Es stehen verschiedene Rahmenmodelle zur Verfügung, um Kompetenzanforderungen an Führungskräfte in informationstechnologisch geprägten Arbeitsumgebungen zu konzeptualisieren (z. B. European Committee for Standardization (CEN)
2016; Deutsche Gesellschaft für Personalführung
2016; Kluzer und Pujol Priego
2018). Diese Kompetenzrahmen ergeben sich aus den Geschäftsprozessen der entsprechenden Arbeitsfelder und repräsentieren die Sicht der betrieblichen Praxis. Die Auflösung und Spezifikation der abgebildeten Kompetenzdomänen sowie der darunter gebündelten Kompetenzdimensionen variiert je nach Rahmenkonzept, was eine theoretische Verortung, empirische Überprüfung und Vergleichbarkeit der Modelle erschwert.
Finden stattdessen branchenübergreifende und kriterienbasiert validierte Kompetenzrahmen Anwendung, um Anforderungsprofile für Führungskräfte zu entwickeln, so ergeben sich eine Reihe von Vorteilen (Blickle
2019; Schmidt-Rathjens
2007; Sonntag und Schmidt-Rathjens
2005). Erstens weisen übergeordnete Kompetenzrahmen wie die Great Eight (z. B. Bartram
2005) mit acht Domänen und mehr als 100 Kompetenzfacetten eine hohe Auflösung auf, um die gesamte Bandbreite potenzieller Determinanten der Führungsleistung differenziert und valide abzubilden. Zweitens lässt sich leicht prüfen, ob alle theoretisch zu erwartenden Kompetenzdomänen vertreten sind, was betriebsintern die Vergleichbarkeit der Anforderungsprofile bei Stellenbewertungen und die Konzeption bereichsübergreifender Auswahlverfahren erleichtert. Dies gilt beispielsweise, wenn Führungskräfte Projektteams leiten, von denen einige virtuell, andere hingegen vor Ort zusammenarbeiten (Krumm et al.
2016). Drittens lässt sich die je nach Arbeitsumgebung die variierende Bedeutung von universellen Kompetenzdimensionen als auch das Auftreten kontextspezifischer Anforderungen bestimmen.
Trotz vielfältiger Handlungsempfehlungen für die Praxis gibt es bisher wenig Forschung zu den Kompetenzanforderungen, mit denen Projektleiter*innen in hochdigitalisierten Arbeitsumgebungen wie der Softwareentwicklung konfrontiert sind (Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement und Gessler
2016; Geipel
2003). Um diese Forschungslücke zu schließen, untersucht die vorliegende Studie auf Basis des Great Eight-Kompetenzrahmens, über welche Kompetenzen erfolgreiche Führungskräfte im Bereich der Softwareentwicklung verfügen (sollten). Ergänzend wird analysiert, anhand welcher Kriterien sich ihr Führungserfolg definieren lässt. Die Ergebnisse dieser Anforderungsanalyse können zur Personalauswahl und späteren Personalentwicklung von Projektleiter*innen im Bereich der Softwareentwicklung sowie bei der Umstellung auf agile Arbeitsweisen in Softwareentwicklungsteams herangezogen werden (vgl. Blickle
2019; Schmidt-Rathjens
2007).
1.1 Agile Softwareentwicklung
Um Software zu entwickeln und implementieren, arbeiten die Beschäftigten in der IT-Branche zumeist in agilen Projektteams zusammen (Tiemeyer
2010). Unter
Agilität versteht man die Fähigkeit eines Unternehmens oder einer Arbeitsgruppe, flexibel und anpassungsfähig auf Veränderungen zu reagieren (Onpulson
2018). Die agile Arbeitsmethode entstand ab Mitte der 1990er-Jahre als Reaktion auf langsame, bürokratische Prozesse, die es den Entwicklerteams nicht erlaubten, angemessen auf die steigende Geschwindigkeit zu reagieren, die das Projektumfeld und die Produktanforderungen zunehmend charakterisierte (Preußig
2015).
