (2014) zwischen der internen Kommunikation, Marktkommunikation und Public Relations (verstanden als gesellschaftsorientierte Kommunikation). Als weitere Detaillierung könne zudem die Finanzkommunikation und Public Affairs gesondert betrachtet werden. Eine ähnliche Differenzierung nutzt Wilbers (2004) und unterscheidet die Marktkommunikation weiter nach Kunden, Zulieferern und Wettbewerbern. Dyllick & Meyer (2004) grenzen die Mitarbeiterkommunikation von den drei externen Kommunikationsarenen der Marktkommunikation, Finanzkommunikation und Öffentlichkeitsarbeit ab.
Im Rahmen dieser Arbeit werden daher fünf Handlungsfelder der Kommunikation für börsennotierte Unternehmen systematisch unterscheiden:
  • Interne Kommunikation: Kommunikation zwischen Unternehmensführung (hier verstanden als Vorstand und Aufsichtsrat), Führungskräften und Mitarbeitenden
  • Marktkommunikation: Kommunikation mit Kunden, Zulieferern und Wettbewerbern
  • Public Relations: Kommunikation mit Journalisten und anderen Meinungsführern (auch Influencern), gesellschaftlichen Gruppen und Nichtregierungsorganisationen
  • Investor Relations: Kommunikation mit Anteilseignern, Wirtschafts- und Finanzjournalisten, Analysten, Stimmrechtsberatern sowie weiteren Akteuren des Kapitalmarkts
  • Public Affairs: Kommunikation mit Politikern, Regulierungsbehörden und Staatsvertretern
Die Handlungsfelder haben gemeinsam, dass sie im Rahmen des Kommunikationsmanagements grundsätzlich zweckbezogen geplant und gesteuert werden können. Dazu ist es wichtig, dass sie im Rahmen der Unternehmenskommunikation miteinander abgestimmt sind. Für die Abstimmung von Kommunikationsmaßnahmen ist zu betonen, die sich in Erweiterung einer Systematik von Bruhn (2009) in inhaltlicher, formaler, zeitlicher und dramaturgischer Hinsicht integrieren lässt (Zerfaß, 2010, S. 413).
Im weiteren Verlauf der Arbeit soll detailliert auf die Handlungsfelder der internen Kommunikation (Abschnitt 4.2.1), Public Relations (Abschnitt 4.2.2) und der Investor Relations (Abschnitt 4.2.3) eingegangen werden. Dabei wird ein Schwerpunkt auf die Ziele und Stakeholder gelegt, aber auch die Themen und Instrumente eingegangen. Die Handlungsfelder der Marktkommunikation und Public Affairs werden dagegen nicht detailliert betrachtet, da es zunächst keine Ansatzpunkte aus dem Tätigkeitsfeld des Aufsichtsratsgremiums gibt.

4.2.1 Interne Kommunikation: Information und Orientierung für Führungskräfte und Mitarbeitende

Die Aufgaben des Aufsichtsrats als Organ des dualistischen Systems der Unternehmensführung richten sich vor allem in das Unternehmen hinein. Für seine Kontrollfunktion benötigt der Aufsichtsrat Informationen aus dem Unternehmen und für die Beratungsfunktion ist ein Austausch mit dem Vorstand vorgesehen (Abschnitt 3.​2). Die Corporate-Governance-Forschung hat sich bisher jedoch nicht damit beschäftigt, ob dem Aufsichtsrat bzw. Aufsichtsratsvorsitzenden darüber hinaus eine kommunikative Leistungsrolle innerhalb des Unternehmens zukommt. Um dies zu klären sowie im Rahmen der empirischen Analyse interne Kommunikationsmaßnahmen identifizieren zu können, soll zunächst auf das Handlungsfeld der internen Kommunikation eingegangen werden. Nach einer Definition der internen Kommunikation werden die Zielgruppen und Ziele dargestellt werden, um später eine mögliche Kommunikationsaufgabe von Aufsichtsratsvorsitzenden verorten zu können. Die Unternehmensöffentlichkeit konstituiert sich durch die Rollen, aber auch die spezifischen Themen des Unternehmens, daher sollen im weiteren auch Inhalte und Instrumente der internen Kommunikation betrachtet werden, um das Verständnis für eine mögliche interne Kommunikationsmaßnahmen von Aufsichtsratsvorsitzenden zu schärfen.
Die interne Kommunikation (IK) ist ein Forschungsfeld im Wandel und hat in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen (Huck-Sandhu, 2016, S. 1). Das Thema wird sowohl aus der Perspektive der Organisationskommunikation (Theis-Berglmair, 2003, S. 18) als auch der Unternehmenskommunikation (Zerfaß, 2014, S. 23) erforscht. Szyszka & Malczok (2016) systematisieren unterschiedliche Verständnisse und Zugänge innerhalb der Forschungszweige und rekapitulieren interne Kommunikation als einen Dachbegriff, der sich auf „alle Prozesse formeller, informeller und darauf bezogener instrumenteller Kommunikation […] innerhalb der Strukturen eines Organisationssystems“ (Szyszka & Malczok, 2016, S. 37) bezieht. In der Definition bleibt jedoch zunächst unklar, was sich hinter den Begriffen formelle, informelle und instrumentelle Kommunikation verbirgt. Mast (2014) definiert interne Kommunikation konkreter bezogen auf Unternehmen und aus Perspektive des Kommunikationsmanagements wie folgt:
„Interne Unternehmenskommunikation umfasst sämtliche kommunikative Prozesse, die sich in einem Unternehmen zwischen Mitarbeitern der verschiedenen Abteilungen und Hierarchiestufen abspielen. Sie reicht von Alltags- bis zu Krisensituationen und sorgt dafür, dass Wissen, gemeinsame Werte und Unternehmensziele für alle Mitarbeiter zugänglich und erlebbar werden“ (Mast, 2014, S. 1123).
Diese kommunikativen Prozesse umfassen gleichermaßen die „verfassungskonstituierenden Beziehungen“ und „die laufende Strukturierung und Steuerung der Leistungsprozesse innerhalb des Verfassungsrahmens“ (Zerfaß, 2010, S. 290, 2014, S. 45), also Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse sowie ablaufenden Routinen.
Stakeholder und Ziele der internen Kommunikation
Freeman (1984, S. 216–219) verwehrt sich zunächst gegen den Begriff, stellt aber schließlich fest, dass auch von internen Stakeholdern gesprochen werden kann. Interne Stakeholder können anhand ihrer Stellung in der Unternehmenshierarchie differenziert werden, z. B. das Top-Management, Führungskräfte (oberes und mittleres Management, Team- oder Projektebene) sowie Mitarbeitende (Cheney & Christensen, 2008; Welch & Jackson, 2007, S. 184) oder anhand von Tätigkeitsbereichen, wie Vertrieb, Produktion oder Verwaltung (Mast, 2014, S. 1124). Der Aufsichtsrat als Spezifikum des dualistischen Systems der Unternehmensführung wird in dieser Betrachtung nicht explizit als interner Stakeholder benannt. Weiterhin kommen in Deutschland noch Betriebsräte und Gewerkschaften als Intermediäre in der Unternehmensöffentlichkeit dazu (Abschnitt 4.1.3).
Interne Kommunikation wird häufig mit Mitarbeiterkommunikation gleichgesetzt, jedoch kann auch die Führungskräftekommunikation darunter gefasst werden. Die Führungskräftekommunikation unterscheidet sich inhaltlich, medial und dramaturgisch deutlich von der Mitarbeiterkommunikation (Voß & Röttger, 2014, S. 1142); die Unterschiede werden folgend jeweils skizziert.
Im Rahmen der internen Kommunikation werden sowohl unternehmerische als auch mitarbeiterorientierte Zielsetzungen verfolgt. Klassische, aber eher instrumentell angelegte Ziele wie Information, Motivation/Commitment und Identifikation spielen dabei weiterhin eine wesentliche Rolle. Die zweiseitig angelegten Ziele, wie Orientierung für Mitarbeitende und Vertrauen in die Unternehmensführung, haben in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen (Huck-Sandhu, 2016, S. 7).
Die Ziele und Funktionen der internen Kommunikation werden im Folgenden kurz systematisiert und erläutert (Einwiller, Klöfer & Nies, 2008, S. 227–228; FitzPatrick, 2012, S. 276; Mast, 2014, S. 1132; Mast & Huck-Sandhu, 2019, S. 287–291; Welch & Jackson, 2007, S. 188–190), um die Relevanz für die ARV-Kommunikation bewerten zu können.
  • Information und Koordination: Die zentrale Aufgabe der internen Kommunikation ist es, die Mitarbeitenden adäquat zu informieren. Das heißt, relevante und spezifische Informationen sollen angemessen und verständlich aufbereitet zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort bzw. über den passenden Kanal zur Verfügung stehen. Kommunikation ermöglicht dann eine gezielte Steuerung, Vernetzung und Verbesserung von Arbeitsprozessen unterschiedlicher Unternehmensbereiche. Führungskräfte müssen dabei so mit Informationen ausgestattet werden, dass sie wiederum mit ihren Mitarbeitenden kommunizieren können. Dies gilt sowohl für Informationen einerseits zu Arbeitsprozessen als auch andererseits für Neuigkeiten, die bspw. im Entscheidungsbereich des Aufsichtsrats liegen, wie z. B. die Besetzung des Vorstands. So erfahren Mitarbeitende den Wechsel des Vorstands idealerweise über interne Medien oder von Führungskräften.
  • Motivation bzw. Commitment: Mithilfe von interner Kommunikation sollen Unternehmenswerte vermittelt und ein Gemeinschaftsgefühl erzeugt werden, um Mitarbeitende an das Unternehmen zu binden und zu integrieren. Auf dieser Basis entsteht Motivation, sich für das Unternehmen und dessen Ziele einzusetzen. Commitment kann auch als eine Art Loyalität gegenüber dem Unternehmen betrachtet werden. Meyer & Allen (1997, S. 11–13) unterscheiden drei Arten von Commitment, wonach Mitarbeitende in der Organisation sind, weil sie (1) dort sein wollen (affective commitment), (2) weil sie dort sein müssen (continuance commitment) oder (3) weil sie sich verpflichtet fühlen dort zu sein (normative commitment). Ein persönlicher Austausch mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden könnte z. B. zur Motivation von Führungskräften beitragen.
  • Identifikation und Außenwirkung: Die interne Kommunikation will Mitarbeitende in die Lage versetzen, sich mit dem Unternehmen zu identifizieren, schließlich ist jede Person in ihrem Familien- und Bekanntenkreis ein wichtiger Botschafter für das Unternehmen. Gut informierte und sich mit dem Unternehmen identifizierende Mitarbeitende können eine immense Außenwirkung entfalten. Sie werden zu glaubwürdigen Botschaftern oder Influencern für das Unternehmen werden, wenn sie von internen Kommunikatoren entsprechend befähigt oder ermutigt werden. Mitarbeitende und im besonderen Maße Führungskräfte sollen unterstützt werden, überzeugend für das Unternehmen zu sprechen – und so eine Vielfältigkeit der Stimmen zu erzeugen (Christensen et al., 2008).
  • Vertrauen: Vertrauen ist die Grundlage jeder (Arbeits-)Beziehung. Vertrauen kann jedoch nur langfristig mithilfe von glaubwürdiger und authentischer interner Kommunikation, vor allem der Führungskräfte, aufgebaut werden (Röttger & Voss, 2008). Vertrauen ist auch die Grundlage für das Commitment der Mitarbeitenden (Sparrow & Cooper, 2003, S. 2 f.). Insbesondere in Veränderungsprozessen ist das Vertrauen der Mitarbeitenden in die Unternehmensführung, sowohl in Vorstand und Aufsichtsrat, von zentraler Bedeutung.
  • Orientierung: Huck-Sandhu (2013) betont zudem die Orientierungsfunktion der internen Kommunikation und rückt damit Mitarbeitende ins Zentrum der Betrachtung. Ziel der Kommunikation soll es dabei sein, den Mitarbeitenden und Führungskräften vielfältige Angebote für eine aus Sicht des Managements wünschenswerte Orientierung zu vermitteln. Dies kann auch auf die Rolle des Aufsichtsrats als Hüter der Corporate Governance übertragen werden, die durch ihre Entscheidungen, etwa zur Besetzung des Vorstands, einen Orientierungsrahmen für das Handeln der Unternehmensakteure vorgeben. Insbesondere Führungskräfte nehmen eine wichtige Rolle ein, wenn sie sich selbst als Vermittler zwischen Unternehmensführung und Mitarbeitenden sowie als Informationsquelle und Berater für die Unternehmensführung sehen.
Quirke (2008, S. 236) vergleicht die Ziele der internen Kommunikation mit einer Rolltreppe, auf der Mitarbeitende durch interne Kommunikation Stufe für Stufe nach oben gelangen. Die beiden höchsten Stufen Involvement und Commitment stellen für ihn die entscheidende Einflussgröße der internen Kommunikation dar.
Themen und Instrumente der internen Kommunikation
Die Themen der internen Kommunikation hängen vom Unternehmen selbst ab, aber auch externe Entwicklungen können dabei aufgegriffen werden. Mast & Huck-Sandhu (2019, S. 292) unterteilen das Themenspektrum in fachliche und soziale Themen. Fachliche Themen umfassen demnach die Zielerreichung des Unternehmens und die Leistungserstellung, also bspw. Informationen zu internen Prozessen und Organisationsstrukturen. Soziale Themen sind von anderen Kommunikationsbedürfnissen geprägt, sodass die Mitarbeitenden selbst sowie das Umfeld des Unternehmens Beachtung finden. Die Interessen und Bedürfnisse der Kommunikationsinhalte sind wiederum u. a. abhängig von der hierarchischen Position, dem Arbeitsbereich und dem Ausbildungsstand des Mitarbeitenden (Einwiller et al., 2008, S. 236). Die Entscheidungen des Aufsichtsratsgremiums, wie etwa der Besetzung des Vorstands, könnten so ebenfalls Themen der internen Kommunikation sein.
Interne Kommunikation kann in unterschiedliche Richtungen stattfinden. Bei der – häufig zentral gesteuerten – Abwärtskommunikation (Top-Down-Kommunikation) werden die Informationsflüsse von der Unternehmensleitung zu den Mitarbeitenden betrachtet. Die horizontal verlaufende Kommunikation findet zwischen Personen auf einer Hierarchieebene statt und dient meist der Koordination. Die aufwärtsgerichtete Kommunikation (Bottom-up-Kommunikation) von Mitarbeitenden zu Führungskräften beinhaltet Feedback (Einwiller et al., 2008, S. 224). Mit Blick auf die ARV-Kommunikation an Führungskräfte und Mitarbeitende ist dabei zunächst vor allem eine Top-Down-Kommunikation denkbar.
Interne Kommunikation findet mithilfe von vielfältigen Instrumenten statt, wobei grundsätzlich zwischen persönlicher und medial vermittelter Kommunikation unterschieden werden kann. Medial vermittelte Kommunikation kann elektronisch, gedruckt oder online ablaufen, einmalig und monothematisch oder komplex und redaktionell gestaltet sein (Mast, 2014, S. 1127). Es ist zu erwarten, dass Social Media und digitale Medien im Intranet in den nächsten Jahren noch stärker an Bedeutung gewinnen werden. Auch die Relevanz von persönlicher Kommunikation wird weiter steigen, während gedruckte Medien weitgehend gleichbleiben (Huck-Sandhu, 2016, S. 8).
Die Stärken von digitalen Medien, wie dem Intranet, ist die Flexibilität und Aktualität. Mitarbeitende können Informationen selbstbestimmt nutzen, es bietet aber auch interessante Dialogmöglichkeiten (Einwiller et al., 2008, S. 245 f.). Die Bereitstellung des Zugangs für alle Mitarbeitenden, etwa in der Produktion, kann aber eine Herausforderung darstellen. Die Nutzung von Social-Media-Anwendungen in der internen Kommunikation hängt zudem häufig von der Haltung der Führungskräfte dazu ab und ist damit auch ein Ausdruck der Unternehmenskultur (Mast & Huck-Sandhu, 2019, S. 300 f.).
Gedruckte Medien, wie Mitarbeiterzeitschriften oder Flyer, enthalten aufgrund der Existenz digitaler Medien meist keine (tages-)aktuellen Informationen, sondern können sich anderen Themen des Unternehmens widmen. So können gedruckte Medien stärker Orientierung bieten, indem etwa Entscheidungen der Unternehmensführung ausführlicher erläutert werden. Sie werden somit zum Wegweiser in der internen Kommunikation (Mast & Huck-Sandhu, 2019, S. 302).
Das persönliche Gespräch oder andere Formate persönlicher Kommunikation werden häufig als wirksamste und effizienteste Kommunikationsform angesehen, da sie mehrere Funktionen wie Information, Interaktion und Orientierung erfüllen. Quirke (2008, S. 177) plädiert für den umfassenden Einsatz von persönlicher Kommunikation in der internen Kommunikation, die er in vier Stufen einteilt: (1) „Content“ umfasst die (mediale) Infrastruktur, über die relevante Informationen an die internen Stakeholder gelangt, während beim (2) „context“ die Rolle der Führungskräfte betont wird, die Hintergründe und Interpretationen zu den Informationen ergänzen. Unter (3) „conversation“ wird die anschließende persönliche Kommunikation zu diesen Themen verstanden und (4) „feedback“ dient als Rückkopplung, ob die Botschaften richtig verstanden wurden. Die Formate der persönlichen Kommunikation differenzieren sich dabei weiter aus und reichen vom persönlichen (Mitarbeiter-) Gespräch bis hin zu Events, Mitarbeiter- bzw. Betriebsversammlungen. Diese persönlichen Formate sind ebenfalls für die ARV-Kommunikation denkbar.
Als besonderes persönliches Format für Führungskräfte soll hier ein organisiertes Essen mit der Unternehmensführung herausgehoben werden. Bei Führungskräften kann dies zu Motivation und Wertschätzung führen, während das Top-Management die Chance erhält, informell und ohne Filter, informiert zu werden und Stimmungen aufzunehmen (Mast & Huck-Sandhu, 2019, S. 303).
Eine steigende Bedeutung der internen Kommunikation generell begründet sich jedoch u. a. auf der veränderten Stellung von Mitarbeitenden. Mitarbeitende können einen Wettbewerbsvorteil für Unternehmen darstellen, daher wird um qualifizierte Mitarbeitende und Führungskräfte konkurriert. Die besten Köpfe ans Unternehmen zu binden sowie optimale interne Kommunikationsabläufe sicherzustellen, stellen wichtige Herausforderungen für Unternehmen dar (Mast & Huck-Sandhu, 2019, S. 285). Die Erkenntnisse zur internen Kommunikationsforschung verdeutlichen insbesondere die Vermittlerrolle von Führungskräften in der Unternehmensöffentlichkeit.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass aus Sicht der Corporate-Governance-Forschung der Vorstand, und dabei insbesondere Vorstandsvorsitzende, bisher der einzige interne Stakeholder für eine interne Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden ist. Dabei stehen einerseits die Informationsversorgung des Aufsichtsratsgremiums und andererseits die Beratungen zur Unternehmensentwicklung mit dem Vorstand im Vordergrund (Abschnitt 3.​3). Wie dieser Dialog konkret stattfindet, wird im empirischen Teil der Arbeit analysiert.
Des Weiteren wird in der Corporate-Governance-Forschung auch ein Blick auf die Kommunikation innerhalb des Aufsichtsratsgremiums geworfen, z. B. in Bezug auf die Bildung von Gremien und Effizienz der Arbeit. Die Forschung zur internen Kommunikation ist bislang noch nicht auf die Kommunikation innerhalb des Gremiums eingegangen. Die Aufsichtsratsmitglieder lassen sich auch nicht als Stakeholder der internen Kommunikation verorten. Erstens sind sie keine Führungskräfte des Unternehmens und zweitens steht der Aufsichtsrat als Überwachungsgremium außerhalb des operativen Unternehmenshandelns. Aus Sicht der ARV-Kommunikation soll im empirischen Teil auf den Austausch innerhalb des Aufsichtsratsgremiums eingegangen werden.
Führungskräfte könnten daher ebenfalls eine relevante Stakeholdergruppe für die ARV-Kommunikation sein: Eine zentrale Aufgabe des Aufsichtsrats ist die Besetzung und damit Nachfolgeplanung des Vorstands. So könnten durch eine persönliche Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden mit den wichtigsten Führungskräften des Unternehmens, eventuell Nachfolgekandidaten für den amtierenden Vorstand gefunden werden.
Eine direkte Kommunikation zwischen Aufsichtsratsvorsitzenden und Führungskräften, aber auch Mitarbeitenden, ist jedoch auch kritisch zu betrachten, da dies bislang strukturell nicht vorgesehen ist. So berichten Führungskräfte hierarchisch an den Vorstand, dazu kommt, dass es generell kein Informationsrecht des Aufsichtsrats in Bezug auf Mitarbeitende gibt. Daher soll im Rahmen der Analyse des Kommunikationsmanagements für Aufsichtsratsvorsitzende empirisch überprüft werden, inwiefern es interne Kommunikationsmaßnahmen von Aufsichtsratsvorsitzenden mit Führungskräften oder allen Mitarbeitenden gibt.

