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14-01-2025 | Kryptowährungen | Gastbeitrag | Article

Kryptohandel: Banken balancieren zwischen Chancen und Risiken

Author: Prof. Dr. Detlef Hellenkamp

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Europas Banken stehen beim Thema Kryptohandel unter Zugzwang: Kunden fordern entsprechende Services ihrer Hausbank, doch Regulierung und vielfältige Risiken erschweren eine strategische Entscheidung.

In den vergangenen Jahren war die Entwicklung von Kryptowerten, wie Bitcoin oder Ethereum, beeindruckend. Diese sind inzwischen zu einem festen Bestandteil der globalen Finanzmärkte geworden. Insbesondere im europäischen Markt stehen Geschäftsbanken vor der Herausforderung, einer zunehmend interessierten Privatkundschaft Zugang zum Kryptohandel zu bieten und damit das Risiko einer äußerst volatilen Anlageklasse zu managen. Die erst kürzlich in Kraft getretenen europäischen Vorschriften, wie die Markets in Crypto-Assets Regulation (MiCAR) und die Transfer of Funds Regulation (TFR), erhöhen die regulatorischen Anforderungen an die Kreditinstitute und erschweren deren strategische Entscheidungen. 

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Gründe und Konsequenzen einer steigenden Nachfrage

Mit den stark gestiegenen Preisentwicklungen zahlreicher Kryptowährungen ist das Interesse seitens der Privatkunden deutlich gestiegen. Die Kurssprünge, etwa beim Bitcoin, haben für Aufmerksamkeit und die Fear Of Missing Out, kurz FOMO, bei Anlegern gesorgt. Das bringt Banken zunehmend unter Druck, da Privatkunden nicht mehr nur bei Neobrokern oder auf spezialisierten Krypto-Plattformen handeln möchten. 

Diese wünschen sich die eigene Hausbank als zentralen Ansprechpartner für die gesamten Finanzangelegenheiten. Das zwingt selbst konservative Kreditinstitute dazu, sich mit dem Kryptohandel intensiv zu beschäftigen, um einer Abwanderung von Vermögenswerten entgegenzuwirken. 

Verharren in Warteposition birgt Gefahren

Noch im Jahr 2022 haben die Europäischen Aufsichtsbehörden EBA, ESMA und EIOPA vor den Gefahren von Kryptowerten gewarnt und darauf hingewiesen, dass diese für die meisten Endverbraucher als Geldanlage oder als Zahlungs- oder Tauschmittel nicht geeignet sind. Angesichts einer inzwischen seit Jahren anhaltenden Nachfrage und der Tatsache, dass ausgewählte Neobroker Millionen von Kunden gewinnen, mehren sich nunmehr auch bisher restriktive Stimmen in konservativen Bankenkreisen, im Kryptobereich aktiver zu werden.

Gleichzeitig ist das Verharren traditioneller Geldhäuser in einer Warteposition häufig keine gute Option. Verlagerungen in Richtung digitaler Anbieter können Kundenbeziehungen nachhaltig gefährden, insbesondere wenn Depot- und Gehaltskonten zu Neobrokern und Krypto-Plattformen transferiert werden.

Kundenwunsch versus Risikomanagement

Geschäftsbanken befinden sich bei ihrer Entscheidung in einem Spannungsfeld zwischen den Anforderungen ihrer Kunden und den Risiken einer sehr volatilen und teils noch jungen Anlageklasse. Zu den steigenden Erwartungen an die Beratungskompetenz für entsprechende Investments kommt das Risiko potenzieller Reputationsschäden bei starken Kurseinbrüchen und aufsichtsrechtlichen Hürden, die seit Ende 2024 erheblich gestiegen sind. 

Für Banken besteht eine wesentliche Herausforderung darin, den internen Know-how-Aufbau im Kryptobereich zu forcieren, IT-Systeme anzupassen und zugleich sicherzustellen, dass alle regulatorischen Vorschriften eingehalten werden. 

Regulierung durch MiCAR, TFR und weitere Initiativen

Eine besondere Rolle spielt der neue Regulierungsrahmen in Europa:

  • Markets in Crypto-Assets Regulation (MiCAR): Gibt Anbietern und Nutzern einen einheitlichen verbindlichen Regulierungsrahmen im Kryptobereich der EU; deren Anwendbarkeit ist seit Ende 2024 vollumfassend in Kraft. In Deutschland benötigen Banken für Kryptowerte-Dienstleistungen hiernach beispielsweise eine Erlaubnis durch die Bafin.
  • MiCAR ist ein Bestandteil des sogenannten Digital Finance Package der Europäischen Union vom 24. September 2020, die unter anderem auch Regelungen zur digitalen Betriebsstabilität umfasst (Digital Operational Resilience Act, kurz DORA).
  • Transfer of Funds Regulation (TFR): TFR (auch: EU-Geldtransferverordnung) bestimmt umfassende Geldwäschepräventions-Maßnahmen, darunter die Identitätsprüfung, -erfassung und -speicherung von Absendern und Empfängern bei Krypto-Transaktionen und ist ebenso seit Ende 2024 in Kraft. Hierdurch erhöht sich für Kryptowertedienstleister der Verwaltungsaufwand deutlich und erfordert eine dezidierte Datenhaltung.
  • DAC8-Umsetzungsgesetz: Meldepflichten bei Kryptotransaktionen werden verschärft, um die Steuertransparenz zu erhöhen. Das Kryptowerte-Steuertransparenzgesetz, kurz KStTG, wird voraussichtlich Ende 2025 wirksam. 