Festgeschrieben wurden die folgenden 12 Prinzipien der agilen Arbeitsmethode 2001 im
Manifesto for Agile Software Development, welches von einer Gruppe von 17 Softwareentwicklern und IT-Projektmanagern verfasst worden ist (Beck et al.
2001). Um (1) die Kundenzufriedenheit als oberste Priorität zu erhalten, (2) arbeiten Vertrieb und Softwareentwicklung täglich zusammen, wobei (3) dem Kunden während des gesamten Projektverlaufs in kurzen Zeitabständen lauffähige Software geliefert wird, was diesen befähigt, (4) jederzeit willkommenen Anpassungsbedarf zu melden. Es wird (5) auf unnötige Komplexität verzichtet, um die Fehleranfälligkeit und den Arbeitsaufwand zu reduzieren, während (6) der Fokus auf technischer Exzellenz und unterstützendem Design liegt. Langfristig ist agiles Arbeiten (7) nachhaltig, da Fehler kontinuierlich beseitigt und Folgeprobleme reduziert werden, was dem Kunden (8) Wettbewerbsvorteile bringt. (9) Lauffähige Software nach Kundenwünschen bildet somit das oberste Ziel und gleichzeitig den Indikator für den Projektfortschritt. Das Projektteam sollte (9) aus motivierten Personen zusammengestellt werden, die mit den benötigten Ressourcen versorgt sind und eigenverantwortlich arbeiten, was (10) einen kontinuierlichen Face-to-Face-Austausch und (11) eine regelmäßige Reflexion und Anpassung des agilen Arbeitens im Team voraussetzt. In dieser Form (12) selbstorganisiert arbeitende Teams erbringen die besten Ergebnisse.
Um die vorgestellten Prinzipien in die Praxis umzusetzen, wurden agile Vorgehensmodelle entwickelt, die sich durch eine hohe Flexibilität während der gesamten Projektlaufzeit auszeichnen (Wieczorrek und Mertens
2011). Jeder Kundenauftrag bildet dabei ein eigenes, agil gesteuertes Projekt. Die Dokumentation der Prozesse beschränkt sich auf das Nötigste. Zu Beginn wird eine Grobplanung erstellt, die auf Kundenbedürfnissen basiert, ohne die Anforderungen im Detail zu spezifizieren (Preußig
2015). Dementsprechend werden die Ziele der Umsetzung definiert, während der Weg zu deren Erreichung offenbleibt. Eine detaillierte Planung und Spezifikation erfolgt erst in demjenigen Abschnitt, in dem die jeweilige Anforderung umgesetzt wird (Eckkrammer et al.
2010). Nachdem eine Iteration abgeschlossen ist, überprüft das Entwicklerteam das Ergebnis retrospektiv (Wieczorrek und Mertens
2011). So kann dem Kunden bereits zum Ende eines Zykluses funktionstüchtige Software präsentiert werden. Änderungswünsche werden im nächsten Zyklus eingearbeitet und umgesetzt. Die einzelnen Funktionalitäten wachsen solange, bis das gesamte System vollständig funktioniert (Wieczorrek und Mertens
2011). Agile Vorgehensmodelle helfen, schnell auf fortlaufend auftretende Änderungen und Anpassungsbedürfnisse im Projektverlauf zu reagieren (Eckkrammer et al.
2010). Die dafür relevanten Entscheidungen trifft vorrangig der Kunde, der durch eine kontinuierliche Beratung von den Softwareentwickler*innen unterstützt wird (Eckkrammer et al.
2010).
