Die Kurse vieler Kryptowährungen haben deutlich Federn gelassen. Dennoch können institutionelle Blackrock-Kunden seit Sommer in einen Bitcoin-Fonds des Vermögensverwalters investieren. Auch für andere Finanzdienstleister bietet das Segment trotz der Turbulenzen Chancen - sofern die Strategie stimmt.
Bitcoin, Ethereum und anderen Kryptowährungen verloren seit Januar fast zwei Drittel an Wert. Und eine nachhaltige Trendwende ist derzeit nicht in Sicht. Verantwortlich für die Talfahrt ist unter anderem die Zinswende der Zentralbanken. "Steigende Zinsen bedeuten für risikobehaftete Investments, wie es Kryptowährungen nun mal sind, nichts Gutes", schrieb Gastautor Andreas Belocerkov bereits im Frühjahr 2022 auf Springer Professional. Auch wenn Kryptowährungen ihren Hype unter anderem ihrer dezentralen Charakteristik zu verdanken haben, zeige sich, "dass sie dennoch nicht vom globalen Finanzgeschehen und -markt entkoppelt sind".
Laut Statista.de verzeichnete der Bitcoin bis September ein Minus von 59,5 Prozent. Bei Ethereum belief sich der Kursrutsch seit Jahresbeginn sogar auf 64,1 Prozent. Tether verlor 13,2 Prozent, Ripple (XRP) 42,3 Prozent und die Währung der Kryptobörse Binance (BNB) 49,4 Prozent. Nur USD Coin legte seit Januar um 16,5 Prozent zu.
Anleger scheuen die volatilen Kryptomärkte
Gerade Anleger scheuen vor diesem Hintergrund zunehmend ein Investment in diese Anlageform. Allerdings scheinen solche Vorbehalte nicht unbedingt für die ganz großen Player an den Kapitalmärkten zu gelten: So bietet zum Beispiel der US-amerikanische Vermögensverwalter Blackrock seit Mitte August 2022 seinen institutionellen Kunden über einen Fonds an, in Bitcoin zu investieren. Zwar erwies sich der damit ausgelöste Aufwärtstrend der Kryptowährung nicht als dauerhaft. Dennoch könnte dieser Schritt andere Finanzdienstleister veranlassen, in diesem Bereich ebenfalls aktiv zu werden.
Laut der Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners liegen in der aktuellen Krise durchaus Chancen für Banken. "Über 300 Millionen Menschen weltweit nutzen Kryptowährungen. Die Zahl der Wallets wird aller Voraussicht nach weiter rasant ansteigen, solange kein flächendeckendes regulatorisches Verbot, wie etwa seit 2021 in China, eintritt“, begründen Partner Max Biesenbach und Banking-Experte Simon Grabbe ihre These. Daran partizipierten Banken bislang kaum.
"Noch immer liegen schätzungsweise ein bis zwei Billionen US-Dollar außerhalb des Bankensystems in Kryptowährungen." Der kollektive Verlust an potenziellen Gebühren- und Spread-Einnahmen für das globale Bankensystem gehe laut Experteneinschätzungen in die Milliarden. Zudem erwarteten immer mehr Wertpapierkunden von ihren Instituten, dass sie Investitionen in Kryptowährungen und dazugehörige Beratungsdienste anbieten.
Die Rolle digitaler Assets im Finanzökosystem
Lange haben Finanzinstitute auf der ganzen Welt das Thema Kryptowährungen sehr vorsichtig oder sogar skeptisch betrachtet, doch mittlerweile investieren einige Institute selbst gezielt in diese Vermögenswerte. […] Manche Länder wie El Salvador akzeptieren Kryptowährungen sogar als gesetzliches Zahlungsmittel. Angesichts dieser Trends und Veränderungen spielen digitale Assets eine zunehmend wichtige Rolle im globalen Finanzökosystem", schreibt Hagen Pollmüller, DACH Regional Strategy Director bei One Span, einem US-amerikanischen Unternehmen für Cyber-Sicherheitstechnologie, in der Zeitschrift "Bankmagazin" (Ausgabe 9 | 2022).
Trotz der starken Kursschwankungen der vergangenen Monate bleibt Sebastian Warnke, Geschäftsführer der Boerse Stuttgart Digital Exchange, gelassen. "Kurseinbrüche von 40 bis 80 Prozent hat es bei Bitcoin (BTC) regelmäßig gegeben. Dies ist auch kein Phänomen, welches nur bei Kryptowerten zu sehen ist", erläuterte der Experte in einem Gespräch mit Springer Professional aus dem September. Die Gruppe Börse Stuttgart sei von der Zukunft von Kryptowerten überzeugt. "Blockchain und andere Distributed Ledger-Technologien werden unsere Welt verändern", betonte Warnke.
Einstieg in Kryptoangebote will gut überlegt sein
Finanzunternehmen stellt sich laut Biesenbach und Grabbe die Frage, mit welchen Produkten und Geschäftsbereichen die Einführung eines Krypto-Angebots am sinnvollsten ist. Hierzu müssten die Banken vier zentrale Fragen beantworten:
- Welches Produkt und welcher Geschäftsbereich eignen sich am besten für die Einführung eines Krypto-Angebots? "Hier gilt es zu überlegen, ob beispielsweise die Bereitstellung von Wallets im Bereich Vermögensverwaltung, das Trading mit Kryptos im Bereich Retail oder die Tokenisierung von Vermögensgegenständen im Bereich Corporate und Investment Banking forciert werden sollen."
- Äußert die Zielkundenbasis einen wirtschaftlich relevanten Bedarf an Krypto-Angeboten? "Eine deutsche Privatbank schätzte kürzlich einen kurzfristigen Mittelzufluss von zehn Millionen Euro Volumen in eine neu aufzulegende Asset-Klasse - ein zu geringer Umfang für ein profitables Geschäftsmodell."
- Sollen Kunden direkt oder indirekt in Kryptos investieren können?
- Make, buy, or partner? Entsprechende Angebote lassen sich zum Beispiel über strategische Partnerschaften realisieren.
Auch wenn die Fokussierung auf Krypto zum jetzigen Zeitpunkt wenig sinnvoll erscheinen mag, bieten sich Banken aktuell besondere Chancen, meinen die Experten. "Talente sind verfügbar und Kryptounternehmen offen für Partnerschaften."