Die vorstehenden Regulierungspakete zielen unter anderem auf einen zunehmenden Anlegerschutz und Marktstabilität ab, erhöhen indes aber auch die Anforderungen für einen Markteintritt oder Ausbau kryptospezifischer Geschäftsmodelle. 

Bankstrategien zwischen Chance und Risiko

Kreditinstitute sind insofern angehalten, im Einvernehmen mit ihren Stakeholdern eine dem Geschäftsmodell entsprechende strategische Ausrichtung abzustimmen, beispielsweise: 
 
Intensivierte Kooperationen mit Fintechs
Angesichts einer komplexen Technik und Regulatorik können Banken partiell Partnerschaften mit Fintechs oder spezialisierten Plattformbetreibern anstreben, um ihren Kunden Kryptodienstleistungen anzubieten. Hierbei übernimmt das Fintech die technische Infrastruktur, während das Kreditinstitut sich zum Beispiel auf Compliance im weiteren Sinne und die Kundenbetreuung konzentriert. Kreditinstitute können überdies auch White-Label-Lösungen nutzen oder eine Anbindung ihrer Kernbankensysteme an Kryptobörsen ausgewählter Tech-Anbieter herbeiführen. Insbesondere für kleinere und mittelgroße Banken könnte eine solche strategische Ausrichtung einen schnelleren und kostengünstigen Einstieg anbieten.

Sorgfältige Selbstintegration
Andere Kreditinstitute, insbesondere größere Banken oder Bankengruppen, erwägen, die Funktionen für den Kryptohandel eigenständig zu integrieren, beispielsweise über einen eigenen Broker oder in Kooperation mit bankeigenen Gesellschaften. Die Institute haben hierbei den Vorteil einer höheren Kontrolle über das Angebot und den direkten Zugang zur Kundenschnittstelle. Andererseits: Das Kreditinstitut trägt das gesamte Risiko einer möglichen technischen oder strategischen Fehlentwicklung und ist desgleichen vollumfänglich verantwortlich, auf die volatilen Kursbewegungen zu reagieren.

Positionierung im Premium-Segment
Aufgrund der erhöhten Anforderungen von MiCAR und TFR bietet sich für einzelne Institute möglicherweise eine Premium-Strategie an. Hierbei könnten Kryptowertedienstleistungen nur ausgewählten Kunden angeboten werden, beispielsweise High Net Worth Individuals (HNWIs) oder Family Offices. Eine Fokussierung auf ausgewählte Kundengruppen kann dazu beitragen, Reputationsrisiken zu begrenzen, Beratungsressourcen effizient zu allokieren und zudem das Image eines innovativen und gleichzeitig seriösen Anbieters zu generieren.

Kritische Reflexion der Marktentwicklung

Die jüngsten regulatorischen Initiativen in Europa, wie MiCAR, haben einen guten Rahmen für mehr Rechtssicherheit geschaffen. Gleichzeitig bestehen indes weiterhin operative und rechtliche Herausforderungen, die das Zeitmaß einer Marktintegration bremsen könnten.

So sollten Warnsignale potenzieller Kurskorrekturen infolge geopolitischer und regulatorischer Veränderungen nicht ignoriert werden. Die politische und regulatorische Landschaft ist international zudem uneinheitlich und partiell nur schwer prognostizierbar. Hieraus könnten zusätzliche Risiken für die globale Entwicklung des Kryptosektors entstehen. Die volatilen Krypto-Märkte weisen für Kreditinstitute und Kunden dabei das Risiko aus, durch erhebliche Marktschwankungen möglicherweise nicht ausreichend vorbereitet zu sein. Der operative Handlungsrahmen in den Instituten muss deshalb klar definiert und inhaltlich präzise ausgestaltet sein, beispielsweise hinsichtlich einer: 

  • Vorausschauenden Regulierungskompetenz
    Institute sollten frühzeitig Expertenteams etablieren, welche die regulatorischen Anforderungen laufend überwachen und zeitnah in die operative Praxis übersetzen.
  • Transparenten Kommunikation
    Es ist wesentlich, die Chancen und Risiken der Kunden transparent zu kommunizieren, um Falschberatungsvorwürfen vorzubeugen und einen langfristigen Vertrauensaufbau zu gewährleisten.
  • Investition in Schulung und Technologie
    Die Komplexität der zugrunde liegenden Technologien im Kryptowerte-Kontext erfordert von den Kreditinstituten umfassende Fortbildungen im Kunden- und Betreuungsumfeld, ebenso wie stabile, skalierbare IT-Systeme.

Schlussbetrachtung

Kreditinstitute stehen diesbezüglich vor einer strategisch heiklen Entscheidung. Das zunehmende Interesse von Investoren an digitalen Vermögenswerten übt erheblichen Druck auf die traditionelle Bankenbranche aus, eine geschäftspolitische Entscheidung Pro oder Contra treffen zu müssen. Ein Markteintritt ohne eine durchdachte konsistente strategische Ausrichtung birgt dabei ebenso bedeutende Risiken wie das passive Zuwarten.

Eine anhaltend wachsende Nachfrage sowie eine zunehmende Marktakzeptanz sprechen allerdings dafür, dass digitale Vermögenswerte sich langfristig als integrative Bestandteile im Produktportfolio des Bankensektors etablieren. Das hieraus resultierende Spannungsfeld bleibt indes herausfordernd und erfordert aktive Managemententscheidungen in den Instituten.

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