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29-07-2020 | Künstliche Intelligenz | Schwerpunkt | Article

Die rechtlichen Grenzen von People Analytics

Author: Michaela Paefgen-Laß

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Unternehmen, die mit Künstlicher Intelligenz das Potenzial ihrer Mitarbeiter analysieren, bewegen sich rechtlich auf dünnem Eis. Zwar setzt die betriebliche Mitbestimmung People Analytics im Idealfall Grenzen, aber auch Arbeitgeber sind gefordert, so ein Gutachten.

Weg vom Bauchgefühl oder langwierigen Personaldebatten und hin zu einer Personalarbeit, die diskriminierungsfrei, objektiv, effektiv und ressourcenschonend entscheidet: Software-Anwendungen aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) sind im HR-Management auf dem Vormarsch. Selbstlernende Algorithmen verarbeiten Daten über die Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern. Die Ergebnisse, die sie liefern, entscheiden über Weiterbildung und Karriere. 

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Algorithmen sind es, die in Recruitingprozessen, Bewerber vorsortieren, weil sie an soften Auswahlkriterien wie Wortwahl und grammatikalischen Gewohnheiten im digitalisierten Vorgespräch die Passung zur Unternehmenskultur abgeglichen haben.  Algorithmen "verflüssigen die Qual der Wahl beim Entscheiden; in der Weise, dass sie zügig, diskret und ohne soziale Konfrontation zu Ergebnissen gelangen", kritisierte Spektrum-Autor Marcel Schütz in der Kolumne "Zeitdiagnosen"


Algorithmen desozialisieren Personalentscheidungen

Schütz befürchtet die zunehmende Desozialisierung von Entscheidungen und macht auf eine paradoxe Konsequenz der Datenfütterung von Maschinen durch den Menschen aufmerksam: "Der Mensch assistiert der Maschine beim Assistieren des Menschen." Das wirft ethische und rechtliche Fragen auf. Denn Mitarbeiter oder Bewerber haben am Ende der Kette keinen Einfluss darauf, welche ihrer Daten eingespeist und von den Algorithmen zu ihren Gunsten oder Ungunsten verrechnet werden. 

Datenmissbrauch und verletzte Persönlichkeitsrechte sind damit Tür und Tor geöffnet. Wie das zu verhindern ist und wie  Mitarbeitende die Hoheit über ihre Daten behalten können? Der Betriebsrat muss mitbestimmen, schreibt Rechtswissenschaftler Peter Wedde. In seinem Gutachten für das von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Forschungsprojekte "Automatisiertes Personalmanagement und Mitbestimmung" unter der Leitung von Algorithmwatch stellt er Forderungen an Wirtschaft und Gesetzgebung.

People Analytics ist eine Datenkrake

Das Erfassen und Auswerten von Mitarbeiterdaten unterscheidet sich vor dem Gesetz nicht von den Richtlinien zur Videoüberwachung, erklärt Wedde. Aus Urteilen darüber lässt sich ableiten, was People Analytics im Personalmanagement darf und was Arbeitnehmer sich nicht gefallen lassen müssen. Gemessen werden Umfang sowie Art und Weise der Datenerfassung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. 

Nicht alles was geht, ist auch erlaubt, sondern nur "was einerseits aus objektiver Sicht erforderlich ist und was andererseits von mehreren Alternativen diejenige ist, die am wenigsten in das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten eingreift". Ferner sind Arbeitgeber verpflichtet, ihre Beschäftigten über die Funktionsweise der eingesetzten KI-Systeme verständlich, nachvollziehbar und offen zugänglich zu informieren. Das setzt allerdings voraus, dass HR-Verantwortliche und Führungskräfte die eingesetzten Systeme mit allen Möglichkeiten und datenschutzrechtlichen Fallstricken selbst voll umfänglich verstehen. 

Personaler brauchen Statistik- und Datenanalyse-Know-how

Der Herausforderung von People Analystics oder Predictive Analytics ist jedoch, dass Beschäftigten im Personalmanagement statistische Kenntnisse auf hohem Niveau abverlangt werden. Und genau daran mangelt es in den Abteilungen, finden die Springer-Autoren Felix Wirges, Marlene Ahlbrecht, und Anne-Katrin Neyer. Sie zählen zu den Anforderungen an HR-Verantwortliche  grundlegende Kenntnisse in Datenanalyse, multivariaten Analysemethoden oder der quantitativen Datenerhebung (Seite 13). 

Hat sich Personalarbeit in der Vergangenheit mit Menschen beschäftigt, sind es in künftig Zahlen, Daten und digitale Tools, die den Alltag bestimmen. Hinzu kommt jenseits der Datenerfassung die sozialpsychologische Betrachtung sowie die ethische Fragestellung. Die Autoren fordern deshalb, Jobprofile in der HR-Arbeit sowie den Ausbau des gesamten Bereiches neu zu denken: "Die Voraussetzung für die Etablierung von HR-Analytics ist die Bereitschaft der Mitarbeiter, den Kenntnisstand zu digitalisierten Personalfunktionen auszuprägen und für zukünftige Technologien offen zu sein" (Seite 15).

Mitbestimmung schützt Persönlichkeitsrechte

"Nichtwissen" und laxer Umgang und mit modernen Technologien und datenschutzrechtlichen Ansprüchen sind für Unternehmen rechtlich riskant. Arbeitnehmer müssen die ausgewählte KI sowie die eingesetzten Algorithmen kennen um transparent über alle  Daten und Rechenwege Auskunft geben können. Andernfalls hebeln sie die Schutzrechte der Arbeitnehmer und das im Betriebsverfassungsgesetz verankerte Recht auf Mitbestimmung bei der Auswahl von IT-Systemen, die Verhalten aufzeichnen und kontrollieren, aus.  Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte empfiehlt Wedde den Ausbau bestehender Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte durch den Gesetzgeber:

  1. Die Einführung eines gesetzlichen Beweisverwertungsverbots für widerrechtlich erlangte Informationen.
  2. Arbeitgeber sollen gesetzlich ausdrücklich verpflichtet werden, nur solche Techniken einzusetzen, deren Funktionsweise sie detailliert kennen.
  3. Betriebsräte müssen einen externen Sachverständigen nach eigener Wahl hinzuziehen können, wenn es um KI geht und es braucht ein Mitbestimmungsrecht zum Datenschutz.

Wenn Algorithmen zunehmend eingesetzt werden, um Leistung zu beurteilen, stellt sich abschließend die Frage nach dem was Leistung eigentlich ist. Kann Leistung objektiv und ohne soziale Konfrontation überhaupt erfasst und ausgewertet werden? Nach Ansicht von Springer-Autor Michael Treier spiegelt sich Leistung in der Personalbeurteilung nicht nur in der individuellen Zielerfüllung und Ergebnissen wider. Leistung ist relativ, dynamisch und sowohl im Verhalten als auch den persönlichen Eigenschaften verortet. "Empirische Forschungen kommen zum Schluss, dass berufliche Leistung ein mehrdimensionales Konstrukt darstellt. Das bedeutet in der Praxis, dass man auch verschiedene Zugänge zur Leistungsbeurteilung einrichten muss, um die unterschiedlichen Faktoren abzubilden" (Seite 238).

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