4.2.2 Public Relations: Legitimität und die besondere Rolle von Media Relations

Die Aufgaben des Aufsichtsrats beziehen sich auf die Überwachung und Beratung des Unternehmens, eine Kommunikation dazu ist aus aktienrechtlicher Sicht nur zu definierten Anlässen vorgesehen (Abschnitt 3.​2). Doch die Veränderung des empirischen Phänomens der Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden zeigt sich insbesondere anhand einer intensivierenden medialen Thematisierung von Corporate-Governance-Themen sowie vermehrten Interviews von Aufsichtsratsvorsitzenden. Um diese freiwillige Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden im Rahmen der Kommunikationsmanagements verorten zu können, soll im Folgenden das Handlungsfeld Public Relations (PR) eingeführt werden.
Public Relations agiert in verschiedenen Kommunikationsarenen des Unternehmens, u. a. der gesellschaftspolitischen Öffentlichkeit, in der Medien die zentrale Vermittlerrolle einnehmen (Abschnitt 4.1.1). Nach einer kurzen Darstellung des traditionsreichen Forschungsfelds der Public Relations, werden Ziele und Stakeholder der Public Relations dargestellt. Der Fokus wird dabei auf die Media Relations als wichtige PR-Form gelegt. Zudem wird bei den Themen ein vertiefter Blick auf Corporate Social Responsibility geworfen, die als Thema für die ARV-Kommunikation besonders relevant sein könnte. Auf dieser Basis kann dann in der empirischen Analyse überprüft werden, inwiefern die medial wahrnehmbaren freiwilligen Kommunikationsmaßnahmen von Aufsichtsratsvorsitzenden im Rahmen des Kommunikationsmanagements verortet werden können.
Für den Begriff Public Relations (deutsch meist mit Öffentlichkeitsarbeit übersetzt) existieren – wie für die meisten sozial- und kommunikationswissenschaftlichen Grundbegriffe – eine Vielzahl an Definitionen. Wie bereits erwähnt, wird PR teilweise mit Kommunikationsmanagement gleichgesetzt oder als Handlungsfeld des Kommunikationsmanagements beschrieben (Abschnitt 4.2). Die Definitionen und Begrifflichkeiten unterscheiden sich anhand der eingenommenen Perspektiven und Fragestellungen. „Public Relations has struggled with an identity crisis and has failed to adopt an accepted definition of what it is nor agreed to what it does“ (L’Etang, 2008, S. 90). Eine erste Systematisierung der damals 472 PR-Definitionen stammt bereits von Harlow (1976). Der Autor liefert zugleich eine Meta-Definition von PR:
„Public relations is the distinctive management function which helps establish and maintain mutual lines of communication, understanding, acceptance and cooperation between an organization and its publics; involves the management of problems or issues; helps management to keep informed on and responsive to public opinion; defines and emphasizes the responsibility of management to serve the public interest; helps management keep abreast of an effectively utilize change, serving as an early warning system to help anticipate trends; and uses research and sound and ethical communication techniques as its principal tools“ (Harlow, 1976, S. 36).
Diese Definition nennt bereits viele zentrale Merkmale und Funktionen von PR, wie etwa den zweiseitigen Prozess, die Ziele Verständnis und Akzeptanz und den Ausgleich von ökonomischen Zielen mit sozial verantwortlichem Verhalten. Jedoch werden Begriffe nur aufgezählt und nicht erklärt, zudem wird die externe Dimension der PR-Funktion vernachlässigt. Nach Fröhlich (2015) können PR-Definitionen in dreierlei Hinsicht systematisiert werden:
(1)
Abgrenzung nach Quellen: Alltagsdefinitionen, Praxis- bzw. Berufsfelddefinitionen und wissenschaftliche Definitionen
 
(2)
Abgrenzung anhand der Betrachtungsperspektive: Akteurs- (mikro), Organisations- (meso) oder Gesellschaftsperspektive (makro)
 
(3)
Abgrenzung der PR von anderen Formen der öffentlichen Kommunikation wie Journalismus, Werbung/Marketing und Propaganda
 
