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29-06-2020 | Leadership | Schwerpunkt | Article

Happy together? Wie Führung im Doppelpack gelingt

Author: Michaela Paefgen-Laß

4:30 min reading time

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Sharing ist in. Alles wird geteilt: Das Auto, die Wohnung, das Essen und selbst die vorlesenden Großeltern. Teilen sich Chef und Chefin aber einen Job, hören Skeptiker es im Gebälk knirschen.

Auf dem Roten Teppich der diesjährigen Berlinale will Philipp Bovermann, Autor bei der "Süddeutschen Zeitung", beobachtet haben, wie das künstlerische Leitungsteam der Filmfestspiele Aufgabenteilung an der Mann-Frau-Doppelspitze offenbar versteht und augenscheinlich repräsentiert: Die Frau stehe lächelnd daneben während der Mann die Geschichten erzähle. Dem voraus geht ein Spiegel-Interview mit den Tandem-Partnern Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian, in dem Chatarian freimütig betont, "Mariette hielt mir den Rücken frei". 

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2019 | OriginalPaper | Chapter

Die Lösung

Kernfaktoren für die Umsetzung von Teilzeit-Führung in Unternehmen

Führen in Teilzeit funktioniert. Auch die Umsetzung ist möglich, wie diverse Unternehmen in Deutschland, Schweden und Dänemark bereits beweisen. Für eine erfolgreiche Etablierung sind unterschiedliche Faktoren entscheidend.

Wenn Duos an die gemeinsame Arbeit gehen, tragen sie die Beweislast. Können Alltagsgeschäft und Geschlechtergerechtigkeit einander standhalten, oder  bekommen "schöne Ideen einen Knacks", wie der SZ-Autor schreibt. Warum eigentlich? Was vielleicht auf dem Roten Teppich zu beobachten war und wie darüber berichtet wurde, wirft nämlich auch ein Licht auf die Wahrnehmung von Führung im Doppelpack - vor allem, wenn sie divers besetzt ist.

Keine "bessere Hälfte" in modernen Führungsduos

Die Vorannahme ist, dass Aufgaben ungleich verteilt werden, weil die Beteiligten sich von tradierten Rollenbildern nicht lösen können. Eine Momentaufnahme wird entsprechend nicht mehr neutral betrachtet und bewertet, sondern aufgrund von eigenen Denkmustern interpretiert und möglicherweise verzerrt. Wie sich gemischte Duos intern organisieren, absprechen und vielleicht auch nach außen inszenieren, ist die eine Sache. Eine andere ist, dass sie Beobachtern ausgesetzt sind, die ihre Urteile selbst wieder aufgrund von verinnerlichten Klischees und Stereotypen fällen. Top Sharing wird als Arbeitszeitmodell der Zukunft gehandelt. Zwei Führungskräfte der gleichen Hierarchiestufe teilen sich die Arbeitszeit und die gemeinsamen Managementaufgaben. In der Unternehmenswirklichkeit scheitert das Modell weniger an den strukturellen Hindernissen, als an der Angst vor Statusverlust, Karriereeinbußen oder Spott.

 "Wer steht schon gerne im Mittelpunkt, nicht wegen der guten Zusammenarbeit, sondern weil etwas umgesetzt wurde, was rechtlich zwar möglich ist, menschlich aber noch zu wenig akzeptiert wird? ", hinterfragen die Springer-Autorinnen Silke Katterbach und Kerstin Stöver die Theorie der Teilzeitführung (Seite 122). Für die Arbeitsmarktforschung ist das Thema noch recht jung, erste Studien zeigen aber, dass Sharing auf Führungsebene sowohl die Kultur in Organisationen als auch deren Ergebnisse positiv beeinflusst. Geteilte Führung steigert die Mitarbeiterproduktivität um 18 Prozent und die produktive Energie um 13 Prozent, fanden die Initiative Top Job und die Universität St. Gallen in der 2018 veröffentlichten New Leadership Studie heraus. 

Modelle der geteilten Führung nach Katterbach/Stöver (Seite: 108ff)

Kadermodell: Führungsposition in Teilzeit plus Assistentenstelle

Top Sharing: Zwei Führungskräfte teilen sich eine Managementposition und -aufgabe.