1.3 Konzeptualisierung von Kompetenzanforderungen an Führungskräfte
Obwohl die agile Arbeitsweise im Bereich der Softwareentwicklung gut dokumentiert ist, bleibt bisher weitgehend unklar, über welche Kompetenzen Führungskräfte verfügen sollten, um agile Entwicklungsteams erfolgreich zu leiten (Geipel
2003). Gut dokumentiert sind hingegen Kompetenzanforderungen an Projektleiter*innen allgemein (Bohinc
2007; Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement und Gessler
2016). Im beruflichen Kontext lassen sich Kompetenzen als ein Bündel von Verhaltensweisen definieren, die dem Erreichen von arbeitsbezogenen Zielen und/oder dem Erbringen von Leistung dienen und sich hierarchisch in Form eines Kompetenzrahmens organisieren lassen (z. B. Bartram
2005; Tett et al.
2000). Ähnliche Verhaltensweisen bilden nach diesem Verständnis als kleinste Einheit beobachtbare Kompetenzfacetten, die sich auf dieselbe übergeordnete Kompetenzdimension zurückführen lassen. Die unterschiedlichen Kompetenzdimensionen clustern sich wiederum nach Ähnlichkeit in Kompetenzdomänen. Ein Satz an Kompetenzdomänen bildet auf oberster Ebene schließlich einen Kompetenzrahmen, mit dessen Hilfe sich die für ein bestimmtes Stellenprofil benötigten Kompetenzen somit bis auf die Verhaltensebene herunterbrechen lassen.
Es stehen verschiedene branchenübergreifende Rahmenmodelle zur Verfügung, um die Kompetenzanforderungen an Führungskräfte abzubilden. Die Auflösung der Kompetenzdomänen sowie der darunter gebündelten Kompetenzdimensionen variiert je nach Rahmenkonzept. Während beispielsweise im deutschsprachigen Raum viele Autor*innen Modelle mit vier Domänen (Fach‑, Methoden‑, Sozial- und Selbstkompetenz) abgrenzen (Blickle
2019; Schmidt-Rathjens
2007; Sonntag und Schaper
2006; Sonntag und Schmidt-Rathjens
2005), schlagen andere eine feingliederige Struktur mit bis zu acht Domänen vor (Bartram
2005; Tett et al.
2000).
Eines der bekanntesten Rahmenmodelle zur Abbildung von Kompetenzanforderungen an Führungskräfte bilden die Great Eight (Bartram
2005; Krumm et al.
2013,
2016), welche acht Kompetenzdomänen, 20 Kompetenzdimensionen und 112 Kompetenzfacetten hierarchisch integrieren. Tab.
1 stellt die acht Domänen mit zugehörigen Kompetenzdimensionen und Persönlichkeitskorrelaten nach Bartram (
2005) vor
1.
Leading and Deciding umfasst führungsbezogene Verhaltensweisen, die mit Verantwortungsübernahme, Zielsetzung und autonomer Handlungsinitiierung und -steuerung, auch bei anderen, zusammenhängen.
Supporting und Cooperating bündelt Verhaltensweisen, die einen unterstützenden und bedürfnisorientierten Umgang mit anderen und eine respektvolle und effektive Zusammenarbeit ermöglichen.
Interacting and Presenting charakterisiert Verhaltensweisen, die für interpersonelle Kommunikation und Networking relevant sind und beispielsweise eine aktive Beziehungsaufnahme sowie Einflussnahme auf und Überzeugung von anderen umfassen.
Analyzing and Interpreting beschreibt ein schnelles analytisches Durchdringen von Problemen, was unter anderem mit dem Einbringen/Erweitern eigener Expertise, dem Lernen neuer Technologien und geschliffener schriftlicher Kommunikation einhergeht.
Creating and Conceptualizing beschreibt Verhaltensweisen, die mit Offenheit für neue (Lern)Erfahrungen, Neugier und strategischem Denken in Verbindung stehen und das Initiieren von Veränderung und Innovation begünstigen.
Organizing and Executing bündelt Verhaltensweisen, die ein planvolles, organisiertes und systematisches Herangehen an Aufgaben abbilden, das Vorgaben berücksichtigt und mit hoher Arbeitsqualität einhergeht.
