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21-02-2022 | Korrosion | Schwerpunkt | Article

Wie sich Wasserstoff in Aluminiumlegierungen zähmen lässt

Author: Dieter Beste

4:30 min reading time

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Hochfeste Aluminiumlegierungen könnten im Leichtbau eine noch größere Rolle spielen. Sie sind aber anfällig für Wasserstoffversprödung. Forscher fanden heraus, welche Mechanismen dem Materialversagen zugrunde liegen und haben Ideen für eine Problemlösung.

Unter Korrosion (lat. corrodere = zernagen, zerfressen) versteht man ganz allgemein das Auftreten von qualitätsmindernden Veränderungen bei Werkstoffen durch Reaktionen mit ihrer Umgebung, die bis zur vollständigen Zerstörung der Werkstoffe und damit zum totalen Ausfall von Bauteilen, Geräten oder Anlagen gehen können. Einen Überblick über die "Korrosion von Metallen" gibt Horst Briehl in "Chemie der Werkstoffe". Besonders heimtückisch ist die Korrosion durch Wasserstoff, denn Wasserstoff ruft in Metallen Wasserstoffversprödung hervor – ein Schaden, der ohne Vorwarnung zum plötzlichen katastrophalen Versagen eines Bauteils führen kann. Anders als etwa Rost auf einem Eisenwerkstoff ist die gefährliche Wasserstoffversprödung äußerlich nicht zu erkennen.

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Wasserstoff hat die geringste Dichte aller Elemente. Das aus H2-Molekülen bestehende Wasserstoffgas ist fast 15mal leichter als Luft. In Wasser und anderen Flüssigkeiten ist Wasserstoff relativ schlecht löslich, in einigen Metallen dafür wesentlich besser: "Da sein Atom bzw. Molekül im Vergleich zu denen anderer Gase sehr klein ist, erzielt Wasserstoff bei Raumtemperatur Höchstwerte für sein Diffusionsvermögen, seine Wärmeleitfähigkeit und seine Entweichgeschwindigkeit bei gleichzeitig geringster Viskosität", beschreibt Hermann Sicius im Kapitel "Wasserstoff und Alkalimetalle: Elemente der ersten Hauptgruppe" das erste Element im Periodensystem und weist darauf hin, dass Wasserstoff selbst durch Polyethylen und glühendes Quarzglas diffundiert. Ebenfalls sehr schnell diffundiere Wasserstoff in Eisen und anderen Metallen, "was mit einer Wasserstoffversprödung des jeweiligen Metalls einhergeht." 

Nun haben Material- und Werkstoffwissenschaftler schon seit langem ihr Augenmerk auf die von Wasserstoff in Stahlwerkstoffen hervorgerufene Versprödung gerichtet, um dieses "Agens der Werkstoffschädigung", wie es Helmut Kaesche im Buchkapitel "Wasserstoff in Eisen und Stahl: Beizblasen, Innenrisse, unterkritische Rissausbreitung" nennt, zu analysieren und Lösungen für das Problem der "Rissentstehung und Rissausbreitung bei Zugbelastungen unterhalb der Bruchzähigkeit gekerbter Bauteile, oder unterhalb der Zugfestigkeit, ja sogar unterhalb der Streckgrenze, ungekerbter Bauteile" zu finden.

Im Vergleich zu Stahl seien die Auswirkungen von Wasserstoff in Aluminium noch nicht ausreichend erforscht, sagt Huan Zhao, Postdoktorandin am Max-Planck-Institut für Eisenforschung (MPIE). Schließlich wähnte man sich bei Aluminium lange Zeit auf der sicheren Seite, denn Wasserstoffversprödung ist die Folge der Einlagerung von atomarem Wasserstoff im Kristallgitter. Und dem, so Ursula Stephan und Bernd Schulz-Forberg im Kapitel "Sicherheitstechnische Kennzahlen" könne man "durch die Verwendung von Metallen mit kubischraumzentrierten Gittern, z. B. durch Verwendung von austenitischem Stahl, Aluminium und Messing, entgegenwirken." Tatsächlich ist unlegiertes Aluminium völlig unempfindlich, betont denn auch Friedrich Ostermann im Kapitel "Korrosion". Die Sensibilität von Aluminium für Wasserstoffversprödung zeige sich erst in Aluminiumlegierungen, sei abhängig von deren Zusammensetzung – und ein Phänomen "kritisch orientierter Korngrenzen".