Die meisten Ansätze analysieren Public Relations aus einer Meso-Perspektive als organisatorische Managementfunktion oder organisatorisches Subsystem (Wehmeier, 2008, S. 224). In dieser Arbeit wird Public Relations aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht als Kommunikationsfunktion von Unternehmen betrachtet. Public Relations wird demnach verstanden als
„gemanagte Kommunikation nach innen und außen […], die das Ziel verfolgt, organisationale Interessen zu vertreten und Organisationen gesellschaftlich zu legitimieren. PR wird hierbei als Teilbereich der Organisationskommunikation bzw. der Unternehmenskommunikation angesehen, mittels derer die Kommunikationsbeziehungen zwischen Organisation und Umwelt hergestellt, gestaltet und auf Dauer gestellt werden sollen. Dabei spielen sowohl interne wie externe Stakeholder, d. h. Personen oder Gruppen, die das Organisationshandeln beeinflussen können oder von diesem tangiert werden, eine Rolle. Die externe PR-Kommunikation richtet sich insbesondere an das gesellschaftspolitische Umfeld der Organisation“ (Röttger et al., 2018, S. 7).
Public Relations ist ein interdisziplinäres Forschungsfeld mit Beiträgen aus der Kommunikationswissenschaft, Betriebswirtschaft und Organisationssoziologie. Sandhu (2012, S. 33) systematisiert die Forschungsfelder und Grundfragen der PR anhand der einfachen und heute noch häufig zitierten Definition „PR is the management of communication between an organization and its publics“ (Grunig & Hunt, 1984, S. 8). Das unterschiedliche Verständnis von Kommunikation und theoretische Perspektiven würden dazu führen, dass es kaum integrative Theorien gebe, die die Überlegungen miteinander verbinden. Demnach gebe es in der PR-Forschung keine dominierende theoretische Perspektive. Sandhu (2012, S. 29) schlägt basierend auf allgemeinen sozialwissenschaftlichen Paradigmen eine Systematisierung der PR-Theorien in funktionale, symbolisch-interpretative und kritisch-postmoderne Ansätze vor. Schließlich führen die verschiedenen Grundannahmen auch zu unterschiedlichen Funktionen bzw. Zielen der PR.
Die in dieser Arbeit gewählte funktional-positivistische Perspektive lässt sich anhand der Ansätze von Grunig & Hunt (1984) und Zerfaß (2010) illustrieren. Im Beitrag von Grunig & Hunt (1984) wird zwischen den vier Idealtypen Pressearbeit, Information, asymmetrische bzw. einseitige und symmetrische bzw. zweiseitige Kommunikation mit jeweils verschiedenen Zielen und Kommunikationsmodellen unterschieden. Trotz vielfacher Kritik, auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll, kann das Modell als wichtiger Referenzpunkt für die (funktionale) PR-Forschung angesehen werden (Sandhu, 2012, S. 51).
Ziele und Stakeholder der Public Relations
Zerfaß (2010) integriert mithilfe der Strukturationstheorie kommunikations- und betriebswirtschaftliche Prämissen und entwickelt eine für das Management kompatible Zielhierarchie für die PR (Abbildung 4.7).
Die obersten Ziele sind demnach die Integration und die Strukturierung von sozialen Beziehungen (im Nah- bzw. Fernbereich). Nachgelagert finden sich als primäre PR-Ziele die intentionale bzw. situationsbezogene Einflussnahme sowie Verständigung als sekundäres PR-Ziel. Verschiedene Stile, verstanden als Argumentation, Persuasion und Information werden an diese Ziele gekoppelt.
Durch den Aufbau von Beziehungen verfolgt Public Relations das Ziel der Legitimität und Sicherung der „license to operate“ (Zerfaß, 2014, S. 29) für Unternehmen. Legitimität wird verstanden als kollektive und generalisierbare Wahrnehmung von bestimmten Gruppen oder Publika innerhalb und außerhalb des Unternehmens (Sandhu, 2012, S. 176). Sie urteilen über die Handlungen bzw. Aussagen eines Unternehmens als Ganzes. Public Relations trägt durch Beobachtung zur Förderung und Stabilisierung von Kommunikationsbeziehungen bei. Indem intern und extern die Wahrnehmungen aufgenommen und geprägt werden, kann Legitimität geschaffen und gesichert werden (Röttger et al., 2018, S. 15). Hier zeigen sich Ansätze für die ARV-Kommunikation, da der Aufsichtsrat als zentrales Überwachungsorgan den Rahmen für die Corporate Governance setzt, die ebenfalls wichtig für die Einbindung des Unternehmens in sein Umfeld ist.
Public Relations agiert, im Gegensatz zu anderen Handlungsfeldern der Unternehmenskommunikation, in unterschiedlichen Kommunikationsarenen, sodass verschiedene Stakeholder angesprochen werden. Dies betrifft vor allem
  • Akteure in der gesellschaftspolitischen Öffentlichkeit, also Bürger, gesellschaftspolitische Meinungsführer und die Medien, sowie
  • weitere soziokulturelle Öffentlichkeiten und damit mit Stakeholdern wie etwa Anwohner, NGOs, Wissenschaftler etc. (Zerfaß, 2010, S. 105 f.).
Die zweite Gruppe wird mithilfe eines breiten Spektrums an direkten und massenmedialen Kommunikationsaktivitäten angesprochen. Public Relations kann dafür eigene Foren und Kommunikationskanäle schaffen, wie redaktionelle Angebote oder Dialogplattformen, oder bestehende Plattformen oder Veranstaltungen für ihre Zwecke nutzen (Zerfaß, 2014, S. 54). Ziel dabei ist es, zu beobachten und diese Erkenntnisse für eigene Strategien zu nutzen, aber auch die Interessen beider Seiten zu klären und den Aufbau von Vertrauen zu unterstützen.
Darüber hinaus nehmen Medien, wie bereits in Abschnitt 4.1.1 beschrieben, eine wichtige Vermittlerrolle in der gesellschaftspolitischen Öffentlichkeitsarena wahr. Auf Seiten der Unternehmen ist daher die Presse- und Medienarbeit (Media Relations) von besonderer Relevanz. Darunter verstanden werden
„alle Steuerungsversuche gegenüber der Zwischenzielgruppe der Journalisten bzw. der journalistischen Medien, um damit indirekt die journalistischen Publika als eigentliche Zielgruppe der Unternehmenskommunikation zu erreichen“ (Hoffjann, 2014, S. 680).
Themen und Instrumente der Media Relations als wichtige PR-Umsetzungsform
Das Spektrum der Instrumente der Media Relations reicht, neben der Beziehungspflege zu Journalisten über persönliche Kontakte und (Hintergrund-)Gesprächen, von Pressemitteilungen und -konferenzen über aufmerksamkeitsstarke Pseudo-Events oder Imagekampagnen (Röttger, 2018, S. 158; Zerfaß, 2014, S. 55). So werden z. B. Informationen zu Entscheidungen des Aufsichtsrats, wie etwa der Neubesetzung des Vorstands, als Pressemitteilung an Medien versendet.
Es gibt jedoch verschiedene Gründe, warum sich die klassische Presse- und Medienarbeit weiter verändert. Durch Social Media verändern sich journalistische Informationsquellen und die Mediennutzung jüngerer Zielgruppen (Hoffjann, 2014, S. 687). Dazu kommen neue Intermediäre, wie etwa Influencer, mit denen die Zusammenarbeit erst neu etabliert werden muss, um diese im Sinne der Unternehmen nutzen zu können (Schach & Lommatzsch, 2018).
Die Auswahl von Themen in den Media Relations orientiert sich primär an den eigenen unternehmerischen Interessen, und erst sekundär an den Interessen der relevanten Zielgruppen sowie tertiär an den journalistischen Interessen. Die Steuerung erfolgt konkreter mit dem Blick auf verschiedene Strategien in Bezug auf die Sach-, Sozial- und Zeitdimension (Hoffjann, 2014, S. 681–683). Auf der Sachebene versuchen die Media Relations sich den Arbeitsprozessen einer Redaktion anzunähern, das bedeutet z. B., dass Nachrichtenfaktoren, wie Personalisierung oder räumliche Nähe, sowie eine journalistische Sprache genutzt und Inhalte visualisiert werden, um die Übernahmewahrscheinlichkeit des Themas zu erhöhen. In der Sozialdimension werden der Status des Unternehmens sowie Exklusivitätsversprechen instrumentalisiert. Schließlich ist in der Zeitdimension eine Anpassung an den Redaktionsschluss sowie nachrichtenarme bzw. nachrichtenintensive Zeiten zu erkennen.
An dieser Stelle soll exemplarisch das Thema Corporate Social Responsibility (CSR) betrachtet werden, dessen Kommunikation häufig in der Public-Relations-Funktion verankert ist. Denn aufgrund neuer Prüfungspflichten des Aufsichtsrats kann es zukünftig relevant für seine (freiwillige) Kommunikation sein.
Die Globalisierung von Konzernen und die gleichzeitig ausdifferenzierten, lokal und kulturell verankerten Interessen verschiedener Stakeholder, insbesondere in Bezug auf externe Effekte wie Klima, Energie etc., haben den Legitimationsbedarf von Unternehmen weiter gesteigert. Die Kommunikation zur gesellschaftlichen Verantwortung, Corporate Social Responsibility, ist heute für alle Unternehmen von zentraler Bedeutung. CSR kann nach Carroll (1991, S. 42) im weiteren Sinne verstanden werden als Verantwortung von Unternehmen in den Teilbereichen ökonomische Verantwortung („be profitable“), juristische Verantwortung („obey the law“), ethische Verantwortung („be ethical“) und philanthropische Verantwortung („be a good corporate citizen“). Die engere Definition von CSR der Europäischen Kommission gilt jedoch als Treiber der Debatte in Europa. Die 2011 veröffentlichte Definition streicht das vorherige Kriterium der Freiwilligkeit und definiert CSR als „die Verantwortung von Unternehmen auf ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft“, wobei
„soziale, ökologische, ethische, Menschenrechts- und Verbraucherbelange in einer Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsführung und in ihre Kernstrategie integriert werden“ (EU-Kommission, 2011, S. 7).
Aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive nennen Schultz & Wehmeier (2010) vier Treiber für CSR-Aktivitäten und deren Kommunikation: Wettbewerb, regulative Normen, Berufsnormen und organisationsinterne Normen und öffentlicher Druck. Ziel sei dabei einerseits ein möglicher Wettbewerbsvorteil sowie andererseits die Unterstützung der Public-Relations-Ziele Reputation, Vertrauen und Legitimation.
Eisenegger & Schranz (2011, S. 87) halten drei Herangehensweisen in Bezug auf CSR-Kommunikation und Reputation fest: (1) CSR-Kommunikation als Teil der Reputation eines Unternehmens, also bspw. den Ruf sozial und ökologisch verantwortungsvoll zu sein; (2) CSR als zentraler Einflussfaktor auf die Reputation, hier können sich sowohl positive als auch negative Effekte zeigen; (3) die Wirkung von CSR-Aktivitäten auf die Reputation, wobei betont wird, dass sich ein Engagement insbesondere für Unternehmen auszahle, die bereits eine positive Reputation haben. Die Herstellung von Legitimation sei nicht Teil eines rationalen Diskurses, sondern vielmehr ein Aushandlungsprozess in der gesellschaftspolitischen Arena. Die Kommunikation der Aktivitäten in Bezug auf die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen würden dabei ein bestimmtes Deutungsmuster bilden, das von den Akteuren der Arena verarbeitet werde (Raupp, 2011, S. 109).
Viele Unternehmen kommunizieren ihre CSR-Aktivitäten ausführlich auf der Corporate Website bzw. in spezifischen Publikationen. Zudem veröffentlichen fast alle deutschen Großunternehmen einen CSR- bzw. Nachhaltigkeitsbericht. Mit dem CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG) sind kapitalmarktorientierte Unternehmen seit 2018 dazu verpflichtet ihre Lageberichterstattung, um eine nichtfinanzielle Erklärung zu erweitern oder einen gesonderten nichtfinanziellen Bericht zu veröffentlichen. Der Aufsichtsrat muss diese nichtfinanzielle Erklärung im Rahmen seiner Überwachungstätigkeit prüfen. Daraus kann sich eine Pflichtkommunikation, im Rahmen der definierten Veröffentlichungspflichten des Aufsichtsrats, ergeben, ebenso wie eine freiwillige Kommunikation in Interviews oder Hintergrundgesprächen, wenn Aufsichtsratsvorsitzende die Relevanz des Themas für das Gremium hervorheben möchten.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Kommunikation mit Medienvertretern aus Sicht der bisherigen Corporate-Governance-Forschung zu Aufsichtsräten nicht mitgedacht wurde. Als empirisches Phänomen finden sich jedoch vermehrt Interviews mit Aufsichtsratsvorsitzenden. Dabei handelt es sich um eine freiwillige externe Kommunikation, die auf Unternehmensseite von der Public-Relations-Funktion unterstützt wird. Medien bzw. Journalisten können daher als relevante Stakeholdergruppe für die ARV-Kommunikation etabliert werden. Aus Sicht der Public bzw. Media Relations mit seinen vielfältigen Instrumenten sind für die ARV-Kommunikation vor allem Interviews oder Hintergrundgespräche denkbar. Im Rahmen der empirischen Analyse soll daher untersucht werden, welche freiwilligen Medienaktivitäten von Aufsichtsratsvorsitzenden es gibt und inwiefern diese im Rahmen des Kommunikationsmanagements verortet werden können. Zudem soll analysiert werden, welche Rolle der PR-Funktion für die ARV-Kommunikation einnimmt. Weiterhin stellt sich insbesondere die Frage, welche Ziele mit dieser freiwilligen Kommunikation verfolgt werden.