Adapting and Coping charakterisiert die problembezogene und emotionsbezogene Bewältigung von Stressoren und Rückschlägen. Die achte Domäne
Enterprising and Performing schließlich steht für Verhaltensweisen, die dem Erreichen persönlicher und vorgegebener beruflicher Ziele dienen. Aus motivationaler Perspektive schließt diese Domäne Kompetenzfacetten wie Eigeninitiative, Ehrgeiz und Begeisterungsfähigkeit für Aufgaben und deren Zielerreichung ein.
Tab. 1
Übersicht des Great Eight-Kompetenzrahmens mit zugehörigen Kompetenzdimensionen und Persönlichkeitskorrelaten nach Bartram (
2005)
Leading and Deciding: Initiates and directs action, takes responsibility, sets goals, works autonomously | Deciding and Initiating Action | Extraversion |
Leading and Supervising |
Supporting und Cooperating: Supports others, shows respect, puts people first, acts with integrity, works effectively with others | Working with People (Teamfähigkeit) | Verträglichkeit |
Interacting and Presenting Communicates and networks effectively, successfully persuades and influences others, relates to others | Relating and Networking | Extraversion |
Persuading and Influencing |
Presenting and Communicating Information |
Analyzing and Interpreting Clear analytical thinking, quickly takes on new technology, communicates well in writing; applies expertise effectively | Writing and Reporting | Offenheit für Neues |
Applying Expertise and Technology |
Analyzing |
Creating and Conceptualizing Open to new ideas and experiences, seeks learning opportunities, drives change and innovation, thinks strategically | Learning and Researching | Offenheit für Neues |
Creating and Innovating |
Formulating Strategies and Concepts |
Organizing and Executing Works in a systematic and organized way, plans ahead, follows instructions and procedures, delivers quality | Planning and Organizing | Gewissenhaftigkeit |
Delivering Results and Meeting Customer Expectations |
Following Instructions and Procedures |
Adapting and Coping Adapts and responds well to change, manages pressure, copes with setbacks | Adapting and Responding to Change | Emotionale Stabilität |
Coping with Pressure and Setbacks |
Enterprising and Performing Focuses on achieving work objectives, works best when impact of personal efforts is obvious, seeks career advancement | Achieving Personal Work Goals and Objectives | Geringe Verträglichkeit |
Entrepreneurial and Commercial Thinking |
1.4 Kompetenzanforderungen an Führungskräfte von Projektteams
Vergleicht man die Anforderungen an Projektleiter*innen und klassische Führungskräfte, so kommt den Domänen
Leading and Deciding, Supporting and Cooperating, Interacting and Presenting sowie
Analyzing and Interpreting bei den Erstgenannten eine erhöhte Bedeutung zu (Bohinc
2007; Vigenschow
2008). Einige der zugehörigen Kompetenzdimensionen und Kompetenzfacetten sind vor allem bei Projektleiter*innen im IT-Bereich relevant (Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement und Gessler
2016; Geipel
2003).
Im Projektmanagement umfasst
Leading and Deciding vor allem führungsbezogene Verhaltensweisen. Im Sinne einer Aufgabenorientierung wird von Führungskräften erwartet, projektbezogene Ziele und Visionen klar zu vermitteln, die im Projektteam anfallenden Aufgaben zu planen, deren Erledigung zu überwachen und den Mitarbeiter*innen durch Feedback regelmäßig die Qualität der Umsetzung rückzumelden. Diese Verhaltensweisen helfen Führungskräften, ihre Mitarbeiter*innen langfristig zu motivieren (Wieczorrek und Mertens
2011). Im Interesse einer verbesserten Selbststeuerung der Mitarbeiter*innen sind Führungskräfte angehalten, Entscheidungen zu delegieren, damit die Teammitglieder innen innerhalb ihres Aufgabenspektrums Detailentscheidungen eigenverantwortlich schnell und korrekt treffen können (Vigenschow
2008). Die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen an das Team wiederum erfordert ein hohes Maß an Vertrauen (Rudolph
2017). Schließlich sind Führungskräfte angehalten, auf die persönlichen Bedürfnisse der Mitarbeiter zu achten und deren berufliche Entwicklung zu fördern (Wieczorrek und Mertens
2011).