Korngrenzen spielen eine wichtige Rolle bei der Versprödung

Huan Zhao hat nun am MPIE zusammen mit anderen analysiert, wie Wasserstoff Aluminiumlegierungen versprödet. Wie das Wissenschaftlerteam in der Zeitschrift "Nature" berichtet, fanden die Forscher erste Ansätze, diesen Effekt zu verhindern. "Da Wasserstoff das kleinste aller Elemente ist und eine geringe Löslichkeit in Aluminium aufweist, ist es äußerst schwierig, ihn auf atomarer Ebene nachzuweisen. Ob und wie viel Wasserstoff gelangt in Aluminium? Wo befindet er sich im Mikrogefüge und wie beeinflusst er die Eigenschaften? All diese Fragen waren bisher ungelöst", sagt Zhao. Die MPIE-Forscher verwendeten für ihre Studie einen hochfesten Aluminiumwerkstoff (7xxx-Aluminium), der vor allem für Strukturbauteile von Flugzeugen verwendet wird. Sie beschickten ihre Proben mit Wasserstoff und führten Zugversuche durch, die zeigten, dass die Duktilität mit zunehmender Menge an Wasserstoff abnimmt.        

Der Bruchfläche konnten die Forscher entnehmen, dass sich die Risse vor allem entlang der Korngrenzen ausbreiteten, und mit Hilfe der Kryo-Transfer-Atomsondentomographie fanden sie heraus, dass sich Wasserstoff entlang dieser Korngrenzen sammelte. "Unsere Experimente konnten zeigen, dass die Menge des Wasserstoffs an Teilchen im Inneren der Masse viel höher ist als an den Korngrenzen. Der Wasserstoff versprödet das Material jedoch nur an den Korngrenzen. Mit Hilfe von Computersimulationen konnten wir feststellen, dass der Wasserstoff von den hochenergetischen Bereichen entlang der Korngrenzen angezogen wird, was zum Versagen des Materials führt, und dass die Partikel in der Masse eher als Wasserstofffallen fungieren, die die Rissausbreitung verhindern", berichtet Poulami Chakraborty, Mitautorin der Nature-Veröffentlichung und ebenfalls Postdoktorandin am MPIE.

Intermetallische Partikel könnten eine erste Lösung sein

Da ein Eindringen des Wasserstoffs in die Aluminiumlegierung bei der Verarbeitung oder im Betrieb nicht wirklich zu verhindern sei, so die Folgerung der Wissenschaftler, komme es darauf an, seine Einschließung zu kontrollieren. Sie empfehlen verschiedene Strategien zur Verhinderung der Wasserstoffversprödung, insbesondere durch die Verwendung intermetallischer Partikel, die den Wasserstoff im Inneren des Materials einschließen können. Darüber hinaus scheint die Kontrolle des Magnesiumgehalts an den Korngrenzen entscheidend zu sein. "Magnesium in Verbindung mit Wasserstoff an Korngrenzen erhöht die Versprödung", sagt Zhao. "Gleichzeitig müssen wir die richtige Größe und den richtigen Volumenanteil der Partikel in der Masse manipulieren, um Wasserstoff einzuschließen und gleichzeitig die Festigkeit des Materials zu erhalten. Deshalb führen die Werkstoffwissenschaftler weitere Studien zur "perfekten" Partikelverteilung und zur Beseitigung der "Magnesiumdekoration" an Korngrenzen durch mit dem Ziel, schließlich zu hochfesten und wasserstoffbeständigen Aluminiumlegierungen zu gelangen.

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