Top Splitting: Führungsaufgaben werden auf zwei Führungskräfte in Teilzeit verteilt.

Bei Top Sharing Vorurteile statt Vorbilder

Für eine Job-Sharing Studie, im November 2019, durchgeführt von The Jobsharing Hub und dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, gaben 149 Jobsharer aus zehn Dax-Unternehmen, darunter 77 Prozent mit Führungsverantwortung, Auskunft. Ihr Fazit: In 95 Prozent der Tandems stimmt die Atmosphäre und die gegenseitige Abstimmung funktioniert. Akzeptiert über alle Unternehmensebenen hinweg, fühlen sich 80 bis 90 Prozent der Befragten. Aber 36 Prozent der Frauen und 56 Prozent der befragten Männer fürchten auch, dass Shared Leadership sich auf Dauer negativ auf die Karriere auswirkt. "Das deutet darauf hin, dass Jobsharer und Jobsharerinnen aktuell noch mit einigen Vorurteilen zu kämpfen haben", schreibt Studienautorin Svenja Christen. 

Damit sich Ansichten ändern, müssen sich zunächst die Erfahrungen von Menschen ändern. Von Vorbildern, sogenannten Role Models, umgeben zu sein, die einem ähnlich sind, kann einen positiven Einfluss darauf haben, was man für sich selbst als möglich erachtet. (Springer-Autorin Sabine Hockling über Diversität als Geschäftsgrundlage, Seite 59)

Wie kommen Doppelspitzen zusammen?

Springer-Autorin Esther Himmen stellt in den Ergebnissen ihrer 2019 publizierten Top-Sharing-Studie  zwar eine große Zustimmung von Führungsveranwortlichen beiderlei Geschlechtes fest, dem stehe aber ein enormes Informationsdefizit entgegen. Ihre Online-Befragung von 146 Personen, die aktuell eine Führungsposition ausüben oder eine solche anstreben ergab, dass 67 Prozent der Befragten an Führung in Teilzeit zwar "sehr interessiert" bis "eher interessiert" sind, aber rund zwei Drittel der Befragten auf keine Rollenvorbilder (Seite 123) zurückgreifen und deshalb nicht von bereits gemachten Erfahrungen profitieren können. Den hohen Zustimmungsgrad interpretiert die Autorin dahingehend, dass Top Sharing die karrierehemmenden Nachteile der klassischen Teilzeitführung - eine Teilzeitführungskraft pro Führungsposition - aufheben (Seite 111) kann. Unternehmen liefert die Studie folgende Handlungsempfehlungen (Seite 117 ff):

  • Top-Sharing-Angebote sind transparent zu halten, um Informationsdefizite zu vermeiden.
  • Kommunikationsaktivitäten müssen der Stigmatisierung in Richtung Mütter und Kinderbetreuung vorbeugen.
  • Die Führungsriege unterstützt und akzeptiert das Teilzeitmodell uneingeschränkt.
  • Den Sharing-Partnern steht ein gemeinsamer Arbeitsraum mit zwei getrennten Plätzen und modernen Kommunikationstools zur Verfügung.
  • Top Sharing wird als sanktionsfreier Karriereschritt angeboten und zielt darauf, den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen.
  • Top Sharing wird genutzt um den Wissenstransfer zu sichern, Altersinklusion zu fördern und älteren Führungskräften den Übergang in den Ruhestand zu erleichtern.
  • Bei der Auswahl der Partner ist auf Kompetenzergänzung zu achten.
  • Damit Matchings gelingen, sollten die Top Sharing-Partner einen Einfluss auf die Auswahl ihres Gegenübers haben, sich vorab kennenlernen und sympathisch finden.
  • Top Sharing braucht begleitende Coaching-Maßnahmen.

Fazit: Top Sharing kann eine offene, wertebasierte und motivierende Unternehmenskultur fördern, die Inonvationsfähigkeit ankurbeln und Gender Diversity auf Führungsebene erhöhen. Dafür muss aber intern wie extern Schluss sein mit alten Klischees, denn "die hebeln die Wirtschaft in Zukunft aus" (Katterbach/Stöver, Seite 107). Selbstverständlich gilt das auch für die Sharing-Partner.

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