Um das Selbstmanagement und die Entwicklung der Mitarbeiter*innen aktiv zu fördern, kommt Führungskräften die Rolle eines Coaches zu (Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement und Gessler
2016; Vigenschow
2008). So sollen die Mitarbeiter*innen durch das Coaching lernen, eigene Bedürfnissee besser zu erkennen und mittel- bis langfristig die eigene Karriereentwicklung zu reflektieren und zu planen (Preußig
2015).
Weiterhin wird von Projektleiter*innen erwartet, das Team nicht nur zu führen, sondern im Sinne von
Supporting and Cooperating bedarfsabhängig Verhaltensweisen zu zeigen, die denen eines gleichberechtigten Teammitglieds entsprechen. Die Projektleitung sollte in der Lage sein, mit dem gesamten Projektteam kooperativ und respektvoll zum wechselseitigen Vorteil zusammenzuarbeiten und den Austausch innerhalb des Teams zu fördern (vgl. Schmidt-Rathjens
2007). Eine zentrale Kompetenzdimension bildet die Teamfähigkeit, die es Führungskräften ermöglicht, anpassungsfähig für übergeordnete Ziele zu bleiben, aber gleichzeitig eine kollektive Problemlösung zu ermöglichen, die Ideen aus dem Projektteam berücksichtigt (Preußig
2015). Einfühlungsvermögen und Kooperationsfähigkeit sind von Nöten, um sich in die Mitarbeiter*innen hineinzuversetzen und sie gezielt bei der Erfüllung ihrer Rolle zu unterstützen (Bohinc
2007).
In der Domäne
Interacting and Presenting benötigt ein*e Projektleiter*in vor allem eine ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit, um im Projektverlauf die interpersonelle Kommunikation mit den Mitarbeiter*innen sowie das Networking mit unterschiedlichen Stakeholdern bedarfsabhängig zu gestalten (Bohinc
2007). So sollten Führungskräfte in der Lage sein, im gesamten Projektteam eine positive Einstellung zum Projekt zu fördern, eine passende Arbeitskultur zu etablieren und zu pflegen und mit allen Mitarbeiter*innen Einzelgespräche als Vorgesetzte*r zu führen (Wieczorrek und Mertens
2011). Nach außen umfasst eine zielgerichtete Kommunikation das Präsentieren von Zwischenständen und Projektergebnissen gegenüber Kunden sowie das Verhandeln von Ressourcen mit den Auftraggebern (Bohinc
2007). Weiterhin sollten Führungskräfte in der Lage sein, konstruktiv mit Konflikten umzugehen und diese zielorientiert zu lösen, da im Projektverlauf Menschen aus verschiedenen Hierarchieebenen und Unternehmens- und Interessensbereichen sowie mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund zusammenarbeiten (Wieczorrek und Mertens
2011).
In der Kompetenzdomäne
Analyzing and Interpreting stehen wissens- und methodenbezogene Kompetenzen im Vordergrund, welche die Projektleiter*innen befähigen, sachlich-gegenständliche Probleme im Projektverlauf zu durchdringen und selbstorganisiert zu lösen. Um die fachlichen Anliegen der Mitarbeiter*innen zu verstehen, und diese zum eigenverantwortlichen Umgang mit auftretenden Problemen anzuleiten, benötigen Projektleiter*innen ausgeprägtes Fachwissen. Dieses bezieht sich oftmals auf Technologien und/oder Prozesse. Die Anwendung und Vermittlung fachlicher Expertise bildet eine Voraussetzung, um für das Projektteam die Rolle des Coaches zu übernehmen. Ergänzend wird von Projektleiter*innen erwartet, die benötigten Tools und Instrumente zu beherrschen und selbstständig zu nutzen, was sich im Kontext der Softwareentwicklung vor allem auf die agile Arbeitsweise bezieht (Vigenschow
2008).