4.2.3 Investor Relations: Beziehungspflege zu Kapitalmarktakteuren

Der Aufsichtsrat als gewählte Vertretung der Aktionäre nimmt wichtige Überwachungsaufgaben für die Anteilseigner des Unternehmens wahr (siehe Principal-Agent-Theorie in Abschnitt 3.​1). Für diese Aufgaben hat das Aktienrecht verschiedene Pflichtveröffentlichungen definiert, in denen der Aufsichtsrat über seine Tätigkeit Rechenschaft ablegen muss. Diese Veröffentlichungen werden im Rahmen der Unternehmenskommunikation umgesetzt (ausführlich dazu in Abschnitt 5.​1.​2). Zudem markiert die Aufnahme des Investorendialogs in den DCGK eine wichtige Entscheidung, die die Veränderung der Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden beeinflusst. Der Dialog mit Investoren liegt in der Verantwortung der Investor-Relations-Funktion, daher wird diese im Folgenden anhand ihrer Ziele und Stakeholder sowie Themen und Instrumente vorgestellt.
Der Begriff Investor Relations (IR) wurde 1953 erstmals von Ralph J. Cordiner, damaliger Aufsichtsratsvorsitzender des US-amerikanischen Unternehmens General Electric, eingeführt (Köhler, 2015, S. 1). Wie bereits in Abschnitt 4.1.2 beschrieben, hat sich in den vergangenen Jahren eine Globalisierung und Spezialisierung der Kapitalmärkte vollzogen und Investoren nehmen ihre Rechte aktiv wahr. Diese Entwicklung hat auf Seite der Unternehmen zur Etablierung der Investor Relations geführt. IR kann in vielen Ländern auch heute noch als junge Unternehmensfunktion betrachtet werden, die ihre Verantwortlichkeiten und Aufgaben hinterfragt – daher unterscheidet sich auch der Professionalisierungsgrad deutlich (Hoffmann, Tietz & Hammann, 2018, S. 297). Investor Relations beschreiben
„die strategische Managementaufgabe, Beziehungen des Unternehmens zu bestehen und potenziellen Eigen- und Fremdkapitalgebern sowie zu Kapitalmarktintermediären zu etablieren und zu pflegen“ (DIRK, 2020).
Die Definition des weltweit größten US-amerikanischen IR-Berufsverband legt in seiner Definition einen leicht anderen Schwerpunkt:
„Investor relations is a strategic management responsibility that integrates finance, communication, marketing and securities law compliance to enable the most effective two-way communication between a company, the financial community, and other constituencies, which ultimately contributes to a company’s securities achieving fair valuation“ (NIRI, 2003).
Die Begriffe Investor Relations, Finanzkommunikation oder Kapitalmarktkommunikation werden häufig synonym verwendet. Hoffmann & Tietz (2018) verorten die Verantwortung für die relevanten Aufgaben in diesem Themengebiet in zwei Unternehmensfunktionen: der Investor Relations und der Finanzkommunikation als Teil der Unternehmenskommunikation. Im Großteil der börsennotierten Unternehmen in Deutschland hat sich eine eigenständig Investor-Relations-Abteilung etabliert, die meist direkt an den Finanzvorstand berichtet (Hoffmann & Tietz, 2018, S. 8). Die Abstimmung zwischen den Funktionen bei Themen der Kapitalmarktkommunikation ist intensiv, aber meist informell und häufig anlassbezogen. Trotz vieler Gemeinsamkeiten haben die Abteilungen aber unterschiedliche Prioritäten, was vor allem durch die Erwartungen der jeweiligen Stakeholder sowie unterschiedlichen disziplinären Hintergründe bedingt ist (Hoffmann & Tietz, 2019, S. 2).
Investor Relations ist ein interdisziplinäres Forschungsfeld, das von kommunikationswissenschaftlichen und wirtschaftswissenschaftlichen Beiträgen bestimmt wird (Köhler, 2015, S. 15 ff.). Zunächst vor allem geprägt von Berichterstattungspflichten (Fama, 1980; Jensen & Meckling, 1976), hat sich Investor Relations schnell zu einer strategischen Kommunikationsfunktion entwickelt, die eine symmetrische Kommunikation mit den Anteilseignern sicherstellt (Kelly, Laskin & Rosenstein, 2010), eine Vermittlerrolle einnimmt (Rao & Sivakumar, 1999) sowie Beziehungen aufbaut und pflegt (Ledingham & Bruning, 1998). Auch Konzepte aus der PR-Forschung, wie Reputation (Mazzola, Ravasi & Gabbioneta, 2006), Image (Hoffmann & Fieseler, 2012) oder Sensemaking (Kuperman, 2003) wurden erfolgreich in der IR-Forschung angewandt. Die Forschung und Praxis unterteilt Investor Relations in vier Phasen: Compliance, freiwillige Offenlegung und nichtfinanzielle Indikatoren, strategische Kommunikation und Beziehungsmanagement (Hoffmann, 2018).
Hoffmann et al. (2018, S. 297 ff.) identifizieren in einer systematischen Literaturanalyse fünf Schwerpunkte in der bisherigen Forschung zu Investor Relations und Finanzkommunikation: (1) Organisation der IR im Unternehmen, (2) Kommunikationsstrategien, (3) Instrumente der IR, (4) Inhalte der Finanzkommunikation und (5) Kommunikationseffekte. Es bestehen jedoch Forschungslücken auf der Mikro-Ebene in Bezug auf die Akteure und Rollen innerhalb der Investor-Relations-Abteilungen, der Meso-Ebene in Bezug auf den Austausch mit anderen Unternehmensfunktionen sowie der Rolle von Vorstand und Aufsichtsrat. Zudem gibt es nur wenige Erkenntnisse zum Kommunikationsmanagement im Bereich Investor Relations. Auch Forschung zu spezifischen Situationen wie Mergers & Acquisitions oder Shareholder Aktivismus steht noch am Anfang, ebenso wie komparative Forschung (Hoffmann, 2018; Hoffmann et al., 2018, S. 305 f.).
Ziele, Funktionen und Stakeholder der Investor Relations
Kirchhoff & Piwinger (2014) zählen Ziele der Investor Relations auf, wobei es kommunikationspolitischen Ziele gibt, mit deren Hilfe die finanzwirtschaftlichen Ziele erreicht werden sollen. Zu den finanzwirtschaftlichen Zielen zählen die Senkung der Eigenkapitalkosten, eine geringe Schwankung des Aktienkurses, die Beeinflussung der Aktionärsstruktur sowie der Zugang zu global verfügbarem Kapital. Weitere Ziele sind der Schutz vor feindlichen Übernahmen, die Unterstützung bei der Bewältigung von Unternehmenskrisen, die Implementierung von M&A-Strategien und ein hoher Aktienkurs als Akquisitionswährung (Kirchhoff & Piwinger, 2014, S. 1084–1085). Als kommunikationspolitische Ziele werden angeführt den wahren Unternehmenswert zu zeigen, den Bekanntheitsgrad zu steigern, das Unternehmen in der Branche zu positionieren und das Image positiv zu beeinflussen. Darüber hinaus sollen Informationsstandards verbessert werden, das Vertrauen bei der Financial Community aufgebaut und die Attraktivität für (neue) Mitarbeitende gesteigert werden (Kirchhoff & Piwinger, 2014, S. 1085–1086). Die genannten Ziele sind nur bedingt in ihrer Gänze empirisch untersucht.
Achleitner & Bassen (2001) stellen über die finanzwirtschaftlichen und kommunikationspolitischen Ziele der Investor Relations noch die langfristige maximale, faire Aktienbewertung sowie die Steigerung des Unternehmenswertes als Oberziele der Investor Relations (Abbildung 4.8). Der Aufsichtsrat vertritt die Gesamtheit der Interessen der verschiedenen Aktionäre, worunter die Steigerung des Unternehmenswertes und eine faire Aktienbewertung gefasst werden könnte. Umfassende Informationen zum Unternehmen, auch zu den Entscheidungen des Aufsichtsrats, könnten zum Vertrauen und der Beziehungspflege mit den Investoren beitragen.
Zur Systematisierung unterschiedlicher Funktionen und Aufgaben innerhalb der Investor Relations eignet sich die Typologie der Investor Relations von Köhler (2015). Dabei werden fünf Rollenverständnisse und Funktionen unterschieden:
  • Unter der Informationspflicht wird primär die Erfüllung der regulatorischen Pflichten verstanden.
  • Im Rahmen der Kommunikationsfunktion wird Investor Relations als Teil der Unternehmenskommunikation verstanden, mit dem Ziel langfristige Beziehungen zu Kapitalmarktakteuren aufzubauen und eine One-Voice-Policy sicherzustellen.
  • Die Marketingfunktion beschreibt die Vermarktung der Aktie mit dem Ziel der Maximierung des Aktienkurses und eines positiven Unternehmensimages.
  • Als Finanzfunktion wird der Beitrag der IR zur Refinanzierung, Kapitalaufnahme und Sicherstellung der Verfügbarkeit finanzieller Mittel für Investitionen verstanden. Indem Informationsasymmetrien zwischen Unternehmen und Kapitalmarkt abgebaut werden, können Kapitalkosten optimiert werden.
  • Die integrierte Funktion steht für die IR als eigenständige Funktionseinheit im Unternehmen, die sowohl Finanz- und Kommunikationsfunktion als auch Themen wie Strategie, M&A, Corporate Governance, Nachhaltigkeit oder Unternehmensentwicklung verbindet. Hierbei steht die interne Beraterfunktion der Investor Relations für die Unternehmensführung im Fokus, die auch dazu führt, dass IR-Verantwortliche als adäquate Ansprechpartner für Kapitalmarktakteure wahrgenommen werden (Köhler, 2015, S. 239).
Während der erstgenannte Typ reaktiv informiert, treten die anderen Typen proaktiv und über die gesetzlichen Anforderungen hinaus mit dem Kapitalmarkt in Interaktion. In Bezug auf den Investorendialog könnte der IR eine wichtige Funktion als Berater von Aufsichtsratsvorsitzenden zukommen, da die IR-Verantwortlichen die Aktionärsstruktur kennen und Erwartungen antizipieren können.
Die Investor Relations agieren als Bindeglied zwischen dem Unternehmen und den vielfältigen Stakeholdern in der Financial Community (Achleitner et al., 2008, S. 271–274; Kirchhoff & Piwinger, 2014, S. 1086–1088) – diese wurden bereits als Akteure in der Kapitalmarktöffentlichkeit in Abschnitt 4.1.2 ausführlich beschrieben und sollen daher nur noch einmal aufgezählt werden:
  • Institutionelle Investoren
  • Privatinvestoren
  • Analysten
  • Stimmrechtsberater
  • Finanz- und Wirtschaftsmedien
Darüber hinaus sind interne Stakeholder, wie Vorstand und Aufsichtsrat sowie die Mitarbeitenden, relevante Zielgruppen für die IR-Arbeit (Hoffmann & Tietz, 2018, S. 6). Hinsichtlich der Anspruchsgruppen gibt es eine klare Aufgabenteilung zwischen der Investor-Relations-Abteilung und Finanzkommunikation als Teil der Abteilung Unternehmenskommunikation: Journalisten werden in rund 80 Prozent der deutschen Prime-Standard-Unternehmen vorrangig von der Unternehmenskommunikation bedient, während der Kontakt zu Analysten, Investoren und Stimmrechtsberatern der IR-Abteilung vorbehalten ist (Hoffmann & Tietz, 2019, S. 8).
Themen und Instrumente der Investor Relations
Ein großer Teil der IR-Arbeit ist von den Publizitätspflichten bestimmt, also gesetzlichen Anforderungen an die Kommunikation von börsennotierten Unternehmen. Für deutsche Aktiengesellschaften bzw. europäische Aktiengesellschaften, die an der Börse in Deutschland notiert sind, handelt es sich dabei sowohl um die Regelungen im deutschen wie europäischen Recht. Dazu zählen u. a. das Aktiengesetz, die Marktmissbrauchsverordnung (MMVO), die zweite europäische Finanzmarktrichtlinie (Markets in Financial Instruments Directive – MiFID II), die Zulassungsfolgepflichten aus dem Börsengesetz oder der Deutsche Corporate Governance Kodex. Auf die relevanten Publizitätspflichten von Unternehmen im Rahmen der Corporate Governance bzw. für den Aufsichtsrat wird in Abschnitt 5.​1.​2 detailliert eingegangen. Diese Inhalte der wiederkehrenden Publizitätspflichten sind in erster Linie vergangenheitsbezogen und finden sich im Jahresabschluss und als Lagebericht im Geschäftsbericht oder Quartals-/Halbjahresberichten wieder (Kirchhoff & Piwinger, 2014, S. 1091). Andere Publizitätspflichten, wie etwa die Ad-hoc-Publizität oder Directors Dealings, sind ereignisbezogen und müssen so bald wie möglich oder mit bestimmten Fristigkeiten veröffentlicht werden, sodass kein Kapitalmarktteilnehmer bevorteilt oder benachteiligt wird.
Zudem spielen Prognosen und zukunftsgerichtete Informationen des Unternehmens eine wichtige Rolle. Dazu gehören u. a. Daten zu erwarteten Konjunktur- und Währungsentwicklungen auf den relevanten Märkten (Achleitner et al., 2008, S. 275). Auch die Bedeutung von Nachhaltigkeitsthemen im Rahmen der nichtfinanziellen Berichterstattung nimmt zu. Investoren möchten ein möglichst komplettes Bild aller Informationen erhalten, um die Zukunft des Unternehmens bestmöglich beurteilen zu können (Fieseler, 2008, S. 188; Fieseler, Hoffmann & Meckel, 2008, S. 331 f.). Die Relevanz von Nachhaltigkeitsthemen für den Aufsichtsrat besteht also sowohl für die Akteure der Kapitalöffentlichkeit als auch der gesellschaftspolitischen Öffentlichkeit und damit der Public Relations (Abschnitt 4.2.2).
Neben den gesetzlich vorgeschriebenen Instrumenten, wie Jahres- und Quartalsberichten, der Hauptversammlung sowie weiteren Publizitätspflichten, nutzt die Investor-Relations-Abteilung eine Vielzahl von freiwilligen Instrumenten und Maßnahmen, um ihre Ziele zu erreichen. Dazu gehören Instrumente der asymmetrischen Kommunikation, wie die IR-Website, Factbooks und Pressemitteilungen, oder Veranstaltungsformate, wie Conference Calls/Webcasts, One-on-Ones, Roadshows, Presse-, Analysten- und Investorenkonferenzen, die auch einen Dialog befördern (Achleitner et al., 2008, S. 277–280; Hoffmann & Tietz, 2018, S. 7). Während E-Mails den am häufigsten genutzten Kanal darstellen, spielen dialogische oder personalisierte Formate, wie IR-Newsletter, Social Media oder IR-Apps eine untergeordnete Rolle (Hoffmann, Tietz, Fetzer & Winter, 2018, S. 29). Auch im digitalen Zeitalter wird der persönlichen Kommunikation in der Investor-Relations-Abteilung ein hoher Stellenwert zugeschrieben (Hoffmann & Tietz, 2018, S. 7).
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Investor Relations eine zentrale Rolle bei der Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden spielen. Durch die Anregung zum Investorendialog im Deutschen Corporate Governance Kodex kommt Aufsichtsratsvorsitzenden eine Rolle als Sprecher im Rahmen der Investor-Relations-Aktivitäten von Unternehmen zu. Inwiefern dieser Dialog im Rahmen des Kommunikationsmanagements verortet werden kann, soll bei der empirischen Analyse überprüft werden. Dabei wird auch interessant sein, welche Instrumente konkret für den Investorendialog genutzt werden. Weiterhin stellt sich insbesondere die Frage, ob definierte Kommunikationsziele mit dem Investorendialog verfolgt werden.

