18-12-2019 | Krisenmanagement | Interview | Article
"Krisensignale spürt man nicht nur in der Automotive-Industrie"
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Christoph Glaser (l.) ist Geschäftsführer beim Bildungswerk der Baden-Württembergischen Wirtschaft. Robert Narloch (r.) ist Prokurist der Apontis GmbH.
Die Automobilzulieferer in Baden-Württemberg bekommen die Krise der Autoindustrie voll zu spüren. Qualifizierung von Mitarbeitern oder Portfoliobereinigung können dagegen helfen, so Christoph Glaser und Robert Narloch im Interview.
return: Herr Glaser, Bosch hat jüngst angekündigt, wegen des Umbruchs in der Automobilindustrie rund 2.600 Arbeitsplätze abbauen zu wollen. Ist das symptomatisch für die derzeitige Situation in Baden-Württemberg?
Christoph Glaser: Ich glaube nicht, dass Bosch dazu geeignet ist, als Beispiel für die derzeitige Lage zu dienen, weil gerade dieser Konzern als Global Player die aktuelle Krise erfolgreich meistern wird. Vielmehr sollte man die Signale aus der Zulieferindustrie als Krisenanzeichen wahrnehmen und bewerten. Da melden Unternehmen schon Kurzarbeit an. Viele Zulieferer entlassen Mitarbeiter oder müssen womöglich ihre Werkstore für immer schließen. Erst vor Kurzem hat etwa der Anlagenbauer Eisenmann aus Böblingen seine Insolvenz angemeldet.
Wie beurteilen Sie hier, quasi in der Herzkammer des deutschen Mittelstandes, insgesamt die Lage?
Das Absurde ist, dass die Auftragsbücher voll sind. Und zwar bis weit in das Jahr 2020 hinein. Dennoch wissen wir nicht, was genau kommen wird. Wir wissen nur, dass wir wahrscheinlich vor einer der größten Strukturkrisen stehen, welche die deutsche Industrie jemals erlebt hat. Aufgrund der aktuellen Vollauslastung vieler Unternehmen wird uns oftmals mitgeteilt, dass man seine Mitarbeiter für eine Weiterbildung nicht freistellen kann. Überdies wissen viele Geschäftsführer und Vorstände noch nicht, wie und in welche Richtung sie ihre Mitarbeiter weiterqualifizieren sollen.
Welche Risiken beunruhigen Sie besonders, und welche Chancen stimmen Sie optimistisch?
Ich mache mir insbesondere um die Mittelständler Sorgen, die nur ein kleines und hoch spezialisiertes Produktportfolio anbieten und diese Produkte über die letzten Jahrzehnte sehr erfolgreich verkaufen konnten. Viele dieser Unternehmen stehen jetzt vor der Herausforderung, dass sie ihre Produktpalette komplett umstellen müssen. Ein Beispiel: Ein Dieselmotor besteht aus etwa 10.000 Teilen. Deshalb gibt es viele Unternehmen, die in Baden-Württemberg als Zulieferer für Dieselmotoren tätig sind. In Zukunft wird es diesen Dieselmotor in der bisher gewünschten Ausprägung jedoch nicht mehr geben. Und dann muss eine Firma plötzlich völlig neue Komponenten und Produkte herstellen. Die Chance, die wir haben, liegt in der Vielfalt völlig neuer Antriebskonzepte sowie in der Technologieoffenheit im Hinblick auf Elektro- und Wasserstoffmobilität. Die Krise birgt für Deutschland also insofern die Chance, dass vielleicht sogar mehr Arbeitsplätze in der Automobilindustrie hinzukommen. Allerdings mit anderen Voraussetzungen für Qualifizierung, Aus- und Weiterbildung.
An welchen Konsequenzen konkret können Sie Positives und Negatives verdeutlichen?
Positives liefert aktuell die Politik. Mit neuen Ideen, Gesetzesvorhaben, Fördertöpfen und Maßnahmen möchte man Unternehmen bei der digitalen Transformation helfen sowie Mitarbeiter für den Strukturwandel fit machen. Beide Akteure profitieren zum Beispiel vom Qualifizierungschancengesetz, das zum 1. Januar 2019 in Kraft trat. Das ist auch für Konzernmitarbeiter wichtig. Denn: Viele Konzerne, wie Continental, nutzen die aktuelle Krise zur Bereinigung ihres eigenen Portfolios. Die Krisensignale spürt man aber nicht nur in der Automotive-Industrie. Auch andere Branchen sind davon betroffen.
Welche Branchen sind besonders von der aktuellen Krise betroffen?
Der Wandel in der Mobilität ist nur eine Herausforderung. Wir müssen in vielen Branchen den Anschluss halten. Außerdem sind der Brexit und die fortwährende Bedrohung durch Handelskriege für die deutsche Wirtschaft ein Schlag ins Kontor. Das spüren wir vor allem bei der Chemie- sowie der Metall- und Elektroindustrie. Dennoch bin ich frohgemut gestimmt. Ob neue Mobilität, digitale Disruption oder Protektionismus – die deutsche Wirtschaft wird mit Innovationen wieder auf den Weltmärkten reüssieren. Gute Beispiele hierfür sind neue Strategien zur Batterieproduktion oder zur Künstlichen Intelligenz.
Welche Krisenanzeichen beobachten Sie, Herr Narloch?
Robert Narloch: Neben dem Anstieg der Kurzarbeit, der Kündigung von Mitarbeitern und der Zunahme von Insolvenzen beobachten wir Outplacement in Transfergesellschaften, Arbeitnehmerüberlassung und neue Formen der Personalrekrutierung im Hinblick auf den anhaltenden Fachkräftemangel.
Das vollständige Interview mit Christoph Glaser und Robert Narloch können Sie in "return - Magazin für Transformation und Turnaround", Ausgabe 6/2019 lesen.
Auf dem return Unternehmerforum am 3. und 4. März 2020 spricht Christoph Glaser zudem zum Thema "Deutschland – Geförderte HR-Transformation für Unternehmen im Umbruch".
Zum Programm und zur Anmeldung für das return-Unternehmerforum