Die beiden Kompetenzdomänen
Creating and Conceptualizing sowie Adapting and Coping bündeln Verhaltens- und Denkmuster, die für den Umgang mit Veränderungen im Projektverlauf relevant sind. Berücksichtigen die Projektleiter*innen diese Veränderungen nicht adäquat, ist der Erfolg des Projektes gefährdet.
Creating and Conceptualizing bildet kognitive Kompetenzfacetten im Sinne eines strategischen, antizipierenden Handelns ab, während sich
Adapting and Coping auf Kompetenzfacetten zur problem- und emotionsbezogenen Bewältigung bezieht. Um einen erfolgreichen Umgang mit Veränderungen zu fördern, übernimmt die Führungskraft die Rolle eines Methoden-Coaches und strategischen Leiters (Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement und Gessler
2016; Vigenschow
2008). Die Mitarbeiter*innen sollen befähigt werden, selbst Lösungen für ihre berufsbezogenen Probleme zu finden, da sie über mehr projektspezifisches Wissen als die Führungskraft bzw. Außenstehende verfügen. Zusammenfassend setzt die Rollenübernahme des Coaches somit Kompetenzfacetten in den Bereichen
Creating and Conceptualizing, Adapting and Coping sowie
Leading and Deciding voraus (vgl. Preußig
2015).
Organizing and Executing bezieht sich im Projektkontext auf planvolles Vorgehen, das die Rahmenbedingungen der
Aufgabeerledigung berücksichtigt. Beispielsweise wird von Führungskräften erwartet, das Projektteam mit benötigten Ressourcen wie Wissen, Arbeitsmittelausstattung oder Zeit zu versorgen und diese bedarfsabhängig mit den Auftraggebern zu verhandeln (Wieczorrek und Mertens
2011). Zudem müssen Führungskräfte sicherstellen, dass alle Mitarbeiter*innen über das für ihre Arbeit notwendige Wissen verfügen und bei Bedarf Schulungen initiieren (Wieczorrek und Mertens
2011). Im Kontext der Softwareentwicklung obliegt es Führungskräften zudem, die agile Arbeitsweise auch bei Problemen am Laufen zu halten (Eckkrammer et al.
2010; Wieczorrek und Mertens
2011). Für die Domäne
Enterprising and Performing sind keine Kompetenzfacetten benannt, die eine besondere Bedeutung für Projektleiter*innen erlagen.
Zusammenfassend ist bisher kontextübergreifend gut erforscht, mit welchen Kompetenzanforderungen Projektleiter*innen im Allgemeinen konfrontiert sind. Weitgehend unbekannt ist hingegen, welche Kompetenzanforderungen Führungskräfte von agilen Softwareentwicklungsteams aufweisen sollten. Um diese Forschungslücke zu schließen, untersucht die vorliegende Studie mit Hilfe des Great Eight-Kompetenzrahmens, welche Anforderungen von einer erfolgreichen Projektleitung erwartet werden und wie sich der zugehörige Führungserfolg definieren lässt. Dieses Vorgehen erschien vielversprechend, da bereits mit Hilfe der Great Eight Forschung zu den Kompetenzanforderungen an Mitglieder von Arbeitsgruppen durchgeführt wurde, die Ähnlichkeit mit agil arbeitenden Teams aufweisen. Zeichneten sich die Teams durch kulturell Diversität, hohe Eigenverantwortung, ausgeprägte Entscheidungsfreiheit und virtuelle Kommunikation aus, so kam den Domänen
Adapting und Coping und
Organizing and Executing (Krumm et al.
2013) sowie
Leading and Deciding und
Analyzing and Interpreting (Krumm et al.
2016) eine erhöhte Bedeutung zu.