4.2.4 Schlussfolgerung

Die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden wird in dieser Arbeit aus zwei Perspektiven betrachtet: der externen und internen Perspektive. Bei der Darstellung der Öffentlichkeitsarenen in Abschnitt 4.1 wurde mit der gesellschaftspolitischen Arena und Kapitalmarktarena ein detaillierter Blick auf die externe Perspektive und unternehmensexternen agierenden Akteure gelegt. Zudem wurde auch die Unternehmensöffentlichkeit als interne Perspektive eingeführt. In Abschnitt 4.2 wurde nun das Kommunikationsmanagement und die Handlungsfelder der Unternehmenskommunikation eingeführt, um die kommunikationswissenschaftlichen Grundlagen für die interne Unternehmensperspektive der ARV-Kommunikation zu legen.
Mit dem in dieser Arbeit gewählten Blickwinkel des Kommunikationsmanagements sollen Kommunikationsprozesse in Unternehmen gesteuert werden, mit dem Ziel einen Beitrag zu den Unternehmenszielen und zur Wertschöpfung zu leisten (Zerfaß & Volk, 2020). Kommunikationsmanagement ist damit auch eine Managementfunktion, deren Handlungen im Gesamtkontext des Unternehmens analysiert werden können. Das dabei zugrunde liegende Verständnis ist, dass die Kommunikationsstrategie von der Unternehmensstrategie abgeleitet wird. Daraus lassen sich dann entsprechend Ziele ableiten, deren Beitrag auf verschiedenen Wirkungsstufen gemessen werden kann. Beim Bezugsrahmen der DPRG & ICV (2011, S. 14) ist dies, als ein Beispiel, auf der höchsten Ebene – des Outflows – der Einfluss der Kommunikation auf die strategischen oder finanziellen Ziele des Unternehmens bzw. der materiellen und immateriellen Ressourcen. Auch wenn diese Logik ein Fundament der Forschung zu strategischer Kommunikation und Kommunikationsmanagement darstellt, sind die empirischen Belege für die Verzahnung noch rar (Volk & Zerfaß, 2018).
Für die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden lässt sich dieses Verständnis aus verschiedenen Gründen jedoch nicht übertragen. Im dualistischen System der Unternehmensführung ist der Aufsichtsrat als Organ für die Unternehmenskontrolle und der Vorstand für die strategische und operative Unternehmensführung zuständig. Der Aufsichtsrat setzt demnach als Hüter der Corporate Governance den Rahmen für das Handeln des Vorstands. Auch die Unternehmensstrategie gehört zu den Beratungen zwischen den beiden Gremien. Der Aufsichtsrat hat jedoch keine Rolle in der Umsetzung der Strategie, vielmehr überwacht er die Implementierung fortlaufend. Eine seiner zentralen Handlungsoptionen ist dabei, den Vorstand so personell aufzustellen, dass dieser den langfristigen und nachhaltigen Erfolg des Unternehmens verfolgt und sicherstellt. Da der Aufsichtsrat demnach nicht der Unternehmensstrategie untersteht, können die Kommunikationsziele für Aufsichtsratsvorsitzende auch nicht aus der Unternehmensstrategie bzw. Kommunikationsstrategie abgeleitet werden. Vielmehr müssen Kommunikationsziele für Aufsichtsratsvorsitzende aus ihren Aufgaben abgeleitet werden. Daher wird in Abschnitt 5.​2 theoretisch hergeleitet, welche Ziele es für die ARV-Kommunikation geben kann.
Im weiteren Verlauf der Arbeit wird die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden aus der Perspektive des Kommunikationsmanagements betrachtet, indem die Kommunikationsprozesse anhand der Phasen Analyse, Planung, Organisation, Umsetzung und Evaluation gesteuert werden können.
Dafür wurden die Phasen des Kommunikationsmanagements dargestellt, um auf dieser Basis die ARV-Kommunikation darin verorten zu können. In der Analysephase geht es um die systematische Erfassung des (kommunikativen) Beziehungsgeflechts zwischen Unternehmen, internen und externen Stakeholdern und der öffentlichen Meinungsbildung in den relevanten Öffentlichkeitsarenen. Auch für die ARV-Kommunikation sollte es eine Analyse von relevanten aufsichtsratsspezifischen Themen und Trends geben. Dies wäre z. B. die Wahrnehmung zu Themen, wie Diversität oder Vergütung von Vorständen, um diese mit den unternehmenseigenen Strukturen abgleichen zu können. Auch die Erwartungen an die ARV-Kommunikation von den verschiedenen Anspruchsgruppen sollten systematisch erfasst werden. Als Beispiel könnte es, durch die Anregung zum Investorendialog im DCGK, die aus strukturationstheoretischer Perspektive eine Norm darstellt, zu einer Veränderung der Erwartungshaltung von Investoren gekommen sein. Weiterhin sollte das (kommunikative) Beziehungsnetzwerk von Aufsichtsratsvorsitzenden aus bisherigen Positionen erfasst werden. In dem Zusammenhang könnte auch die Fähigkeit zur Mobilisierung von Öffentlichkeit durch den ARV analysiert werden – beides stellt autoritative Ressourcen der ARV-Kommunikation dar. Zudem gehört zur Analyse, inwiefern Aufsichtsratsvorsitzende über allokative Ressourcen verfügen, z. B. eine personelle Unterstützung durch die Kommunikationsfunktionen. Im Rahmen der empirischen Analyse soll daher geklärt werden, inwiefern eine Situationsanalyse für die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden stattfindet. Schließlich bilden die Erkenntnisse der Analysephase idealtypisch die Grundlage für die weiteren Phasen des Kommunikationsmanagements.
Die Planungsphase beinhaltet die Formulierung von konkreten Kommunikationsstrategien und daraus systematisch abgeleiteten Zielen für die Kommunikation. Da die ARV-Kommunikation nicht nach dem bisherigen Verständnis auf die Unternehmensstrategie einzahlen kann, soll daher zunächst theoretisch hergeleitet (Abschnitt 5.​2) und dann auch empirisch untersucht werden, welche Ziele es für die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden gibt. Ein weiterer Teil der Planungsphase ist die Definition einer angestrebten Positionierung, wobei hier überprüft werden soll, ob von den Unternehmen eine spezifische Positionierung für den Aufsichtsratsvorsitzenden verfolgt wird. Des Weiteren wird auch relevant sein, inwiefern der ARV-Kommunikation in der Planungsphase autoritative Ressourcen, wie ein Budget sowie personelle Kapazitäten, zugeordnet werden.
In der Phase der Organisation geht es um die Einbindung der Kommunikationsabteilungen. Hier soll empirisch überprüft werden, welche Verantwortlichkeiten die Investor-Relations- sowie die Public-Relations-Abteilungen bei der ARV-Kommunikation innehaben. Dabei ist z. B. interessant, ob es formelle oder informelle Wege für den Austausch zwischen den Kommunikationsfunktionen und den Aufsichtsratsvorsitzenden gibt. In Bezug auf die konkreten Kommunikationsmaßnahmen ist weiterhin interessant, inwiefern die Abteilungen bei der Umsetzung aktiv sind oder auch als Berater von Aufsichtsratsvorsitzenden agieren.
Schließlich soll in der Phase der Umsetzung empirisch erhoben werden, wie die Pflicht- sowie mögliche freiwillige Kommunikationsmaßnahmen für den Aufsichtsratsvorsitzenden konkret durchgeführt werden. Dazu gehört die Auswahl der jeweiligen Instrumente, also das persönliche Gespräch oder (massen-)mediale Kommunikation, ebenso wie die Koordination der operativen Prozesse, etwa beim neuen Investorendialog von Aufsichtsratsvorsitzenden.
In der fünften Phase der Evaluation wird mithilfe einer mitlaufenden Prozesskontrolle als auch Ergebniskontrolle überprüft, inwiefern die gesteckten Ziele durch Kommunikationsaktivitäten erreicht wurden. Daher soll empirisch überprüft werden, inwiefern eine Evaluation für die Kommunikationsmaßnahmen von Aufsichtsratsvorsitzenden stattfindet.
Dem Kommunikationsmanagement als zentrale Steuerungsfunktion kommt die Ergebnisverantwortung für die Kommunikationsaktivitäten des Unternehmens zu. Die Integration und Koordination der unterschiedlichen Interessen der internen und externen Stakeholder vollzieht sich in den verschiedenen Handlungsfeldern der Unternehmenskommunikation. Diese Handlungsfelder unterscheiden sich durch spezifische Strukturmomente, wie u. a. Stakeholder, Ziele, Themen und Instrumente. Für die ARV-Kommunikation sind dabei die interne Kommunikation, die Public Relations sowie Investor Relations relevant. Ihre kommunikativen Handlungen richten sich auf die bereits in Abschnitt 4.1 vorgestellten Öffentlichkeitsarenen.
In Bezug auf die interne Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden ist vor allem der CEO bzw. der Vorstand hervorzuheben, der aus Sicht der Corporate-Governance-Forschung der einzige interne Stakeholder für dessen Kommunikation ist. Dabei steht einerseits die Informationsversorgung des Aufsichtsratsgremiums und andererseits die Beratungen mit dem Vorstand im Vordergrund, in Abschnitt 5.​1.​1 wird dies detailliert dargestellt. Der Austausch der beiden Gremien ist durch das Aktienrecht definiert, das in diesem Zusammenhang strukturationstheoretisch als Norm angesehen werden kann. Die interne Kommunikationsfunktion nimmt dabei jedoch keine Rolle ein. Wie sich der Austausch zwischen den beiden Vorsitzenden konkret vollzieht, soll aber empirisch analysiert werden.
Innerhalb des Aufsichtsratsgremiums beziehen sich die Akteure auf spezifische Regeln und Ressourcen, z. B. durch ihre Position als Betriebsrat des Unternehmens oder Vorsitzender eines Aufsichtsratsgremiums. Im bisherigen Verständnis der Forschung zu interner Kommunikation sind die Aufsichtsratsmitglieder jedoch keine internen Stakeholder, da sie keine Führungskräfte des Unternehmens sind. Das Aufsichtsratsgremium ist zwar Teil des Unternehmens, hat als Überwachungsorgan jedoch keinen Einfluss auf das operative Unternehmenshandeln. Der Austausch innerhalb des Aufsichtsratsgremiums sowie eine an das Gremium gerichtete Kommunikation werden bisher nicht Teil der internen Kommunikationsforschung untersucht.
Jedoch können Entscheidungen, die im Aufsichtsratsgremium gefällt werden, z. B. ein (außer)planmäßiger Wechsel im Vorstand, wiederum eine Kommunikation im Handlungsfeld der internen Kommunikation nach sich ziehen. So ist es durchaus als relevantes Ziel anzusehen, dass alle Mitarbeitenden, die grundsätzlich nicht als Anspruchsgruppe für die ARV-Kommunikation anzusehen sind, über die Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats informiert werden. Aus diesem Grund soll im weiteren Verlauf der Arbeit untersucht werden, wie die Schnittstelle zwischen Aufsichtsratsvorsitzenden und Kommunikationsverantwortlichen in Bezug auf interne Kommunikation organisiert ist.
Die theoretischen Ausführungen zu internen Anspruchsgruppen und kommunikativen Zielen der internen Kommunikation erweitern den Blick auf die Führungskräfte des Unternehmens als relevante Anspruchsgruppe der ARV-Kommunikation. Den Führungskräften kommt in der Unternehmensöffentlichkeit eine zentrale Vermittlerrolle zwischen der Unternehmensführung und den Mitarbeitenden zu. Diese Scharnierfunktion der Führungskräfte wurde aufgrund der hierarchischen Berichtswege in der bisherigen Forschung vor allem auf den Vorstand als primäre Unternehmensführung bezogen. Ein Austausch zwischen Führungskräften und Aufsichtsratsvorsitzenden ist in der Forschung bislang weder analytisch verortet noch empirisch untersucht worden. Ein punktueller, persönlicher Austausch könnte jedoch für die ARV-Kommunikation relevant sein: So ist die Besetzung und Nachfolgeplanung des Vorstands eine zentrale Aufgabe für den Aufsichtsrat, dafür sollte er die Führungskräfte unterhalb des Vorstands kennen, um diese für die Nachfolgeplanung beurteilen zu können. Im Rahmen der empirischen Analyse soll daher untersucht werden, inwiefern es interne Kommunikationsmaßnahmen von Aufsichtsratsvorsitzenden gibt, die sich an Führungskräfte oder auch alle Mitarbeitenden richten.
Die Betrachtung der Handlungsfelder Public Relations und Investor Relations, als nach außen gerichteten Kommunikationsfunktionen, verbindet die Analyse der Strukturen innerhalb des Unternehmens mit den Ebenen außerhalb des Unternehmens, die in den Öffentlichkeitsarenen in Abschnitt 4.1.1 und 4.1.2 beschrieben wurden.
Die Forschung zu Public Relations bestätigt, dass die Medien eine externe Anspruchsgruppe für die ARV-Kommunikation darstellen. Weitere Stakeholder der PR, z. B. soziokulturelle Öffentlichkeiten wie Anwohner oder NGOs, beziehen sich in ihren Handlungen vor allem auf die operative Unternehmenstätigkeit und damit primär auf den Vorstand. Die Medien nehmen eine zentrale Vermittlerrolle in der gesellschaftspolitischen Öffentlichkeit ein, sie nehmen Themen auf und verdichten diese zur öffentlichen Agenda. Vor diesem Hintergrund könnte es relevant sein, den Austausch mit Medienvertretern zu suchen, wenn eine Entscheidung des Aufsichtsratsgremiums erklärungsbedürftig und eine Kommunikation über andere PR-Instrumente, wie Pressemitteilungen, nicht ausreichend erscheint.
Darüber hinaus gibt es auch Themen der PR, die in den Aufgabenbereich des Aufsichtsrats fallen. Dazu gehört z. B. die Diskussion um Diversität von Vorständen und Aufsichtsräten. Aufsichtsratsvorsitzende sind dabei diejenigen Sprecher des Unternehmens, die Entscheidungen erläutern können. Auch Corporate Social Responsibility gehört dazu, da der Aufsichtsrat die nichtfinanzielle Erklärung des Unternehmens im Rahmen seiner Überwachungstätigkeit prüfen muss. Schließlich soll der Aufsichtsrat in seiner Überwachung- und Beratungsfunktion für eine langfristige, nachhaltige Entwicklung des Unternehmens im Interesse der Anteilseigner und weiterer Stakeholder sorgen. Im weiteren Verlauf soll daher analysiert werden, inwiefern Überwachungs-, Risiko- und Nachhaltigkeitsthemen zu einer normativen Regel für die ARV-Kommunikation werden. Insgesamt kann für das Handlungsfeld der Public Relations festgehalten werden, dass es sich bei der ARV-Kommunikation mit Medien stets um freiwillige Kommunikationsmaßnahmen handelt. Daher werden bei der empirischen Analyse insbesondere die dahinterliegenden Ziele der Kommunikation sowie die Rolle der PR-Abteilung interessant sein.
Die Erkenntnisse aus der Investor-Relations-Forschung zeigen, dass die Akteure in der Kapitalmarktöffentlichkeit zu den wichtigen externen Anspruchsgruppen der ARV-Kommunikation zählen. Dazu gehören insbesondere Investoren, da durch die Aufnahme des Investorendialogs in den DCGK eine neue Norm für die ARV-Kommunikation entstanden ist. Im weiteren Verlauf der Arbeit werden die daraus resultierenden Erwartungen aus externer Perspektive analysiert, um sie der internen Perspektive gegenüberzustellen. Dabei wird interessant sein, welche Bedeutung dem Dialog aus Unternehmenssicht zugeschrieben wird und welche Ziele sowohl vom Unternehmen als auch den Investoren als Stakeholdern damit verfolgt werden. Auch die Rolle der IR-Abteilung beim Investorendialog von Aufsichtsratsvorsitzenden soll empirisch betrachtet werden.
In Bezug auf die Themen und Instrumente der IR lässt sich festhalten, dass die Information der Anteilseigner zur Aufsichtsratstätigkeit in spezifischen Publizitätspflichten im Aktienrecht definiert wird. Auf diese soll in Abschnitt 5.​1.​2 detailliert eingegangen werden, da sie als Normen strukturierend auf die Kommunikation wirken. Im Verlauf der Arbeit wird empirisch untersucht, inwiefern Aufsichtsratsvorsitzende bei der Erstellung dieser Publikationen auf die personellen Ressourcen der Kommunikationsfunktionen zurückgreifen können.
Zusammenfassend können mithilfe der theoretischen Erkenntnisse aus diesem Kapitel die Einblicke in die Unternehmensöffentlichkeit erweitert werden. Die Abbildung 4.4 aus Abschnitt 4.1.4 zu den Akteuren der Unternehmensöffentlichkeit wird dabei hinsichtlich des Kommunikationsmanagements und der bisherigen Kommunikationswege (Pfeile) in Abbildung 4.9 erweitert.
Demnach ist der Vorstand als primäre Unternehmensführung ein zentraler Kommunikator im Unternehmen. Seine Hauptaufgaben sind sowohl die Entwicklung einer Strategie für das Unternehmen als auch deren operative Umsetzung. In diesem Zusammenhang kommuniziert er z. B. mit den Führungskräften, Mitarbeitenden und Betriebsräten des Unternehmens. An das Kommunikationsmanagement werden dabei die kommunikativen Aufgaben des Unternehmens delegiert, sodass hier die Ergebnisverantwortung für die interne und externe Kommunikation des Unternehmens liegt. Wie beschrieben wird das Kommunikationsmanagement anhand der fünf Phasen Analyse, Planung, Organisation, Umsetzung und Evaluation gesteuert. Die Handlungsfelder der Unternehmenskommunikation werden im Rahmen des Kommunikationsmanagements zweckbezogen geplant und gesteuert. Dazu zählen für die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden die Handlungsfelder interne Kommunikation, Public Relations und Investor Relations. Das Handlungsfeld der internen Kommunikation umfasst dabei grundsätzliche die Kommunikation mit den Mitarbeitenden aber auch den Führungskräften.
Die bisherige Kommunikationsforschung hat den Aufsichtsrat nicht betrachtet. Aufsichtsratsvorsitzende haben jedoch herausgehobene Aufgaben für die Arbeit des Gremiums (Abschnitt 3.​3). Neben der Koordination der Aufsichtsratstätigkeit gehört dazu die Sprecherfunktion für das Gremium. Damit kommt Aufsichtsratsvorsitzenden auch eine Sprecherrolle für das Unternehmen zu. Mithilfe der Erkenntnisse aus der Kommunikatorforschung im Spannungsfeld mit der Forschung zu Kommunikationsmanagement und Unternehmenskommunikation sollen daher im Folgenden Aufsichtsratsvorsitzende als Sprecher für Unternehmen verortet werden.

