Jobsharing ist das Teilen von Arbeitsplätzen durch zwei oder mehr Beschäftigte. Dieser Ansatz hat in den letzten Jahren immens an Popularität gewonnen. Im Zuge der gestiegenen Aufmerksamkeit stellte sich zwangsläufig die Frage, ob die Aufteilung von Arbeitsplätzen auch mit Führungspositionen funktionieren kann (u. a. Kienbaum, 2022; NWX, 2021).
Topsharing ist das entsprechende Modell geteilter Führung, bei dem sich zwei Führungskräfte in Teilzeit eine Stelle inklusive Mitarbeitende, Aufträge und Verantwortung teilen (Luong,
2021). Bei diesem Ansatz wird aktuell hitzig diskutiert, ob er geeignet ist, Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern zu schaffen.
Über das Thema Chancengleichheit hinaus bietet Topsharing allerdings eine Vielzahl weiterer Vorteile – für Arbeitgebende, Führungskräfte und Personal. Dies geht aus einer aktuellen Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung hervor (Krzywdzinski & Christen,
2020). Den Ergebnissen der Online-Umfrage des Wissenschaftszentrums zufolge hilft geteilte Führung Vorgesetzten in komplexen Entscheidungssituationen sowie bei der Bewältigung hohen Arbeitsaufkommens, verbessert die Kommunikation mit der Belegschaft und die Vereinbarkeit mit der Familie (Krzywdzinski & Christen,
2020). Münderlein (
2021) hebt besonders die Prävention von Machtmissbrauch durch Machtverteilung an der Spitze von Organisationen, aber auch Staaten oder Parteien, hervor und nennt als Beispiel die Doppelspitze Baerbock & Habeck, die in der politischen Partei BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN gemeinsam als Vorsitzende tätig waren. Sachse und Sülzenbrück (
2021) sehen neben der Chancengleichheit von Frauen und Männern auch die Chance, den Einstieg in eine Führungsposition durch gemeinsame Verantwortungsübernahme für Nachwuchskräfte zu erleichtern. Darüber hinaus bietet das Führungsmodell optimale Vertretungsmöglichkeiten bei Krankheit, Urlaub oder Stellenwechsel einer Führungskraft, da ein Führungstandem für mehr Flexibilität hinsichtlich der Arbeitszeit sorgt.
Lange Zeit eilte Topsharing ein negativer Ruf voraus, da es als Notlösung bei Unternehmensfusionen oder zur Vereinbarkeit des Berufs mit der Familie abgetan wurde (Münderlein,
2021). Doch in den letzten Jahren ist gerade in der Privatwirtschaft ein Wandel spürbar: „Es gab Zeiten, da gehörte eine 60- bis 80-Stunden-Woche zum Selbstverständnis von Top-Managern und Unternehmenslenkern“ (Schareika,
2019). Der Irrglaube „wer viel arbeitet, ist wichtig“ scheint immer mehr zu verblassen. Nicht nur der Mangel an Fach- und Führungskräften, sondern auch die Ansprüche und Vorstellungen der nachrückenden Generationen Y und Z (Generation Y: Geburtsjahrgänge 1980-1993; Generation Z: 1994-2010 (Waeschle et al.,
2021)) führen zu einem neuen Führungsverständnis, bei dem Verantwortung geteilt werden kann, ohne dass Führungspositionen an Wichtigkeit verlieren. Mit dieser Sichtweise geht einher, dass Karriere nicht mehr zwingend mit enormen Einbußen im privaten Bereich verbunden sein muss, wodurch das Interesse potenzieller Nachwuchskräfte zur Übernahme von Führungsaufgaben deutlich gesteigert wird (Schareika,
2019). Die Nachwuchsgeneration „[…] fordert Lockerungen selbstverständlich ein, weil sie mehr vom Leben erwartet als nur zu malochen und trotzdem Karriereziele haben“ (Schareika,
2019).
Zum bereits vorherrschenden Fach- und Führungskräftemangel kommen weitere Megatrends wie der
demografische Wandel und
New Work Ansätze, die ein neues Verständnis von Arbeiten in Zeiten von
Digitalisierung und
Globalisierung mit sich bringen (Kauffeld et al.,
2022). Dadurch werden immer mehr Betriebe zwangsläufig auf innovative Führungsmodelle setzen müssen (Broel,
2014). Eine Hamburger Klinik ging bereits so weit, dass sie aufgrund der gestiegenen Herausforderungen eine Führungsposition – die Stelle des Chefarztes bzw. der Chefärztin – mit drei Frauen in Vollzeit besetzte, die sich die Führungsaufgabe teilen (Schulze,
2021). „Jede erhält das volle Gehalt und soll die anderen kritisieren und stützen“ (Schulze,
2021, S. 1). Solch eine privilegierte Situation muss sich ein Unternehmen aber leisten können.
Allerdings gehen mit Topsharing, wie bei jedem Führungsmodell, auch Risiken einher. Dazu gehören ein größerer Aufwand an Arbeitsmitteln für die Organisation, höhere Anforderungen an die unmittelbar übergeordnete Leitungsposition, mögliche Spannungen im Tandem durch Abstimmungsprobleme oder die Ausnutzung der Situation durch nachgeordnetes Personal (Sostmann & Jablonowski,
2016).