4.3 Akteure im Rahmen des Kommunikationsmanagement

Nachdem die Grundlagen und Phasen des Kommunikationsmanagements sowie die relevanten Handlungsfelder der Unternehmenskommunikation für die ARV-Kommunikation dargestellt wurden, soll nun ein detaillierter Blick auf die Akteure im Rahmen des Kommunikationsmanagements geworfen werden. Dabei soll aus interner Perspektive geklärt werden, welche Akteure als Kommunikatoren für das Unternehmen nach außen agieren.
Dafür soll zunächst ein Überblick zur Kommunikatorforschung gegeben werden, die sich als Teilgebiet der Kommunikationswissenschaften mit Kommunikatoren als Forschungsgegenstand befasst. Jedoch beschäftigte sich die Kommunikatorforschung lange Zeit vor allem mit Journalisten und erst später mit professionellen Kommunikatoren in den Kommunikationsabteilungen (Abschnitt 4.3.1). Die Kommunikatorforschung stellt ein eigenständiges, umfassendes Forschungsgebiet innerhalb der Kommunikationswissenschaft dar. Dabei gibt es eine Schnittmenge zur Forschung zu Unternehmenskommunikation, wenn professionelle Kommunikatoren (zunächst PR-Praktiker, heute verstanden als Kommunikationsmanager) des Unternehmens betrachtet werden. Im Rahmen der Forschung zu Unternehmenskommunikation kann dies als Berufsfeldforschung eingeordnet werden.
Die Forschung zu Unternehmenskommunikation beschäftigt sich neben den Kommunikationsmanagern als professionelle Kommunikatoren, aber auch mit weiteren Kommunikatoren, die für Unternehmen relevant sind. Dazu gehören vor allem der Vorstand sowie Führungskräfte. So ist die Kommunikation von Vorstandsvorsitzenden bereits zu einem etablierten Forschungsfeld geworden. Die Erkenntnisse werden in Abschnitt 4.3.2 dargestellt, um aufzuzeigen, dass der Aufsichtsrat als sekundäre Unternehmensführung dabei bislang noch nicht betrachtet wurde. Aufsichtsratsvorsitzende haben als Repräsentanten des Gremiums jedoch eine Sprecherrolle für das Unternehmen inne. Durch den Investorendialog im DCGK kommt eine neue Norm und dadurch weitere Anforderungen der Anteilseigner als wichtige externe Stakeholdergruppe dazu. Daher sollen Aufsichtsratsvorsitzende in Abschnitt 4.3.3 als neuer Kommunikatoren innerhalb der Kommunikatorforschung als Teil der Unternehmenskommunikation verortet werden.

4.3.1 Überblick zur Kommunikatorforschung

Zunächst soll ein kurzer Überblick zur Kommunikatorforschung erfolgen, um die Schnittmenge der beiden Forschungsfelder der Kommunikatorforschung und Unternehmenskommunikation aufzeigen zu können. Dabei wurden vor allem Journalisten betrachtet, die eine relevante Anspruchsgruppen für die ARV-Kommunikation in der gesellschaftspolitischen wie auch Kapitalmarktöffentlichkeit darstellen. Später wurde durch die Forschung zu Unternehmens- und Organisationskommunikation der Blick auf die Kommunikationsverantwortlichen in den Organisationen erweitert. Ihre Verantwortung für die ARV-Kommunikation wird im Rahmen des Kommunikationsmanagement-Prozesses ebenfalls analysiert werden.
Die Kommunikatorforschung ist ein zentrales Teilgebiet der Kommunikationswissenschaften. Der Kommunikator ist das erste Element der Lasswell-Formel („Who says what to whom in which channel with what effect?“ (Lasswell, 1948)), die einen großen Einfluss auf die amerikanische Disziplin ausgeübt hat und die einschlägigen Forschungsbereiche der Kommunikationswissenschaft in einem Satz zusammenfasst. Während sich die Journalistik mit den Medienschaffenden, Journalisten und Programmgestaltern als Kommunikatoren befasst, hat die Kommunikationswissenschaft die PR-Praktiker, heute eher Kommunikationsmanager genannt, in Unternehmen und Organisationen zum Forschungsgegenstand gemacht. Pürer (2014) definiert einen Kommunikator wie folgt:
„Bezogen auf öffentliche Kommunikation versteht man unter dem Kommunikator eine Person, eine Gruppe von Personen oder eine Institution, die originärpublizistisch oder über ein Massenmedium Aussagen an eine unbegrenzte Zahl von Rezipienten mitteilt“ (Pürer, 2014, S. 109).
Dabei handelt es sich um ein sehr breites Verständnis, das neben Journalisten auch Politiker, Unternehmensführer, wie z. B. Vorstände oder Aufsichtsratsvorsitzende, oder Priester einschließt. Einer einschlägigen engeren Definition von Maletzke (1963) zufolge versteht man unter einem Kommunikator
„jede Person oder Personengruppe, die an der Produktion von öffentlichen, für die Verbreitung durch ein Massenmedium bestimmten Aussagen beteiligt ist, sei es schöpferisch-gestaltend oder selektiv oder kontrollierend“ (Maletzke, 1963, S. 43).
Dabei führt Maletzke bestimmte Determinanten ein, die den Zeitpunkt von Aussagen, die eingesetzten Mittel, Form und Inhalt sowie den Verbreitungsumfang beeinflussen. Dazu zählen u. a. die Persönlichkeit des Kommunikators, sein Selbstbild, die sozialen Beziehungen, die Einflüsse der Gruppe, der Organisation und der Öffentlichkeit selbst (Maletzke, 1963, S. 44–53).
Es muss festgehalten werden, dass beide Definitionen eine Nähe zu den Forschungssträngen der massenmedialen Kommunikation haben und der Begriff des Kommunikators insbesondere in Bezug zu den Akteuren der Massenmedien (Journalisten) verwendet wird. Dabei wird meist auf die Rolle des Kommunikators im Kommunikationsprozess verwiesen und damit auf Modelle, in denen eine Quelle (Kommunikator) mit einem Rezipienten in Verbindung gebracht wird, dazu zählt z. B. die Gatekeeper-Forschung (Lewin, 1947; Robinson, 1973; White, 1950).
Das in Abschnitt 4.1 beschriebene Arenenmodell von Gerhards & Neidhardt (1991) differenziert zwischen Leistungs- und Publikumsrollen. Journalisten kommt dabei eine besondere Rolle in Bezug auf die Herstellung von Öffentlichkeit zu, aber auch andere korporative und individuelle Kommunikatoren lassen sich in das Modell einordnen. Um Zugang zur Öffentlichkeit zu gelangen, seien Ressourcen und Kontaktnetzwerke zu den Akteuren der Öffentlichkeitsebenen notwendig, die jedoch ungleich verteilt seien (Gerhards & Neidhardt, 1991, S. 58). Die relevanten Akteure für die ARV-Kommunikation wurden für die gesellschaftspolitische Öffentlichkeit (Abschnitt 4.1.1) und Kapitalmarktöffentlichkeit (Abschnitt 4.1.2) bereits eingeführt.
Resümierend kann festgehalten werden, dass Kommunikatorforschung lange Zeit primär als Journalismusforschung bzw. Journalistenforschung betrachtet wurde. Im Fokus standen dabei u. a. die journalistische Professionalität, Legitimität, Rollenbilder oder Sozialisation (Löffelholz, 1997; Pürer, 1997). Böckelmann (1993) leitet in einem umfassenden Überblick zur deutschsprachigen Kommunikatorforschung den Begriff des professionellen Kommunikators ab, der neben Journalisten auch „Verleger, Intendanten und PR-Fachleute bzw. Mitarbeiter von Pressestellen“ (Böckelmann, 1993, S. 25) einbezieht. Insgesamt kommt er jedoch zu dem Ergebnis, dass sich die meisten der damals 716 Studien auf Pressejournalisten beziehen. Mit dieser Fokussierung geht ein systematisches Problem einher, da publizistisch relevante Tätigkeitsfelder primär im Verhältnis zum Journalismus untersucht werden, wobei der Beruf dieser Gruppe häufig im Mittelpunkt steht. Doch durch die Entwicklung neuer Tätigkeitsfelder und Qualifikationen, z. B. im Online-Journalismus, tritt die berufliche Tätigkeit als Erklärungsansatz stark in den Hintergrund (Neuberger, 2000). Neben dem Beruf muss auch die normative Seite, also die Handlungsziele und Bedingungen, mit einbezogen werden. Saxer (1997) formuliert daraus die Mahnung:
„Nur wenn die Kommunikatorforschung ihren Focus in Richtung einer integralen Produktionsforschung und zugleich der Totalität gesellschaftsrelevanter Kommunikationsprozesse öffnet, vermag sie längerfristig die entscheidenden Strukturen und Veränderungen ihres Gegenstandes zu erfassen“ (Saxer, 1997, S. 52, Hervorhebung im Original).
Bereits in den 1970er Jahren beschreibt Langenbucher (1974), dass sich ein, dem Mediensystem vorgeschaltetes, System der Informationssammlung und -bereitstellung gebildet habe, dass bei den jeweiligen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Akteuren angesiedelt sei. Aufgrund der zunehmenden Relevanz hätten sich dort berufliche Strukturen herausgebildet und entsprechende Kommunikationsabteilungen institutionalisiert. Ihm zufolge seien nicht die Journalisten die eigentlichen Kommunikatoren, sondern Werbe- und PR-Tätige (Langenbucher, 1974, S. 259). Dabei schlägt Langenbucher den Begriff des Mediators für Journalisten vor, der sich jedoch nicht durchgesetzt hat.
Zwei Jahre später führt Maletzke (1976) eine differenzierte Definition des Kommunikators ein: „Kommunikatoren sind Personen, Gruppen oder Institutionen (Organisationen), die Medienaussagen planen, herstellen und verbreiten“ (Maletzke, 1976, S. 4). Dabei werden drei Kategorien von individuellen Kommunikatoren differenziert: (1) Kommunikatoren, die ihren Lebensunterhalt aus ihrer Tätigkeit in der Massenkommunikation beziehen, (2) „semi-professionelle“ oder „nebenberufliche“ Kommunikatoren (Wissenschaftler, Politiker, Lehrer, die häufig in den Massenmedien auftreten) und (3) „Gelegenheitskommunikatoren“ (Interviewte, Quizteilnehmer, Jubilare etc.) (Maletzke, 1976, S. 31). Jedoch fehlen in dieser Differenzierung die hauptberuflich arbeitenden Kommunikatoren für Unternehmen als eigene Kategorie. Aufsichtsratsvorsitzende könnten hier, ebenso wie Vorstände, als semi-professionelle Kommunikatoren eingeordnet werden.
Die Kommunikatorforschung hat heute einen weiteren Blickwinkel, so werden Akteure einbezogen, die bestimmte Funktionen, wie die Generierung, Verarbeitung und Weiterverarbeitung von Informationen und öffentlich relevanten Themen, innehaben (Bentele, 1997, S. 183). Organisationen und die in ihnen agierenden PR-Kommunikatoren können und müssen demnach als Akteure mit eigenständigem Thematisierungspotenzial aufgefasst werden (Baerns, 1992; Jarren & Röttger, 2015). Dabei wurde zunächst die Rolle als extern ausgerichteter Kommunikator und die in diesem Zusammenhang von der PR erbrachten Beiträge der öffentlichen Kommunikation betrachtet. Die Forschungsarbeiten zu den Funktionen, Leistungen und Wirkungen von Kommunikatoren im organisationsinternen Kontext haben aber in den vergangenen Jahren zugenommen.
In Bezug auf ihre Funktion bezeichnen Aldrich & Herker (1977) Kommunikationsverantwortliche als sog. boundary spanner. Sie wehren die Informationsflut ab, wenn sie sowohl als Filter (filter) als auch als Vermittler (facilitator) agieren und wichtige Informationen für Entscheidungsträger aufbereiten. Sie benennen im Wesentlichen zwei boundary roles und deren Funktion für die jeweilige Organisation. Die Funktion der Informationsverarbeitung (information processing) ermögliche es der Organisation, externe Informationen aufzunehmen und umzusetzen. Im Rahmen der externen Repräsentation (external representation) werden verschiedene teilweise gegensätzliche Forderungen und Interessen der Stakeholder aufgenommen und das Unternehmen einheitlich nach außen repräsentiert (Aldrich & Herker, 1977, S. 218–221).
Die Erforschung von Berufsrollen in der PR hat insbesondere in den USA eine lange Tradition, die deutschsprachige Forschung hat sich nur am Rande damit beschäftigt. Aus einer explorativen Ausgangsstudie leiten Broom & Smith (1979, S. 48 ff.) zunächst fünf PR-Rollen ab, die von Broom (1982, S. 18) auf vier zentrale Rollenkonzepte reduziert werden:
  • Der communication technician setzt PR-Maßnahmen mithilfe journalistisch-technischer und handwerklicher Fähigkeiten (Texten, Redigieren, Produzieren) um, die Entscheidungen liegen dabei ausschließlich beim Kunden.
  • Der expert prescriber trifft die Entscheidungen in Bezug auf die PR-Maßnahmen für seinen Kunden, dabei stehen die Analyse und Entwicklung von Kommunikationsstrategien im Mittelpunkt.
  • Der communication facilitator übernimmt die Aufgabe des Informationsaustauschs zwischen der Organisation und seinen Stakeholdern und schafft die Grundlage für zweiseitige Interaktionen.
  • Der problem-solving process facilitator unterstützt das Management bei der Problemdefinition und -lösung unter Einbezug der gesamten Organisation. Die Voraussetzung dafür ist eine entsprechende hierarchische Stellung der PR und das Vertrauen des Managements.
Im Rahmen der empirischen Überprüfung ergaben sich starke Korrelationen zwischen den drei letztgenannten Rollen, die in der Folge als Rolle des Kommunikationsmanagers zusammengefasst und dem Kommunikationstechniker gegenübergestellt wurden (Dozier, 1984). Die Arbeiten hatten inhaltlich und methodisch weitreichenden Einfluss auf die PR-Berufsrollenforschung und haben zahlreiche Folgestudien angestoßen, die u. a. auf Arbeitszufriedenheit, Einkommen oder die Variable Geschlecht (Broom & Dozier, 1986; Dozier & Broom, 1995) zielen. Eine Vielzahl der Studien bestätigt prinzipiell die Manager-Techniker-Dichotomie, es ist jedoch davon auszugehen, dass in der Praxis häufig Mischformen anzutreffen sind. Leichty & Springston (1996) ermitteln eine sog. Hybridrolle, die sich durch eine Kombination der typischen Manager- und Techniker-Aufgaben kennzeichnet.
Heutiges Verständnis des Kommunikationsmanagers
Neue Untersuchungen zeichnen ein deutlich differenzierteres Bild von Rollen und Kompetenzprofilen von Kommunikationsmanagern. So verlagern bspw. Grunig et al. (2002, S. 228) den Fokus von der Person auf die Abteilung und fragen nach den vorhandenen Expertisen. Dabei wird zwischen dem administrativen Kommunikationsmanager, der vor allem für einen reibungslosen Ablauf des Tagesgeschäfts sorgt, und dem strategischen Manager unterschieden, der die Kommunikation in den strategischen Planungsprozess des Unternehmens integriert. Nothhaft (2011) untersucht mithilfe einer Shadowing-Studie, was Kommunikationsmanager in der Praxis tatsächlich tun. Fieseler, Lutz & Meckel (2015) prüfen Rollenprofile anhand aktueller Daten und schlagen vor, psychologische und persönliche Aspekte zur Erklärung der Übernahme von Rollen hinzuzuziehen. Zusammenfassend zeigen heutige Studien, dass Kommunikatoren viele verschiedene Aufgaben innehaben und dabei strategische und operative Rollen gleichzeitig ausüben (Falkheimer, Heide, Simonsson, Zerfaß & Verhoeven, 2016).
Die Kommunikatoren der Investor Relations wurden dagegen bislang selten betrachtet. Bei der Berufsfeldforschung zu IR handelt es sich vor allem um Zustandsbeschreibungen (Hollstein, Maas & Bassen, 2015; Laskin, 2014; Marston & Straker, 2001). Erste Ansätze in Bezug auf relevante Kompetenzen von IR-Verantwortlichen stammen aus der Praxis (CNC, 2015). Welche Rolle die Kommunikationsmanager der IR und PR für die ARV-Kommunikation einnehmen wird Teil der empirischen Analyse dieser Arbeit sein.
Eine Sonderrolle kommt Kommunikationschefs (englisch = Chief Communication Officer (CCO)) zu, da neben der Kommunikationsexpertise auch ein weitreichendes Management- und Geschäftsverständnis benötigt werde. Die Position sei auch durch die Zusammenarbeit mit dem Vorstandsvorsitzenden bzw. obersten Repräsentanten des Unternehmens geprägt, wobei die Beziehung- bzw. Vertrauensebene eine zentrale Rolle spiele (Arthur W. Page Society, 2007, S. 29 f.; Zerfaß & Dühring, 2014, S. 175). Der CCO agiere dabei als Sprachrohr des Unternehmens bzw. als Zweitstimme des CEOs, Außenminister bzw. Frühwarnsystem sowie als qualifizierter interner Ratgeber (Will, Fleischmann & Fritton, 2011). Jedoch steht die Forschung zur Frage, wie Kommunikationsmanager die Führungsorgane im Umgang mit allen internen und externen Stakeholdern beraten und unterstützen (Zerfaß & Franke, 2013), ebenso wie zur Auswirkung unterschiedlicher Führungsstile des CCOs (Werder & Holtzhausen, 2009) noch am Anfang.
Trotz der vermeintlich engen Beziehung zwischen CEO und Kommunikationsleitung zeigen Studien, dass Kommunikation oft ein geringer Beitrag zum Unternehmenserfolg zugeschrieben wird. Vorstände verstehen Unternehmenskommunikation primär als operative Unterstützungsfunktion, die das Unternehmen positiv in den Medien platziert und Inhalte liefert (Brønn, 2014; Falkheimer et al., 2017). Dazu passt, dass auch die Verantwortlichen für Unternehmenskommunikation und Investor Relations einschätzen, dass es ihnen nicht immer gelingt, den Beitrag ihrer Abteilung zum Unternehmenserfolg zu vermitteln (Hoffmann et al., 2020, S. 20).
Als Teil dieser Arbeit soll im Rahmen des Kommunikationsmanagements, konkret im Prozessschritt der Organisation, analysiert werden, welche Verantwortung die Investor-Relations- und Public-Relations-Abteilung für die ARV-Kommunikation innehaben. Dabei wird der strategische und operative Beitrag dieser Kommunikationsfunktionen für dessen Kommunikation im Mittelpunkt stehen. Es wird nicht analysiert werden, inwiefern die Kommunikationsverantwortlichen bzw. -abteilung selbst sich dabei verändern.
Differenzierung von Kommunikatoren für Unternehmen
Die Kommunikatorforschung innerhalb der Unternehmenskommunikation beschäftigt sich im Rahmen der Berufsfeldforschung, wie gerade dargestellt, mit den professionellen Kommunikationsverantwortlichen des Unternehmens. Dabei werden jedoch auch weitere Kommunikatoren betrachtet, die für das Unternehmen sprechen können. Um Aufsichtsratsvorsitzende als neue Kommunikatoren für Unternehmen verorten zu können, sollen hier zunächst Möglichkeiten vorgestellt werden, Kommunikatoren für das Unternehmen zu differenzieren. Bentele (1997, S. 183) schlägt dazu drei Varianten vor:
(1)
Anhand der Zugehörigkeit zu einem sozialen Subsystem könne zwischen journalistischen Kommunikatoren, PR-Kommunikatoren und Fachkommunikatoren (z. B. Politiker, Manager) unterschieden werden.
 
(2)
In Bezug auf die berufliche Involvierung lassen sich Berufskommunikatoren (Journalisten und PR-Praktiker) von funktionalen Kommunikatoren (Politiker, Unternehmensführer, Wissenschaftler etc.) abgrenzen. Unter funktionalen Kommunikatoren sind Personen zu verstehen, die öffentlich in Nebenfunktion kommunizieren, während sie in ihrer Hauptfunktion andere Tätigkeiten und Rollen ausüben (Bentele, 1997, S. 187).
 
(3)
Schließlich können personale Kommunikatoren von korporativen Kommunikatoren unterschieden werden. Personale Kommunikatoren, wie Pressesprecher, seien in der Regel in einen organisatorischen Zusammenhang, die Kommunikationsabteilung oder den Vorstand, eingebettet, der die Rahmenbedingungen (Ziele, Budget, Instrumente) vorgibt.
 
Szyszka (2008) weitet die Rolle des Kommunikators aus, sodass alle Mitglieder einer Organisation als natürliche Organisationskommunikatoren gelten, da sie mit ihren Aussagen immer auch die Organisation repräsentieren. Nach Szyszka (2008) verfügen bestimmte Mitglieder der Organisation über kommunikative Rollenkompetenzen, die sie zur Kommunikation für das Unternehmen befähigen. Diese organisationalen Kommunikatorrollen lassen sich in formelle und informelle Organisationskommunikatoren unterscheiden (Szyszka, 2008, S. 318): Die informellen Organisationskommunikatoren sind grundsätzlich wie alle anderen Organisationsmitglieder, die sich zu Themen der Organisation äußern – jedoch unterstellen andere Akteure ihnen aufgrund ihrer Organisationszugehörigkeit, dass sie informiert sind. Inwiefern dies tatsächlich der Fall ist, hängt von ihrem Zugang zu Informationen ab. Informelle Organisationskommunikatoren werden häufig als besonders authentisch und glaubwürdig eingestuft. Formelle Organisationskommunikatoren sind diejenigen Akteure, die aufgrund eines Mandats zu kommunikativem Handeln autorisiert sind:
  • Fachkräfte für Kommunikationsmanagement verfügen über das kommunikative Vertretungsmandat, das auf verschiedene Kommunikationsprozesse der Organisation begrenzt ist. In ihrer professionellen Rolle als Kommunikator haben sie einen herausgehobenen Zugang zu Informationen.
  • Mitglieder der Unternehmensführung verfügen über ein allgemeines Vertretungsmandat für die Organisation, dass eine kommunikative Vertretung einschließt. Sie haben einen hohen Informationsstatus, ihr kommunikatives Verhalten muss aber nicht zwingend professionell sein (Szyszka, 2008, S. 318).
Dabei wird jedoch nicht zwischen den Mitgliedern der primären (Vorstand) und sekundären Unternehmensführung (Aufsichtsrat) unterschieden. Auch in der Systematisierung von Bentele (1997) finden sich die Akteure der Unternehmensführung zwar wieder, werden aber nicht explizit differenziert. Im folgenden Abschnitt 4.3.2 soll daher detaillierter auf die Mitglieder der Unternehmensführung als Kommunikatoren für das Unternehmen eingegangen werden. Auf dieser Basis sollen in Abschnitt 4.3.3 dann die vorgestellten Systematisierungen weiter differenziert werden, um auch Aufsichtsratsvorsitzende als Kommunikatoren verorten zu können.

4.3.2 Mitglieder der Unternehmensführung als Kommunikatoren

Neben Kommunikationsmanagern beschäftigt sich die Kommunikatorforschung als Teil der Unternehmenskommunikation auch mit den Mitgliedern der Unternehmensführung als relevante Kommunikatoren für das Unternehmen. Im folgenden Kapitel wird gezeigt, welche Akteure bereits in der bisherigen Forschung berücksichtigt wurden: Dabei handelt es sich vor allem um den Vorstandsvorsitzenden und Führungskräfte. Führung und Kommunikation sind eng miteinander verwoben, da Führungsaufgaben meist auch kommunikative Aufgaben mit sich bringen. Da das dualistische System der Unternehmensführung eine institutionelle Trennung der Unternehmensleitung (Vorstand) und -kontrolle (Aufsichtsrat) vorsieht, sollen Aufsichtsratsvorsitzende anschließend als neue Kommunikatoren dabei verortet werden und so die Kommunikatorforschung innerhalb der Unternehmenskommunikation erweitert werden.
Bei der Führungsforschung handelt es sich um ein interdisziplinäres Forschungsfeld mit Beiträgen aus den Bereichen Betriebswirtschaft, Organisationswissenschaft, Soziologie, Psychologie etc., die sich mit unterschiedlichen Fragestellungen rund um die Person der Führungskraft, um ihr Führungsverhalten sowie um situationsbedingte Aspekte beschäftigt (Yukl, 2013). Dabei können grob vier theoretische Strömungen identifiziert werden: Eigenschaftstheorien, Verhaltenstheorien, situative und transformatorische Ansätze (Berger & Meng, 2014, S. 18–23). Führung ist auch nach jahrzehntelanger Forschung ein unscharf definiertes Konzept (Yukl, 2013), jedoch spielt die Einflussnahme auf andere Personen eine zentrale Rolle: „Leadership is about one individual influencing a group to accomplish common goals“ (Northouse, 2016, S. 6). In den zahlreichen Definitionen von Führung finden sich folgende Worte wieder, die das Handeln kennzeichnen:
„informieren, kommunizieren, (Verhalten und/oder Wahrnehmungen) steuern, Interaktionen strukturieren, […] instruieren, motivieren, lenken, energetisieren, beeinflussen, begeistern, initiieren, (auf Ziele) ausrichten“ (Blessin & Wick, 2014, S. 38).
Führung, Organisation und Kommunikation sind also eng miteinander verwoben (Bruhn & Reichwald, 2005). Kommunikation wird somit zum zentralen Element des alltäglichen Handelns von Managern (Clampitt, 2017; Kinter, Ott & Malogagas, 2009).
Im Rahmen dieser Arbeit ist es zielführend, die Kommunikation der Unternehmensführung von der Führungskräftekommunikation, als Handlungsfeld der internen Unternehmenskommunikation, abzugrenzen.
„Führungskräftekommunikation vermittelt einerseits zwischen der Leitung und den Führungskräften einer Organisation und vernetzt andererseits die Führungskräfte miteinander. Sie trägt dazu bei, dass Führung in einer Organisation gelingen kann: Die Führungskräfte werden dabei unterstützt, selber besser zu führen. Führungskräftekommunikation zielt darauf ab, Vertrauen in die Unternehmensführung zu schaffen. Sie überzeugt und informiert, befähigt, vernetzt und aktiviert die Führungskräfte“ (Voß & Röttger, 2014, S. 1144).
Führungskräftekommunikation richtet sich demnach an die Führungskräfte auf den verschiedenen Unternehmensebenen; die Unternehmensführung ist dabei ein wichtiger Stakeholder. In der bisherigen Forschung wird unter der Unternehmensführung jedoch ausschließlich der Vorstand und nicht der Aufsichtsrat verstanden. Der Vorstand gibt also Informationen an die verschiedenen Führungsebenen weiter. Führungskräfte agieren als Navigatoren und Multiplikatoren der internen Kommunikation, indem sie die Informationen in den individuellen Kontext ihrer Mitarbeitenden übersetzen (Mast, 2014, S. 1138).
Die Begriffe Führung und Management werden häufig synonym verwendet. Führung betont jedoch vor allem die personale Ebene und Interaktionsaspekte, demgegenüber umfasst Management die strukturellen und institutionellen Aspekte der Leitung und Steuerung von Unternehmen – also die Unternehmensführung (Blessin & Wick, 2014, S. 113). Kalla (2005) differenziert zwischen den Begriffen Geschäfts-, Management-, Unternehmens- und Organisationskommunikation. Während es in der Geschäftskommunikation um die Elemente „knowing why and knowing how“ (Kalla, 2005, S. 305) gehe, liege der Fokus der Managementkommunikation darauf, Wissen effektiv und effizient in der Führungsmannschaft zu teilen.
Auch die Begriffe Führung und Leadership werden teilweise gleichgesetzt, teilweise werden sie ins Verhältnis zueinander gesetzt. Leadership wird dabei meist stärker prozessual verstanden oder als eine spezifische Führungsqualität wahrgenommen (Voß & Röttger, 2014, S. 1148). In diesem Zusammenhang werden Leader als vorbildliche Führungskräfte beschrieben, die über bestimmte Fähigkeiten und Eigenschaften verfügen (Northouse, 2016; Yukl, 2013). Kommunikation wird als Grundlage für die Beziehung und Interaktion und damit für Leadership verstanden (Zerfaß & Huck, 2007, S. 114).
Im dualistischen System wird zwischen der primären (Vorstand) und sekundären (Aufsichtsrat) Unternehmensführung unterschieden, deren Aufgaben, Rechte und Pflichten im Aktiengesetz geregelt sind (Abschnitt 3.​1). In der kommunikationswissenschaftlichen Forschung wurde bislang vor allem die Rolle des Vorstands in der Unternehmenskommunikation betrachtet. Dies zeigt sich im etablierten Forschungsfeld der CEO-Kommunikation. Da die Kommunikation für CEOs im Rahmen des Kommunikationsmanagements gesteuert wird, soll das Forschungsfeld kurz dargestellt werden, um ggf. Erkenntnisse für die ARV-Kommunikation nutzbar machen zu können.
CEO-Kommunikation als Forschungsfeld
Vorstandsvorsitzende sind in der Praxis in vielen Fällen als öffentliche Personen zum Gesicht des Unternehmens geworden. Diese Entwicklung basiert auf der Notwendigkeit, die Komplexität in fragmentierten Gesellschaften zu reduzieren (Szyszka, 2010, S. 103) und gleichzeitig auf der Individualisierung in vielen Kulturen und damit einhergehenden Personalisierungstendenzen seitens der Medien, des Publikums und der Unternehmen (Eisenegger, 2010).
Kommunikation ist ein zentraler Teil der Führungsaufgabe und damit eine Kernaufgabe des CEO, die nicht delegiert werden kann (Deekeling & Arndt, 2014, S. 1241). Die CEO-Kommunikation als Teil der Unternehmenskommunikation kann definiert werden als
„alle systematisch geplanten, durchgeführten und evaluierten Kommunikationsaktivitäten der obersten Führungsebene (Vorstände, Geschäftsführer, Chief Executive Officers) einer Organisation mit ihren internen und externen Bezugsgruppen“ (Zerfaß & Sandhu, 2006, S. 52).
Sandhu & Zielmann (2010, S. 214) fassen den Forschungsstand zur CEO-Kommunikation zusammen, der sich bisher vor allem aus normativer, praxisorientierter Literatur zusammensetze, die entweder aus Kommunikationsberatungen stamme (Deekeling & Arndt, 2006; Hiesserich, 2013; Immerschitt, 2009) oder sich mit der Inszenierung bzw. Positionierung des CEOs auseinandersetze. Nur wenige Autoren würden mit theoriegeleiteten Arbeiten das Feld systematisieren (Zerfaß & Sandhu, 2006; Zerfaß, Verčič & Wiesenberg, 2016).
Die CEO-Kommunikation kann im Rahmen des Kommunikationsmanagements geplant und gesteuert werden (Sandhu & Zielmann, 2010, S. 215). In der Planungsphase wird aus der Unternehmensstrategie die Kommunikationsstrategie abgeleitet (Abschnitt 4.2), sodass die CEO-Kommunikation dann Teil der übergeordneten Kommunikationsstrategie sein sollte. Eine mögliche Positionierung von Vorstandsvorsitzenden ist dabei ebenfalls innerhalb der Strategie zu verorten. CEO-Positionierung kann in dem Zusammenhang verstanden werden als
„specific communication strategy that uses both persuasive and collaborative communication activities to increase awareness of the highest representative of the organisation among all stakeholders and differentiate him or her from others in a credible way in the public sphere“ (Zerfaß et al., 2016, S. 39).
Ziel einer Positionierung sei es, die Unternehmenskomplexität zu reduzieren, indem positive Merkmale des CEOs auf die Person und das Unternehmen übertragen werden, sodass dies sich dann in der Reputation beider niederschlagen soll (Szyszka, 2010, S. 103).
Die Kommunikation von anderen Vorstandsmitgliedern ist dagegen noch kaum erforscht. Dem Finanzvorstand wird jedoch eine zentrale Rolle in der Kommunikation mit Kapitalmarktakteuren zugeschrieben: „CFOs today typically play an indispensable role in interfacing with the investment community and a growing role with the financial media“ (Nolop, 2012, S. 23). Dabei kommuniziert auch der CFO mit internen und externen Bezugsgruppen. Er ist der erste Ansprechpartner für Investoren und Analysten, die den Austausch mit Unternehmen suchen (Nolop, 2012, S. 17; Schnorrenberg, 2008, S. 75 ff.). Gleichzeitig sind Mitarbeitende der verschiedenen Ressorts, für die der Finanzvorstand verantwortlich sein kann, auf seine interne Kommunikation angewiesen. Auch der Dialog mit Gewerkschaften führt zu höheren Anforderungen an die Kommunikation des CFOs, da Kostenmanagement häufig auch Konfliktmanagement bedeutet (Hornung, 2008).
Hoffmann et al. (2020) zeigen, dass CEO und CFO gut sichtbar gegenüber der Finanzöffentlichkeit positioniert sind und die Kommunikationsaufgaben nach Themen und Zielgruppen differenziert werden. So ist der CEO intensiver in die Medienarbeit eingebunden, während der CFO eher im Austausch mit Analysten und Investoren steht. Die Kapitalmarktkommunikation beider Vorstände ist jedoch bisher kaum in das Kommunikationsmanagement eingebunden.
Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass die Kommunikation und Positionierung des CEOs, CFOs und anderer Mitglieder der Unternehmensführung eine Herausforderung für das Kommunikationsmanagement darstellt (Zerfaß, 2014, S. 71). Zudem sind Äußerungen von Vorstandsvorsitzenden zu politischen Themen außerhalb ihrer eigentlichen Führungsaufgabe für das Unternehmen als ein eher neues Phänomen anzusehen (Matthes, 2021), sodass dessen Einbindung in das Kommunikationsmanagement noch kaum erforscht wurde.
Der Aufsichtsrat als sekundäre Unternehmensführung und insbesondere Aufsichtsratsvorsitzende wurden in diesem Zusammenhang bislang jedoch nicht betrachtet. In der bisherigen Forschung zur Unternehmensführung als Kommunikatoren zeigt sich das Verständnis, dass die Ziele für die Kommunikation der Vorstände aus der Unternehmensstrategie abgeleitet werden. Daher können die Erkenntnisse aus der Forschung zur CEO-Kommunikation nur bedingt auf die ARV-Kommunikation übertragen werden.

4.3.3 Schlussfolgerung

In diesem Kapitel wurde gezeigt, welche Akteure des Kommunikationsmanagements bereits in der Forschung betrachtet wurden. Aufgrund der langen Tradition der Berufsfeldforschung zu PR-Praktikern (Broom & Dozier, 1986; Dozier & Broom, 1995) stehen hier vor allem die Kommunikationsmanager (u. a. Falkheimer et al., 2016) als professionelle Kommunikatoren im Fokus. Aber auch die Kommunikation und Positionierung des Vorstandsvorsitzenden (Zerfaß et al., 2016) ist zu einem etablierten Forschungsfeld geworden, dass sich langsam auch auf weitere Vorstandsmitglieder, wie den Finanzvorstand (Hoffmann et al., 2020), ausweitet.
Die Ausführungen verdeutlichen die Forschungslücke im Spannungsfeld von Kommunikatorforschung und der Forschung zu Kommunikationsmanagement und Unternehmenskommunikation: Aufsichtsratsvorsitzende als Sprecher des Aufsichtsratsgremiums von Unternehmen und damit als sichtbarer und bedeutender Kommunikator wurden bislang ausgeblendet. Aufgrund ihrer formal-strukturellen Position haben sie jedoch ein kommunikatives Vertretungsmandat, das sich nicht nur in das Gremium und an den Vorstand, sondern auch nach außen in verschiedene Öffentlichkeitsarenen richtet. Aus diesem Grund sollen Aufsichtsratsvorsitzende nun mithilfe der in Abschnitt 4.3.1 beschriebenen Systematisierungen als Kommunikatoren für Unternehmen verortet werden (Abbildung 4.10).
Die Klassifizierung von Szyszka (2008, S. 318) unterscheidet zunächst zwischen informellen und formellen Organisationskommunikatoren. Die formellen Organisationskommunikatoren, die aufgrund eines Mandats zu kommunikativem Handeln befugt sind, lassen sich wiederum in Fachkräfte für Kommunikationsmanagement und Mitglieder der Organisationsführung aufteilen. An dieser Stelle wird die bisherige Systematisierung erweitert, indem zwischen der primären und sekundären Unternehmensführung – also Vorstand und Aufsichtsrat – unterschieden wird. Beide Gremien verfügen über ein, unterschiedlich ausgestattetes, Vertretungsmandat für die Organisation. Der Aufsichtsrat verfügt bspw. über Entscheidungskompetenzen (Ressourcen) im Rahmen seiner Kontrollfunktion, z. B. die Besetzung und Vergütung des Vorstands (Abschnitt 3.​2). Diese Entscheidungen, die eine relevante Information für externe wie interne Anspruchsgruppen darstellen, können nur durch den Aufsichtsrat kommuniziert werden.
Bentele (1997, S. 183) schlägt drei Varianten zur Klassifizierung von Kommunikatoren vor, auch hier lassen sich Aufsichtsratsvorsitzende einordnen. In Bezug auf die Zugehörigkeit zum sozialen Subsystem können Aufsichtsratsvorsitzende als Fachkommunikatoren angesehen werden; sie sind Akteure im wirtschaftlichen Subsystem, wie auch die Mitglieder des Vorstands. Die berufliche Involvierung unterscheidet zwischen Berufs- und funktionalen Kommunikatoren. Aufsichtsratsvorsitzende sind demnach funktionale Kommunikatoren, da sie in ihrer Hauptfunktion andere Tätigkeiten und Rollen ausüben, die durch das Aktienrecht als Norm klar definiert sind. Aus diesen Aufgaben ergibt sich jedoch ein Informationsbedarf der Anspruchsgruppen, sodass sie in einer Nebenrolle auch öffentlich kommunizieren (können). So repräsentieren Aufsichtsratsvorsitzende das Gremium, insbesondere gegenüber dem Vorstand und der Hauptversammlung (Abschnitt 3.​3).
Schließlich wird nach dem organisatorischen Zusammenhang in personale und korporative Kommunikatoren unterschieden. Diese Klassifizierung findet sich bereits in den Erkenntnissen zu den Sprechern in den Öffentlichkeitsarenen (Abschnitt 4.1.4). Aufsichtsratsvorsitzende können dabei beides sein: Sie agieren als korporative Kommunikatoren, wenn sie als Sprecher des Aufsichtsratsgremiums die Überwachungsaufgabe und damit zusammenhängende Entscheidungen, z. B. in Bezug auf die Personalhoheit, erläutern. Aufsichtsratsvorsitzende können prinzipiell aber auch als personale Kommunikatoren agieren, wenn sie sich außerhalb des Unternehmenskontexts äußern. Diese Äußerungen ohne Unternehmensbezug können vor allem für die gesellschaftspolitische Öffentlichkeit angenommen werden.
In diesem Kapitel wurde zudem das etablierte Forschungsfeld der CEO-Kommunikation dargestellt. Es zeigt, wie die Kommunikation der obersten Unternehmensrepräsentanten als Teil des Kommunikationsmanagements verstanden werden kann. In Verbindung mit den Erkenntnissen aus Abschnitt 4.2 kann für den weiteren Verlauf der Arbeit daher festgehalten werden, dass die ARV-Kommunikation ebenfalls als Teil der Kommunikation von Unternehmen verstanden wird. Demnach umfasst sie alle systematisch geplanten, durchgeführten und evaluierten Kommunikationsaktivitäten des obersten Repräsentanten des Aufsichtsratsgremiums mit den internen und externen Anspruchsgruppen. Daraus folgt, dass die ARV-Kommunikation im Rahmen des Kommunikationsmanagements geplant und gesteuert werden sollte. Inwiefern dies bereits der Fall ist und wer die Verantwortung für das Kommunikationsmanagement inne hat, soll im Rahmen dieser Arbeit empirisch erhoben werden.
Die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden stellt jedoch eine Herausforderung für das Kommunikationsmanagement dar. Das Aktiengesetz und der DCGK als zentrale Normen definieren, dass sich die Position und Aufgaben von Vorstandsvorsitzenden und Aufsichtsratsvorsitzenden deutlich unterscheiden. Der Aufsichtsrat überwacht und kontrolliert die strategische und operative Unternehmensleitung des Vorstands. Die kommunikativen Handlungen von Aufsichtsratsvorsitzenden können demnach nicht, wie etwa beim CEO, aus der Unternehmens- und damit Kommunikationsstrategie abgeleitet werden, sodass auch Ziele anders definiert werden müssen. Diese Grenzen der bisherigen Forschung zu Kommunikationsmanagement sollen im folgenden Abschnitt 5.​2 noch ausführlich diskutiert werden.
Schließlich kann festgehalten werden, dass die Erkenntnisse zur Schnittstelle von Kommunikatorforschung und Forschung zu Kommunikationsmanagement und Unternehmenskommunikation es ermöglicht haben, Aufsichtsratsvorsitzende als Kommunikatoren einzuordnen. Die Erkenntnisse zur Kommunikatorforschung als Teil der Unternehmenskommunikation werden im weiteren Verlauf helfen, die Verantwortung der Investor-Relations- und Public-Relations-Abteilungen für die ARV-Kommunikation analysieren zu können. Dabei wird die Verantwortung dieser Kommunikationsfunktionen für die ARV-Kommunikation im Mittelpunkt stehen. Es wird nicht analysiert werden, inwiefern die Kommunikationsverantwortlichen bzw. -abteilung selbst sich dabei verändern.
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Footnotes
1
Massenkommunikation wird dabei nach Maletzke als jene Form der Kommunikation definiert, „bei der Aussagen öffentlich durch technische Verbreitungsmittel indirekt und einseitig an ein disperses Publikum vermittelt werden“ (Maletzke, 1963, S. 32).
 
2
Zerfaß & Volk (2020) geben den aktuell umfassendsten Überblick zu relevanten Begrifflichkeiten, deren Abgrenzung und Publikationen im Forschungsbereich Kommunikationsmanagement.
 
Metadata
Title
Kommunikationswissenschaftliche Grundlagen: Öffentlichkeitsarenen, Kommunikationsmanagement und seine Akteure
Author
Sandra Binder-Tietz
Copyright Year
2022
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-37717-5_4